Heute ist ein ganz besonders schwieriger Freitag. Devron ist bei der Teamsitzung anwesend. Dort zeigt Kates Chef sich nur, um entweder gute Nachrichten zu verkünden (wenn er mal wieder zu Fernsehaufnahmen in ein exotisches Land fliegt) – oder schreckliche (wenn es Weihnachten keinen Mitarbeiter-Discount gibt). Und was wird er heute verkünden?

Kate ist so sehr damit beschäftigt, im Kopf eine weitere E-Mail zu verfassen, die sie Nick nicht schicken wird, dass sie nicht merkt, wie sich die Stimmung im Raum verändert. Sie wird erst aus ihren Gedanken gerissen, als sie den vertrauten Euphemismus hört: den Shareholder Value maximieren.

Sie setzt sich kerzengerade und hört mit einem grässlichen und unbestimmten Gefühl, dass sich hier eine Katastrophe zusammenbraut. Devron erklärt, dass es im Marketing Einschnitte geben wird. Zusammen mit drei weiteren Teammitgliedern werden entweder Kate oder Annalex diesen November entlassen – sie können aber auch jederzeit freiwillig gehen und eine Abfindung erhalten.

Nein. Nicht schon wieder. Nicht jetzt.

Es ist die vierte Umstrukturierung in den letzten zehn Jahren. Kate hat die vergangenen drei überstanden, aber jedes Mal verfolgte sie Monate lang eine unbestimmte Angst, die sich wie ein Schatten an sie heftete. Und was, wenn sie bei der jetzigen Runde nicht durchkommt?

Es spielt keine Rolle, dass Kate ein Dutzend Werbetexter-Preise gewonnen hat, während Annalex sämtliche ihrer eigenen Ideen aus einem Handbuch für Kreative abkupfert, das sie bei ihrem früheren Arbeitgeber Pharmacore mitgehen ließ. Dort hat sie fünf volle Jahre an einer einzigen Kampagne für eine Mundspülung gegen Zahnfleischentzündung gearbeitet.

Es spielt keine Rolle, dass Kate sechsundvierzig zusätzliche Produkte betextet, da Annalex erst kürzlich die Karte der eingefleischten Vegetarierin ausgespielt hat, um nicht für das sommerliche Grillgut eingesetzt zu werden. Dabei hat Kate gesehen, wie sie gleich am nächsten Tag ein Wurst-Ei-Sandwich verdrückt hat.

Es spielt nicht einmal eine Rolle, dass Devron Worte wie Methodographie erfindet und überhaupt nicht in der Lage ist, jemandes Chef zu sein.

Kates Zukunft als Arbeitnehmerin wird von einem Mann entschieden, der noch nicht weiß, was er will, und der keine Ahnung hat, wann er es wissen wird. War ein einziger unentschiedener Mann in ihrem Leben nicht schon einer zu viel?

Als sie aus dem Besprechungszimmer gehen, spürt Kate einen pulsierenden Druck im Magen. Dave, der Produktionschef, flüstert ihr mitfühlend zu: «Du bist zu gut für Fletchers, Kate. Ich an deiner Stelle würde die Abfindung nehmen und das Weite suchen.»

Kate kann sich nicht erinnern, wie sich Weite anfühlt, geschweige denn, wie sie dieses Gefühl finden sollte.

 

– Marcos und Rodneys Pflanzen gießen – die Jungs machen Urlaub in Barcelona. Der Schlüssel ist beim Portier.

– Lies: Gesunde Grenzen – wie man sie schafft, wie man sie durchsetzt. Steht in meinem Regal.

– Bitte vor 21.00 Uhr mit Lizzettes Cookie spazieren gehen.

Kate liebt Tiere, und so war sie im Prinzip damit einverstanden gewesen, dass ihre Mutter sie für Hundespaziergänge feilbot. Außerdem hat sie neulich erst gelesen, gemeinsame Zeit mit einem pelzigen Freund könne helfen, Stresshormone abzubauen.

Cookie ist unberechenbar: mal liebevoll und mal psychotisch. Sie springt an Leuten hoch und schnappt zu. In einige von Kates liebsten Röcken hat sie bereits mehrere große Löcher gerissen. Obgleich sie Kate nur bis zum Knie geht, kann sie wahnsinnig hoch springen, wie neulich Abend, als Kate mit ihr spielte und Cookie in besonders spielfreudiger Laune mit ihrem drahtigen Körper in die Luft gesprungen ist und am Ellbogen ein großes Stück aus Kates gestreiftem Lieblings-T-Shirt gebissen hat. Außerdem füttert Lizzette Cookie eindeutig mit verdächtigen Vitaminen, und jetzt hockt Kate mitten auf der Highgate High Street und sammelt warme, flüssige Scheiße ein. Das baut Kates Stresshormone mit Sicherheit nicht ab.

Zurück in der Wohnung will Kate es sich gemütlich machen und geht in Unterhosen und einem alten Unterhemd in die Küche. Da hört sie, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wird. Sie kann gerade noch eine Schürze überwerfen, bevor Rita die

«Solltest du nicht Cookie spazieren führen?» Rita ist verärgert.

«Schon erledigt», antwortet Kate knapp. «Übrigens: Mit Lizzettes Knöchel ist alles in Ordnung. Ich habe sie vorhin in High Heels gesehen. Ich wusste nicht, dass du Besuch mitbringen würdest», fügt sie leicht bestürzt hinzu. Dann flüstert sie: «Ich habe keinen Rock an, du sagtest doch, du wärest heute Abend unterwegs.»

«Patrick, das ist meine minderjährige Tochter Kate. Sie ist normalerweise keine Exhibitionistin, aber ich bringe dich mal schnell ins Wohnzimmer, während sie sich etwas überzieht.»

Kate geht seitwärts, während sie den Rückzug in ihr Zimmer antritt. Hoffentlich merkt Patrick nicht, dass ihr halber Hintern im Toaster gespiegelt wird. Ihr Gesicht brennt vor Scham. Das alles ist Nicks Schuld – sie wäre niemals in diese demütigende Lage geraten, hätte er nicht so dumm und selbstsüchtig herumgeeiert. Im Bett entwirft sie eine weitere wütende E-Mail, die sie niemals abschicken wird:

Nick – eines Tages wird dir auffallen, dass ich endgültig weg bin, aber dann ist es zu spät. Man bekommt keine zweite Chance, wenn man sich so verhält wie du: wenn man eine Frau bittet, bei einem einzuziehen, dann aber einen Rückzieher macht, nachdem die Frau bereits ihre Wohnung gekündigt hat, sodass sie nun bei ihrer narzisstischen, nuttigen Mutter leben muss. Schau du nur in deinem dicken, fetten TV fern – ich suche mir ein besseres Leben.

Kate ist zu aufgebracht, um einzuschlafen. Sie hat bis jetzt der Versuchung widerstanden, sich in die Nähe der Bücherregale ihrer Mutter zu begeben, aber sie würde Nick so gern verstehen, herausfinden, was eigentlich los ist, und auf diese Weise lernen, sein Problem zu beheben. Vielleicht enthalten diese Bücher ja die Antwort.