«Sie müssen sich unersättlich nach Bestrafung sehnen», sagt Mrs. Gaffney, die an die Rezeption kommt und Kate mit einem warmen Lächeln begrüßt.

«Sie versprechen mir, dass Mrs. Finn mir nicht die Hölle heißmacht?», fragt Kate und steht eilig von ihrem Platz auf. Sie könnte es sich gut verkneifen, den ganzen Sonntag mit Streit zu verbringen.

«Oh, ich würde niemals das Unmögliche versprechen. Aber warum bringen Sie sie nicht dazu, von ihrem Leben zu erzählen, von ihrem geliebten Mann und ihren Abenteuern? Es ist das Einzige, was ihr noch immer Freude bereitet.»

Cecily sitzt aufrecht in ihrem Sessel, eine halb geleerte Schale mit Suppe vom Mittagessen auf ihrem Tischchen. Als sie Kate erblickt, wird ihr Gesichtsausdruck ein wenig milder, und ihre braunen Augen funkeln durchtrieben.

«Ich habe Ihnen ein paar Kekse mitgebracht, Mrs. Finn. Tut mir leid, sie sind nicht selbst gebacken, aber ich nehme an, dass Sie sie ohnehin nicht essen werden», sagt Kate und reicht ihr das noble Zitronen-Shortbread, das sie unterwegs gekauft hat.

Cecily nimmt die Schachtel in die linke Hand, betrachtet sie blinzelnd und wirft sie dann auf ihren Beistelltisch. Cecilys rechter Arm zittert leicht, und sie legt die linke Hand auf das Handgelenk, um diese Tatsache zu verbergen. «Ich kann nicht mehr richtig sehen», sagt sie. «Aber es kam mir fast so

«Was haben Sie gegen Zitronen?»

«Zitrusfrüchte gehören nicht in Shortbread. Bringen Sie das Zeug beim Hinausgehen im Schwesternzimmer vorbei.»

«Was, jetzt sofort?»

«Gleich. Erst trinken wir Tee», sagt Cecily, nimmt das Telefon zur Hand und bestellt eine Kanne Earl Grey und einen Teller «nicht angeberischer Shortbreads ohne Geschmackszusatz». Kate richtet den Blick auf den abgenutzten Perserteppich. Nächstes Mal wird sie sich die fünf Pfund für Kekse sparen. Es wird kein nächstes Mal geben.

«Wie war Ihr Wochenende?», fragt Kate.

«Öde und unendlich lang. Und Ihres?»

«Ganz ähnlich», antwortet Kate lächelnd. «Na ja, morgen geht es zurück an die Arbeit, ein Affe an einer Schreibmaschine …»

«Erklären Sie mir, warum Sie diese Arbeit machen?», fragt Cecily und beugt sich mit echtem Interesse vor.

Kate zuckt mit den Schultern. «Warum macht man überhaupt eine Arbeit? Wegen des Gehalts. Ich weiß, wie es geht. Und ich habe dort Freunde.»

«Aber so ein ungewöhnlich sinnloser Job? Was wollten Sie denn machen, als Sie jung waren?»

Kate legt den Kopf zurück und streicht sich über den Hals. Darüber hat sie schon lange nicht mehr nachgedacht. «Ich wollte Journalistin werden wie mein Vater. Ich habe gern in seinem Arbeitszimmer gesessen, während er schrieb. Ich mochte das Geräusch seiner Schreibmaschine. Wenn er ausnahmsweise einmal einen Fehler machte, durfte ich mit

«Sind Sie aufs College gegangen?», fragt Cecily. «Vermutlich braucht man keine Qualifikation, um über Würstchen zu schreiben?»

Diese ständigen Seitenhiebe. «Ich hatte begonnen, Anglistik zu studieren, aber dann ist Dad gestorben, und ich habe mir eine Stelle gesucht.»

«Oh, er ist jung gestorben?», fragt Cecily, die plötzlich bestürzt aussieht. «Wie alt war er?»

«Sechsundvierzig.»

«Ach», sagt sie, einen Moment lang bedrückt. «Sechsundvierzig, das ist hart. Und Sie haben Ihr Studium nie wieder aufgenommen?»

«Eine Zeitlang war ich ziemlich mitgenommen, und dann kam es mir zu spät vor. Ich hatte so viel versäumt. Und Mum wies mich darauf hin, ich könnte ja in meiner Freizeit lesen und schreiben. Oh, Moment», unterbricht sich Kate, als sie es an der Tür klopfen hört. Sie nimmt Cecilys Suppenschale und tauscht sie gegen ein Tablett mit Tee und Keksen, das eine Pflegekraft hereinbringt. «Und Sie, Mrs. Finn?», fragt sie und setzt sich wieder. «Was wollten Sie werden, als Sie jung waren?»

«Ich?» Cecily tippt sich mit Schwung an die Brust. Obgleich sie eine Bluse, einen Pullover und eine ärmellose

Kate wird den Bericht über den Spion mit Vorsicht genießen und dasselbe gilt für den Hollywood-Teil. Auch hat sie keine Ahnung, was ein fiskepudding ist, aber eine lange und glückliche Ehe? Das klingt ermutigend. «Wie weit können Sie sich zurückerinnern?»

«Oh, ich erinnere mich an alles! Aber Sie wollen meine langweiligen alten Abenteuer nicht hören, oder?», sagt Cecily mit einem Funkeln in den Augen, das deutlich macht, wie gern sie ihre Geschichten erzählen würde.

«Mir fällt nichts ein, was ich lieber tun würde.»

«Dann müssen Sie eine sehr schwache Phantasie haben. Nein, meine Gute, gehen Sie und spielen Sie Scrabble mit Maud, die könnte einen Sieg weiß Gott vertragen.»

«Ich bin gekommen, um Sie zu besuchen, Mrs. Finn. Und ich möchte etwas über Ihr Leben hören.»

«Über damals im Krieg, als ich in einem Bombenflugzeug mitgeflogen bin? Oder über damals, als ich auf dem Weg zu meiner eigenen Hochzeit eine Autopanne hatte? Sie wollen bestimmt nichts von dem Tag hören, an dem ich Groucho

«Aber nein! Groucho Marx? Ehrlich? Erzählen Sie mir alles darüber.»

«Wirklich?»

«Ja, wirklich. Bitte?»

Cecily bemüht sich, ein triumphierendes Lächeln zu unterdrücken. «Nun, wenn Sie darauf bestehen.» Sie lässt sich tiefer in ihren Sessel sinken und atmet durch. «Mein Vater Joseph Polonsky war ein bekannter Süßigkeitenhersteller, berühmt in ganz London und zum Teil auch dem Umland. Er hatte ein hartes Leben, aber er und meine Mutter machten alle um sie herum glücklich. Ich kam in Forest Gate zur Welt, einer schrecklich langweiligen Vorstadt in East London. Ich war das jüngste von drei Kindern und absolut nicht geplant, aber ich weigerte mich hartnäckig, mich mit den üblichen auf Gin beruhenden Methoden entfernen zu lassen, obgleich Mama es mit aller Kraft versucht hat. Papa war Litauer – ein äußerst intelligenter Mann, Freidenker und Sozialist –, aber als er hier ankam, war sein Englisch so schlecht, dass er schließlich in einem Ausbeuterbetrieb in Leeds Knopflöcher nähen musste.»

«Knopflöcher machen – das ist so eigenartig. Als ginge es um die Scherzfrage, wie viele Löcher macht man in ein Poloshirt.»

«Nichts dergleichen», wehrt Cecily ab. «Dort hat er dann meine Mutter Eva kennengelernt.»

«Sie kam aus Yorkshire?», fragt Kate und überprüft, dass der Tee genug gezogen hat, bevor sie ihn ausschenkt.

«Für mich immer nur eine halbe Tasse auf einmal.»

«Halb leer.»

«Das ist dasselbe», sagt Kate und fängt Cecilys Blick mit einem Lächeln ein, das diese mit gebieterischer Miene erwidert.

«Mama kam aus Polen. Ihr Vater war der Dorfbäcker – sie wuchs in einem Haus auf, das vom Duft frisch gebackenen Challah-Brotes erfüllt war.»

«Richtig, Sie haben neulich das Brot Ihres Großvaters erwähnt …»

«Mama war außerdem auch eine großartige Köchin und eine Schönheit mit herrlichem Haar und durchdringenden blauen Augen. Mein Vater liebte Schönheit. Er hat mir meine Schwester May immer vorgezogen – sie war hübsch und gab niemals Widerworte. Er sagte gern: ‹Cissie, du hast einen Kopf wie Bismarck und ein Gehirn wie ein Bismarckhering.›»

«Was ist ein Bismarckhering?»

«Ein eingelegter Hering. Papa hat ein Gestell aus einem Hähnchenknochen entworfen und an meiner Nase befestigt, damit sie eine bessere Form bekommt. Das ist kläglich gescheitert.» Cecily wendet sich seitwärts, um ihr Profil zu zeigen, und fährt mit dem Zeigefinger über ihre Adlernase. «Aber ich schweife ab. Mama wurde nach Leeds geschickt, damit sie den Freund ihres Bruders heiratete. Diesem Mann gehörte die Fabrik, in der Papa arbeitete. Sie entwickelte einen starken Abscheu gegen diesen Freier, verliebte sich aber innig in Papa. Sie trafen sich heimlich nach seiner Schicht, und dann blickte sie in seine dunklen, intelligenten Augen und war gefesselt von seinen leidenschaftlichen Überzeugungen. Er drückte sich immer so wunderschön aus, und obgleich ihr Englisch sehr begrenzt war, saugte sie seine Worte auf und

«Das ist so romantisch.»

Cecily runzelt die Stirn, um ihre Mundwinkel bilden sich tiefe Falten. «Das Leben der beiden war hart. Während langer Phasen kränkelte Papa immer wieder. Mama wurde bald schwanger mit May und musste für andere Leute die Böden scheuern. Papa landete als Arbeiter in einer Süßwarenfabrik. Ich erinnere mich daran, dass ich ihn dort besucht und unglaublich lange Stränge Zuckerpaste gesehen habe, die auf riesigen Haken gedreht und dann zu Malzbonbonstäben zerteilt wurden, während es überall wunderbar süß roch. Damals muss ich drei gewesen sein.»

«So weit reicht Ihre Erinnerung zurück?»

«Ich erinnere mich mit großer Klarheit an Dinge, die gemeinhin für unmöglich gehalten werden – zum Beispiel daran, dass mein stattlicher grüner Kinderwagen von meiner Amme Clara geschoben wurde. Sie starb vier Wochen, nachdem sie sitzengelassen worden war.»

«An gebrochenem Herzen?»

«An Schwindsucht. Das Timing war allerdings schlecht. Papa nahm mich mit ins Krankenhaus, und da lag sie mit glühenden schwarzen Augen und zupfte mit verkrampften Fingern an ihrer Bettdecke herum.» Als sie den verstörten

«Erzählen Sie mir mehr von der Süßwarenfabrik», sagt Kate, die befürchtet, dass Cecily in eine düstere Stimmung gerät.

«Papa hat dort nicht lange gearbeitet», berichtet Cecily und schiebt sich mit den Ellbogen in ihrem Sessel vor. «Er hatte in unserer Nähe eine Konditorei entdeckt, die zum Verkauf stand. Er hatte zwölf Pfund gespart, und die Miete betrug vierhundert Pfund, doch er war ein sehr bewunderter Mann, bekannt für seinen Intellekt, und Mama liebte ohnehin jeder – sie war so sanft und warmherzig wie Papa einschüchternd war. Ihre Freunde und Nachbarn wollten den beiden helfen und liehen ihnen Geld. So kaufte Papa den Laden in der Woodgrange Road Nr. 25, E7, und machte Polon’s Süßigkeiten daraus.»

«Vom Schuften zum Duften …»

Cecily prostet Kate mit ihrer Tasse zu, und diese errötet. «Ist das der Quatsch, den Sie für Ihre Arbeit schreiben müssen? Genau das ist der Grund, aus dem Papa immer sagte, man solle sein eigener Chef sein. Er sagte, seine Vorstellung von Glück bestehe darin, jedem sagen zu können, er solle sich zum Teufel scheren», erklärt sie fröhlich. «Jetzt war er also der Chef, auch wenn es letztlich Mamas harte Arbeit war, die den Laden am Laufen hielt. Sie eröffneten im hinteren Raum eine Eisdiele und wurden berühmt für ihre Eiscreme. Mama stand

«Ihre Familie ist nach Italien gezogen?»

«Nein, das war einige Jahre nach Samuels und meiner Hochzeit. Mama hat auch Englische Madeleines gebacken, die ganz anders sind als die von Proust. Es waren wunderschöne rosa-weiße Türmchen aus ganz lockerem Biskuit, mit Konfitüre und Kokosnuss gefüllt und mit einer Kirsche darauf, einfach herrlich.» Sie führt die zittrige Hand an die Lippen, die bei dieser Erinnerung leicht beben.

«Es klingt so, als wäre ihre Mutter eine wahre Küchengöttin gewesen.»

«Sie hat alles gemacht – für Papa gekocht, ihn gepflegt, den Laden beaufsichtigt, die Kunden umgarnt –, meine frühen Tage wurden daher von den Ladenmädchen regiert. Emmie mochte ich am liebsten, was für eine Virago.»

Es ist Kate peinlich, nach der Bedeutung des Wortes zu fragen, doch als sie später nachschlägt (Virago ist so etwas wie ein Hausdrachen), stellt sie fest, dass die Beschreibung perfekt auf Cecily passt.

«Unser Laden lag unmittelbar neben einem der frühesten Kinos, dem Grand Theatre – Emmie hat mich immer in die erste Reihe gesetzt, wenn sie mit ihrem Freund verabredet war.»

«Sie hat Sie allein gelassen? Wie alt waren Sie damals?»

«Die Legende will, dass ich mein Fläschchen nur getrunken

«Daher auch die vielen Bücher … Die haben Sie alle bei Ihrem Umzug hierher mitgebracht?», fragt Kate und macht sich daran, die größte Bücherwand näher zu betrachten.

«Wir hatten zu Hause eine doppelt so große Sammlung. Das gehört zu den Dingen, die am Altwerden am schlimmsten sind – ständig wird einem etwas weggenommen: der Besitz, die Hüften, die Sehkraft.»

«Dann sollten Sie sich doch eigentlich nicht mit Erinnerungen an das umgeben, was Sie verloren haben?»

«Was ich verloren habe? Meine Bücher erinnern mich an alles, was ich hatte – ein Leben voller Abenteuer.»

Kate betrachtet die Bücherreihen vor ihr, und das Herz wird ihr weit. All diese Geschichten, die endlosen Entdeckungen, die man hier machen könnte. Sie fährt mit den Fingern über die Buchrücken – eine große Sammlung von Romanen, Kunstbüchern, Lyrik und Reiseführern.

«Schauen Sie rechts», sagt Cecily. «Die sind vermutlich nach Ihrem Geschmack.»

Kate überfliegt die Titel und zieht die Augenbrauen hoch. Cecily besitzt beinahe jedes der Kochbücher, die Kate bei Nick gelagert hat, und außerdem noch einige hundert weitere – alles von Mrs. Beeton über Fanny Craddock bis zu Nigella. Es sind nicht nur Bücher mit Rezepten, sondern auch solche über die Geschichte und die Wissenschaft der Nahrungsmittel sowie Romane und Erzählungen, in deren Zentrum Kochen und Essen stehen. «Nora Ephron!», sagt Kate und zieht das schlanke

«Sehe ich recht, dass Sie ein Fan von Kochbüchern sind?»

«Sehr sogar», antwortet Kate sehnsuchtsvoll. «Ich liebe sie und habe zu Hause ganze Stapel davon. Na ja, genau genommen habe ich im Moment kein einziges», fügt sie plötzlich niedergeschlagen hinzu.

«Hat es gebrannt?», fragt Cecily besorgt.

«Ja, in meiner Beziehung», antwortet Kate, zuckt zusammen und schüttelt den Kopf.

«Das klingt schmerzhaft.»

«Oh, ich werde die Bücher gewiss irgendwann zurückbekommen.» Kate beißt sich auf die Lippen.

Cecily stockt einen Moment, einen nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. «Nun denn», sagt sie entschlossen. «Wenn Ihre Bücherregale leer sind, müssen Sie sich eines von meinen Büchern ausleihen.»

«Ach, das bringe ich nicht fertig.»

«Ich bestehe darauf. Sonst vergeht erneut ein Wochenende, das ich vollkommen sinnlos vertan habe.» Und unvermittelt fügt sie hinzu: «Suchen Sie sich etwas aus, aber beeilen Sie sich. Ich möchte mich ausruhen.»

«Oh, okay … Wie wäre es mit dieser Elizabeth David?»

«Nein, das ist eine Erstausgabe», entgegnet Cecily. «Suchen Sie sich ein anderes Buch aus, jedes andere ist recht.»

Kate lässt den Blick über das Regalbrett wandern. Wie wäre es mit dem Silver Palate Cookbook

«Es wird dieses Zimmer unter keinen Umständen verlassen.»

«Ich dachte, Sie hätten gesagt, jedes andere …», brummt Kate.

Aus irgendeinem Grund fühlt sich Kate, als spielte sie «Heiß und Kalt». Ihre Hand wandert zu einem farbenfrohen Hardcover ein Fach tiefer. «Das hier?», fragt sie und angelt es heraus. Thought for Food: Ein Kochbuch für besondere Anlässe von Esther Shavin. Der Titel ist in einem für die fünfziger Jahre typischen fröhlichen Schrifttyp gesetzt. Das Cover zeigt eine Dinnerparty, auf der eine muntere Gastgeberin einem streng dreinblickenden Gast eine Servierplatte mit Koteletts hinhält. Ein anderer Gast kreuzt die Finger auf symbolische Weise, eine übertriebene, komische Geste. Kate hat noch nie von dem Buch gehört, doch es sieht interessant aus.

Cecily lächelt, und ihr ganzer Körper sinkt entspannt in den Sessel zurück. «Perfekt. Ich hätte es selbst nicht besser für Sie auswählen können.»

 

Später am Abend fragt Kate sich, ob Cecily sie vielleicht manipuliert hat. Kate hatte geglaubt, die Farben auf dem Buchrücken hätten sie angesprochen – Pink und Gelb wie ein Dessert aus Rhabarber und Vanillesauce –, aber vielleicht war es eher die Tatsache, dass es als einziges Buch aus einer geraden Reihe herausragte, fast als hätte jemand dafür gesorgt, dass sie darüber stolpern musste.

So oder so, Kate kann sich kein besseres Buch vorstellen, um ihre derzeitigen Ängste zu lindern – es ist charmant, witzig und leicht zu lesen. Auf der Busfahrt nach Hause studiert sie den Klappentext:

Sie blättert zum Impressum – erschienen 1957 – und dann zum Vorwort:

Ich habe dieses Buch nicht für jene heroischen Hausfrauen geschrieben, die siegreich aus der Küche kommen, nachdem sie ein Dinner mit Cordon bleu für zwanzig Personen zubereitet haben. Eher schon wende ich mich an die leichter zu Erschreckenden, für die ein gastronomischer Anlass eine Herausforderung und ein Dilemma ist. Was soll man dem Mann vorsetzen, von dem man hofft, dass er nach dem Dinner noch bleibt? Und was dem Mann, von dem man sich das Gegenteil wünscht?

Kate hat vorgehabt, ihr Zimmer aufzuräumen, stellt aber fest, dass sie das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Cecily hat es offensichtlich selbst mehrmals gelesen, die Ränder der Schutzhülle weisen Fingerspuren auf, und auf den vergilbten Seiten zeichnet sich hier und da etwas Verkleckertes ab.

Das Buch ist in sechs Teile untergliedert, die unter anderem familiäre und gesellschaftliche Anlässe sowie Notfälle umfassen. Jeder Teil beinhaltet ein Dutzend kurze Kapitel – «Lunch für einen verstimmten Kunden», «Versöhnungsabendessen nach einem Streit mit Ihrer Schwester» … Jedes Kapitel

Der Teil über die Anlässe der Liebe fasziniert Kate am meisten: «Dinner für einen charmanten Fremden»; «Dinner für den Mann, den Sie zu heiraten hoffen». Unter «Dinner für eine neue Liebe, eine alte Liebe und die neue Liebe der alten Liebe» steht zum Thema Ziel:

Sehr kompliziert. So einfach wie möglich gesagt: Sie wollen mit Ihrer neuen Liebe vor Ihrer alten Liebe angeben und gleichzeitig der neuen Liebe Ihrer alten Liebe zeigen, dass Sie Ihre alte Liebe mit einem einzigen Augenklimpern erneut an Ihre Seite rufen könnten, wäre Ihre neue Liebe nicht so viel attraktiver als Ihre alte. Ambiente: gedämpftes Licht, am besten Kerzen. Das wird für die andere Seite so schmeichelhaft sein wie für Sie selbst, aber daran lässt sich nichts ändern.

Das Menü klingt köstlich: Lammspießchen auf Juwelenreis, gefolgt von Schokoladenpudding Cecilienne.

Mit Appetit auf einen Teller voll Lamm wandert Kate in die Küche, das Buch noch immer in der einen Hand. Sie ist zu beschäftigt, um zu kochen, macht sich aber ein paar Toasts mit Erdnussbutter, bevor sie, noch immer gefesselt, in ihr Zimmer zurückkehrt.

Erst nach Mitternacht schläft sie ein, das Buch auf dem Kopfkissen, die Finger sicher zwischen seinen dicken, weichen Seiten vergraben, den Körper friedlich unter der Bettdecke zusammengerollt.