Ziel:
deutlich zu machen, dass Sie zwar das «kleine Frauchen» sind, das treu und brav in der Küche steht und ein köstliches Mahl zubereitet, dass Sie aber fähig (und bei Gott willens) sind, aus der Küchenschürze in einen Pelzmantel zu schlüpfen, sollte der Chef geruhen, Ihren hart arbeitenden Mann zu befördern.
Kate versucht, sich vorzustellen, wie sie Devron für ein üppiges Mahl nach Hause einlädt, um zu versuchen, ihren Job zu retten, und schüttelt den Kopf. Sie wird sich wohl von einer anderen Seite des Buchs inspirieren lassen müssen …
«Kate, Annalex – wir müssen dringend reden.» Devron steht plötzlich verlegen vor ihren Schreibtischen.
Kate schiebt schnell einen Stapel Unterlagen über Cecilys Buch. «Geht es um die Entlassungen oder um Weihnachten?», fragt sie, greift nach ihren Ordnern und blickt mit einem Lächeln zu Devron auf. Er weicht ihrem Blick aus, und das jagt Kate einen Schreck ein.
Was um Himmels willen hat sie sich eigentlich dabei gedacht, so freimütig in ihrem Essay darüber zu schreiben, wie wichtig Essen fürs Glück sei? Angeregt durch die Erzählung Mrs. Finns über ihre Kunststunde hat sie diese Ideen von Mut und Ehrlichkeit formuliert. Kein Wunder, dass Devron sie nicht ansieht. Annalex’ Entwurf wird zweifellos arm an Worten, aber reich an Daten sein, und nichts macht Devron mehr an als eine Mintel-Marktstudie, aus der er zitieren kann, um beschlagen zu wirken.
Mit gesenktem Kopf folgt sie Devron und Annalex in den Konferenzraum, als ginge es zum Galgen. Als sie sich setzen, sieht Devron ihr immer noch nicht in die Augen. Sie fragt sich, ob man sie gleich aus dem Büro geleiten wird, wie es bei Entlassungen üblich ist, und falls ja: Hätte sie etwas von ihrem Computer mitnehmen sollen? Oder ist alle Arbeit, die sie in den letzten beiden Jahrzehnten gemacht hat, für den Papierkorb?
«Meine Damen», sagt Devron. «Ich habe eure eingereichten Texte gelesen und dachte, es wäre eine gute Übung, wenn ihr sie ebenfalls gegenseitig lest – so seid ihr voll informiert und könnt einander ein Feedback geben.»
«Wieso schlägst du das vor?», fragt Annalex, als hätte sie gerade herausgefunden, dass Weihnachten dieses Jahr ausfällt.
«Heißt das, du hast noch keine Entscheidung getroffen?», fragt Kate genauso verstört.
Devron wirkt bestürzt, weil die Frauen plötzlich gemeinsam gegen ihn Front machen. «Wenn ich bitte ausreden dürfte? Ihr seid völlig unterschiedlich an die Herausforderung herangegangen, und ich halte es immer für richtig, einen Dialog zu führen, im Sinne der Transparenz. Meine Entscheidung werdet ihr früh genug erfahren.»
Das wird die letzte Hürde sein, die wir nehmen müssen, denkt Kate. Er testet, ob wir uns gegenseitig unterstützen oder uns mit dem Dolch in den Rücken fallen. Oder er erwartet, dass wir die Entscheidung an seiner Stelle treffen.
Annalex nimmt die Seiten in die Hand, reicht ihren eigenen Text an Kate weiter und liest Kates Titel mit gerunzelter Stirn vor: «Von Astronautennahrung bis zu Vanillecreme-Donuts – wie unsere Leidenschaft für Lebensmittel helfen kann, unseren Kunden die Schönheit des Lebens zu vermitteln. Ist das dein eingereichter Text?»
«Ja», antwortet Kate und wirft einen Blick auf Annalex’ Titel: POWER-MARKEN bilden durch KISM (KEY INSIGHT STRATEGIC MESSAGING) und Vibfom (VISUALISED BENEFIT FOCUS MESSAGING).
Tiefes Schweigen senkt sich über den Raum. Eine MARKEN-BIBEL ist ein funktionales, prozessorientiertes Werkzeug, um KREATIVITÄT anzuregen, die bei KONTROLLIERTEN PARAMETERN am besten gedeiht, liest Kate weiter.
Kein Wunder, dass Annalex so oft wegen Migräne krankgeschrieben ist. Kate wirft einen Blick auf ihre Kollegin, die Kates Seiten weggeschoben hat und auf der Innenseite ihrer Wangen herumkaut.
«Willst du anfangen?», fragt Devron und wirft Kate einen entschuldigenden Blick zu.
«Eine muss ja die Erste sein», antwortete sie und zerbricht sich den Kopf, ob sie lieber ehrlich sein oder diplomatisch vorgehen soll. «Ich denke es ist wie … ein Text von Procter and Gamble? Massenhaft Akronyme.»
Devron und Annalex schauen beide erfreut drein.
«Okay, Annalex, du bist dran.»
Annalex zuckt mit den Schultern. «Kates Text ist einfach nur … er ist emotional. Für schnelldrehende Konsumgüter halte ich ein rigoroseres Marketingverfahren für zielführender: dem Produkt ein Markenimage verleihen, in einer Demo zeigen, wie es funktioniert, und den Prozess wiederholen.»
«Eine Demo, wie eine Banane funktioniert?», fragt Kate. «Man steckt sie in den Mund und kaut sie, oder?»
Annalex stößt einen langen Seufzer aus. «Meine Herangehensweise ist funktional und am Nutzen orientiert: So verkauft man ein Produkt.»
«Aber darum geht es ja gerade», entgegnet Kate. «Schokoladenkuchen ist nicht dasselbe wie eine antibakterielle Mundspülung. Die Leute kaufen ihn nicht wegen seiner funktionalen Vorzüge. Sie essen ihn, weil sie Kuchen mögen oder einen Geburtstag feiern oder weil sie darunter leiden, dass eine Person, die sie lieben, ihre Liebe nicht erwidert. Sie betrachten Kuchen nicht als ein Produkt – sie sehen ihn als etwas, was sie glücklich macht.»
«Wie willst du das beweisen?», fragt Annalex.
«Als Beweis genügt, dass ich schon seit Ewigkeiten Schokoladenkuchen esse.»
«Ja, das sieht man», sagt Annalex.
«Entschuldigung?» Kate ist empört.
«Was? Das war doch nur ein Scherz. Schau mal, ich war mit dem Marketing der meistverkauften Mundspülung Großbritanniens betraut. Während meiner fünf Jahre dort waren wir Marktführer, ich weiß, wovon ich rede.»
«Tja, und ich weiß, dass Mundspülung etwas ist, das man ausspuckt. Sie ist also tatsächlich das Gegenteil eines Lebensmittels, oder etwa nicht?»
«Mädels, Achtung, wir sollten unser Ziel nicht aus den Augen verlieren», mischt Devron sich mit aufgeschreckter Miene ein. «Seid ihr euch beide sicher, dass ihr nicht lieber die Abfindung nehmt und freiwillig geht?»
«Kommt nicht in Frage», sagt Annalex und verschränkt die Arme vor der Brust.
Kate verschränkt die Arme sogar noch fester.
Freiwillig wird hier gar nichts laufen. Wenn Annalex einen Kampf haben will, kann sie ihn bekommen. Kate wird nicht zulassen, dass noch ein weiterer Mensch in ihrem Leben ihr sagt, dass sie nicht gut genug ist.