»Die Recovery ist jetzt auf dem Schirm«, meldete die kühle, präzise Stimme Commander Pulvers vom Platz des Captains her.
Reese drehte sich zum Schirm um, und ihre Kinnlade sackte ein wenig nach unten, als das mächtige Evakuierungsschiff auf seine vorgesehene Position zwischen den beiden Sternenschiffen manövrierte. Sie hatte zwar Modelle des Rettungsschiffs gesehen, doch erst jetzt, als die gewaltige Masse den Raum zwischen den Sternenschiffen ausfüllte, vermochte die Kadettin die tatsächliche Größe des Raumers abzuschätzen. Sowohl die Paladin wie auch die Starhawk wirkten wie Kolibris, die neben dem Monsterschiff schwebten. Einer der Senior-Offiziere, ein rothaariger Mann mit sorgfältig gestutztem Schnurrbart, pfiff bewundernd.
»Eine akkurate Einschätzung«, bemerkte Sonak, der vulkanische Wissenschaftsoffizier, »sofern ich Ihre Reaktion als anerkennend beurteilen darf, Mr. Sandover. Die Recovery ist die erste ihrer Art, eine wahrhaft einzigartige Unternehmung.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor er hinzufügte: »Genau wie dieser Moment. Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die obere rechte Ecke des Schirms richten, werden Sie dort drei Schiffe erkennen. Eines ist klingonisch, eines romulanisch … und das dritte gehört den Tholianern. Eine höchst außergewöhnliche Zusammenkunft.«
Reese starrte in stummem Staunen auf das Bild: Neben einer plumpen klingonischen Bird-of-Prey schwebte ein schlankerer, eleganterer romulanischer Warbird; zwischen den beiden hing wie ein Sperling unter zwei Falken das kleine, dreieckige tholianische Schiff. Es war eine Sache, feindliche Schiffe bei den Übungen an der Akademie zu erkennen, doch etwas ganz anderes, sie leibhaftig vor sich zu haben.
»Gut gesagt, Mr. Sonak«, erklang Captain Romolos volltönende Stimme aus der Richtung des Turbolifts.
Das gesamte Brückenpersonal wandte sich in seine Richtung und nahm augenblicklich Haltung an, als ein Mann mit Admiralstressen an der Uniform hinter dem Captain aus dem Lift trat. Reese war so in den Anblick der Recovery vertieft gewesen, dass sie nicht einmal das Öffnen der Lifttüren bemerkt hatte.
In dem kurzen Moment, bevor Romolo den Besucher vorstellen konnte, dämmerte es Reese, um wen es sich handelte. Er trug Admiralstressen. Dieses gutaussehende, offene Gesicht unter dem brünetten Haar, diese haselnussbraunen Augen, das konnte nur …
»Sieht so aus, als wäre unser Timing perfekt«, bemerkte Romolo und warf einen Blick auf die Uhr. »Die Recovery ist genau dort, wo sie sein soll. Das heißt, die Simulation beginnt in etwa fünfzehn Minuten. Ich darf Ihnen allen Admiral James T. Kirk vorstellen.« Romolo bewegte sich entlang des oberen Brückenbereichs, um Kirk mit seinen Offizieren bekanntzumachen. »An der Navigation haben wir Mr. Leandro Sandover …«
Der Captain ging langsam weiter, um Kirk Gelegenheit zu geben, sich mit Namen und Funktionen der Besatzungsmitglieder vertraut zu machen.
Die ganze Zeit über zwang sich Diksen, in aufrechter Haltung und mit durchgedrückten Knien stehenzubleiben, obwohl sie einen ausgeprägten Fluchtreflex verspürte. Sie hatte alles über Kirk gelesen, was sie in die Finger bekommen konnte, und nun war er hier. Der größte Sternenschiff-Captain, den die Föderation je hervorgebracht hatte. Hier. Sie blinzelte und merkte, dass der Captain an ihrer Station angekommen war. Dass er im Begriff war, sie Kirk vorzustellen. Ihr Gehirn mühte sich, diese Tatsache zu verarbeiten.
»An der Kommunikationsstation haben wir Kadett Reese Diksen«, sagte Romolo. »Es ist ihr erster Einsatz im All.« Der Captain bedachte sie mit einem warmen Lächeln. »Ich weiß nicht, wie viel Zeit Ihnen bleibt, um sich über die Vorgänge an der Akademie auf dem Laufenden zu halten, Sir, aber Diksen hat in diesem Jahr den vulkanischen Preis für herausragende Leistungen gewonnen.«
Reese hatte das Gefühl, als hätte jedes einzelne Blutmolekül beschlossen, sich auf den Weg zu ihren Ohrenspitzen zu begeben. Nein. Nein. Er wird doch dem Admiral nicht davon erzählen …!
Kirks Augenbrauen hoben sich anerkennend. »Tatsächlich? Meinen Glückwunsch, Diksen. Sie sind erst der vierte Mensch, der diesen Preis gewonnen hat.«
Ich weiß, wollte sie sagen, doch kein Wort drang über ihre Lippen. Sie waren der erste.
»Worum ging es in Ihrer Arbeit?«, fragte Kirk.
Sie öffnete den Mund, doch zum ersten Mal in ihrem Leben blieb sie sprachlos.
»Um Sie, Admiral«, erklärte Romolo fröhlich. Kirk drehte sich überrascht zu ihm um, und Reese betete zu Göttern, von denen sie gar nicht gewusst hatte, dass sie an sie glaubte, er möge sie nicht noch einmal ansehen. Doch genau das tat er, als Romolo fortfuhr: »Sie hat den Preis für eine Arbeit gewonnen, in der sie den politischen Wert der Ersten Direktive gegen die praktischen Implikationen abwog. Sie hat Ihre Erfahrungen, Ihre Schwierigkeiten bei der Befolgung der Ersten Direktive als Beleg für die Probleme benutzt, denen sich die Captains von Sternenschiffen gegenübersehen, wenn sie versuchen, diese Philosophie in praktische Handlungen umzusetzen.«
Wie oft hatte Reese sich gewünscht, ihre Untersuchung mit ihm zu diskutieren? Hundertmal, tausendmal hätte sie ihn fragen mögen, weshalb er diese Entscheidung getroffen hatte statt jener, weshalb ihm dieser Weg aussichtsreicher erschienen war als ein anderer. Doch jetzt, als diese Möglichkeit bestand, wollte sie sich einfach nur hinsetzen, wieder zu Atem kommen und versuchen, nicht in Ohnmacht zu fallen.
»Ich bin beeindruckt, Kadett«, erklärte Kirk in aufrichtig klingendem Ton. »Ich bedaure, dass ich nicht genug Zeit hatte, um bei den Berichten der Akademie auf dem laufenden zu bleiben, aber ich versichere Ihnen, sobald ich zurück bin, werde ich mir Ihre Studie ansehen. Wenn die Vulkanier sie so hoch einschätzen, muss sie in der Tat interessant sein.« Er lächelte, und ein Funkeln trat in seine braunen Augen. »Ich hoffe, Sie haben meine Karriere nicht ausgerechnet wegen meiner wohlbekannten … Probleme bei der Befolgung der Ersten Direktive ausgewählt.«
Ihre Augen weiteten sich. »O nein, Sir, nein, ganz im Gegenteil!« Sie begriff, dass sie dicht davor stand, nur noch sinnloses Zeug zu brabbeln, und biss sich in die Innenseite der Wange, um ihre sich überschlagenden Emotionen zu zügeln. »Es ist nur … Ihre Aufzeichnungen sind das beste Beispiel für die Schwierigkeiten, denen sich jeder Captain im aktiven Dienst gegenübersieht, der versucht, der Ersten Direktive zu folgen.«
Plötzlich hingen die Worte aktiver Dienst wie etwas zwischen ihnen, das besser nicht erwähnt wurde. Ein Schatten schien über Kirks Gesicht zu huschen, doch er fing sich sofort wieder.
»Ihre Akte, Sir«, sagte Diksen, die sich wieder ganz in der Gewalt hatte, mit fester Stimme, »ist etwas, aus dem jeder Captain viel lernen kann – und das war der Grund, weshalb ich sie ausgewählt habe.«
Romolo schmunzelte über ihre unbekümmerte Ehrlichkeit, und etwas verspätet erkannte sie, dass ein anderer Captain ihre Aussage als beleidigend hätte empfinden können.
»Ich fühle mich geschmeichelt, Diksen«, meinte Kirk. »Vielleicht finden wir Gelegenheit, uns noch einmal darüber zu unterhalten.«
»Jawohl, Sir«, murmelte sie. »Danke, Sir.«
Als der Captain und Kirk weitergingen, hörte sie, wie Romolo dem Admiral erzählte: »Sie hat auch den Kobayashi Maru als Beste ihrer Klasse abgeschlossen.«
Aber ich habe das Szenario nicht überlistet, dachte sie verärgert. Seit Kirk eine Möglichkeit gefunden hatte, die Programmierung zu verändern, waren die Sicherheitsvorkehrungen bei dieser Simulation zusätzlich verstärkt worden.
Dann stellte Romolo Mr. Sonak, den Wissenschaftsoffizier, vor. Sonak stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen an der Wissenschaftsstation. Reese beobachtete, wie Kirk augenblicklich die gleiche Haltung einnahmen, statt die Hand auszustrecken, wie er das bei den menschlichen Mitgliedern der Crew getan hatte. Vulkanier schüttelten Hände, wenn es unbedingt sein musste, doch es war bei ihnen nicht üblich, und sie wusste, dass die meisten der Berührungstelepathen den Kontakt mit den nichtabgeschirmten Gedanken von Menschen als unangenehm empfanden. Kirk neigte den Kopf respektvoll vor Sonak, als der Captain sie einander vorstellte, trat jedoch nicht näher an den Vulkanier heran. Dabei entging Reese nicht die leichte Veränderung in seinem Ausdruck.
Sie war kaum wahrnehmbar und beschränkte sich hauptsächlich auf seine Augen, doch Reese hatte den Eindruck, dass die Begegnung mit Sonak Erinnerungen an all die Jahre wachrief, in denen Kirk mit dem Vulkanier Spock zusammengearbeitet hatte. Sonaks Züge glichen denen eines jeden Vulkaniers mittleren Alters, dem sie bisher begegnet war, so sehr, dass sie sich mitunter fragte, wie vulkanische Frauen sie auseinanderhalten konnten. Er hatte das gleiche schwarze Haar mit den in die Stirn gekämmten kurzen Fransen, wie sie die Vulkanier bevorzugt trugen, und die gleichen braunen Augen, die sie von Spocks Bildern her kannte. Auch Größe und Statur waren ähnlich, und Reese wusste, dass sich die Körpersprache von Vulkaniern so sehr glich, dass es fast schon unheimlich war. Sonak war jünger als Spock, doch bei Vulkaniern zwischen dreißig und hundert spielte das kaum eine Rolle.
Während Reese Kirk studiert hatte, hatte sie auch eine Menge über seine Crew erfahren, insbesondere über seine engsten Mitarbeiter, seinen Ersten Offizier, Mr. Spock, und den Arzt Dr. McCoy. McCoy hatte Starfleet ziemlich abrupt nach dem Ende der Fünf-Jahres-Mission verlassen – aus Gründen, die sie nie hatte herausfinden können – doch noch verblüffender war das Schicksal von Spock. Er hatte Starfleet ebenfalls verlassen und schien dann verschwunden zu sein. Sie hatte keinerlei Informationen über ihn gefunden, in keiner Akte, nirgendwo. Sie fragte sich, ob Kirk Bescheid wusste, und ob dieses Wissen seine Begegnung mit Sonak beeinflusste. Reese beobachtete die Interaktion zwischen den beiden Männern mit einem voyeuristischen Interesse, das sie selbst überraschte.
»Mr. Sonak«, fragte Kirk, »dienen Sie schon lange zusammen mit Captain Romolo?«
»Drei Jahre, zehn Monate, zweihundertzwölf Tage, sechs Stunden und …«
»Ja«, unterbrach Kirk, bevor der Vulkanier auch noch die Minuten und Sekunden aufzählen konnte. Dann lächelte er, und wieder war sein Blick dabei voller Wärme. »Ich … habe mit einem vulkanischen Wissenschaftsoffizier an Bord der Enterprise zusammengearbeitet.«
»Ja, Sir«, erwiderte Sonak. »Sie haben zusammen mit Spock gedient, der zugleich Ihr Erster Offizier war. Seine Karriere war hervorragend. Er dient uns anderen als Vorbild. Sein Verständnis menschlicher Wesen, ihrer Kultur und sogar ihres Humors war bemerkenswert.« Sonaks Ausführungen klangen fast enthusiastisch – jedenfalls für einen Vulkanier.
Kirk nickte. »Ich muss zugeben, die Erfahrung, mit einem Vulkanier zusammenzuarbeiten, war ausgesprochen … faszinierend.« Der Anflug eines Grinsens huschte über seine Lippen; er wirkte wie ein Mann, der sein Leben lang darauf gewartet hat, diesen besonderen Ausdruck zu benutzen.
Sonak zog fast amüsiert eine Augenbraue hoch, als Romolo Kirk zum Sessel des Captains führte, neben dem sein Erster Offizier noch immer in vorschriftsmäßiger Haltung stand. Pulver war so kühl und konzentriert wie immer – kein Haar lag am falschen Platz, und in ihren eisblauen Augen war nicht die geringste Spur von Nervosität zu entdecken.
Als der Captain die beiden vorstellte, streckte Kirk seine Hand aus und sagte: »Commander, Ihre Karriere ist mir durchaus bekannt. Soweit ich weiß, steht Ihnen mittlerweile ein eigenes Kommando zu.« Diksen musste zugeben, dass Pulver weitaus mehr wie der Captain eines Sternenschiffes wirkte als der fröhliche Romolo. Allerdings würde sie ihrer Besatzung auch einiges abverlangen.
Pulver nickte einmal kurz, wobei ihr schulterlanges Haar leicht nach vorne schwang. Diksen war überrascht, dass es sich überhaupt bewegen konnte, da die Frau ansonsten den Eindruck machte, sie sei aus Stein gemeißelt. »Das ist richtig, Sir, und ich habe diese Möglichkeit einer ernsthaften Prüfung unterzogen«, bestätigte Pulver.
»Mir graut schon vor ihrer Beförderung«, erklärte Romolo mit bühnenreifem Flüstern. »Wenn sie mich tatsächlich verlässt, um ein eigenes Schiff zu kommandieren, dann muss ich mich wirklich wie ein Captain benehmen. Und diese Aussicht begeistert mich ehrlich gesagt nicht gerade!«
Die beiden Männer grinsten; Pulver reagierte auf das Kompliment, indem sie ihren Mundwinkeln gestattete, sich leicht nach oben zu bewegen – soweit Diksen das beurteilen konnte, kam ihr Gesichtsausdruck damit einem Lächeln näher als je zuvor.
»Falls Sie mal den Wunsch haben sollten, über Ihre Entscheidung zu diskutieren, Commander, steht Ihnen meine Tür immer offen«, versicherte Kirk.
»Oh, vielen Dank, Admiral«, sagte sie und klang dabei tatsächlich geschmeichelt.
»Sehr schön!«, meinte Romolo. »Wie ich sehe, Admiral, werden Sie und meine Brückencrew hervorragend miteinander auskommen!« Er wandte sich seinem Stab zu und sagte: »Der Admiral hat freundlicherweise angeboten, mich für kurze Zeit zu vertreten.«
Reese zuckte zusammen, als sie diese Worte vernahm. Kirk würde das Kommando über die Paladin übernehmen? Jeder auf der Brücke schien über diese Wendung überrascht zu sein, und selbst die ansonsten unerschütterliche Pulver blinzelte ein paar Mal, bevor sie ihre Haltung wiedergewann.
»Commander Pulver«, fuhr Romolo fort, »Sie übernehmen natürlich das Kommando, während der Admiral als … hilfreicher Beobachter auf der Brücke bleibt.«
Als Beobachter? Reese konnte es kaum glauben. Der größte Captain aller Zeiten würde einfach nur herumstehen und zuschauen, wie Pulver ihre kurzen und knappen Kommandos gab?
»Sie alle wissen ja, was während der Simulation von Ihnen erwartet wird«, meinte Romolo leutselig. »Zeigen wir also dem Admiral, wozu ein gutes Team fähig ist.« Er drehte sich zu Kirk und schüttelte ihm die Hand. »Nochmals vielen Dank, Sir.«
»Es ist mir ein Vergnügen, Captain«, sagte Kirk, und Reese kam es so vor, als würde er das auch tatsächlich so meinen.
War es möglich, dass sie recht gehabt hatte? Hatte die Admiralität nicht das gehalten, was sich Kirk davon versprochen hatte? Aber wie sollte sich auch ein Schreibtischjob je mit der Fünf-Jahres-Mission der Enterprise vergleichen lassen können?
Romolo verließ die Brücke mit raschen Schritten. Pulver bewegte sich mit einer Spur von Unsicherheit zum Sessel des Captains hinüber und schaute dabei Kirk forschend an.
»Bitte«, sagte der Admiral, an die gesamte Mannschaft gerichtet, »es ist zwar nur eine Simulation, aber sie dürfte trotzdem ziemlich schwer zu bewältigen sein, wenn Sie weiterhin in Hab-acht-Stellung bleiben.« Er lächelte, und tatsächlich schienen sich die meisten ein wenig zu entspannen. »Rühren, und gehen Sie wieder an Ihre Positionen.«
Zögernd folgte die Crew seiner Anweisung, doch lediglich Sonak schien in der Lage zu sein, seine Arbeit sofort und offenbar unbeeindruckt wieder aufzunehmen. Doch wann hatte sie es schon erlebt, dass der Vulkanier die Fassung verlor?
Während Reese sich zwang, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Pult zu richten, bemühte sie sich gleichzeitig, nicht an den Mann zu denken, der ziellos auf der Brücke umherspazierte, als befände er sich zum ersten Mal in einer derartigen Umgebung. Doch es wollte ihr nicht gelingen. Es geschah, es geschah wirklich. Sie diente unter Kirk! Das war wie …
Sie wäre vor Schreck beinahe aufgesprungen, als Josiahs Stimme plötzlich in ihr Ohr flüsterte. Dann begriff sie, dass die Stimme aus dem Empfänger kam, den sie an ihrem Ohr befestigt hatte. Sie berührte ihr Pult, um den Empfang zu verbessern. Was wollte er nun schon wieder?
»Bist du ihm inzwischen begegnet?«, zischelte Ngo. Ohne Zweifel befand er sich noch im Maschinenraum und machte von dort aus diesen irregulären Anruf. Ihm würde klar sein, dass sie nicht viel antworten konnte. Und Reese wusste sehr genau, wen Josiah mit ›er‹ meinte.
»Hmhm«, antwortete sie so leise wie möglich. Es war keineswegs ungewöhnlich, dass ein Kommunikationsoffizier mit gedämpfter Stimme direkt über die Pultverbindung sprach. Schließlich wurde nicht jeder, der den Captain sprechen wollte, auch wirklich zu ihm durchgestellt. Eine gewisse Vorauswahl zu treffen, gehörte ebenfalls zu ihren Aufgaben.
»Hier unten war er sehr freundlich«, berichtete Josiah. »Ist er schon wieder weg?«
»Nhnh.«
»Immer noch auf der Brücke, was? Na, dann starr ihn nicht an, und pass auf, dass deine Ohren nicht rot werden!«
Reese blickte finster auf ihr Pult. Beide Ratschläge kamen zu spät, um ihr noch zu nutzen.
»Kirk hat mich für das Shuttle eingeteilt«, erzählte Josiah. Seine Stimme war von Begeisterung erfüllt, von der früheren Unsicherheit war nichts mehr zu merken.
Reese freute sich mit ihm. Leise fragte sie: »Kommst du damit klar?«
Es folgte eine so lange Pause, dass Reese schon unruhig wurde. Schließlich sagte Josiah mit einem Seufzen: »Ja, mir geht's gut. Wir tragen schon unsere Anzüge und warten nur noch auf den Startbefehl.«
»Irgendwelche Ahnungen?« Das war ein stehender Begriff zwischen ihnen. Josiah hatte sie beide mehrfach allein aufgrund seiner Instinkte gerettet. Er schien zu wissen, wenn irgend etwas – üblicherweise etwas Mechanisches – kurz vor dem Versagen stand.
»Nein. Alles bestens. Aber ich mache jetzt besser Schluss. Wir sind auf Bereitschaftsalarm.«
»In Ordnung. Viel Glück!« Diksen unterbrach die Verbindung. Es kam ihr so vor, als würde jemand sie beobachten, und sie fürchtete schon, wenn sie sich jetzt umdrehte, würde sie Kirk entdecken, der ihr über die Schulter sah. Als sie aufblickte, war es jedoch Sonak, der sie mit ausdrucksloser Miene beobachtete. Sie fragte sich, ob die feinen Ohren des Vulkaniers wohl das Wort ›Ahnungen‹ aufgeschnappt haben mochten. Während sie noch überlegte, ob sie irgend etwas sagen sollte, drang eine andere Stimme an ihr Ohr. Diksen richtete sich ruckartig auf. Es war die Recovery.
»Captain. Ich meine, Admiral … ich meine, Commander …« Sie hielt völlig verwirrt inne und versuchte herauszufinden, welche Anrede korrekt war und an wen sie sich überhaupt richten sollte. Dabei half es ihr keineswegs, dass Kirk nicht weit von ihr entfernt stand und sie lächelnd beobachtete.
Pulver drehte sich in ihrem Sessel und bedachte sie mit einem frostigen Blick. »Ja, Diksen?«
Sie schluckte und bemühte sich um Haltung. »Commander, wir werden von der Recovery angefunkt.«
»Sehr gut, Diksen«, sagte die britische Offizierin. »Auf den Schirm, bitte.«
Dr. Mola führte Leonard McCoy in einen großen, hörsaalähnlichen Raum, der mit einem Podium, einem mächtigen Bildschirm und aufsteigenden Sitzreihen für die Zuhörer ausgestattet worden war. Die meisten der fünfzig Repräsentanten der FDRA waren bereits anwesend, weshalb Pille und Angelina sich Plätze in einer der hinteren Reihe suchten.
»Dr. Shulman will zusätzliche Erklärungen zu dem abgeben, was das Schiff während der Simulation tut«, erklärte die Ärztin.
Leonard nickte. Er versuchte, sich nicht durch das Wissen ablenken zu lassen, dass sich nicht weit entfernt – zumindest nicht nach den im All üblichen Entfernungsbegriffen – ein Mann befand, den er einst als seinen engsten Freund betrachtet hatte. Ein Mann, mit dem er seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesprochen hatte. Ein Mann, von dem er angenommen hatte, ihm nie wieder zu begegnen. Warum machte ihm die Angelegenheit dann jetzt so zu schaffen?
Plötzlich betrat Shulman – als letzter – den Raum. Er bewegte sich so natürlich zum Podium hinüber, dass es schien, als gehöre er dorthin. Doch trotz seines leichten Schrittes wirkte der Konstrukteur des Schiffes auf Leonard zerfahren, und McCoy überlegte, ob er wohl nach der Simulation Gelegenheit haben würde, den Mann einem diagnostischen Check zu unterziehen.
»Somit kommen wir also nach Zotos Vier«, begann Shulman ohne weitere Vorrede, »dem letzten Test der Recovery.« Er berührte einen Schalter am Podium, worauf der Bildschirm zum Leben erwachte und den dunstverhangenen Planeten zeigte.
Die Kamera der Recovery erfasste auch die beiden Sternenschiffe, die neben ihr schwebten. McCoy überlegte kurz, auf welchem sich Jim jetzt aufhalten mochte, und verdrängte diesen Gedanken dann wieder.
»Dieser Planet«, fuhr Shulman fort, »der von einer dichten, fast undurchdringlichen Atmosphäre bedeckt ist, hat vor vierundzwanzig Stunden ein schwaches Notsignal gesendet. Ohne Einflussnahme meinerseits hat die Recovery das Signal aufgefangen und sich auf den Weg gemacht. Und nun wird sie, ebenfalls ohne Unterstützung durch mich, die Evakuierung von Zotos Vier durchführen.«
Und mit diesen Worten nahm Shulman auf einem Sessel vor den Zuhörern Platz, der für ihn freigehalten worden war.
»Und was nun?«, fragte McCoy Mola.
»Sie müssen abwarten und aufpassen!«, mahnte sie ihn.
Plötzlich hörte McCoy, wie ein Com-Kanal geöffnet wurde, und zwar so deutlich, als stände er direkt neben Uhuras Pult. Die weibliche Computerstimme der Recovery erfüllte die Luft.
»Wissenschaftliche Station Dreizehn auf Zotos Vier, hier ist das Rettungsschiff Recovery – können Sie mich hören?«
Für eine Weile erfolgte keine Reaktion, und so wiederholte das Schiff den Ruf. Schließlich, bevor es die Botschaft nochmals wiederholen konnte, war statisches Knistern zu hören, und die Darstellung auf dem großen Schirm änderte sich. Das neue Bild war von Interferenzen unterbrochen und nicht besonders deutlich, doch statt des rotierenden Planeten zeigte es jetzt das Abbild eines hellhaarigen Terraners.
»Wir hören Sie, Recovery.«
»Die Evakuierung kann auf Ihr Zeichen hin beginnen«, sagte das Schiff. »Ist das Personal vorbereitet?«
Das Bild stabilisierte sich etwas; McCoy erkannte in dem Mann den Leiter des wissenschaftlichen Teams auf Zotos Vier, Alain Devereaux. »Alle sind optimal vorbereitet«, erklärte Devereaux.
»Die Evakuierung wird nach folgendem Muster durchgeführt«, verkündete das Schiff. »Als erstes die Gesunden, dann die Verletzten, dann die Toten.«
Das ergab durchaus Sinn, dachte der Doktor. Die Gesunden konnten sich um die Kranken kümmern, sobald sie eintrafen.
»Zuletzt«, erklärte das Schiff weiter, »beamen wir die Ausrüstung hoch, gefolgt von den Gebäuden. Die Gesunden werden weitere Instruktionen erhalten, sobald sie an Bord eintreffen.«
»Gebäude?«, fragte McCoy überrascht.
»Das Schiff kann Gebäude hochbeamen«, versicherte ihm Mola, »doch es besteht keine Notwendigkeit, sie an Bord des Schiffes zu rekonstruieren. Die Muster werden in einem speziellen Replikator gelagert.«
»Hier ist das FDRA-Schiff Recovery«, fuhr das Schiff fort, »ich grüße die U.S.S. Paladin und die U.S.S. Starhawk. Sie befinden sich in Reichweite einer Notfall-Evakuierung. Falls es sich als notwendig erweisen sollte, können Sie um unterstützende Maßnahmen gebeten werden.«
Plötzlich tauchte auf der linken Seite des Bildschirms die Brücke der Starhawk auf, während das Zentrum weiterhin das von Zotos Vier gesendete Bild zeigte. Bei der Person im Kommandosessel handelte es sich nicht um den Captain, sondern höchstwahrscheinlich um den Ersten Offizier. McCoy war darüber nicht weiter überrascht. Er wusste, dass Captains Simulationen für ausgesprochen langweilige Unternehmungen hielten. Jim hatte es an Bord der Enterprise üblicherweise Spock überlassen, sich mit dergleichen abzugeben.
Die attraktive eurasische Frau auf dem Kommandosessel der Starhawk erwiderte den Gruß des Schiffes. »Hier ist die Starhawk, Recovery. Wir haben Ihre Nachricht empfangen und stehen zur Unterstützung bereit. Und Ihnen, Dr. Shulman, wünschen wir viel Glück.«
Von seinem Platz vor dem Auditorium erwiderte Shulman den Gruß mit einem Nicken.
Ein Teil des Bildes auf dem Schirm änderte sich und zeigte nun die fast identische Brücke der Paladin. McCoy schnappte unwillkürlich nach Luft, als eine nur zu vertraute Gestalt neben dem Kommandosessel sichtbar wurde.
Jim Kirk, gekleidet in seine graue Admiralsuniform. Der Doktor starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Schirm, wo Kirks breites Grinsen zu verstehen gab, dass er sich ausgesprochen wohl fühlte.
Die Frau neben ihm auf dem Platz des Captains sagte mit präziser Betonung: »Und hier ist die Paladin, Recovery, ebenfalls bereit und in Erwartung Ihrer Anweisungen. Auch wir möchten Dr. Shulman, Dr. Mola und allen Vertretern der FDRA unsere besten Wünsche übermitteln.«
Die Abbilder der beiden Brücken hingen Seite an Seite auf dem Schirm vor McCoys ungläubigen Augen, als er die überlebensgroße Gestalt Kirks anstarrte. Der Anblick löste einen akuten Anfall von Heimweh in ihm aus; zum ersten Mal seit mehr als einem Jahr erkannte er, wie sehr er seinen alten Freund vermisste – und das Leben an Bord der Enterprise, trotz all seines Geredes darüber, wie froh er wäre, nicht mehr zur Flotte zu gehören. Und zugleich empfand er auch wieder jenes Gefühl von Ärger und Frustration wie an jenem Tag bei Starfleet, als er Nogura erklärt hatte, dass Jim auf die Brücke der Enterprise gehörte, und nicht an einen Schreibtisch im Hauptquartier.
Selbst jetzt wirkte Jim fehl am Platze, als er neben Commander Pulver stand – und ohne Zweifel war er seit seiner Beförderung keinem Kommandosessel mehr so nahe gekommen. McCoy war sich ziemlich sicher, dass Kirks begeisterte Miene auf seine Anwesenheit auf der Brücke zurückzuführen war – mochte sie auch noch so kurz sein.
»Was macht er denn dort?«, flüsterte McCoy entgeistert.
»Er muss Captain Romolo vertreten«, wisperte Angelina in sein Ohr. Sie hielt kurz inne, musterte McCoys Gesichtsausdruck und sagte dann: »Keine Sorge, er kann Sie nicht sehen.«
McCoy zuckte sichtlich zusammen und wandte sich ihr mit betretener Miene zu.
»Er sieht höchstens die Offiziellen in der ersten Reihe«, erklärte Mola verständnisvoll. »Hier hinten wird er Sie nicht entdecken.«
Zum ersten Mal in seinem Leben fehlten McCoy die Worte. Er schaute seine alte Mentorin an, während sie prüfend sein angespanntes Gesicht musterte, und begriff, dass er nichts sagen musste, dass sie auch so alles verstand.
Ihre dunklen Augen drückten Sympathie aus. »Mir war nicht klar, dass die Dinge so zwischen Ihnen beiden stehen. Es tut mir leid, Leonard. Ich weiß, Sie waren einmal gute Freunde. Und es tut weh, gute Freunde zu verlieren.«
Er war nicht in der Lage zu antworten, so schluckte er nur und wandte sich wieder dem Schirm zu, unfähig, den Blick von Kirks lächelndem, entspanntem Gesicht abzuwenden.
Kein Wunder, dass du lächelst, Jim, dachte er bitter. Auf einer Brücke zu stehen, war das einzige, was dich je wirklich glücklich gemacht hat …
Er betrachtete Kirk prüfend. Abgesehen von der anderen Uniform hätte er sich genauso gut auf der Brücke der Enterprise befinden können. Bei der Frau auf dem Kommandosessel musste es sich um den Ersten Offizier handeln. Dann blinzelte McCoy ungläubig, als er bemerkte, dass ein Vulkanier an der Wissenschaftsstation saß. Er musste sich zwingen, ein verwirrendes Déjà-vu-Gefühl zurückzudrängen.
Die neben ihm sitzende Angelina versteifte sich plötzlich. McCoy folgte ihrer Blickrichtung und sah Shulman, der von seinem Platz aufgesprungen war. Die ganze Haltung des Wissenschaftlers verriet seine innere Anspannung.
»So, Sie sind also ganz vorn dabei, was, Kirk?«, rief Shulman zum Bild des Admirals hinauf. »Ich hätte ja erwartet, Sie würden die ganze Sache in Ihrem komfortablen VIP-Quartier aussitzen! Oder sind Sie hier, um das von Ihnen erhoffte Scheitern der Recovery aus erster Hand mitzuerleben?«
Angelina erhob sich abrupt. »Entschuldigen Sie mich«, murmelte sie und eilte nach vorne, ohne weiter auf McCoy zu achten.
Mehrere der Offiziellen in der ersten Reihe hatten sich vorgebeugt und flüsterten miteinander. Was ging da vor? War Shulman so empört über Kirks Bericht, dass er nicht einmal mehr den Anblick dieses Mannes ertragen konnte?
In wenigen Sekunden hatte Angelina die erste Reihe erreicht und verlangsamte ihren Schritt. Ganz offensichtlich wollte sie nicht, dass Kirk bemerkte, wie sie an Shulmans Seite stürmte. Mit gelassenen Bewegungen trat sie neben Shulman, als könne allein ihre Anwesenheit die Situation entspannen.
Noch bevor Kirk etwas sagen konnte, sprang eine Frau, die unter den Ehrengästen der ersten Reihe gesessen hatte, von ihrem Platz auf. McCoy erkannte in ihr die recht berühmte Katastrophenspezialistin Dr. Chia Noon. »Sie vergreifen sich im Ton, Dr. Shulman!«, erklärte die kleine indische Frau. »Admiral Kirks sorgfältige Untersuchung der anfänglichen Mängel der Recovery hat uns vor kostspieligen Fehlern bewahrt. Und wer hat wohl ein größeres Recht, dieses Projekt zu hinterfragen, als jener Mann, der sich mit dem M-5-Debakel auseinandersetzen musste?«
Der Mann neben Dr. Noon sagte: »Einen Moment, Chia, jetzt sind Sie aber auf dem Holzweg …«
Lieber Himmel, dachte McCoy, gleich geht sich die ganze Versammlung gegenseitig an die Kehle! Jim, du bringst doch sicher genug Charme auf …
»Bitte, meine Damen und Herren!«, rief Angelina, doch es war Kirks Stimme, die wieder eine gewisse Ordnung in die streitende Gruppe brachte.
»Dr. Shulman«, sagte Kirk in besonders sanftem Ton, »nur ein Narr würde Ihnen zu diesem Unternehmen kein Glück wünschen.« Er entfernte sich ein paar Schritte vom Kommandosessel, als wolle er sich jeglichen Anscheins von Autorität entledigen. Seine außerordentlich besonnenen Ausführungen besänftigten die Gemüter, als er fortfuhr. »Die Recovery stellt die ganze Hoffnung für die Opfer unvorhersehbarer Katastrophen dar. Weshalb sollte ich ihr Versagen wünschen?«
Shulmans Hände waren zu Fäusten geballt, und seine ganze Haltung drückte Aggressivität aus, als er einen Schritt vorwärts machte und bereit schien, Kirk auch physisch herauszufordern. »Natürlich um zu beweisen, dass Sie recht hatten. Es gibt niemand in diesem Raum, der nicht weiß, wie Sie über autonome Computer denken, über ein Schiff, das selbständig arbeiten und sich sogar selbst verteidigen kann …« Shulmans Stimme wurde immer schriller, bis sie sich in irrationaler Wut überschlug.
McCoy konnte deutlich sehen, dass Kirks geliehene Brückenmannschaft beunruhigt auf diese Auseinandersetzung reagierte, genau wie auch die Offiziere an Bord der Starhawk. Er empfand Mitgefühl für seinen alten Freund. Ist das die Art von bürokratischem Bullenreiten, mit dem du dich bei Starfleet auseinandersetzen musst, Jim? Und wenn es so ist, wie schaffst du es dann, jemals etwas Sinnvolles zu erledigen?
Angelina packte Shulmans Arm, doch der Wissenschaftler schüttelte sie ab.
»Seien Sie fair, Dr. Shulman«, mahnte Kirk und blieb dabei so ruhig, dass selbst McCoy beeindruckt war. »Ich bin nicht der einzige, der die Notwendigkeit in Frage gestellt hat, ein Rettungsschiff mit modernsten Waffen auszurüsten.«
»Defensivwaffen!«, brüllte Shulman. »Zur Verteidigung!«
»Ja, natürlich«, stimmte Kirk ruhig zu. »Defensivwaffen.«
»Ich bin froh, dass Sie hier sind, Kirk«, erklärte Shulman hämisch. »Weil nämlich Dr. Noon recht hat, sehr recht. Und Sie sollen ruhig erfahren, dass die Recovery ohne Sie nicht das Schiff geworden wäre, das sie jetzt ist. Ohne Sie und Ihren verdammten Bericht hätten die diversen zerstrittenen Rettungsorganisationen, die meine Arbeit unterstützen, nie diese starke Koalition gebildet, die wir jetzt haben.«
McCoy schnaubte leise. Es war ihm nur zu bewusst, dass sich Mola, Shulman und die verschiedenen Organisationen, aus denen sich die FDRA zusammensetzte, ständig gegenseitig an die Kehlen gingen. Wie sie es geschafft hatten, so lange zusammenzuarbeiten, bis aus diesem Projekt tatsächlich ein raumtüchtiges Schiff geworden war, würde ihm ein ewiges Rätsel bleiben.
Als wolle er die skeptischen Gedanken des Doktors beantworten, verkündete Shulman: »Wie Sie sehen, Kirk, fällt es leicht zusammenzuarbeiten, wenn man einen gemeinsamen Feind hat.«
Kirk schob das Kinn vor. McCoy versuchte sich vorzustellen, wie Jim sich bei dieser Kampfansage fühlen musste, die nicht nur vor seiner Brückencrew und der Mannschaft des anderen Sternenschiffes ausgesprochen wurde – sondern auch im Angesicht von drei feindlichen Schiffen! Schauen Sie nur, Dr. Shulman – jetzt haben Sie es geschafft! Jetzt wird er wütend …
»Ich glaube, Dr. Shulman«, sagte Kirk mit tödlicher Ruhe, »jemanden, der nicht mit Ihren Ansichten übereinstimmt, als Feind zu bezeichnen, ist etwas übertrieben.«
Dr. Mola trat, das Gesicht Kirk zugewandt, vor Shulman und hinderte den Forscher so an weiteren Äußerungen. »Admiral … bitte verzeihen Sie Dr. Shulman seine emotionalen Reaktionen in Bezug auf ein Projekt, das so viel Einsatz von ihm verlangt hat. Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich genau wie alle anderen Vertreter der FDRA Ihre Anwesenheit hier begrüße. Der heutige Erfolg der Recovery wird von ihrem bedeutendsten Herausforderer bezeugt werden – und ohne einen Herausforderer hätten wir den hohen Standard kaum erreicht, den wir jetzt vorweisen können. Wir alle schulden Ihnen unseren Dank.«
»Sprechen Sie gefälligst nur für sich selbst, Mola«, blaffte Shulman wütend. »Und Sie, Kirk, passen Sie gut auf! Schauen Sie sich an, um wie viel effizienter und sicherer die richtige Maschine im Vergleich zu den schwächlichen und ineffektiven Anstrengungen der Menschen ist!« Abrupt setzte sich der Wissenschaftler und verschränkte die Arme. Sein ganzer Körper war angespannt vor Zorn.
Das Kinn noch immer vorgereckt, wählte Kirk seine Worte mit peinlicher Sorgfalt. »Dr. Shulman, Dr. Mola, ich meine, was ich gesagt habe. Ich hoffe auf den Erfolg der Recovery.«
Als hätte das Schiff erkannt, dass jetzt der rechte Zeitpunkt gekommen war, um die gespannte Atmosphäre zu lockern, meldete die Recovery ihre nächste Aktion. »Ich beginne damit, die Besatzung von Zotos Vier heraufzubeamen.«
Der mittlere Teil des Schirms veränderte sich abrupt, als das Bild der nebelverhangenen Atmosphäre des Planeten durch die Darstellung eines Raums ersetzt wurde, der ähnliche Ausmaße aufwies wie jener, in dem sich McCoy aufhielt. Er erinnerte sich an seine Aufgabe als unabhängiger Beobachter und zwang sich, den Blick von Kirk abzuwenden, um statt dessen den neuen, unmöblierten Saal zu betrachten. Plötzlich begannen dort Gestalten zu materialisieren, Dutzende von Gestalten, weit mehr als ein Sternenschiff selbst unter Einsatz all seiner Transporterplattformen auf einmal hätte bewältigen können. Jede der Gestalten war mindestens drei Meter von der nächsten entfernt, so dass keine Gefahr einer Überschneidung der Regeneratorstrahlen bestand. Außerdem beendeten alle diese Gestalten ihre Materialisation zur gleichen Zeit, wodurch ausgeschlossen wurde, dass jemand unglücklicherweise in das Feld einer anderen Person hineinlief. McCoy erkannte rasch, dass mehr Personen gleichzeitig in den großen Raum gebeamt wurden, als er zählen konnte.
Dr. Mola begab sich zum Podium und lenkte die Aufmerksamkeit aller auf sich.
McCoy hatte den Eindruck, dass sie für Dr. Shulman einsprang, der noch immer auf seinem Platz hockte und Kirk finster anstarrte. »Da Zotos nur eine Belegschaft von zweihundert Wissenschaftlern aufweist, hat die Recovery sie alle auf einmal an Bord gebeamt – abgesehen von ein paar Stabsmitgliedern, die geringfügiger medizinischer Behandlung bedürfen. Hätte es sich um einen voll erschlossenen Planeten gehandelt, wäre das, was Sie soeben miterlebt haben, in hundert weiteren Hangars dieser Größe geschehen, und zwar gleichzeitig.«
Selbst McCoy war beeindruckt. Er schaute zu Kirk hinüber, der, wie es aussah, ebenfalls überrascht war.
Wieder erklang die Stimme des Schiffes, doch diesmal richtete sie sich an die gerade ›geretteten‹ Menschen. »Es gibt vier Individuen, die medizinischer Fürsorge bedürfen. Wer von Ihnen kann bei der Versorgung assistieren?«
Zwei der Wissenschaftler von Zotos Vier gaben sich als Ärzte zu erkennen.
»Dann werden Sie beide«, erklärte der Computer, »sowie die fraglichen Individuen direkt zur Krankenstation gebeamt.«
Kaum hatte der Computer geendet, wurden die beiden Ärzte, ein Mann und eine Frau, auch schon fortgebeamt. Abermals wechselte das Bild auf dem Schirm und zeigte nun die Krankenstation, wo sechs Personen materialisierten. Erstaunlicherweise materialisierten vier von ihnen direkt auf den Diagnosebetten. So was nennt man Präzisionsarbeit!, dachte McCoy.
Für einen Moment vergaß er sogar Jim, der noch immer überlebensgroß auf dem Bildschirm zu sehen war, während er zuschaute, wie die Recovery für die vier Menschen in der Krankenstation Diagnosen erstellte, Behandlungen verordnete und sie ihren unterschiedlichen Leiden entsprechend versorgte. Dann wandte sich Jim um und sprach mit dem Vulkanier hinter ihm, und allein diese einfache Handlung brachte zu viele Erinnerungen für den Doktor zurück.
Es schien keinen Sinn zu haben, noch weiter an längst überholten Phantasievorstellungen zu leiden. McCoy erhob sich und schlug den Weg zum hinteren Ausgang ein. Immerhin würde er dieses Szenario weit besser beurteilen können, wenn er sich dort aufhielt, wo er hingehörte: in der Krankenstation.
In der Hangarbucht Vier näherte sich Riley dem Shuttle mit einer Mischung aus Erwartung und Furcht. Obwohl ihn die Begegnung mit Anab noch immer mit Unbehagen erfüllte, hatte doch die mit dem Anlegen und Überprüfen der Raumanzüge verbundene Prozedur die Erinnerung an seine Zeit auf der Enterprise wieder wachgerufen – allerdings nicht an jene von Zweifel und Schuldgefühlen geplagten Tage, nachdem eine seiner Entscheidungen zum Tod eines Kollegen geführt hatte, sondern an die Zeit davor, als er noch voller Optimismus und Begeisterung gewesen war.
Auf der anderen Seite fühlte er sich durch Anabs Gegenwart tatsächlich gehemmt. Während er auf das Shuttleschiff Grace Hopper zuging, schloss Anab, ihren Helm unter den Arm geklemmt, zu ihm auf. Hinter ihnen näherte sich der Kadett, der sie begleiten sollte; sie sprach schnell und so leise, dass nur Riley sie hören konnte.
»K.T. …«
Er sah sie an und versuchte gleichzeitig den Schmerz zu ignorieren, den der alte Spitzname auslöste, den nur sie benutzt hatte.
Ihre geschwungenen Lippen verzogen sich zu einem schwachen Grinsen. »Das kommt davon, wenn wir beide versuchen, uns gegenseitig aus dem Weg zu gehen. Ich habe mich freiwillig als Senior-Offizier für das Shuttle gemeldet, weil es davon an Bord der Paladin zu wenige gibt.«
Er gab einen Laut von sich, der nicht direkt ein Lachen war, aber seine Dankbarkeit für ihren Versuch, die Spannung zu brechen, ausdrückte. »Und so sitzen wir jetzt in einem Boot. Ich wollte, Romolo würde seine Akten ein wenig genauer lesen.«
»Nun, auch wenn es vielleicht nicht ganz angenehm ist …« Sie senkte die Lider ein wenig, um seinem Blick auszuweichen. »Es tut gut, dich wiederzusehen.«
»Ja, das finde ich auch«, sagte er, auch wenn es nur halb der Wahrheit entsprach. Dann verstummte er, als der Kadett, ein junger Mann, der ebenso groß und geschmeidig war wie Anab und auch die gleichen somalischen Züge und die dunkelbraune Haut aufwies, sie am Einstieg des Shuttles einholte.
Anabs Ton wurde augenblicklich professionell. »Commander Riley, das ist Kadett Josiah Ngo. Er wird Ihr Navigator sein.« Sie deutete auf den Pilotensitz.
Riley drehte sich zu ihr. »Nein, danke … ich überlasse Ihnen die Ehre, Lieutenant. Es ist schließlich Ihr Auftrag; ich bin nur als Beobachter hier. Soweit es mich betrifft, haben Sie immer noch das Kommando.«
»Nun, wenn ich das Kommando habe – mit allem schuldigen Respekt, Sir«, sagte Anab so formell, als wäre ihre Beziehung nie mehr gewesen als die zwischen zwei Offizieren unterschiedlichen Ranges, »unser ursprünglicher Plan bestand darin, dass ich zwei Kadetten überwache, von denen einer als Pilot und der andere als Navigator arbeitet. Der Captain hat seine Befehle nicht revidiert, und mit Ihrer Erlaubnis würde ich die Simulation gerne wie geplant fortführen.«
»Schön. Es ist sicher am besten, sich so nah wie möglich an den Originalplan zu halten.« Riley betrat das Shuttle und übernahm den Pilotenplatz. Ngo begab sich auf den Sessel neben ihm, und Anab nahm hinter beiden Platz. Alle drei setzten ihre Helme auf und verriegelten sie.
Riley zuckte zusammen, als er eine leichte Berührung an der Schulter spürte.
»Danke, Sir«, sagte Anab leise und beugte sich dann vor, um in das Kommgerät zu sprechen. »Hier ist das Shuttle Grace Hopper. Wir sind soweit, Commander.«
Pulvers kühle, präzise Stimme erfüllte das kleine Boot. »Sehr gut, Lieutenant. Machen Sie sich startbereit.«
»Aye, Sir.«
Sie nickte Riley zu, der überrascht und erfreut feststellte, dass er nichts von seinem Akademie-Training verlernt hatte. Mit einer Sicherheit, als wäre es erst Tage und nicht Jahre her, seit er zuletzt ein Shuttle in den Raum hinaus gesteuert hatte, berührte er die Kontrollen, die die Luft aus dem Hangar pumpen und die Schleusentore öffnen würden.
Die großen Hangartore hoben sich, und vor ihnen gähnte die unendliche, sternenbesetzte Dunkelheit des Alls, die einen scharfen Gegensatz zu dem hellerleuchteten Innern der Landebucht bildete. Riley betätigte eine Reihe weiterer Kontrollen; das winzige Schiff hob sich sanft und verließ dann lautlos die Halle.
Als die Grace Hopper ihrem vorprogrammierten Kurs folgte und das Mutterschiff weiter und weiter zurückblieb, konnten die Insassen endlich die wahren Ausmaße und Formen des Schiffes sehen, das sie testen sollten.
Riley stieß leise die Luft aus. Neben ihm klappte Josiah Ngo vor Staunen den Mund auf. Die Grundform der Recovery war rechteckig, ähnlich der ihrer unendlich viel kleineren Cousine Grace Hopper, jedoch schlanker, abgerundeter und ungeheuer groß.
»Aufgepasst«, rief Anab scharf.
Riley richtete den Blick nach oben und sah das ›feindliche‹ Shuttle der Starhawk näher kommen. Im gleichen Moment entdeckte auch Ngo das Boot und rief: »Unbekanntes Schiff nähert sich auf zwei Uhr!«
Aufgerüttelt durch den plötzlichen Beginn der Simulation überprüfte Riley seine Instrumente. »Laut Scanner machen sie Photonenwaffen scharf. Schilde hoch.«
»Ich kontaktiere sie«, meldete Ngo. Seine Stimme klang jetzt etwas ruhiger, doch seine Aufregung und innere Spannung waren kaum zu überhören. »Grußbotschaft in allen Sprachen.«
»Ändere Flugbahn, um Kollisionskurs zu vermeiden«, sagte Riley. Merkwürdigerweise wirkte Ngos Aufregung beruhigend auf ihn und ließ ihn die Jahre der Erfahrung auf der Enterprise erst richtig schätzen. »Halte Schilde aufrecht.«
»Sie feuern!«, meldete Ngo, der deutlich Mühe hatte, nicht zu schreien.
»Weiche aus um …«, begann Riley, doch seine Stimme wurde von dem Photonenschuss abgeschnitten.
Er wusste, dass sie nur einen Bruchteil eines echten Photonentreffers abbekommen hatten, trotzdem wurde das winzige Schiff stark erschüttert, und es schüttelte sie kräftig durch. Sofort führten ihre Druckanzüge eine automatische Selbstdiagnose durch, damit ihre Träger sicher sein konnten, auch im Fall einer Beschädigung des Schiffs weiterhin geschützt zu bleiben.
»Wow! Schilde sind um dreißig Prozent runter!«, meldete Ngo verblüfft und fügte dann, als ihm sein unprofessioneller Ausbruch bewusst wurde, noch ein ›Sir‹ an. Er zögerte und schaute nach unten. »Irgend etwas stimmt nicht mit meinem Anzug. Ich glaube, es ist der Druck …«
Riley lehnte sich hinüber, um Ngo bei der Überprüfung seines Anzugs zu helfen.
»Nein!« Anab beugte sich vor, ihre Miene drückte eine Mischung aus Frustration und Besorgnis aus. »Das ist jetzt weder die Zeit noch der Ort für so etwas! Senden Sie das Notsignal!«
Riley richtete sich sofort wieder auf. Sie hatte natürlich recht; er hätte nicht Ngo helfen, sondern sich um seine eigenen Pflichten kümmern müssen – Instrumente überprüfen, Schilde verstärken und das Notsignal senden.
Doch bevor er das tun konnte, wurden sie abermals getroffen. Riley, der sich noch nicht wieder ganz aufgerichtet hatte, beschrieb mit dem Oberkörper einen Halbkreis in Richtung der Konsole und schlug mit dem Helm so hart auf, dass er halb betäubt wurde. Seine Zähne bohrten sich in die Unterlippe, und der metallische Geschmack von Blut füllte seinen Mund. Verdammt! Der Notruf! Das Schiff …!
Der letzte Schuss hatte das kleine Boot in einem ungünstigen Winkel getroffen. Jetzt bewegte es sich auf einer spiralförmigen Bahn wie ein schlecht gezielter Fußball. Riley versuchte den Nebel aus seinem Gehirn zu vertreiben und griff nach den Kontrollen, um den Kurs zu stabilisieren.
Undeutlich registrierte er, dass sich Commander Pulver über Funk meldete. »Lieutenant Saed? Commander Riley? Soll ich Sie hereinholen? Transporterraum, können Sie sie erfassen?«
Er merkte, wie Anab sich an ihm vorbei nach vorn beugte und nach den Instrumenten tastete. Doch bevor sie die Steuerung erreichen konnte, verlangsamte sich die unkontrollierte Drehung der Grace Hopper plötzlich, und das Boot richtete sich scheinbar aus eigener Kraft wieder aus. Eine computergenerierte Stimme erklang.
»Hier ist das FDRA-Schiff Recovery. Wir haben die Kontrolle über Ihr Shuttle. Wünschen Sie unsere Unterstützung?«
Bevor irgend jemand eine Bestätigung hervorstoßen konnte, antwortete das zweite Shuttle an ihrer Stelle, indem es abermals ein Photonengeschoss abfeuerte. Riley sah, wie es ausgestoßen wurde – ein kleiner, rot aufflammender Stern, der fast langsam in ihre Richtung taumelte –, und schlang unwillkürlich die Arme um sich. Er warf einen Blick auf die Anzeigen; die Schildenergie war um sechzig Prozent gefallen. Neben ihm keuchte Ngo und starrte wie hypnotisiert auf den sich nähernden Energieball. Dieser Schuss würde das Schiff aufreißen. Und sein Anzug …
Als der Torpedo auftraf, wurde das winzige Schiff jedoch nicht zerstört, sondern nur leicht erschüttert, als wäre der Energiesturm des Photonenschusses irgendwie absorbiert worden.
»Sie befinden sich nicht in Gefahr«, erklärte die Recovery. »Sie werden von einem projizierten Kraftfeld geschützt. Ihre Angreifer sind der gleichen Technologie unterworfen und können nicht nochmals auf Sie feuern. Sie werden vermittels eines Traktorstrahls an Bord dieses Schiffes geholt und dort in einem abgeschirmten Hangar untergebracht, wo sie sicher aufgehoben sind, bis weitere Instruktionen eintreffen.«
Die Recovery hatte nicht zuviel versprochen. Riley konnte sehen, wie das ›feindliche‹ Shuttle, eingehüllt in einen goldenen Schimmer, langsam in Richtung des Rettungsschiffes gezogen wurde.
»Meine Sensoren zeigen an, dass Ihr Schiff geringfügige Schäden erlitten hat«, fuhr die Recovery unaufgefordert fort, »dass einer Ihrer Druckanzüge eine Fehlfunktion hat und dass einer von Ihnen verletzt ist.«
Anab beugte sich vor. »Ngo? Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Ngo schaute ein wenig verwundert an sich herab und meldete dann: »Bestens, Sir.«
Beide blickten Riley an. »Mir geht's gut«, sagte er knapp und spürte wieder den Geschmack von Blut. Seine Lippe schien doppelt so dick zu sein wie normal, und er war sicher, dass er eine Quetschung an der Stirn hatte. Er tastete mit der Hand danach und senkte den Arm verlegen wieder, als er die glatte Oberfläche des Helms berührte.
»Ihr Schiff wird an Bord gebeamt, damit diese Probleme behoben werden können«, fuhr die Recovery fort. »Sobald Sie sich sicher an Bord befinden, kann das verletzte Mannschaftsmitglied in die Krankenstation gebracht …«
Riley unterbrach kurzangebunden: »Ich muss nicht in die Krankenstation!« Die Tatsache, dass er Ngo zu helfen versucht hatte, war ihm peinlich. Er hatte versucht, Anab zu beweisen, dass er jetzt eine andere Person geworden war, fähig und unerschrocken. Doch hier machte er Fehler wie ein unerfahrener Kadett.
»Ihre Verletzungen werden dort behandelt«, beharrte das Schiff unbeeindruckt, »und der fehlerhafte Anzug kann repariert werden.«
Bevor er weiter protestieren konnte, spürte Riley das vertraute Ziehen eines Transporterstrahls, der ihn erfasst hatte. Als sich das Universum um ihn herum neu gebildet hatte, blickte er durch die Frontscheibe des Shuttles auf einen riesigen, leeren Hangar.
»Recovery«, fragte Riley, während er die Luke des Shuttles öffnete und hinaustrat, »was stimmt nicht mit Kadett Ngos Druckanzug?« Er nahm den Helm ab und strich mit dem Handschuh über seine blutige Lippe. Wenn das Schiff in der Lage war, das Problem zu entdecken, müsste es ihnen auch sagen können, wie es zu reparieren war.
»Es handelt sich um eine unbedeutende Fehlfunktion«, erklärte das Schiff, als Anab und Ngo das Shuttle verließen und ebenfalls die Helme absetzten. »Sein Druckanzeiger ist ausgefallen. Der Druck selbst war die ganze Zeit über korrekt. Ein neuer Druckmesser wird das Problem beseitigen.«
Anab blickte Ngo stirnrunzelnd an und sagte in einem Ton, der kälter war als alles, was Riley je von ihr vernommen hatte: »Jeder Student im ersten Jahr sollte in der Lage sein, das bevorstehende Versagen des Druckmessers durch eine entsprechende Überprüfung frühzeitig festzustellen. Welche Erklärung haben Sie anzubieten, Mister?«
Zu seiner Ehre hielt Ngo ihrem Blick ruhig stand. »Ich habe alles überprüft, bevor wir gestartet sind, Sir. Er muss ausgefallen sein, als wir getroffen wurden.«
»Dieser fehlerhafte Druckanzeiger hätte uns beinahe umgebracht«, setzte Anab an, als Riley sie unterbrach.
»Wenn Sie jemandem etwas vorwerfen wollen, Lieutenant, dann mir. Ich habe die Notfallregeln verletzt. Ich hätte meine Aufmerksamkeit nicht vom Kontrollpult abwenden dürfen.«
Anabs Augen verengten sich; sie öffnete den Mund zu einer Antwort, als Riley das vertraute Ziehen verspürte.
»Verdammt, nein!« Er brüllte das Rettungsschiff noch an, als das helle Summen des Transporters seine Ohren erfüllte. »Ich will nicht in die Krankenstation!«