Dem Cover von Thought for Food entnimmt Kate, dass Esther Shavin außerdem Drehbuchautorin, Reisejournalistin und Kinderbuchautorin ist. Am Montag googelt sie in ihrer Mittagspause nach ihr. Bei IMDb findet sie Hinweise auf zwei Filme, für die Esther Shavin in den 1960ern das Drehbuch verfasst hat. Auf verschiedenen Websites sind gebrauchte Bücher von ihr zu bekommen. Es gibt keinen Hinweis, ob sie noch lebt, aber falls sie beim Verfassen des Buches in den mittleren Jahren war, müsste sie inzwischen tot sein. Kate kauft alle neun Ausgaben, die sie auftreiben kann – ihre Freundinnen werden das Buch ebenfalls lieben. Zwar ist ein Teil der Rezepte veraltet, doch die Ratschläge und der Witz sind zeitlos.
Kate lässt das Buch als Blickfang auf ihrem Schreibtisch liegen, als sie zu ihrer Besprechung mit dem Produktionschef Dave geht, und als sie zurückkehrt, liest Kavita darin.
«Tolles Werk», sagt sie und blättert um. «Eine Mischung aus Kochbuch und Psychoratgeber mit eingestreuten Scherzen.»
«Auf welcher Seite bist du gerade?», fragt Kate, die sich freut, dass ihre Freundin das Buch mag.
«Das hier finde ich phantastisch», sie blättert ein wenig, «‹Improvisiertes Abendessen nach einer Cocktailparty. Ambiente: Je nachdem, wie Sie Ihr Zuhause beim Ausgehen zurückgelassen haben. Entweder Sie heben Ihre Unterwäsche mit einem fröhlichen Lachen vom Boden auf, oder Sie übergehen jedwede Unordnung mit überlegener Miene und reichen Ihren Gästen ein Glas mit Alka Seltzer, worauf Sie sich in die Küche zurückziehen, um fluchend zu überlegen, was jetzt zu tun ist.› Und toll ist auch diese Stelle weiter vorn: ‹Dinner zur Feier von dreißig Jahren Ehe: Führt die Straße immer bergauf? Ja, bis ganz zum Ende› – darüber musste ich lachen. Das stammt eindeutig aus der Feder einer Frau, die schon ewig verheiratet ist.»
«Ist dir aufgefallen, dass sie für jedes der fünf Gerichte zum Hochzeitstag dasselbe Lammrezept vorschlägt – es aber jedes Mal leicht abwandelt? Und für das letzte Essen sind kleinere Portionen vorgesehen. Das finde ich reizend, weil sie zusammen alt werden.»
«Diese Vorschläge im Kapitel zum Kindergeburtstag – das war mein Samstagnachmittag. ‹Ziel: sicherzustellen, dass Ihr Kind auf die Party-Listen anderer wünschenswerter Eltern in Ihrer Umgebung gesetzt wird. Solche Partys enden gern mit Streit und Tränen. Sie müssen dieses Risiko hinnehmen und darauf vorbereitet sein, streng Recht zu sprechen und saubere Taschentücher zu verteilen.› Die verdammten Löwenmütter von Ealing … Wo hast du dieses Prachtstück her?»
«Eine der alten Damen im Heim besitzt eine riesige Bibliothek. Dort war es vergraben.»
«Jemand sollte eine neue Version schreiben … ‹Dinner für den Abend, an dem Sie Ihren Hochzeitstag vergessen haben, während Ihr Mann möchte, dass Sie ein romantisches Essen zubereiten, weil er Ihnen das angeblich gewünschte Dampfbügeleisen geschenkt hat. Sie selbst haben aber nur noch genug Energie und Lust, um Good Wife zu schauen.›»
«Ach, der arme Dom – was hast du ihm gekocht?»
«Ich habe ihm gesagt, er soll sich ein Currygericht vom Inder bringen lassen», antwortet Kavita, während sie pantomimisch einen Trommelwirbel auf einem Schlagzeug darstellt.
«Das ist ein ganz schlechter Scherz», sagt Kate lachend.
Kavita zuckt mit den Schultern. «Übrigens, hat dieser Schwachkopf Devron bereits verlauten lassen, wie es weitergeht?»
«Oh, bitte, fang nicht davon an», sagt Kate und vergräbt den Kopf in den Händen. «Ich dachte, die Arbeit sei der eine Stabilitätsanker in meinem Leben, aber das Timing könnt nicht schlechter sein. Devron hat noch kein Wort gesagt, aber ich warte auf weitere schlechte Nachrichten.»
«Wie steht es denn jetzt mit Nick?»
Kates Miene hellt sich ein wenig auf. «Also, ich glaube, es ist okay. Wir reden wieder täglich miteinander. Es ist wirklich schön. Er fragt immer wieder, ob wir uns treffen können, aber ich bin noch nicht so weit.»
«Kannst du Frankreich nicht einfach als kurze Panne abschreiben?»
«Eine ziemlich schmerzhafte Panne», sagt Kate und schüttelt den Kopf. «Das Gute ist, dass er eine Therapie begonnen hat.»
«Nick?» Kavita schaut überrascht. «Er kommt mir so gar nicht wie der Typ dafür vor.»
Kate zuckt mit den Schultern. «Ich habe ihm gesagt, er soll seine Probleme lösen, und anscheinend hat er auf mich gehört. Er sagt, es gefällt ihm sehr und er hätte zum ersten Mal mit jemandem über den Tod seiner Mutter reden können. Ich wies ihn darauf hin, dass mein Dad ebenfalls gestorben ist, als ich im College war, er hätte also mit mir sprechen können, aber er sagte, es sei nicht dasselbe. Jedenfalls öffnet er sich jemandem – oh, und er hat mich gefragt, ob er mich an meinem Vierzigsten zum Essen ausführen darf.»
«Du hast angenommen?»
Kate schüttelt den Kopf. «Ich versuche, so zu tun, als gäbe es diesen Geburtstag gar nicht.»
«Aber du musst doch feiern.»
«Nicht wenn ich dann arbeitslos, obdachlos und single bin», antwortet sie schaudernd. «Alles ist so ungewiss, und ich hoffe, wenn ich einfach die Augen zumache, regelt es sich von allein.»
«Ja», bemerkt Kavita lachend. «Genau so geht es im Leben zu.»