Kate Parker hat Hunger. Sie sitzt in Nick Sullivans kleinem Gärtchen in North London und schaut zufrieden auf seinen Rücken, während er vor dem Grill steht. Der Duft des brutzelnden Fleischs lässt ihren Magen hörbar knurren, aber es ist sinnlos, Nick zur Eile anzutreiben, denn er nimmt sich für alles die Zeit, die er braucht.
Das heutige Essen ist dafür ein erstklassiges Beispiel – vierzig Minuten hat Nick für die Zubereitung benötigt, aber bei genauer Betrachtung umfasst die Vorbereitung das ganze vergangene Jahr. Letztes Jahr im Juli hat Nick das Projekt Burger in Angriff genommen. Als Datenbankentwickler hat er sein präzises Denken und seine unerschöpfliche Begeisterung darauf verwandt, sich jedes Element der Herstellung des amerikanischen Klassikers in vollendeter Form anzueignen. Noch nie hat Kate ein Gesicht so aufleuchten sehen wie das von Nick, als er eines Abends die Kunst der sieben Schichten gemeistert hatte.
Vor dem Beginn ihrer Beziehung nahm er nur für sich selbst Gerichte aus dem Imbiss mit oder machte sich gelegentlich zu Hause ein Wurstsandwich. Kate bedauerte ihn, weil das einsam war und es ihr auch um die versäumten kulinarischen Möglichkeiten leidtat. Sie bot an, ihm einige ihrer Lieblingsrezepte beizubringen, was er erfreut annahm, und im Verlauf der letzten anderthalb Jahre kroch er aus seinem kulinarischen Panzer hervor – zunächst langsam, dann aber mit zunehmendem Selbstvertrauen. Kate ist keine phantastische Köchin, aber ihre Mutter Rita kocht so katastrophal, dass Kate früh gelernt hat, sich selbst um ihren Magen zu kümmern.
Mit Nick kocht Kate begeistert gern und hat mit sanftem Stolz verfolgt, wie sein Können aufgeblüht ist. Normalerweise wählt sie das Rezept aus und er die Musik, und was auch immer sie kochen, sie sind sich einig: je mehr Butter, desto besser. Sie ergänzen sich gut – Nick kann hart arbeiten und ist geduldig. Ohne Murren hackt er ein Dutzend Zwiebeln klein und beschwert sich weder über tränende Augen noch über den scharfen Geruch an den Händen. Kate ist chaotischer, kann aber mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen und ist ihm immer zwei Schritte voraus – noch nie ist unter ihren wachsamen Augen etwas angebrannt.
Es ist ein wunderschöner Sommerabend, und Kate genießt einen Moment puren Glücks – den warmen, nach Jasmin duftenden Wind und den Himmel, dessen Blau langsam verblasst. Sie schließt die Augen und denkt über den nächsten Tag nach. Es ist lange her, seit sie sich in einer Beziehung entspannt genug gefühlt hat, um an das Morgen zu denken. Nick wird früh aufstehen und die Zutaten für Frühstücks-Burritos kaufen. Sie werden zusammen kochen, einen Spaziergang machen und, falls das Wetter schön bleibt, sich wieder hinaus in den Garten setzen. Kate wird einen Roman verschlingen und Nick eines seiner unverständlichen Informatikbücher lesen. Ihr Leben ist nicht luxuriös, aber voller unbezahlbarer Freuden: Limonade, serviert in Gläsern, die Nick vorher im Gefrierschrank gekühlt hat; Musik-CDs und BLT-Sandwiches an regnerischen Mittwochabenden oder raffinierte Kartenspiele mit Schokotalern als Spielmarken.
Als sie die Augen aufschlägt, hat Nick sich zu ihr umgewandt und wirft ihr den «Bitte jetzt Senf!»-Blick zu – die eine Augenbraue hat er mit gespielter Strenge hochgezogen. Sie springt lächelnd auf und reicht ihm den französischen Klassiker wie die OP-Schwester dem Chirurgen das Skalpell. Sie beobachtet fasziniert, wie er ein Streifenmuster gelber Linien über das Fleisch zieht, der letzte Pfiff.
Dieser Burger hat Zeit und Aufwand erfordert, aber er war das Warten wert: knapp zweihundert Gramm gehacktes Steak, gekrönt mit Bacon und einem Quadrat geschmolzenem, wunderbar würzigem Cheddar-Cheese; fein geschnittene, konzentrisch sich verjüngende rote Zwiebelringe; Tomate, Salat und Magic Sauce – dazu ein Gemisch aus Tabasco, Mayonnaise und Ketchup, um dem Ganzen eine cremige Schärfe und Würze zu verleihen. Dann ist da das Brötchen: Kate und Nick haben mehr Zeit damit zugebracht, diese Sorte auszusuchen, als manche Paare für die Auswahl eines Autos aufwenden. Als Erstes hat Nick gefragt, ob die Brötchen von Fletchers, der Supermarktkette, für die Kate arbeitet, wohl gut seien? Sie hat gelacht und bedauernd abgewinkt. Fletchers’ Brötchen waren zwar billig, aber leider von Geschmack und Konsistenz wie Pappe. Sie rühmten sich als Brioches, doch hinten auf der Verpackung standen die unheilvollen Worte: ‹Brioche-Stil›. Nach vielen vergeblichen Versuchen fanden sie in einer Bäckerei in der Nähe von Kates Wohnung in Kilburn das perfekte Produkt. Und dann entdeckten sie noch die abschließende Zutat – ein saures Dillgürkchen, das zwischen den Zähnen knackt.
Kate ist nicht fromm, aber als sie auf ihren Teller hinunterschaut, würde sie am liebsten ein Dankgebet sprechen: Ich danke dir, Universum, für diesen Mann, der eine schöne Wohnung mit einem annehmbar sauberen Badezimmer besitzt. Nach mehreren Jahren Datingfrust hat er kurz vor meinem Vierzigsten mein Vertrauen wiederhergestellt, dass es in London doch noch liebenswerte, intelligente und anständige Männer gibt. Danke für diesen Mann, der sich so viel Mühe damit gegeben hat, mir ein Essen zuzubereiten und mich glücklich zu machen.
Sie greift nach ihrem Burger – was für ein schwerer Brocken – und hält ihn fest, als gälte es ihr Leben. Wenn man einmal angefangen hat, ist eine Unterbrechung unmöglich – zögert man oder zeigt man Angst, fällt er zu allen Seiten auseinander. Nick betrachtet sie zärtlich. Es ist unmöglich, ihn nicht zu lieben. Nicht nur kocht er ihr Spaghetti bolognese, wenn sie einmal einen schlechten Tag hat, sie kann sie auch mit Hingabe essen, ohne dass er sie für unweiblich oder gierig hält. Er genießt ihren Appetit fast so sehr wie sie selbst.
Als sie nach den letzten Bissen gesättigt sind, streckt Kate die Hand aus, um einen Klecks Senf von den feinen Stoppeln auf Nicks Kinn zu wischen. Er hat ein so liebes Gesicht und ist auf eine unaufdringliche Weise gut aussehend, mit einer Knopfnase, die seine Jungenhaftigkeit betont. Sein lockiges braunes Haar ist schon etwas schütter, aber der kurze Schnitt steht ihm gut. Das alte blaue Atari-T-Shirt macht seine Augen sogar noch grüner, und als ihre Blicke sich begegnen, wirft er ihr sein typisches Lächeln zu. Es vergeht ihm nur selten, was auch immer ihm in die Quere kommt. Sie ist sehr beeindruckt davon, wie er mit den vergangenen drei Monaten seiner Arbeitslosigkeit klargekommen ist; sein Optimismus ist außergewöhnlich.
«Jetzt dauert es nicht mehr lang bis zum Urlaub in Frankreich», sagt Kate und macht sich daran, die Teller abzuräumen.
«Denk nur an all die Baguettes», sagt Nick, und seine Augen leuchten auf. «Will Kavita auch wirklich kein Geld dafür, dass wir ihr Ferienhaus benutzen?»
«Sie hat einen Anfall bekommen, als ich ihr eine Bezahlung auch nur vorgeschlagen habe.» Kate hat Nick nicht erzählt, dass sie ihrer Kollegin Kavita zum Dank eine Kiste guten Wein geschenkt hat. Er hätte ihr angeboten, die Hälfte zu zahlen, obwohl er derzeit knapp bei Kasse ist, und der Gedanke, ihn, der immer so großzügig ist, in Verlegenheit zu bringen, ist ihr unerträglich.
«Das hat toll geschmeckt», sagt Kate, als sie zufrieden an der Spüle stehen und abwaschen. «Die Burger-Toppings waren diesmal besonders lecker.»
«Burger-Toppings … ist das einer für unsere Liste?», fragt Nick. Das ist einer ihrer Running Gags – lächerliche Namen für ihre künftigen Kinder.
«Burger-Toppings Parker-Sullivan? Okay, aber dann musst du ihn vom Schulspielplatz abholen, wenn die anderen Kinder ihn verprügelt haben.»
«Sollten wir Zwillinge bekommen, können wir den anderen Pickleholiker nennen?»
«Ich weiß nicht, ob wir uns unseren Erstgeborenen als süchtigen Mixed-Pickles-Esser wünschen», gibt Kate lachend zurück. Sie betrachtet Nick, wie er in seinem T-Shirt und seinen Levis dasteht, den Bauch ein wenig vorgewölbt, was bei einem vierundvierzigjährigen Burger-Fan nicht anders zu erwarten ist, und in ihr wallt eine heftige Liebe auf.
Er fängt ihren Blick auf und erwidert ihn mit einem Lächeln, plötzlich befangen. Er verharrt kurz und greift nach dem Pfannenwender, den sie gerade abwäscht. «Du hast bei dir zu Hause einen breiteren, oder?»
«Ja», antwortet sie und fasst nach dem Gerät, während er es ihr langsam wegzieht.
«Wir brauchen deinen hier – für den Grill.»
«Nächste Woche hole ich dir einen bei John Lewis.»
«Kate», sagt er, legt den Pfannenwender aus der Hand und dreht sich zu ihr. «Ich finde, dass wir all deine Küchengeräte hier brauchen.»
«Alle?»
Er nickt entschlossen.
«Warum denn das?»
«Und deine Kleider. Und deine Schuhe», sagt er und streicht ihr zärtlich eine Haarsträhne hinters Ohr. «Und deine dreihundert Kochbücher und sieben Millionen Romane …»
«Allenfalls zweihundert», wirft sie ein, bemüht, ihre in der Brust aufsteigende Freude unter Kontrolle zu halten.
«Oh, und dann noch etwas sehr Wichtiges, das nicht bei John Lewis verkauft wird.»
«Was denn?»
«Na dich, Kate», sagt er mit einem strahlend breiten Lächeln.
Danke, Universum, danke. Endlich: ein Mann, den sie liebt und der ihre Liebe erwidert. Er war das Warten wert.
Als Kate sich in der Nacht darauf in ihrem Bett ausstreckt, ist ihr üblicher Sonntagabend-Blues einem Gefühl der Erregung gewichen. In zwei Wochen reisen Nick und sie nach Frankreich. Und am Wochenende nach ihrer Rückkehr wird sie bei Nick einziehen.
Der Gedanke, diese Nachricht ihrer WG-Partnerin beibringen zu müssen, machte sie zunächst nervös, aber dann ermutigte sie die Tatsache, dass ihr nie wieder die undankbare Aufgabe zufallen würde, die Spritzer aus Melanies Fischpfanne von der Rückwand des Herdes abzuschrubben. Nick hat seine Macken, aber passiv-aggressive Schlamperei und eine leichte Hand mit dem kostbaren Olivenöl anderer Leute, das speziellen Anlässen vorbehalten ist, gehören nicht dazu.
Melanie zeigte sich überraschend ermutigend und schlug sogar vor, Kate solle doch schon vor Frankreich anfangen, ihre Sachen zu Nick zu bringen. Das Gespräch lief viel besser, als Kate erwartet hatte.
Es ist doch immer so: Worüber man sich die größten Sorgen macht, läuft letztlich gut.
Und umgekehrt.