Mit fest vor der Brust verschränkten Armen wartete Kirk auf Lokaras Rückkehr. Das nagende Gefühl drohender Gefahr hinderte ihn daran, wieder in Romolos Sessel Platz zu nehmen. Im Grunde sprach alles dafür, das friedliche Angebot der Tholianer anzunehmen; immerhin hatten sie auch zugestimmt, an der Simulation teilzunehmen.
Dennoch hatte Lokara etwas an sich, das ihn hinderte, ihm zu trauen. Vielleicht war es einfach nur der Schleier, der es unmöglich machte, seinem Gegenüber direkt ins Gesicht zu sehen; vielleicht war es aber auch ein schlichtes Vorurteil, genährt durch den unglücklichen Zwischenfall mit der Enterprise.
»Admiral.« Die Kommunikationsoffizierin riss ihn aus seinen unerfreulichen Gedankengängen. Er drehte sich um und schaute in ihr unglaublich junges Gesicht, das an Wangen und Kinn noch Reste des Babyspecks aufwies.
Kommunikationskadettin, dachte er mit einem innerlichen Lächeln. All diese Kinder haben sich verhalten wie eine erfahrene Crew. Baldassare sollte stolz auf sie sein.
So wie auch er stolz war, obwohl es sich weder um sein Schiff, noch um seine Mannschaft handelte. Seit er das Kommando über die Paladin übernommen hatte, war kaum Zeit geblieben, um zu überlegen, was für eine Empfindung das war … doch plötzlich, verbunden mit einem Gefühl unendlicher Dankbarkeit gegenüber Romolo, seinem Schiff, seiner vom Kampf ermatteten Besatzung und der vor ihm stehenden Kadettin registrierte er, dass er sich, zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren, wirklich lebendig fühlte.
»Da war ein Anruf von der Recovery«, sagte Diksen, deren braune Augen furchtsam an ihm vorbei auf das Innere des tholianischen Schiffes auf dem Schirm blickten. »Möchten Sie die Aufzeichnung jetzt sehen?«
»Ja, auf den Schirm. Geben Sie sofort Bescheid, wenn sich Lokara wieder meldet.«
»Aye, Sir.«
Das geteilte Bild wurde durch ein schwaches, statikdurchzogenes Bild ersetzt, das von einem der medizinischen Computer der Recovery übermittelt wurde – da hatte Pille seine Hand im Spiel, kein Zweifel. Er bemerkte, dass McCoy nicht auf dem Bild zu sehen war, doch dann fiel ihm ein, dass er sich vermutlich um Myron Shulman kümmerte, während Ngo, Riley und Lieutenant Saed an der Funkverbindung arbeiteten.
Er nickte, als er Ngos Bericht über die tertiäre Programmierung und das noch intakte Kernprogramm der Recovery hörte. Interessant, aber …
Er schaute über die Schulter zur Wissenschaftsstation hinüber – wenn er nicht zu genau hinsah, war es leicht, sich vorzustellen, dass es Spock war, der dort über den Monitor gebeugt stand. »Commander Sonak, irgendwelche Spekulationen darüber, wer für diese Tertiärprogrammierung verantwortlich ist?«
Der kleinere, jüngere Vulkanier schüttelte den Kopf. »Sie ist mir absolut unbekannt, Sir. Aber da wir nun die Basis kennen, haben wir eine Chance, den Code zu knacken. Der Computer arbeitet bereits daran. Wenn wir den Code schnell genug übersetzen, können wir ihn vielleicht benutzen, um die Kontrolle über das Schiff zu gewinnen, bevor es in tholianisches Gebiet weiterfliegt.«
»Halten Sie mich auf dem laufenden.« Kirk ging zum Kommandosessel zurück und setzte sich auf die Lehne. »Diksen, schon irgendwelche Erfolge beim Versuch, noch einmal zur Recovery durchzukommen?«
»Ich arbeite daran, Sir, aber bisher noch kein Durchbruch. Der Schiffscomputer scheint die Mauern schneller zu errichten, als wir sie einreißen können.« Sie unterbrach sich und lauschte einen Moment lang konzentriert. »Die Skotha meldet sich wieder, Admiral.«
»Auf den Schirm«, befahl er automatisch und wandte sich nach vorne.
»Verzeihen Sie die Verzögerung, Admiral«, entschuldigte sich Lokara, als das wabernde Bild des Tholianers wieder erschien. »Es ist mit gelungen, die Versammlung zu erreichen.«
Zum ersten Mal betrachtete Kirk den Alien und spürte dabei einen Hoffnungsschimmer.
»Auf keinen Fall die Lanze berühren!«, rief McCoy Riley und Saed zu. Das Metallstück, das die gepolsterte Rückenlehne von Josiahs Sessel durchdrungen hatte, ragte etwa zwölf Zentimeter weit zwischen den beiden untersten Rippen des Kadetten hervor. Ohne Zweifel hatte es die Lunge durchbohrt, und vielleicht auch noch andere innere Organe. Zum Glück hatte es das Herz verfehlt.
McCoy konnte kaum glauben, dass das tholianische Implantat dermaßen stark war, dass es Shulman nicht nur die Betäubung überwinden ließ, sondern auch noch genug Kraftreserven mobilisiert hatte, um seine Fesseln zu zerreißen und die improvisierte Lanze mit solcher Macht zu schleudern. Er schaute zu Shulmans reglosem Körper hinüber und fragte sich, ob der Wissenschaftler tot war.
Warum hat der Computer Josiah nicht genauso geschützt wie Riley?, fragte sich der Doktor kurz, kam dann aber zu dem Schluss, dass der Computer vermutlich nicht fähig gewesen war, ein Stück Zierleiste als gefährlich zu erkennen.
»Ganz ruhig, mein Junge«, sagte McCoy sanft zu dem schwerverletzten jungen Mann, der regelrecht an seinen Sessel genagelt war. Josiahs graues Gesicht zeigte noch immer einen überraschten Ausdruck, doch er hatte kaum etwas gesagt, seit er getroffen worden war. »Wir werden Sie hier herausholen.«
Der Doktor warf einen Blick zu Riley und Saed hinüber, die neben dem reglosen Wissenschaftler knieten. »Ich will Josiah nicht bewegen«, sagte McCoy leise. »Aber ich möchte seinen Zustand so gut wie möglich stabilisieren. Riley, gehen Sie bitte in die Krankenstation hinüber und rollen Sie das Schränkchen, mit dem ich vorhin gearbeitet habe, hierher. Das meiste von dem, was ich brauche, befindet sich darin. Und können Sie mir sagen, ob Shulman …«
»Er lebt«, sagte Riley und beugte sich tiefer über den bewusstlosen Mann. »Sein Atem geht flach, der Augenreflex ist schwach … keine Reaktion auf sanfte Stimulierung.« Er erhob sich, den Blick weiter auf Shulman gerichtet, als würde er ihm noch immer nicht trauen, und ging dann hinaus.
»Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Anab Saed, während sie zu Josiahs Platz zurückkehrte. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht kam McCoy sonderbar vertraut vor: Sorge und Schuld. Er brauchte einen Moment, bis ihm einfiel, wo er diesen speziellen Ausdruck schon gesehen hatte – auf Jim Kirks Gesicht, wenn er die Krankenstation der Enterprise aufsuchte, um ein verletztes Mannschaftsmitglied zu besuchen. Natürlich, Ngo hatte unter ihrem Kommando gestanden. Sie fühlte sich für ihn verantwortlich.
»Haben Sie ruhige Hände?«, fragte McCoy.
Saed richtete sich mit der Grazie einer Tänzerin zu voller Größe auf. »Natürlich.«
»Gut. Die werden wir brauchen«, antwortete der Doktor, während er zur Rückseite des Sessels ging. Er berührte die Zierleiste an einer Stelle, die etwa zehn Zentimeter von der Rückenlehne entfernt war – allerdings sehr vorsichtig, denn jede Erschütterung würde Josiah heftige Schmerzen bereiten. »Ich möchte, dass Sie das hier festhalten, so wie ich jetzt. Es darf sich keinen Millimeter bewegen. Schaffen Sie das?«
Sie nickte mit entschlossener Miene und packte die Lanze direkt hinter seiner Hand.
McCoy ließ das Metallstück los und sagte: »Ganz ruhig halten. Genau so.«
Riley tauchte plötzlich neben ihm auf. »Ist das alles, was Sie brauchen?«
McCoy ließ den Blick über die medizinische Ausrüstung streichen und nickte. Dann nahm er einen diagnostischen Scanner, um den Zustand des jungen Mannes zu überprüfen. Die Lunge war durchbohrt, die Milz angekratzt, und in der Bauchhöhle befanden sich Spuren der Sitzverkleidung. Josiah verfiel langsam in einen Schockzustand, Temperatur und Blutdruck sanken. Nicht so schlimm, wie es sein konnte, aber auch nicht so gut, wie McCoy es gern gesehen hätte.
»Josiah hat eine Reihe von Werkzeugen aus dem Shuttle mitgebracht«, wandte er sich an Riley. »Ist etwas dabei, womit man die Lanze durchtrennen könnte?«
»In dem Beutel«, flüsterte Josiah. »Der Laser. Er zerschneidet alles.« Er hustete schwach; ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel.
»Ganz ruhig bleiben, mein Junge«, mahnte McCoy. Riley suchte bereits nach dem Gerät.
»Ich hab's«, sagte er schließlich.
»Schneiden Sie das lange Stück der Leiste ab«, wies ihn McCoy an, »aber seien Sie vorsichtig – bewegen Sie die Lanze auf keinen Fall.«
»Verstanden, Doc.«
McCoy lud seinen Injektor und beugte sich über den jungen Mann. »Ich habe hier etwas gegen den Schock und die Blutung, und dann noch etwas von der gemischten Suppe, die wir allen angeschlagenen Soldaten verabreichen. Es wird die Schmerzen lindern, aber denken Sie bloß nicht, Sie könnten anschließend herumlaufen. Okay?« Er drückte den Injektor gegen Josiahs Hals und injizierte eine Reihe von Drogen, Schmerzmitteln und Elektrolyten sowie ein künstliches Plasma, das sich in Ngos Körper vervielfältigen und eventuelle weitere Blutverluste ausgleichen würde.
Er hörte das Klappern von Metall und sah, dass der größte Teil der Lanze abgeschnitten und auf dem Boden gelandet war; nur noch ein Stumpf ragte aus der Rückseite des Sessels hervor. Er nickte Riley und Saed zu, die das Blut des Kadetten von ihren Händen wischten.
McCoy nahm einen Zellregenerator zur Hand, froh darüber, dass diese Geschichte – wenn sie schon passieren musste – sich wenigstens in der Krankenstation abgespielt hatte. Es gelang ihm, einen Teil der inneren Verletzungen zu verschließen, aber solange sie Josiah nicht in einen Operationssaal brachten, wo man die Lanze gefahrlos entfernen konnte, waren diese Notmaßnahmen alles, was er im Moment tun konnte. Er holte Verbandsmaterial aus dem Schränkchen.
»Ich werde Sie jetzt in diesem Sessel fixieren, Josiah«, sagte er und machte sich gleichzeitig schon an die Arbeit. »Wir müssen verhindern, dass Sie sich selbst noch mehr Schaden zufügen, indem Sie sich bewegen. Versuchen Sie ruhig zu halten, okay?«
Die Augen des Kadetten blickten jetzt klarer, er schien nicht mehr so starke Schmerzen zu empfinden. Er leckte sich über die Lippen und sagte: »Dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen die Paladin erreichen.«
McCoy holte tief Luft und schaute zu den beiden Offizieren hinüber. Wie zum Teufel sollten sie das jetzt schaffen? Eilig beendete er seine Arbeit.
Josiah versuchte zur Konsole zu deuten, auf der seine Ausrüstung lag. »Es sind Ihre Computer. Sie müssen es schaffen, Doktor. Warnen Sie das Schiff.«
Der junge Mann hatte recht; etwas anderes blieb ihm nicht übrig. McCoy gab Riley den Injektor und Saed den Scanner, wobei er auf die Anzeige deutete. »Wenn dieser Wert unter den Punkt hier sinkt, sagen Sie Riley, er soll weitere zehn Milligramm des Stimulans injizieren.«
Saed nickte und betrachtete das Diagnosegerät düster. McCoy warf noch einen Blick auf den jungen Patienten und wandte sich dann der Ansammlung von Geräten zu, die sie als Funkstation benutzten.
Er spürte einen Anflug von Panik angesichts der Symbole und Worte auf dem vulkanischen Analysierer, die er nicht einmal lesen konnte. Doch der Tricorder funktionierte, und den verstand er. Das Gerät würde ihm helfen herauszufinden, was er zu tun hatte. Er schluckte schwer und machte sich an die Arbeit.
Sie hatten mit Hilfe des Diagnosecomputers durchzukommen versucht, doch die fremde Programmierung hatte ihnen mittlerweile sämtliche Möglichkeiten wieder verschlossen. Er musste einen anderen Weg finden. Er dachte einen Moment nach.
Berichte. Er berührte den Tricorder und scannte die Programmbänke des Diagnosecomputers. Das Berichtprogramm war dafür ausgelegt, detaillierte, komplizierte medizinische Berichte an jeden zu schicken, zu dem der jeweilige Arzt sie schicken wollte – an den Captain, an andere Labors, sogar zu Starfleet. Er hätte eher daran denken sollen.
Er klinkte sich in das Berichtprogramm ein und scannte es rasch. Überraschenderweise schien es sauber zu sein. Es war ein verstecktes, kleines, aber effektives Programm. Konnte er es benutzen, um zur Paladin durchzudringen? Diese Aussicht erregte ihn, und er verdoppelte seine Anstrengungen an jenem Teil der Maschine, der ihm seit langem vertraut war. Er manipulierte das Programm mit dem Tricorder und hatte sein Ziel schon fast erreicht, als er die Anzeige einer anderen Sendung erhielt.
»Der Kanal wurde geschlossen, als ich anfing zu senden«, informierte er die anderen. »Die Paladin empfängt eine andere Sendung und weist uns ab – mein Programm wartet, bis es an der Reihe ist.«
»Sie müssen es aushebeln und trotzdem durchdringen«, sagte Riley.
McCoy gab den dringlichsten Notfallcode ein, der ihm bekannt war, und forderte von der Recovery, ihre nicht unbeträchtlichen Reserven zur Verfügung zu stellen und sich über die laufende Sendung hinwegzusetzen, um ein Leben zu retten. Das konnte man schließlich kaum als Lüge bezeichnen. Einen Moment lang geschah nichts …
»Akzeptiert die Versammlung Ihre Erklärung der Ereignisse?«, fragte Kirk Lokara.
»Man zieht sie in Betracht«, versicherte Lokara. »Ich habe Grund zu hoffen, dass man unseren Standpunkt akzeptiert. Ich habe geschildert, wie wir über eine Zusammenarbeit gesprochen haben mit dem Ziel, das Problem der Recovery gemeinsam zu lösen.«
Wäre es wirklich möglich?, überlegte Kirk. Konnte diese Katastrophe tatsächlich zu einem Dialog mit dieser hochentwickelten, aggressiven Rasse führen? Die ganze Zeit über, während er und Lokara miteinander sprachen, hatte sich die Recovery ruhig verhalten. Beobachtete sie sie? Konnte die Unterbrechung des Fluges bedeuten, dass sie ihre Absicht noch einmal überdachte? Die Kernprogrammierung war noch immer intakt. Gewann sie jetzt langsam die Kontrolle zurück?
»Admiral«, sagte Sonak leise, »die Recovery hat alle Sensoren auf die Paladin konzentriert. Möglicherweise bereitet sie sich auf die Armierung ihrer Phaser vor.«
Auf einer intellektuellen Ebene wusste Kirk, was er tun sollte, doch sein Instinkt rebellierte. Hatten ihn die Monate hinter dem Schreibtisch bereits so beeinflusst, dass er sich fürchtete, Risiken einzugehen, wenn sie am dringendsten benötigt wurden? Er stieß den Atem aus und sagte schließlich: »Mr. Sandover, senken Sie die Schilde.«
»Aye, Sir. Schilde sind unten.«
»Das Scanning der Recovery hat aufgehört, Sir«, rief Sonak. »Sie berechnet erneut den Kurs in tholianisches Gebiet.«
»Lokara«, begann Kirk mit frischem Optimismus, »haben Sie irgendwelche Ideen, wie …«
Bevor er den Satz beenden konnte, schwankte das Bild des tholianischen Kommandanten und verblasste; der große Sichtschirm begann heftig zu blinken. »Diksen?«
»Ein sonderbares Notsignal von der Recovery verdrängt alles andere, Sir.«
McCoys bärtiges, besorgtes Gesicht füllte den Schirm, seine Stimme dröhnte unnatürlich laut. »Jim – es sind die Tholianer! Sie haben die Programmierung verändert – ein Gerät in Shulmans Kopf eingepflanzt – sie …«
Kirk wirbelte zum Navigator herum, während McCoy weitersprach. Sonaks Stimme erklang, einen Sekundenbruchteil bevor er selbst das gleiche Kommando gab: »Schilde hoch!«
Zu spät. In dem Sekundenbruchteil, bevor der Schuss einschlug, begriff Kirk, dass Sonak die Aufladung der tholianischen Phaser auf seinem Monitor bemerkt haben musste, während Kirk und Lokara noch Höflichkeiten austauschten, und das Kommando für die Schilde genau in dem Moment gab, als McCoy seine Warnung aussprach.
Das Deck hob sich unter Kirks Füßen wie eine Gezeitenwoge und presste ihn in Romolos Sessel, als befinde er sich auf der Achterbahn eines Vergnügungsparks. Die passiven Sicherungen reagierten zwar, doch er wurde trotzdem schwer herumgeschleudert. Sonak, der vor seiner Station gestanden hatte, stürzte zu Boden; er rutschte weiter, bekam jedoch das Geländer zu fassen und hielt sich mit vulkanischer Stärke fest.
Dann sackte das Deck unter ihnen ab, die Mannschaft taumelte herum, Konsolen knirschten, und Rauch stieg auf. Kirk hörte, wie die automatischen Feuerlöscher ansprangen, und erblickte vor seinem inneren Auge wieder jenes entsetzliche Bild: Pulver, eingehüllt in rötlichen Feuerschein, wie sie mit tödlicher Eleganz nach hinten sank …
Die Erschütterungen ließen nach, und augenblicklich war die Brücke erfüllt vom Heulen der Sirenen und dem Geschnatter der Schadensmeldungen. Er hörte, wie Diksen antwortete und zugleich versuchte, sie rasch einzuordnen, um ihm Meldung machen zu können. Sonak kämpfte sich zu seinem Sessel zurück und überprüfte seine Station. Doch er hatte kaum Platz genommen, da erwischte sie der zweite Feuerstoß. Diesmal schafften es Kirk und die Mannschaft, an ihren Plätzen zu bleiben, doch ihm war klar, dass die Tholianer das ungeschützte Schiff in Stücke schossen.
»Meldung!«, rief Kirk.
»Schäden im Maschinenraum«, antwortete Diksen. »Und auf Deck fünf und sieben …«
McCoys Bild war vom Schirm verschwunden, der jetzt das aus allen Rohren feuernde tholianische Schiff zeigte, hinter dem die Recovery wie ein zufriedener Beobachter schwebte … als hätte sie die ganze Angelegenheit selbst geplant.
»Schilde, Mr. Sandover!«, forderte Kirk.
»Schilde sind hinüber, Sir. War das erste, was sie getroffen haben.«
»Phaser abfeuern!«
Bevor Sandover reagieren konnte, wurden sie von zwei weiteren, rasch aufeinander folgenden Schüssen getroffen. Die gesamte Crew wurde herumgeschleudert, während Kirk die Lehnen von Romolos Sessel umklammerte.
»Phaser sind derzeit nicht einsatzbereit, Sir«, meldete Sandover. »Wir haben auch alle …« – er warf einen Blick auf seine Konsole –, »… alle Photonentorpedos bis auf drei verloren.«
»Alle drei scharfmachen und auf mein Kommando feuern.«
»Warptriebwerke sind ausgefallen«, meldete Sonak und schaute zu Kirk hinüber. »Die drei Photonentorpedos können zwar Schäden anrichten, werden die Tholianer aber kaum aufhalten.«
Kirk starrte auf den Schirm. Er wusste, dass der Vulkanier recht hatte: Sie hatten weder Schilde noch Phaser. Und die Recovery unternahm absolut nichts, um ihnen zu helfen. Den Tholianern musste es erscheinen, als hätte die Paladin ihre Möglichkeiten erschöpft.
Noch nicht alle, wenn ich dabei ein Wort mitzusprechen habe. Ich habe die Paladin nicht so weit gebracht, nur um sie jetzt zu verlieren … Er sog scharf die Luft ein. »Mr. Sandover, auf mein Kommando lassen Sie das Schiff auf Minus neunzig Grad um zehntausend Kilometer abtauchen. Mr. Sonak, richten Sie die Torpedos auf Ziel vier Punkt fünf aus, mit breiter Streuung.«
Sonak schaute überrascht von seinem Pult auf. Kirk erwiderte seinen Blick mit äußerster Entschlossenheit. »Aye, Sir«, sagte der Vulkanier und senkte den Blick.
»Jetzt, Sandover … Torpedos abfeuern!«
Er wandte sich wieder dem Schirm zu und sah, wie sich die Photonentorpedos vom Schiff entfernten. Dann veränderte sich der Blickwinkel abrupt, als die Paladin wegtauchte.
Die Torpedos fanden ihr Ziel: die massive, glänzende Oberfläche der Recovery.
Wie ein schlafender Riese, der vom Stich einer Biene aufgeschreckt wird, veränderte das große Schiff seine Position, schwang hart herum und feuerte seine schweren Phaser in die Richtung, aus der die Torpedos gekommen waren. Doch die Paladin befand sich längst nicht mehr dort – nur die Skotha war zurückgeblieben.
Der Feuerschlag erwischte das tholianische Schiff voll, zerfetzte die Schilde und stieß es regelrecht aus seiner Position.
»Die Skotha ist schwer beschädigt, Admiral«, meldete Sonak über seinen Monitor gebeugt. »Die Schilde sind völlig zerstört, sie hat keine Waffen mehr und erhebliche Schäden auf mehreren Decks, den Maschinenraum eingeschlossen.«
»Klingt, als wären sie genauso übel dran wie wir«, meinte Kirk, »aber sie befinden sich auf Föderationsgebiet. Diksen, versuchen Sie die Skotha zu erreichen. Mal sehen, ob sie sich ergeben. Vielleicht erhalten wir jetzt ein paar Antworten.«
»Die Skotha antwortet auf unseren Ruf, Sir.«
Der Schirm zeigte die riesige Recovery, die hin und her schwang, als versuche sie zu entscheiden, welches der beiden Schiffe ihr wahrer Gegner wäre. Dann flackerte das Bild und zeigte die Brücke des tholianischen Schiffes. Der plötzliche Wechsel zu den viel zu grellen Farben schmerzte derart in den Augen, dass Kirk blinzeln musste.
»Commander Lokara«, sagte Kirk zu der verhüllten Gestalt auf dem Schirm. »Ergeben Sie sich, dann helfen wir Ihnen, so gut wir können.«
»Ergeben?«, wiederholte die vielfache Stimme. »Ausgerechnet Ihnen? Vielleicht sollten Sie das selbst in Erwägung ziehen. In dem Gespräch, dass ich wirklich mit der Tholianischen Versammlung geführt habe, habe ich die Kette der Ereignisse geschildert, die zu diesem Moment geführt haben. Man weiß dort genau, weshalb dies alles geschehen ist.«
Kirk runzelte die Stirn und wünschte, er könnte das auch von sich behaupten.
»Sehen Sie, Admiral«, erläuterte Lokara geduldig, »meine Partner und ich haben immer auf dem gleichen Schiff gedient, so wie es bei meinem Volk üblich ist. Während wir unter Kommandant Loskene dienten, feuerte die Enterprise auf uns – und verkrüppelte meinen Partner, den Brüter Lanra, und zerstörte unsere Zukunft.«
Lokara hielt inne, als fiele ihm das Sprechen schwer. »Doch jetzt ist mein Partner Srillk tot. Und der Brüter Lanra leidet nicht mehr. Nur ich bin noch übrig, allein, ohne sie. Doch die Vergeltung, für die wir gelebt haben, wird auch ohne uns ihren Lauf nehmen. Die Recovery wird ihrem eigenen Plan folgen, und Sie werden das Schiff nicht aufhalten können. Ihr Rettungsschiff wird in den tholianischen Raum eindringen, in einem Netz gefangen werden, das wir in diesem Moment aufbauen, und all ihrer Föderationsgeheimnisse beraubt. Lernen Sie dies über uns, Kirk, und das ist alles, was Sie wissen müssen: Tholianer verzeihen niemals. Und wir ergeben uns nie.«
Bevor Kirk antworten konnte, warnte Sonak: »Admiral, die Recovery hat entschieden, wer für die Photonentorpedos verantwortlich war.«
Er sprach das Offensichtliche nicht aus, doch Kirk wusste es, als er das Schiff auf dem Schirm anstarrte:
Und wir haben keinerlei Verteidigung …
McCoy hatte dem Gefecht mit wachsender Sorge zugesehen und war erleichtert, als Jims List funktionierte. Riley hatte Josiah bereits eine weitere Medikamentendosis verabreicht, und McCoy wusste, dass er den jungen Mann schleunigst in einen Operationssaal schaffen musste. Shulman benötigte intensive Pflege und musste ebenfalls operiert werden, sofern es überhaupt noch Hoffnung gab, ihn zu retten. Der Doktor betastete die Codekarte, die Shulman ihm gegeben hatte, und schaute wieder auf den Bildschirm.
Die Recovery war mit einer ganzen Reihe von Aktionen beschäftigt, die er nicht alle einzuschätzen vermochte. Doch eine der Datenreihen verstand er ohne Probleme.
»Sie macht sich bereit, wieder Fahrt aufzunehmen«, teilte er Riley und Saed mit.
»Fahrt?«, fragte Riley. »Fahrt wohin?« Dann schien es ihm wieder einzufallen. »Sie meinen … auf tholianisches Gebiet?«
McCoy nickte. »Computer vergessen ihre ursprüngliche Aufgabe niemals. Und das war von Anfang an der wesentliche Punkt der ganzen Geschichte. Die Recovery sollte die Grenze verletzen, um einen interstellaren Krieg auszulösen.«
»Wir müssen hier raus«, stellte Lieutenant Saed fest.
McCoy grinste schief. »So kann man das auch ausdrücken.«
»Die Schilde!«, keuchte Josiah. »Die Schilde sind oben!«
»Keine Sorge, mein Junge. Shulman hat mir erklärt, wie man das Schiff evakuiert, und mir auch den entsprechenden Code gegeben. Die Recovery wird uns alle zu den Koordinaten schicken, die Jim uns gegeben hat.« Er hielt inne und fragte sich, ob diese Koordinaten nicht längst ins Vakuum des Alls hinausgeblasen worden waren.
McCoy begab sich zu Josiah, um dessen Werte zu überprüfen, und merkte dann, dass der junge Mann jetzt wieder den Schirm und die darüberlaufenden Daten sehen konnte.
Josiah blinzelte ein paar Mal und sagte dann leise: »Die Recovery ist im Begriff, auf die Paladin zu feuern. Sie wird das Schiff zerstören. Es gibt keine Möglichkeit, sie aufzuhalten.«
Alle vier Augenpaare starrten wie hypnotisiert auf den Schirm, und McCoy betete, der Kadett möge sich dieses eine Mal irren.
Kirks Gedanken überschlugen sich, als Sonak leidenschaftslos meldete: »Die Recovery lädt ihre Phaser auf.«
Der Admiral schlug auf die Lehne seines Sessels. »Maschinenraum? Maschinenraum!«
»Hier, Admiral«, antwortete eine erschöpfte Stimme.
Kirk grinste. Er konnte sein Glück kaum fassen. Lieutenant Gambeta lebte und war noch immer auf ihrem Posten!
»Gambeta, schalten Sie sofort die Energie für die Steuerbordseite ab. Alles außer der minimalen Lebenserhaltung. Auch die interne Kommunikation.«
Die Ingenieurin führte den ungewöhnlichen Befehl ohne zu zögern aus. »Energie abgeschaltet, Admiral.«
»Jetzt das gleiche auch an Backbord. Und die Brücke. Nur das Allernotwendigste weiterversorgen.«
Die Lichter erloschen, bis nur noch die Notbeleuchtung brannte, unterstützt von den Leuchtanzeigen der Pulte. Das sanfte Dröhnen der Maschinen, das erfahrene Raumfahrer gar nicht mehr wahrnahmen, verstummte. Niemand wagte sich zu rühren.
»Lassen Sie das Schiff treiben, Mr. Sandover«, sagte Kirk leise. »Diksen, unterbrechen Sie die Verbindung zu Lokara. Schließen Sie alle Kanäle.«
Die Offiziere nickten bestätigend, als fürchteten sie, die Aufmerksamkeit der Recovery zu wecken, wenn sie laut antworteten.
»Diksen, senden Sie einen Notruf. Maschinen beschädigt, Warpantrieb instabil, Materie-Antimaterie-Balance gestört, Lebenserhaltungssysteme fallen aus. Senden Sie das, bis Sie eine Antwort erhalten.«
Die Hände der jungen Frau bewegten sich zielsicher über das Pult, während sie leise in ihr Mikrophon sprach.
Kirk holte tief Luft und lehnte sich im Sessel zurück. Ihm war bewusst, dass jeder auf der Brücke ihn beobachtete.
Ich habe mein Bestes gegeben, Baldassare. Wenn Sie uns vernichtet, dann nicht, weil wir es nicht hart genug versucht hätten.
Er hörte das Knirschen der Sitze und sein eigenes, leises Atmen. Er stellte sich vor, wie die Besatzung überall auf dem Schiff angstvoll die Bildschirme beobachtete und wartete. So viele Kadetten, dachte er bedauernd. So viele am Beginn ihrer Karriere. Hier zu enden …
»Admiral, wir werden gerufen«, drang Diksens ruhige Stimme durch die Stille.
»Über Lautsprecher.«
Einen Augenblick später meldete eine weibliche Computerstimme: »Hier spricht das Rettungsschiff Recovery. Wir haben Ihr Notsignal empfangen. Wie können wir Ihnen helfen?«
Kirk spürte, wie sich ein Grinsen über sein Gesicht ausbreitete. Vielen Dank, Myron Shulman. Und vielen Dank, Pille. Die Kernprogrammierung ist wirklich noch intakt.
»Recovery, wir brauchen … Personal«, sagte Kirk und drehte sich zu Reese Diksen um, die breit grinsend ihr Pult bediente. »Ärzte, Ingenieure, Wissenschaftler – um uns zu helfen, unser Schiff zu reparieren.«
»Admiral«, sagte Sonak, dessen Stimme jetzt deutlich entspannter klang, »die Recovery scannt uns – und sie hat die Schilde gesenkt.«
Riley deutete auf den Tricorder. »Sehen Sie! Die Recovery senkt die Schilde!«
McCoy schaute von Josiahs Werten auf und betrachtete den Schirm. »Sieht so aus, als wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für die Evakuierung.«
»Können wir uns auf diese Koordinaten verlassen?«, überlegte Riley. Die Paladin hatte eine Menge Treffer eingesteckt.
Josiah fuhr sich über die Lippen. »Die Recovery wird sie überprüfen. Sie schickt nicht zweihundert Leute in ein Vakuum. Kernprogrammierung.«
»Richtig!«, sagte McCoy. »Riley, helfen Sie mir.«
Der Commander folgte ihm zu der reglosen Gestalt Shulmans. McCoy führte den Scanner über den Forscher. Was er sah, gefiel ihm nicht, aber wenn er es schaffte, ihn zur Krankenstation der Paladin zu bringen, könnte er ihn am Leben erhalten, ihn in Stasis versetzen – wie Angie –, bis man ihn in eine geeignetere Einrichtung verlegen konnte. Das hatte sich Shulman verdient.
»Ich möchte ihn möglichst nahe bei uns anderen haben, damit er zusammen mit uns transportiert wird«, erklärte McCoy.
»Ist das sicher?«, wandte Lieutenant Saed ein. McCoy war klar, dass die Sicherheitsoffizierin nicht viel von der Idee hielt, Shulman mitzunehmen. »Er hat Commander Riley beinahe getötet, Ngo schwer verletzt …«
»Und hat ganz allein unser aller Leben mit dieser Codekarte gerettet« – er hielt sie hoch, um sie ihr zu zeigen – »und außerdem die Kernprogrammierung bewahrt. Dieser Mann ist ein Held und außerdem einer der größten Denker unseres Jahrhunderts. Er verdient es, dass alles getan wird, ihn zu retten.«
Sie seufzte zustimmend, als Riley sich niederbeugte und den Mann wie ein Kind in die Arme nahm. »Verdammt!«, fluchte er leise. »Er wiegt ja kaum noch etwas!«
McCoy drängte alle zum Computer hinüber. »Dicht beieinander bleiben. Niemand rührt sich.« Er warf einen Blick auf Josiah, dessen Gesichtsfarbe noch grauer geworden war. Dann schob er die Codekarte ein und löste den Evakuierungsbefehl aus.
Nie wieder, dachte er, würde er so begierig darauf warten, dass seine Moleküle durcheinandergewirbelt wurden.
»Admiral!«, rief Reese Diksen aufgeregt. »Menschen materialisieren in Frachtraum Vier! Dutzende … nein, Hunderte von Menschen … und eine … Stasiskammer?«
Kirk fuhr zu ihr herum und wollte etwas sagen, doch Sonak fiel ihm ins Wort.
»Admiral, die Recovery hat alle Personen zur Paladin gebeamt. Sie ist jetzt absolut menschenleer.«
»Wir bekommen dringende Bitten um medizinische Hilfe, Admiral«, sagte Diksen.
»Ist die Krankenstation einsatzbereit?«, fragte Kirk. Wie auf jedem Starfleet-Schiff war auch auf der Paladin die Krankenstation der am besten geschützte Teil des Raumers.
»Voll einsatzbereit, Sir«, meldete Diksen, »allerdings ist der Stab mit unseren eigenen Verwundeten beschäftigt.«
»Dann müssen sie sich eben aufteilen«, erklärte Kirk. »Stellen Sie sicher, dass die Leute im Frachtraum alle Hilfe erhalten, die sie benötigen.« Er runzelte die Stirn, als sich Diksens Gesichtsausdruck abrupt änderte. »Stimmt etwas nicht, Kadett?«
»Die Leute von der Recovery haben eine schwerverletzte Person bei sich, die dringend Hilfe benötigt.« Sie schwankte leicht, fing sich wieder und nahm Haltung an, plötzlich jeder Zoll ein Offizier. »Es ist Josiah Ngo, Sir.«
Kirk hielt kurz inne. »Wollen Sie ihnen helfen, Diksen?«
Sie zögerte einen Sekundenbruchteil und richtete sich dann wieder auf. »Nein, Sir. Ich bleibe an meinem Platz. Die Krankenstation meldet, das genug Helfer zur Verfügung stehen.«
Kirk warf ihr einen anerkennenden Blick zu und wollte gerade sagen, dass sie später gemeinsam zur Krankenstation gehen würden, sobald dies alles vorbei war, als Sonak ihn abermals unterbrach.
»Entschuldigen Sie, Admiral, aber … wie es scheint, habe ich einen Fehler gemacht.«
Kirk wandte sich bei diesem überraschenden Geständnis um. »Sie, Mr. Sonak?«
Die Mundwinkel des Vulkaniers verzogen sich zu einer kaum merkbaren Zustimmung. »Ich bitte um Entschuldigung, Sir, aber ich hatte gemeldet, die Recovery wäre menschenleer. Nach meinen Daten stimmte das auch – für einen Moment. Allerdings scheint sich jetzt jemand – ein einzelner Mann – dort zu befinden.«
Nicht Riley oder Pille, betete Kirk stumm. »Können wir ihn herausbeamen?«
Sonak zog nachdenklich eine Braue hoch. »Ich glaube, es wäre sicherer, den Transport dieser speziellen Person zu verlangen.«
»Dann sehen Sie zu, dass Sie die Identität feststellen. Diksen, öffnen Sie einen Kanal zur Recovery.«
Myron Shulman war sich nur vage bewusst, dass er von Commander Riley hochgehoben wurde. In diesem kurzen Augenblick fühlte er sich geschützt, fast getröstet. Er war so müde …
Dann spürte er das sanfte Ziehen des Transporters, fühlte, wie seine Atome sich zerstreuten – und sich in seiner eigenen Unterkunft, seinem eigenen Bett wieder zusammensetzten. Dort lag er, hilflos, krank, voller Schmerzen, und doch absurderweise froh, hier zu sein. Dieser Raum, dieses Bett, das war während der letzten beiden Jahre sein Heim gewesen, seit dem Zeitpunkt, an dem die Hülle des Schiffes fertiggestellt worden war. Es war so viel Arbeit gewesen. So viel Arbeit.
Alles vernichtet.
Doch er würde nicht klagen. Er hatte die Kernprogrammierung gerettet. Die Recovery hatte sie benutzt, um jedermann in Sicherheit zu bringen – jeden außer ihm.
In seinen lichten Momenten, die jetzt häufiger wiederkehrten, und dank der vagen Erinnerung an sein Gespräch mit McCoy, begriff er jetzt, was man ihm angetan hatte: Die Tholianer hatten ihn mit ihrem unglaublich hochentwickelten Implantat und ihrer ungewöhnlichen tertiären Programmierung mit dem Schiff verbunden. Selbst als er daran gearbeitet hatte, die echte Programmierung des Schiffs zu überschreiben, hatte der Forscher in ihm die Leistungen der Tholianer bewundern müssen. Jetzt würde die Föderation von der tholianischen Programmierung lernen, soviel sie konnte.
Einige der Dinge, zu denen ihn die Tholianer gezwungen hatten, hatten die Leistung der Recovery tatsächlich verbessert. Vielleicht würde die Föderation einmal die positiven Elemente nutzen und ihre eigene Technologie verbessern können.
Doch was immer auch geschah, es würde ohne ihn stattfinden. Er fragte sich – wie viele Menschen, die dem Tod ins Auge sehen –, ob jemand um ihn trauern würde, oder ob man sich an ihn nur als einen Verräter an seiner Rasse erinnern würde.
Er hatte nie gewollt, dass die Recovery mehr als ein Rettungsschiff sein sollte, doch nach dem, was man ihm angetan hatte, sah er das Schiff jetzt als etwas anderes an – als einen Teil von sich selbst. Und nun würden er und die Recovery diese Geschichte zu einem Ende bringen müssen. Er wollte das zwar nicht, doch dies war der eine Teil der Programmierung, den er einfach nicht umgehen konnte.
Wenigstens würden sie zusammensein. Er würde darauf vertrauen müssen, dass Kirk das Problem löste, das er und die Recovery schaffen würden. Wenn irgend jemand das konnte, dann Admiral Kirk.
Zum ersten Mal seit langer Zeit war Myron in der Lage, vernünftig über den Admiral nachzudenken, und er begriff, dass dieser Mann, selbst wenn er Myron widersprach, stets sein Verbündeter gewesen war. Shulman vertraute darauf, dass Kirk das Problem irgendwie lösen würde. Das war es, was der Admiral am besten konnte.
Mühsam leckte er sich über die trockenen, aufgesprungenen Lippen. »Computer …«, krächzte er kaum hörbar. »Bring uns heim.«
»Admiral«, meldete Diksen, »die Recovery ignoriert meinen Ruf.«
»Ich glaube, bei dem Mann an Bord handelt es sich um Myron Shulman«, sagte Sonak zu Kirk.
Kirk betrachtete den Schirm in hilfloser Frustration.
»Die Recovery hat die Schilde hochgefahren, Admiral«, warnte Sonak.
Jim spannte sich innerlich. Gewiss würde die Recovery jetzt nicht auf sie feuern, jetzt, wo sie wehrlos waren und die Besatzungen zweier Schiffe an Bord hatten.
»Sie berechnet abermals ihren Kurs auf tholianisches Gebiet«, fuhr Sonak fort, hielt dann inne und runzelte die Stirn, als er etwas auf seinem Monitor bemerkte. »Ihre Scanner reagieren auf etwas ganz in der Nähe – etwas, das unsere Sensoren nicht wahrnehmen …«
Kirk fuhr zum Schirm herum, seine Instinkte schlugen Alarm. Er erhob sich und richtete den Blick auf den leeren Raum zwischen der Paladin, der Skotha und der Recovery. »Nicht jetzt …«, murmelte er. »Nicht jetzt …!«
Er entdeckte es im gleichen Moment, in dem Sonak auf die Daten seines Monitors reagierte. Der Raum über den Schiffen begann zu wabern, und etwas Großes materialisierte aus dem Vakuum.
Wie ein Vampir aus dem Nebel, dachte Kirk düster, als eine klingonische Kriegsschwalbe auf dem Schirm Gestalt annahm.