Ziel:
Mir fällt keines ein, abgesehen von reinem Masochismus, da das Unternehmen einen dem Ungemach zahlreicher Wespenangriffe, den Unwägbarkeiten des Wetters und einem harten Boden aussetzt. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass außer mir anscheinend jeder Picknicks liebt.
Wie sich herausstellt, kommt Cecilys Menü dem Essen ziemlich nahe, das Kate entwerfen würde, sollte sie ein «Picknick für einen pingeligen Schauspieler mit Kohlenhydrate-Phobie» planen: Pâté, mit cremigen Pilzen gefüllte Schinkenröllchen und mit Rührei gefüllte Paprika.
Als Kate nach der Arbeit am Freitag die Zutaten einkauft, fällt ihr auf, dass das Pâté-Rezept Alkohol enthält. Sie schickt Martin eine Nachricht:
Bist du ein strikter Abstinenzler, oder ist Cognac in der Pâté in Ordnung?
Er antwortet unmittelbar:
Wenn du mich mit Pâté betrunken machen kannst, gestatte ich dir, das auszunutzen. Ich freue mich riesig auf dich xxx
Kate schätzt, dass das Essen vier Stunden Vorbereitungszeit erfordern wird – das ist am nächsten Tag gut zu schaffen. Sie ist mit Martin erst für 15 Uhr verabredet. Und so genehmigt sie sich einen Besuch beim Friseur und ein neues Kleid von Zara. Seit dem Herumeiern hat sie vergessen, wie sinnvoll es ist, auch für jemand anderen als Nick gut auszusehen. Es wird Zeit, dass sie daran etwas ändert.
Die Hände in die Hüften gestemmt, steht Kate in Ritas Küche. Jetzt wird gekocht! Sie spürt ein leichtes Pochen im Kopf, als sie mit dem Finger über ihre Vorbereitungsliste streicht. Wann um Himmels willen hat sie zum letzten Mal ein mehrgängiges Menü allein zubereitet? Beim Blick in Cecilys Rezepte hat es sie ganz wirr gemacht, über die richtige Zeitabfolge nachzudenken: Soll sie zuerst die Pâté zubereiten, die sich setzen muss? Oder die Schinkenröllchen? Sie sind knifflig, die Zubereitung könnte lange dauern. Früher, also vor der Zeit mit Nick, war sie gut darin, die Zubereitungsdauer abzuwägen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hat sie köstliche Festessen für ihre Freunde zubereitet. Zur Feier von Baileys Scheidung gab’s ein opulentes achtgängiges spanisches Menü – eine Erinnerung an das großartige Mahl, das sie beide an Baileys Dreißigstem auf ihrem Barcelona-Trip genossen hatten. Aber Kate hat inzwischen ihre Unabhängigkeit im Kochhandwerk verloren und sich darauf verlassen, in der Küche nur ein Teil eines Paars zu sein.
Die cremige Pilz-Senf-Füllung für die Schinkenröllchen – damit wird sie anfangen. Sie zieht den Deckel von der Sahne und bespritzt sich. Warum bloß macht sie sich diese Mühe? Sie weiß doch gar nicht genau, ob sie überhaupt Wert auf dieses Date legt. Sie rührt einen Löffel körnigen Senf in die Creme und gibt eine Prise Salz hinzu. Sie sollte aufhören, sich den Kopf über diesen Ausflug zu zerbrechen – Cecily würde sie nicht zu Dummheiten ermutigen, und selbst Bailey hatte gemeint, dass es klug für Kate sei, sich Optionen – wie sie es nannte – offenzuhalten.
Weiter geht es mit der Pâté: Kate nimmt die Hähnchenlebern aus der Kunststoffschale und schaudert zusammen, weil die schlüpfrigen Organe schwer in ihrer Hand liegen. Um Zutaten, für die Kate zu zimperlich war, hat sich immer Nick gekümmert. Zu seinem Geburtstag im letzten Jahr hat sie ihm einen Metzgerkurs geschenkt. In seine Fertigkeiten hat sie gern investiert, aber nie in Erwägung gezogen, den Kurs auch selber zu besuchen – viel zu teuer. Nick würde nicht mit der Wimper zucken, sich selbst damit zu beschenken. War das der Unterschied zwischen Mann und Frau oder einfach nur der Unterschied zwischen Nick und Kate?
Gut – Zeit für die rote Paprika. Kate musste den Gemüsehändler in Camden aufsuchen, um diese Pimientos zu finden, aber sie ist froh, dass sie sich die Mühe gemacht hat. Sie hatte vergessen, wie wunderbar dieses Geschäft ist. Elf verschiedene Paprikasorten gab es da, blassgrüne, nahezu leuchtend orangefarbene oder tiefrote, dicke, dünne, kurze oder krumme. Obst und Gemüse aufzustöbern, ist für sie genauso aufregend wie der Aufenthalt in einer Buchhandlung – und sich dabei die unzähligen Möglichkeiten vorzustellen. Was immer bei diesem Picknick herauskommen mag, sie ist froh, dass Cecily sie dazu genötigt hat.
Als sie die Zwiebeln hackt, erfüllt ein dumpfer Schmerz ihre Brust. Nick wäre begeistert von diesem Essen. Doch dann weicht ihre Traurigkeit erneut dem Zorn darüber, dass er so achtlos mit etwas umgegangen ist, das nicht ihm allein gehörte – er war achtlos mit ihnen beiden.
Kate hält inne. Ihre Stimmungsschwankungen sind unkontrollierbar, genau wie diese Schinkenröllchen. Zum Teufel. Sie wird ein köstliches Picknick zubereiten. Sie wird mit diesem attraktiven Schauspieler ausgehen und einen netten Nachmittag verbringen. Sie muss sich in Erinnerung rufen, dass sie eine begehrenswerte, kompetente Frau ist, die sehr wohl eine Scheibe Schinken um eine ziemlich weiche Füllung zu einer beinahe akzeptablen zylindrischen Form rollen kann.
Zwei Stunden später mustert Kate das Festessen, packt es in einen Korb und stellt ihn auf Ritas Küchentheke: Sie hat ihre Sache gut gemacht.
Der Badezimmerspiegel zeigt ihr, was die letzten Monate mit ihr gemacht haben. Sie ist schlanker, sieht aber erschöpft aus. Sie übt ein Lächeln. Von den vielen Zigaretten und dem schwarzen Kaffee sind ihre Zähne ein wenig fleckig. Sie zuckt mit den Schultern und denkt an Rita, die sich immer auf das Positive konzentriert. Das kann ich auch. Mit einem marineblauen Eyeliner zieht sie einen schmalen Strich über ihr Lid – so wirken ihre Augen grüner. Sie bringt ihre von Natur aus langen Augenwimpern mit großer Sorgfalt in Form, statt sie wie üblich nur zwei Sekunden zurechtzudrücken. Danach tuscht sie sie und trägt ein wenig rosiges Rouge auf die Wangen auf. Dann holt sie tief Luft, zieht die Schultern in ihrem neuen Kleid zurück und spürt, wie ein kleiner Schwall von Erregung durch sie hindurchschießt. Das Leben ist nicht beängstigend, es ist ein großes Universum voller Möglichkeiten.
Dies hier ist allerdings weit entfernt von allen Möglichkeiten, die sie in Erwägung gezogen hat! Kate schaut erneut auf die Uhr: 15.28. Sie ist sich sicher, dass sie für 15 Uhr mit Martin verabredet ist, oder haben sie vielleicht 15.30 Uhr ausgemacht? Sie liest sich Martins letzte Nachricht noch einmal durch, die er ihr gestern um 23 Uhr geschickt hat – nein, eindeutig 15 Uhr.
Sie versucht, ihn erneut anzurufen, schon zum zweiten Mal erfolglos. – Beim nächsten Versuch könnte er in ihr eine durchgeknallte eifersüchtige Geliebte fürchten. Sie schiebt die Hand in den Korb, schnappt sich verstohlen eine gefüllte Paprika und schlingt sie herunter: Sie ist am Verhungern.
Ihr Handy piept, das muss er sein.
Hast du heute Abend Lust auf ein Curry? Es macht viel mehr Spaß, mit dir zusammen zu essen. x
Nick! Das alles ist verdammt noch mal seine Schuld. Hätte er nicht herumgeeiert, stünde sie nicht mit einem immer schwerer werdenden Korb hier und wartete auf einen unbedeutenden Schauspieler, der beim ersten Date ein wenig zu zudringlich war.
Sie schickt Bailey und Cara eine Nachricht.
Wie lange soll ich warten, bevor ich annehmen muss, dass ich versetzt worden bin?
Cara antwortet:
7 Minuten, Maximum.
Bailey:
40 Minuten.
Kate wird Martin ein wenig mehr Zeit geben. Es ist zu viel Essen, das sonst verdirbt. Unterdessen googelt sie nach Martin. Das hat sie schon einmal getan, um zu sehen, in welchen Fernsehshows er sonst noch aufgetreten ist – aber sie hat sich nicht die Mühe gemacht, mehr als die erste Ergebnisseite aufzurufen. Als sie jetzt bei Seite drei anlangt, könnte sie sich selbst in den Hintern treten, dass sie so oberflächlich recherchiert hat. Martin Saponara, 43 Jahre alt, geboren am 14. Mai. Mai. Nicht Dezember, er ist überhaupt kein Schütze! Wikipedia mag danebenliegen, doch dass auch das Heat-Magazin sich irrt, ist eher unwahrscheinlich – ein Paparazzi-Schnappschuss zeigt, wie Martin in Begleitung einiger etwas berühmterer Freunde aus dem Groucho kommt, und zwar an seinem Geburtstag im Mai.
Er hat gelogen. Weder Sternzeichen noch Geburtstag waren korrekt – zweifellos wollte er sie so zum Sex rumkriegen. Kate setzt den Korb ab und verschränkt die Arme vor der Brust. Welcher auch nur halbwegs erfolgreiche und vernünftige Dreiundvierzigjährige kann eine Frau nicht in seine Wohnung einladen? Es sei denn, seine WG-Partnerin ist in Wahrheit seine Freundin oder – noch schlimmer – seine ‹Ex›-Frau. Wahrscheinlich hat er dieses Picknick nur vorgeschlagen, um im Grünen mit ihr herumzufummeln, da sie weder zu Kate gehen können noch zu ihm nach Hause!
Und wenn sie recht darüber nachdenkt, dann war sein Vorschlag unerhört, am Samstagabend nach dem Treffen mit seinem Bruder noch kurz bei ihr vorbeizuschauen. Hat er sie deswegen versetzt – weil er glaubt, dass sie ihm sicher ist?
Ah, das tat gut! Kate löst die Arme. Keine Panik mehr, da hinten, etwas weiter weg, da ist er ja und winkt ihr von der Bushaltestelle zu. Sie hat sich von ihrer Phantasie hinreißen lassen, ihn für ein Schwein zu halten, während er in Wahrheit bezüglich seines Geburtstags nur geschwindelt hat, um sie für sich einzunehmen – ist das so schlimm? Sie winkt zurück, doch als der Mann mit ähnlicher Statur wie Martin sich nähert, erkennt sie entmutigt, dass er einer jungen Frau zuwinkt, die sich hinter ihr befindet – einer Frau, die nicht versetzt worden ist.
Kates Gesicht brennt vor Scham. Sie schickt Martin eine SMS:
Bist du unterwegs? Ich habe hier einen Picknickkorb voller Proteine, auf dem dein Name steht.
Ihr Messenger meldet, dass die Nachricht abgerufen wurde, Martin ist also nicht in irgendwelchen schwarzen Löchern versunken, aber trotzdem antwortet er nicht. Inzwischen ist es 16 Uhr durch.
Sie ist noch nie versetzt worden. Sie hat Zeit, Mühe und viel zu viel Geld für dieses Essen verschwendet, und jetzt steht sie mit ihrem Korb auf der Straße wie Dorothy im Zauberer von Oz. Sie hat für diesen Mann mit abstoßend schleimigen Lebern hantiert, und das bekommt sie dafür zurück? Sie sollte inzwischen wissen, dass man keinem Mann vertrauen kann. Aber tatsächlich wäre Nick niemals so unhöflich und unzuverlässig gewesen.
Sie ist verärgert, deprimiert und gereizt. Und tief in ihrem Inneren fühlt sie sich verletzt. Gleichzeitig ist es ihr peinlich, dass es ihr überhaupt etwas ausmacht. Ja und? Für wen hält sie sich, dass sie glaubt, ein cooler, gut aussehender Schauspieler könnte sich für sie interessieren?
Sie nimmt ihr Telefon wieder zur Hand und tippt eine Nachricht – mit Sicherheit aus den falschen Gründen:
Ich komme um 19 Uhr, ich muss noch einen Korb abladen. Vergiss die Papadams nicht.
Was ist so falsch daran, dass sie etwas unternimmt, um sich wieder besser zu fühlen?
Sie genehmigt sich ein Taxi zum Lauderdale House. Dort trifft sie Bernadette in der Küche an, wo die Catering-Chefin das Inventar eines Vorratsschranks durchgeht.
«Samstags schauen Sie normalerweise nicht vorbei», sagt Bernadette. «Sind Sie wegen Mrs. Paisners Vierundneunzigstem gekommen? Alle haben sich im Garten versammelt und singen.» Sie schaut auf die Uhr. «In fünf Minuten sind sie fertig.»
«Ich wusste nichts von der Feier. Ich bringe nur ein paar selbst zubereitete Speisen, sie sind unberührt.»
Bernadette kramt in dem Korb herum. «Wir können das zum Abendessen auf den Tisch stellen – die Damen werden die Schinkenröllchen und die Pâté mögen. Bei den Paprika bin ich mir allerdings nicht sicher, die sind wahrscheinlich zu scharf.»
«Sie sind sehr mild.»
«Ich kann keine verdorbenen Mägen riskieren, das würde die Verwaltung mir niemals verzeihen.»
«Kann ich Mrs. Finn sehen? Ich würde ihr gern zeigen, was ich gemacht habe, sie hat es angeregt – na ja, sie hat es praktisch befohlen. Ist sie im Garten?»
Bernadettes Gesicht verfinstert sich. «Mrs. Finn ist nicht im Garten, da hält sie sich niemals auf. Sie ruht sich aus. Heute Nacht hat sie schlecht geschlafen und beschlossen, sich an einer meiner Hilfskräfte abzureagieren.»
«Oh nein, ist alles mit ihr in Ordnung?»
«Mrs. Finn hat sie nicht geschlagen, falls Sie das meinen, aber sie hat ihre Vichyssoise nicht goutiert und einige Gemeinheiten von sich gegeben. Jeanie war etwas erschüttert.»
«Entschuldigung, ich meinte, ist mit Mrs. Finn alles in Ordnung?»
«Mrs. Finn? Sie blüht bei Konflikten geradezu auf. Im Moment schläft sie, das ist alles.»
«Ich werde ihr von dem Essen bringen, damit sie etwas hat, wenn sie aufwacht. Wenn sie die Suppe nicht gegessen hat, ist sie vielleicht hungrig.»
Bernadette schüttelt den Kopf. «Sie schläft tief und fest. Außerdem halte ich es nicht für richtig, schlechtes Benehmen zu belohnen. Sie kann sich beim Abendessen etwas davon nehmen. Ich werde ihr sagen, dass Sie hereingeschaut haben.»