Kapitel 10

 

Auf der Brücke der Paladin rasten Reese Diksens Finger über die Kontrollen des heftig blinkenden Kommunikationspultes. Die schiffsinterne Kommunikation zu handhaben und gleichzeitig die Kanäle für Josiah und das unbekannte, sich nähernde Schiff offenzuhalten, hielt sie glücklicherweise beschäftigt – beinahe beschäftigt genug, um den Schock über Pulvers Tod, die Ängste um ihren Freund und die bittere Enttäuschung darüber, dass jeder Versuch, wieder Kontakt zu Josiah aufzunehmen, gescheitert war, zu vergessen.

Beinahe.

»Kadett Diksen.«

Sie fuhr zusammen, als Commander Sonaks ruhige Stimme nahe bei ihr ertönte. Als sie hochblickte, sah sie, dass er neben ihr stand, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

»Ja, Sir?«, fragte sie, halb in der Erwartung, er würde dem sich ohnehin schon vor ihr auftürmenden Berg noch eine weitere Aufgabe hinzufügen. Wenn sie daran dachte, dass sie die Kommunikationsstation tatsächlich einmal für langweilig gehalten hatte …

»Sie sind noch immer nicht in der Lage, eine Verbindung zur Recovery herzustellen?«

»Nein, Sir.« Aus Respekt vor dem Vulkanier bemühte sie sich, ihre Frustration nicht zu deutlich in ihrer Stimme mitschwingen zu lassen, aber sie merkte selbst, dass sie dabei nicht sehr erfolgreich war.

Falls ihn ihr offenkundiger Ärger störte, so zeigte er das zumindest nicht – er nickte nur knapp, aber nicht unfreundlich. »Vielleicht habe ich eine Lösung. Ich habe eine Sendung vorbereitet, die mit den fremdartigen Programmsignalen beginnt und endet. Möglicherweise akzeptiert die Recovery Übermittlungen, die in die Sprache ihrer Invasoren eingebettet sind.«

Kirk hatte offenbar mitgehört, denn er drehte sich in seinem Sessel um. »Ausgezeichnete Idee, Mr. Sonak. Versuchen Sie es, Diksen.«

»Aye, Sir«, erwiderte sie mit einem erleichterten Grinsen, dankbar angesichts der Chance, etwas Neues ausprobieren zu können.

»Die Sendung enthält die Koordinaten des freigeräumten Frachtraums, Captain«, erklärte Sonak. »Außerdem wird Mr. Ngo nahegelegt, diese Methode auch bei seinen eigenen Sendungen zu versuchen. Wenn wir damit Erfolg haben, können wir vielleicht eine in beide Richtungen funktionierende Kommunikation aufbauen. Senden Sie jetzt, Diksen.«

»Verstanden, Sir. Sendung läuft.« Sie zuckte zusammen, als der Empfänger in ihrem Ohr plötzlich einen Ausbruch statischer Geräusche von sich gab. Sie zog eine Grimasse, schaltete sich auf den neuen Kanal und blinzelte überrascht über den sonderbaren Klang: der automatische Translator hatte sich entschieden, die Stimme nicht als einzelne, sondern als Vielzahl von Stimmen wiederzugeben. »Captain, wir werden gerufen – von dem unbekannten Schiff.«

 

»Mr. Ngo«, sagte Lieutenant Saed, als sie neben den Kadetten trat, »Dr. McCoy hat der Übermittlung bestimmter Informationen hohe Priorität beigemessen. Wie steht es mit der Kommunikation?«

Josiah strich sich mit der Hand durch das kurze, lockige Haar und seufzte; die Kommunikation war ein einziges Durcheinander. »Es sieht so aus, als hätte meine Einmischung neue Probleme verursacht, Sir. Dieser Code kann sich selbst generieren, so wie ein altmodisches Virus. Seit ich diese kurze Sendung durchgebracht habe, hat er jeden Durchschlupf, den ich geöffnet hatte, überschrieben und zudem neue Barrieren geschaffen. Es sieht nicht gut aus.«

Außerdem war es auch nicht gerade einfach, eine kreative Gegenprogrammierung in Standard- und vulkanischen Zeichen zu entwickeln, während Shulman im Nebenraum etwas über »Die Drei!«, kreischte. Auf Ngo wirkten diese Rufe so ähnlich wie der Text eines stupiden Schlagers, der einem nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Die Drei. Die Drei. Die Heilige Triade …

Er musste unbedingt etwas darüber erfahren, was außerhalb dieses winzigen Raums vor sich ging. Nach allem, was er wusste, konnte die Recovery bereits tholianischen Raum verletzt haben, womit ihnen gerade noch genug Zeit für ein kurzes Gebet bliebe. Er umging die Kommunikationsprogramme und schaltete sich in die Sensorenaufzeichnung ein.

Auf dem Schirm des diagnostischen Computers tauchten Bilder des umliegenden Weltraums auf. Josiah konnte einen Ausschnitt von etwas erkennen, das wie ein Sternenschiff der Föderation – die Paladin? – wirkte, außerdem Teile der Außenhülle der Recovery und ansonsten ziemlich wenig. Doch der Datenfluss auf dem Schirm verriet ihm sehr viel mehr.

»Sir …« Er nahm in seinem Sessel Haltung an, als Anab sich über ihn beugte. »Wir haben angehalten. Sieht so aus, als wäre auch die Paladin dort draußen.«

»Bereitet die Recovery einen Feuerschlag vor?« Saeds Brauen zogen sich besorgt zusammen. »Können Sie in ihr Verteidigungssystem eindringen?«

Er schüttelte den Kopf. »Das ist zu stark gesichert; ich bin nicht mal sicher, ob selbst Shulman jetzt dort hineinkommen könnte. Es sieht aber nicht so aus, als würde sie die Waffen scharfmachen – aber irgend etwas geht da vor. Der Computer analysiert und scannt wie verrückt.«

Er hatte den letzten Satz kaum beendet, da leuchtete neben seiner linken Hand eine Signallampe auf.

»Ein eingehender Funkspruch!«, krähte Josiah und stürzte sich auf die Kontrollen, um den Kanal zu öffnen. Beinahe hätte er aufgestöhnt, als er die gleichen fremdartigen Symbole erkannte, die auch im Programmcode aufgetaucht waren, doch dann drang die klare, ruhige Stimme von Commander Sonak aus dem Lautsprecher.

»Das Sternenschiff Paladin ruft die Föderationsoffiziere an Bord der Recovery. Kadett Ngo, wenn Sie mich hören können, empfehle ich Ihnen, Ihre eigenen Sendungen mit der gleichen Matrix zu beginnen und zu beenden, die wir benutzt haben. Auf diese Weise können wir möglicherweise eine zweiseitige Kommunikation aufbauen. Die Sendungen werden Störungen aufweisen, doch selbst dann …« Abrupt gingen seine Worte in statischen Geräuschen unter.

Doch dann war er wieder zu hören, offenbar genau an der Stelle, an der die Übermittlung unterbrochen worden war. »… sollte die Verbindung funktionieren. Machen Sie sich bereit, die folgenden Koordinaten zur Aufnahme der Passagiere der Recovery aufzuzeichnen.«

»Funktioniert der Rekorder auch?«, fragte Saed aufgeregt.

»Ja, Sir.« Josiah zeichnete alle Informationen auf, die von der Paladin ausgestrahlt wurden. »Wenn wir jetzt noch die Schilde senken könnten …«

»Schaffen Sie es, die Verbindung so zu stabilisieren, wie Sonak es vorgeschlagen hat?«, fragte Saed, als Josiah gleichzeitig den Tricorder und den vulkanischen Analysierer manipulierte.

Er nickte. Das sollte nicht allzu schwierig sein, und es ergab durchaus Sinn. Wenn die eigentliche Sendung praktisch in dem fremdartigen Code eingewickelt war, sollte sie von der Programmierung akzeptiert werden …

Die Drei. Die Drei. Drei. Drei.

Josiah blinzelte.

Drei. Drei. Die verdammte Programmierung war nicht binär – sie war tertiär! Tertiäre Programmierung in einer Alien-Sprache. Als er den Code jetzt noch einmal anschaute, konnte er die sich wiederholenden Symbolmuster so deutlich erkennen, als wären sie mit Leuchtschrift unterlegt. Wenn er Sonak veranlassen konnte, sich damit zu befassen …

Er begann eifrig damit, geeignete Daten der fremden Programmierung zu manipulieren, um seine Botschaft darin einzuhüllen.

»Die Programmierung ist tertiär«, sagte er und strahlte Saed an. »Wer immer diesen Code eingepflanzt hat, muss eine völlig anders geartete Biologie, ein fremdartiges Gehirn oder etwas dergleichen aufweisen, denn er programmiert tertiär, während alle anderen Rassen, die wir bisher kennen, binär arbeiten. Wenn Sonak diese Information an den Computer der Paladin weitergibt, werden wir endlich in der Lage sein, dieses Zeug zu übersetzen. Das ist der Schlüssel. Wir können dann die Schilde senken, dieses Schiffchen wenden und alle nach Hause fliegen!«

Josiah beugte sich wieder über seine Instrumente. »Wenn ich das hier richtig anordne und eine zweiseitige Verbindung herstelle – es wird schwierig mit all diesem Zeug darin, aber …«

 

»Admiral«, rief Sonak von seiner Station her, »das Schiff, das uns anfunkt, ist tholianisch. Und … sie haben die Schilde gesenkt.«

Jim schaute zu seinem Wissenschaftsoffizier hinüber und stellte fest, dass der Vulkanier seinen Blick mit einem Ausdruck blanken Erstaunens erwiderte – ein Gefühl, das jeder andere auf der Brücke ebenfalls mit ihm teilte. »Wie höflich«, meinte er und wandte sich wieder dem Schirm zu, der die mächtige Recovery zeigte. »Aber wir behalten die Schilde oben.«

Er war nicht sonderlich überrascht, dass es sich um ein tholianisches Schiff handelte. Immerhin näherte sich die Recovery dem äußeren Grenzbereich der Tholianer – zumindest unter Berücksichtigung der jüngsten ›Gebietserweiterung‹ –, und die Tholianer waren geradezu besessen, was ›unbefugtes Eindringen‹ betraf. Überrascht – und beunruhigt – war er allerdings wegen der demonstrativen Friedfertigkeit, die sie mit ihren gesenkten Schilden zeigten. Die Recovery befand sich in Schussweite beider Schiffe, und es war absolut unvorhersehbar, wie sie reagieren würde. Erkannte und respektierte das durchgedrehte Schiff diese Friedensgeste – oder würde es abermals seinen Vorteil daraus ziehen?

»Auf den Schirm, Diksen«, befahl Kirk und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Captain Romolos Sessel, korrigierte er sich selbst. Wenn Baldassare noch lebt. Mir gehört er nur im Moment. Und dieser Moment könnte alles sein, was noch bleibt …

Das Bild auf dem Schirm waberte und baute sich dann erneut auf – verzerrt, die Farben nicht ganz richtig, die Umrisse nicht ganz ausgebildet.

Beinahe hätte er Diksen aufgefordert, den Schirm auf Fehlfunktionen hin zu überprüfen, doch dann erkannte er: Das ist es, was Spock und die anderen gesehen haben, während ich in der Raumfalte gefangen war.

Die Tholianer, so hieß es, gehörten zu einer Rasse von Wesen, deren sichtbares Spektrum sich so sehr von dem der Menschen unterschied, dass sie nur visuell dargestellt werden konnten, wenn der Computer alle unerträglichen Spektren ausfilterte. Ebenso benötigten die Tholianer spezielle Visoren, um Menschen sehen zu können. Zugleich lieferte dieser Umstand ihnen eine Entschuldigung, ihre Körperformen zu verbergen; nichts war ihnen heiliger als ihre Privatsphäre.

Die Föderation vermutete, sie gehörten einer technologisch fortgeschrittenen und streng kontrollierten Gesellschaft an – doch tatsächlich wusste man so gut wie gar nichts über sie. Das einzige, was die Föderation bei dem Zusammentreffen der Enterprise mit den Tholianern vor etwa drei Jahren in Erfahrung gebracht hatte, war der Verdacht, dass sich die Technologie der Tholianer – soweit sie sich in ihrem ungewöhnlichen energetischen Netz manifestierte – einem völlig anderen Entwicklungspfad gefolgt war als die der Föderation.

Kirk war diesen Aliens noch nie begegnet – damals hatte Spock das Kommando gehabt – und hatte sie erst zu Gesicht bekommen, als er sich die Logbuchaufzeichnungen des Zwischenfalls anschaute. Spock hatte stets bedauert, dass dieser Zwischenfall mit Gewaltaktionen verbunden war.

Er betrachtete blinzelnd das Bild des tholianischen Commanders – eine gesichtslose, in einen schimmernden, rubinroten Schleier gehüllte Gestalt vor einem grellblauen Hintergrund. Das Wesen blickte durch zwei schwarze, dreieckige Schlitze, die ihm als Visor dienten.

Kirk zögerte. Es gab keinen Schriftzug unter dem Bild, weder in der Standardsprache der Föderation, noch in tholianischer Sprache, der ihm verraten hätte, mit wem er es hier zu tun hatte.

»Hier spricht Commander Lokara vom tholianischen Schiff Skotha.« Das Wesen sprach mit einem Ton, der weder männlich noch weiblich war, sondern aus hundert verschiedenen Stimmen zusammengesetzt schien, ein Chor, der sämtliche Oktaven von der höchsten bis zur tiefsten umfasste, die Kirks Ohren wahrnehmen konnten.

»Admiral«, sagte Sonak leise. »Die Skotha war das Beobachterschiff während der Simulation.«

Kirk nickte bestätigend. Demnach waren die Tholianer also doch nicht vernichtet worden. »Admiral Kirk, Kommandant des Sternenschiffs Paladin. Ich dachte, alle Beobachterschiffe wären während der Simulation von der Recovery angegriffen worden.«

Der rot schimmernde Schleier des Tholianers machte es unmöglich, in seiner Miene zu lesen, und die Stimme blieb neutraler als die eines Vulkaniers. »Wir sind einer Beschädigung nur knapp entronnen. Als wir merkten, dass das Rettungsschiff Kurs auf unsere Grenze nahm, erkannten wir den Ernst der Situation. Sollte die Recovery in tholianisches Gebiet eindringen, wird die Tholianische Versammlung darin einen kriegerischen Akt sehen.«

»Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um das zu verhindern«, versicherte Kirk.

»Wir hatten gehofft, Sie würden das sagen, Admiral Kirk«, antwortete Lokara vielstimmig. »Deshalb haben wir uns auch mit gesenkten Schilden genähert. Wir waren beeindruckt von der Einladung der Föderation, die Aktivitäten der Recovery zu beobachten, und auch von der Leistung des Rettungsschiffes. Wir sind überzeugt, dass es sich bei den nachfolgenden Ereignissen um einen schrecklichen Unfall handelt, ein mechanisches Versagen, das völlig unbeabsichtigt war. Dennoch werden wir vielleicht nicht in der Lage sein, die Versammlung davon zu überzeugen. Gibt es einen Weg, wie Sie und ich zusammenarbeiten könnten, um die Recovery davon abzuhalten, unsere Grenze zu verletzen?«

»Das wäre … eine Möglichkeit«, sagte Kirk, sorgsam darauf bedacht, sein Misstrauen zu verbergen. Bei romulanischen oder klingonischen Gegenspielern konnte er zumindest versuchen, in deren Mienen zu lesen, den Tonfall einzuschätzen – doch es war unmöglich, Lokaras Aufrichtigkeit zu beurteilen. Trotzdem bereitete ihm irgend etwas an dem Tholianer entschiedenes Unbehagen. »Wir hatten gehofft, die unschuldigen Menschen retten zu können, die an Bord der Recovery gefangen sind. Ich vermute, die Recovery hat ihren Flug aufgrund Ihrer Anwesenheit gestoppt. Wahrscheinlich versucht sie, Ihre Absichten einzuschätzen. Ihre friedliche Haltung ist bewundernswert, aber ich muss Sie warnen. Ohne Ihre Schilde sind Sie verwundbar, und wir haben keine Kontrolle über das Schiff.«

»Ich fühle mich geehrt durch Ihre Sorge um unser Wohlergehen, Admiral Kirk. Darf ich respektvoll anmerken, dass Ihre eigenen Defensivmaßnahmen von der Recovery, die uns beide im Moment scannt, als feindselig interpretiert werden könnten?«

Sonak ging zum Admiral hinüber und sagte so leise, dass nur Kirk ihn hören konnte: »Lokara sagt die Wahrheit, Admiral. Die Recovery analysiert uns, seit sie angehalten hat. Sie kennt unsere Fähigkeiten genau – und unsere Grenzen.«

»Schließen Sie die Tonübertragung«, sagte Kirk leise zu Diksen und wandte sich dann dem Vulkanier zu. »Schlagen Sie vor, unsere Schilde zu senken?«

Sonak zögerte einen Moment. »Es wäre eine logische Handlungsweise, Admiral, wenn man die aggressive Haltung in Betracht zieht, die die Recovery gegenüber verteidigungsbereiten Schiffen eingenommen hat. Und es wäre eine Geste des Vertrauens gegenüber Lokara. Außerdem könnte es uns helfen, Zeit zu gewinnen – Zeit, in der wir vielleicht mit der Skotha einen brauchbaren Plan entwickeln können.«

Genau das hätte auch Spock gesagt – grundsätzlich logisch, und zudem eine Gelegenheit, den Jahre zurückliegenden, unglücklichen Zwischenfall mit der Enterprise vergessen zu machen.

Trotzdem riet ihm sein Instinkt, die Schilde oben zu lassen, und zwar unmissverständlich.

Als der Vulkanier zu seiner Station zurückging, wandte sich Kirk wieder dem Schirm zu, wo Lokara wartete, regungslos, unauslotbar.

Schließlich unterbrach Sonaks sanfter Bariton die Stille. »Die Sensoren melden Aktivitäten der Recovery, Captain.«

»Macht sie sich feuerbereit?«, fragte Kirk.

»Nein, sie schätzt ihre Verteidigungsanlagen ein und vergleicht ihre Bewaffnung mit der unsrigen.«

»Unsere Bewaffnung?«, wiederholte Kirk. »Nicht die der Tholianer?«

»Das ist korrekt, Sir.«

»Diksen«, fragte Kirk, »irgendwelche Sendungen von der Recovery?«

»Negativ, Captain.«

Der Admiral wandte sich wieder nach vorn, um Lokara anzustarren.

 

Reese Diksen beobachtete, wie Admiral Kirk zu dem schmerzhaft grellen Bild des Tholianers sprach, und bemühte sich gleichzeitig, der eigenen Adrenalinausschüttung entgegenzuwirken, indem sie möglichst ruhig atmete und gleichzeitig nicht daran zu denken versuchte, dass die Tholianer durchaus beschließen mochten, auf die Paladin, oder schlimmer noch, die Recovery, zu feuern. Sie hoffte, sich von ihrer Angst abzulenken, indem sie sich alle Situationen ins Gedächtnis rief, in denen Kirk während der Fünf-Jahres-Mission der Enterprise trotz einer Gefahr die Schilde gesenkt hatte. Manchmal hatte er es freiwillig getan, manchmal nicht. Der Anspannung nach zu urteilen, die Haltung und Stimme ausdrückten, war diesmal eindeutig letzteres der Fall.

Und das war es, was sie nervös machte – denn Kirks Erfahrung hatte seine Instinkte geschärft. Und wenn Kirk den Tholianern nicht traute …

Sie zwang sich, diesen beunruhigenden Gedankengang nicht weiter zu verfolgen.

»Admiral«, sagte Sonak leise, »die Recovery überprüft weiterhin ihr Verteidigungsinventar.«

Kirk gab nicht zu erkennen, ob er seinen Wissenschaftsoffizier gehört hatte. Er hatte einen Arm quer über den Bauch gelegt und den Ellbogen des anderen so darauf aufgesetzt, dass er das Kinn auf die Faust stützen konnte, während er den geteilten Schirm betrachtete – auf der einen Seite die Recovery und die Skotha, auf der anderen der gesichtslose Tholianer Lokara.

Die Tonübertragung zu den Tholianern war noch immer abgeschaltet, als Kirk leise sagte: »Alle Mann – weiterhin auf Gefechtsstation bleiben.« Dann signalisierte er Reese mit einem knappen Nicken, den Tonkanal wieder zu öffnen.

»Lokara«, begann Kirk vorsichtig, »Sie sagten, es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, wie wir die Recovery gemeinsam daran hindern könnten, die Grenze zu verletzen. Wir sind bisher nicht in der Lage gewesen, die Aktivitäten des Schiffes zu beeinflussen. Was schlagen Sie vor?«

»Ich habe die Schiffe benachrichtigt, die unsere Grenzen bewachen«, sagte Lokara mit seiner – ihrer?, überlegte Reese; es war unmöglich zu entscheiden – vieltönenden Stimme.

Sie schaute zurück auf ihr Pult und entdeckte ein weiteres, heftig blinkendes Licht: eine Nachricht von außerhalb des Schiffes. Sie schaute unentschlossen zwischen dem Schirm und dem neuen Signal hin und her. Es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, den Admiral zu unterbrechen, doch das hier konnte eine Nachricht von Josiah sein. Hatte er jene letzte, von Sonak programmierte Sendung empfangen? Mit einem Auge auf den Schirm schob sie den Empfänger fester in ihr Ohr, stellte die neue Verbindung her, gab Sonak ein Zeichen und übermittelte sie gleichzeitig zur Wissenschaftsstation.

Der Vulkanier war schließlich Senior-Offizier, also sollte er entscheiden, ob der Admiral unterbrochen werden sollte.

»Ich habe den Kommandanten unserer Wachschiffe mitgeteilt«, fuhr Lokara fort, »was mit der Recovery geschehen ist. Ich habe den mechanischen Zusammenbruch des Schiffes erläutert und ihnen zu erklären versucht, dass eine Verletzung unserer Grenzen auf eine eigenmächtige Handlung des Schiffes selbst zurückzuführen wäre. Im Moment warte ich noch auf ihre Antworten.«

Reese registrierte diese Information nur mit halbem Ohr, während sie das Pfeifen des Alien-Programmcodes vernahm, gefolgt von einer kurzen Pause, nach der Josiahs Stimme erklang. Sie schaute zu Sonak hinüber, der nickte, um anzudeuten, dass er das gleiche vernahm. Seine Hände bewegten sich über das Pult, und plötzlich verfügte sie über eine zweiseitige Verbindung.

»Hier spricht Josiah Ngo auf der Recovery. Ich hoffe, du kannst mich hören, Reese. Sag Commander Sonak, dass die fremde Programmierung der Recovery auf einem tertiären Code basiert. Das heißt, er ist tertiär, nicht binär.«

»Er empfängt deine Sendung im gleichen Moment wie ich, Josiah«, sagte Reese und war sich bewusst, dass man das Lächeln auf ihrem Gesicht auch in ihrer Stimme hören konnte. »Er hat gerade eine zweiseitige Verbindung hergestellt. Wie sieht es bei euch aus? Hast du die Recovery gestoppt?«

»Negativ. Die Recovery arbeitet weiterhin unabhängig. Commander Riley, Lieutenant Saed und ich sind okay. Dr. McCoy hat Myron Shulman in medizinischer Obhut, bisher aber noch nicht viele Antworten aus ihm herausgeholt. Oh, und Lieutenant Saed erinnert mich daran, dass nach Shulmans Aussage die Kernprogrammierung der Recovery noch immer intakt ist. Allerdings wird das … Reese, ich verliere den …«

Seine Stimme wurde von statischen Geräuschen übertönt und verstummte dann ganz.

 

Lokara betrachtete das Antlitz des Menschen, der seiner Triade so viel Schmerz verursacht hatte, und war froh über den Schleier, der den Hass und die Frustration verbarg, die sich tief in seine Züge eingegraben hatten. Das speziell entworfene Visor erlaubte es Lokara, die bizarren Formen und trüben Farben der Föderationswelten zu sehen.

Bisher hatte Lokara noch keinen Erfolg mit seinen Versuchen gehabt, Kirk zum Senken der Schilde zu veranlassen, trotz des Scannings der Recovery und der gesenkten Schilde der Skotha. Der verachtenswerte Alien war einfach viel zu paranoid, und Lokara gingen langsam die überzeugenden Argumente aus. Er sah, dass sein Partner Srillk ihm Zeichen gab, und fragte sich, ob er Informationen hatte, die ihm weiterhelfen konnten.

»Entschuldigen Sie mich, Kirk«, sagte er höflich zu dem dunklen Bild, das über seinen Schirm waberte, »aber einer meiner Untergebenen wünscht mich zu sprechen. Vielleicht gibt es Nachricht von der Versammlung.«

»Ich verstehe, Lokara«, erwiderte Kirk. »Ich werde warten.«

Mit hochgefahrenen Schilden!, dachte Lokara angewidert. Der Kommandant der Skotha gab ein Zeichen, dass die Tonübertragung zur Paladin unterbrochen werden sollte, und begab sich dann zu einer privaten Sektion, wo er sich mit seinem Untergebenen beraten konnte.

Srillk näherte sich dankbar und unterwürfig, den Kopf respektvoll geneigt, so dass sein Schleier elegant noch vorne schwang. »Lokara, unser Agent versagt.«

»Stirbt er?«, fragte Lokara, der selbst durch das schützende Visor die Sorge erkennen konnte, die das Gesicht seines Untergebenen zeichnete. Sie waren ihrem Ziel so nah, so nah …

»Vielleicht, aber auf jeden Fall ist er irreparabel geschädigt. Das mentale Zusatzgerät hat Körper und Gehirn weit über deren normale Möglichkeiten hinaus belastet. Dennoch hat der Agent die Föderationsmitglieder an Bord der Recovery erfolgreich daran gehindert, das Resultat unserer Bemühungen zu beeinflussen.«

Selbst bei dieser letzten Äußerung seines Untergebenen – der zugleich sein Lebenspartner war – betete Lokara, dass Srillk recht hatte. Srillks Verbindung zu dem Agenten war durch die fremden Substanzen, die dem Körper des Agenten zugeführt worden waren, zerstört worden, und so konnte Srillk lediglich vermuten, was geschehen war. Doch Srillk musste recht haben. Lokara konnte nicht glauben, dass sie so weit kommen und dann scheitern würden. Wie sollten sie sonst jemals Lanra gegenübertreten?

Lokara blickte zu dem grotesken Menschen namens Kirk hinüber und erinnerte sich an all die Mühen, die sie auf sich genommen hatten, um ihr Ziel zu erreichen. Und die ganze Zeit über hatte Srillk seine Aufgabe hervorragend erledigt.

Es war Srillk gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass man Shulman nur wenige Wochen vor der geplanten Simulation auf Zotos Vier gefangen nahm und ihm das Gerät – ein Mechanismus, den Lokara entwickelt hatte – ins Gehirn implantierte. Das Gerät arbeitete sogar besser, als sie gehofft hatten, und erfüllte Shulman mit der drogeninduzierten Vorstellung, sein Programm sei unvollkommen. Es war dem Menschen unmöglich, Ruhe zu finden, bevor er es komplett überarbeitet hatte – entsprechend Lokaras Zielen.

»Srillk«, sagte Lokara freundlich, »ich vertraue darauf, dass alles so abläuft, wie wir es geplant haben. Nach all deinem Fleiß und deiner Sorgfalt kann es gar nicht anders enden.«

Der kleinere Srillk wedelte mit einem Anhängsel, als wolle er seine Leistung beiseite wischen; das Tentakelbüschel am Ende seines Arms krümmte sich nervös. »Nichts davon wäre geschehen, hättest du nicht die geheimen Informationen erlangen können …«

Das stimmt, dachte Lokara. Die von der Versammlung veranlasste Erforschung der menschlichen Physiologie und die Nutzung bewusstseinsverändernder Drogen, die durch ein computergesteuertes Gerät induziert wurden, waren für ihre Mission unverzichtbar. Glücklicherweise hatten die Menschen viele Feinde, und diese Feinde waren erschreckend leicht zu bestechen.

Srillk fügte hinzu: »Und wenn deine Familie nicht die nötigen Mittel …«

Lokara unterbrach ihn, seine Fingertentakel umschlangen sanft die seines Verbündeten. »Es ist nicht meine Familie, sondern unsere Familie. Und bist du nicht einer meiner Gefährten? Bist du nicht auch Lanras Partner?« Allein der Klang dieses Namens weckte Emotionen in Lokara, die sogar stärker waren als sein Stolz, sein Ehrgeiz.

»Lanras Partner bis zum Tod«, sagte Srillk düster. Er versuchte, den hinter dem Augenschutz verborgenen Blick seines Partners festzuhalten. »Ich habe Lanra besucht, bevor ich auf die Brücke kam. Ich habe ihm erzählt, was wir getan haben und wie unsere Vergeltung aussehen wird. Und ich habe ihm auch gesagt, dass Kirk nahe ist und unsere Rache bald vollendet sein wird. Lanra … hat mich berührt, Lokara. Ich glaube, unser Partner hat es verstanden … und gebilligt.«

»Ich bete, dass du recht hast«, murmelte Lokara.

Der tholianische Kommandant hatte Lanra erst an diesem Morgen aufgesucht. Der hübsche Brüter, der ihr erwählter Partner gewesen war, der ihre zahlreiche Nachkommenschaft hätte gebären sollen, war jetzt nichts als eine vernarbte, hirnlose Hülle, unfähig zu brüten, unfähig zu lieben, unfähig, irgend etwas zu empfinden außer dem Schmerz der Wunden, die niemals ganz verheilen würden. Dennoch hatten Lokara und Srillk jeden Tag für das Leben ihres Partners gebetet, auch wenn die schmerzerfüllte Existenz ihres Partners sie daran hinderte, einen anderen Brüter in ihre Triade aufzunehmen und jenen Nachwuchs hervorzubringen, der für einen Tholianer den Beweis eines erfüllten Lebens darstellte. Ohne ihren Brüter waren Lokara und Srillk zwei Drittel von nichts, hatten kein Verlangen und kein Ziel. Und dennoch beteten sie um Lanras Leben.

Die drei Partner hatten sich auf Loskenes Schiff befunden, als es dem Menschenschiff Enterprise begegnet war. Es war zu einem Schusswechsel gekommen, und Lanras Station war explodiert. Kein Teil des Körpers ihres hübschen Brüters war heil geblieben. Und jetzt schenkte Lanra ihren Partnern Lokara und Srillk statt der Kinder einen anderen Lebenszweck, eine Aufgabe, der sie sich bis zu diesem Moment gewidmet hatten.

Vergeltung.

Als die Föderation ihr unbeholfenes Freundschaftsangebot machte, war Lokara zu dem Schluss gelangt, dass Myron Shulman – der ohnehin schon mit Kirk auf Kriegsfuß stand – das perfekte Instrument dieser Vergeltung sein würde: einer Vergeltung, die die gesamte Menschheit einbeziehen würde, eine Vergeltung, die eines Tholianers würdig war.

Natürlich hatten auch noch andere Erwägungen eine Rolle gespielt – vor allem Lokaras politische Ambitionen. Er hoffte, mit seiner privaten Vergeltung einen Krieg auszulösen, der die Regionen einen und um den Anstifter scharen würde – und zudem Lokara zu dem lang ersehnten Sitz in der Versammlung verhelfen sollte.

»Die Aktionen des Agenten werden ausreichen«, sagte Lokara zuversichtlich. »Selbst bei einem völligen Ausfall des Agenten wird das veränderte Programm der Recovery auch allein gut genug arbeiten, um den Plan zu erfüllen. Nichts wird dieses Schiff daran hindern, mit all seinen Passagieren die Grenze zu verletzen. Es wird sich in unseren Netzen verfangen, und all seine Technologie wird uns gehören. Es wird Krieg geben – und endlich werden wir unseren Feinden überlegen sein. Unsere Triade wird der Katalysator sein und an Macht gewinnen, selbst mit einem geschädigten Brüter. Und bevor Kirk stirbt, wird er erfahren, dass all dies das Resultat seiner und der Handlungen seiner Untergebenen ist.«

Srillk entspannte sich. »Du hast recht, was die Programmierung betrifft, mein Partner.«

Lokara berührte seinen Gefährten. »Ja. Die Recovery selbst wird jetzt unser Agent sein.« Der Kommandant der Skotha kehrte zum Sichtschirm zurück, um dem Menschen gegenüberzutreten – zum letzten Mal.

 

»Myron, können Sie mich hören?«, flüsterte McCoy in das Ohr des Mannes. Er hatte ihm eine Kombination aus Betäubungsmitteln und Herzstimulantien injiziert, deren Zusammenwirken bei seinem Patienten einen ruhigen, hypnotischen Zustand hervorrief. »Wir fliegen auf die tholianische Grenze zu. Wissen Sie, weshalb? Können Sie das Schiff aufhalten? Myron? Können Sie mich hören?«

»Ich höre Sie«, murmelte der Forscher.

»Öffnen Sie die Augen, Myron, und schauen Sie sich das hier an. Können Sie es sehen? Können Sie mir sagen, was es ist?«

Shulman öffnete die Augen und starrte mit leerem Blick auf die zerknitterten Zettel, die der Doktor ihm vor die Nase hielt.

»Notizen«, flüsterte er schließlich und drehte den Kopf zur Seite. »Notizen. Meine Notizen. Ihre Notizen.«

»Wer sind sie, Myron. Erzählen Sie mir, wer sie sind.«

»Sie wissen es. Sie wissen es. Sie. Und Spock. Und Kirk. Sie wissen es. Sie kennen die Drei.«

»Wieso kennen wir die Drei?«, fragte McCoy.

»Sie sind unter dem Vorwand, Kirk zu retten, in ihr Gebiet eingedrungen. Sie haben den Gebietsanspruch verletzt.« Shulmans Stimme blieb schläfrig, klang aber jetzt ein wenig anklagend. »Sie sind dort geblieben, selbst nachdem man Sie aufgefordert hatte, das Gebiet zu verlassen. Sie haben die Gesetze missachtet. Als sie berechtigterweise das Feuer eröffneten, haben Sie zurückgeschossen und den Brüter vernichtet. Der Brüter lebt, aber deformiert und unfähig zu brüten. Sie haben die Drei vernichtet. Sie. Und Spock. Und Kirk.«

McCoy erlebte ein derart mächtiges Déjà-vu-Gefühl, dass er fast das Gleichgewicht verloren hätte.

Gebietsanspruch …

Er starrte die Alien-Schrift an und wusste plötzlich, woher sie stammte.

»Ich bin Kommandant Loskene. Sie dringen in ein Gebiet ein, das von der Tholianischen Versammlung beansprucht wird …«

Er hatte neben Spock auf der Brücke der Enterprise gestanden.

Ich erinnere mich jetzt; Spock hatte das Kommando. Jim war in einer Raumfalte gefangen, und wir versuchten ihn zu retten, bevor ihm der Sauerstoff ausging. Die Auswirkungen des instabilen Raums machten die Besatzung verrückt und brachten mich dazu, Spock irrationalerweise anzugreifen. Wegen unserer Streitereien hätten wir fast das Schiff verloren. Der Anblick von Jims ›letzten Anweisungen‹ brachte mich wieder zur Besinnung. Danach arbeiteten wir dann als Team, so wie es auch sein sollte. Ich kann nicht für den Vulkanier sprechen, aber die ganze Geschichte war mir verdammt peinlich.

Er schluckte, als er sich so lebhaft an den Zwischenfall erinnerte. Für einen kurzen Moment schien Spocks Gegenwart fast greifbar, und er konnte direkt hören, wie der Vulkanier sagte: »Ich verstehe, Doktor. Ich bin sicher, Jim hätte einfach gesagt: ›Vergiss es, Pille.‹« Es war eine der wärmsten, menschlichsten Äußerungen, die der Vulkanier ihm gegenüber je gemacht hatte. Die Erinnerung an das Mitgefühl und das Verständnis, die sein vulkanischer Freund aufgebracht hatte, überwältigte ihn beinahe. Es waren schreckliche, gefühlsbetonte Momente gewesen, die sich abspielten, während die Enterprise langsam von dem tholianischen Netz eingehüllt wurde.

Hinter dieser ganzen Geschichte steckten die Tholianer – es war weder ein Unfall noch eine unzulängliche Programmierung, sondern ein Akt der Rache an ihm und Jim, eine Rache, die zu einem interstellaren Krieg führen würde.

Er musste Jim benachrichtigen. Plötzlich umklammerte Shulman seinen Ärmel.

»Ich habe gegen sie gekämpft … anders …«, keuchte der kranke Mann.

»Wie, Myron?«

»Ich habe Angie gerettet!« Shulmans Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. »Ich habe den Phaser auf Betäubung gestellt. Es war das einzige Mal, dass ich damit durchgekommen bin. Danach haben sie mich immer gezwungen zu töten. Ich habe es versucht, aber …« Er stöhnte und schloss die Augen. »Aber Angie habe ich gerettet.«

McCoy schluckte und log: »Das stimmt. Sie haben sie gerettet.« Er brauchte einen Moment, um seine Empfindungen wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Myron, wie können wir die Recovery dazu bringen, jeden an Bord auf ein anderes Schiff zu transportieren, zu ganz bestimmten Koordinaten?«

Der kranke Mann keuchte. »Allgemeiner Evakuierungsbefehl. Ich wollte nicht riskieren, dass es dem Schiff ergeht wie der Titanic. War eine der ersten Sicherheitsmaßnahmen. Selbst Kirk war damit einverstanden. Sie konnten mich nicht zwingen, es zu ändern. Aber sie brachten mich dazu, den Anwendungsbereich einzuengen. Lässt sich nur mit meinem persönlichen Code auslösen. Meine Tasche.«

McCoy durchsuchte jede einzelne Tasche des Anzugs, bis er endlich auf die winzige Karte stieß. »Soll ich das hier in ein Terminal stecken und dann den Evakuierungsbefehl und die Koordinaten eingeben?«

Myron lächelte. »Plan B.« Dies war ein anderer Teil der Originalprogrammierung, den er gerettet hatte, während das tholianische Gerät in seinem Schädel ihn folterte, damit er tat, was von ihm verlangt wurde.

»Wie lautet Plan B, um die Recovery vor der Grenze zu stoppen?«, drängte McCoy.

Myron begann wieder zu zittern und weinte dicke, große Tränen. McCoy wusste, dass er die falsche Frage gestellt hatte, doch selbst mit noch mehr Drogen konnte er den Chip im Kopf des Wissenschaftlers nicht daran hindern, ihn zu quälen.

»Kann … sie … nicht … hindern … heimzukehren!«, keuchte Shulman. Jedes einzelne Wort klang so, als würde es aus ihm herausgerissen. »Sie … und … ich … kehren … heim … zusammen.«

»Den Teufel werdet ihr«, knurrte McCoy und injizierte genug Betäubungsmittel, um Shulman völlig lahmzulegen. Dann eilte er in den anderen Raum.

 

Zahllose Lichtjahre entfernt, im schattendurchwobenen Heiligtum der Sekhet, öffnete Spock die Augen und stieß ein stummes Seufzen aus, als die verstörende Vision von Loskene, Kirk und McCoy verblasste. Auch das Gefühl, im Kommandosessel der Enterprise zu sitzen, war verschwunden. Jetzt nahm er nur noch das schwarz glänzende Innere des Mount Seleya wahr, den Steinaltar, die wütende, bestialische Statue, die über ihm aufragte.

Doch die Überzeugung, dass sich seine Freunde in Gefahr befanden, blieb weiter bestehen – genau wie das Gefühl, dass er alles getan hatte, was ihm möglich war, um ihnen zu helfen.

Irrational, dachte Spock, zutiefst irrational. Es konnte lediglich bedeuten, dass noch weitere Anstrengungen nötig waren, um die emotionalen Bindungen zu trennen.

Und so atmete er tief ein und richtete abermals den Blick nach Innen …

 

»Haben Sie die Paladin erreicht?«, fragte McCoy, als er atemlos hereinstürzte und auf die diagnostischen Computer zueilte, die jetzt als Ersatz für die Kommunikationsstation dienten.

Josiah biss die Zähne zusammen, während er den Diagnosecomputer mit Hilfe des Tricorders und des vulkanischen Analysierers so rasch manipulierte, dass Lieutenant Saed ihre Versuche, ihm zu helfen, längst aufgegeben hatte. Er musste den zusammengebrochenen Kanal wieder öffnen, doch die Recovery bekämpfte ihn auf jeder Zeile des Programmcodes.

»Wir hatten sie«, sagte Saed, »aber dann haben wir sie wieder verloren.«

»In einer Minute haben wir sie wieder«, versprach Josiah – hauptsächlich allerdings, um sich selbst Mut zu machen.

McCoy lehnte sich gegen die Konsole und sprudelte seine Worte vor Aufregung so rasch hervor, dass sie kaum zu verstehen waren. »Shulman hat es mir erzählt – die ganze Geschichte geht auf die Tholianer zurück! Es handelt sich um deren Programmierung. Soweit ich herausfinden konnte, gehören bei ihnen immer drei zu einer Lebensgemeinschaft. Kirk muss das sofort erfahren!« Er schlug ungeduldig gegen die Konsole.

»Dr. McCoy«, fragte Riley beunruhigt, »wo ist Dr. Shulman?«

»Völlig sediert und gefesselt, Commander«, sagte McCoy scharf. »Oder glauben Sie, ich würde einen Patienten in seinem Zustand sich selbst überlassen.« Er schaute Josiah an. »Hören Sie, wir müssen diese Information sofort weitergeben. Haben Sie Kirk von der Kernprogrammierung berichtet?«

»Wir haben Commander Sonak informiert«, versicherte Josiah. »Er wird es weiterleiten.«

Als Josiah bei der Wiederherstellung der Funkverbindung nicht den geringsten Erfolg erzielte, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm und versuchte, weitere Informationen über die Sensoren zu erhalten. Das Bild auf dem Schirm bewegte sich und Josiah entdeckte plötzlich ein weiteres Schiff, das vorher noch nicht dort gewesen war. Er blinzelte. Was für ein Schiffstyp war das? Er hatte noch nie ein so schmales, dreieckiges Schiff gesehen – und dann hörte er, wie McCoy beinahe an einem Aufschrei erstickte.

»Das … das Schiff!«, stotterte der Doktor. »Das ist ein tholianisches Schiff! Sie müssen einen Kanal öffnen!«

»Ich tue, was ich kann«, erwiderte Josiah, richtete sich in seinem Sessel auf und drehte ihn etwas mehr in Richtung der Konsole, auf deren Schirm sich im Moment alle Mitglieder der kleinen Gruppe konzentrierten. Entschlossen griff er nach den Kontrollen …

Und versteifte sich, als ein plötzlicher Schmerz seinen Rücken, die Rippen und die ganze linke Seite durchzuckte. Er schaute verblüfft an sich herunter und entdeckte ein dünnes Metallstück – Teil der Zierleiste eines Föderationsshuttles, erkannte er ungläubig –, das zwischen seinen Rippen hervorragte. Ein hellroter Fleck breitete sich rasch über die Vorderseite seiner Uniform aus.

»O nein«, stöhnte er eher frustriert als vor Schmerz. Dafür habe ich jetzt keine Zeit

Er schaute hoch und sah die erschrockenen Gesichter von McCoy, Riley und Saed, die etwas hinter ihm anstarrten … den Ursprung der flachen, mechanischen Stimme, die sagte: »Es gibt keine Hilfe. Für Kirk, für Euch, gibt es nur eines – Rache für die Drei!«

Myron Shulmans Stimme, begriff er mit traumwandlerischer Losgelöstheit. Das letzte Wort wurde zu einem schmerzerfüllten Stöhnen … und dann folgte der Laut eines Körpers, der schwer zu Boden fiel.

Riley und Saed verschwanden; McCoys Gesicht kam näher und wurde dunkler, als der Raum sich zu drehen begann. Als er das Bewusstsein verlor, wiederholte Josiahs Verstand die verdammten Worte wieder und wieder:

Die Drei! Die Drei! Die Drei …!