Aus dem Brot wird nun nichts mehr und ebenso wenig aus den Rosen, die zum Menü gehören. Beim Tischdecken und Aufräumen läuft Kate in einem froschähnlich hockenden Seitwärts-Wackelgang herum, da sie ihre Intimbehaarung als Notfalllösung mit Nair eingerieben hat.
War sie vorhin zu gemein zu Cecily? Oder nicht gemein genug? Rita hat recht, Kate muss sich besser abgrenzen, auf jeden Fall gegenüber dieser Frau.
Es ist jetzt fast 20 Uhr. Die Wohnung sieht großartig aus. Kate schaut in den Spiegel, sie sieht ebenfalls großartig aus. Das Haar hat sie locker auf die Seite gekämmt, und ihre Wangen sind von der Wärme in der Küche und einem Rest Verärgerung von vorhin gerötet.
Ihr Handy piept. Nick schreibt, dass er in zehn Minuten eintrifft, und plötzlich überkommt sie eine Erregung, die sie immer spürt, wenn eine Begegnung mit ihm bevorsteht. Es sind keine Schmetterlinge im Bauch – es ist die Vorfreude auf Glück, und das fühlt sich genauso gut an wie Glück –, es ist der Gedanke, bald wieder mit ihrem liebsten Menschen zusammen zu sein.
Als die Türglocke läutet und Kate sie öffnet, steht Nick in der schicken marineblauen Hose und im strahlend weißen Hemd da und hält schüchtern einen Strauß rosa Päonien in der Hand. Wie immer hat er etwas reizend Befangenes, wenn er etwas – auch im entferntesten Sinn – Romantisches macht.
Bei Kates Anblick leuchten Nicks Augen auf, und sie begrüßen sich mit einem Kuss und Blicken gegenseitiger Bewunderung. Kate fühlt sich, als träte sie in einer Fernsehshow auf – wie eine nahezu anbetungswürdige Frau und großartige Köchin mit drei perfekt lackierten scharlachroten Fingernägeln und sieben etwas weniger exakt bemalten, die immerhin nicht mehr nach Garnelen riechen. Auf dem Esstisch leuchten Kerzen; die Lampen sind gedimmt. Dieses Dinner hat sie nach allen Regeln der Kunst vorbreitet.
«Irgendetwas riecht hier köstlich», sagt Nick, als Kate ihm ein Glas Weißwein einschenkt, und er lässt sich auf der vordersten Kante von Ritas Sofa nieder. «Die Wohnung deiner Mum macht mir Angst, alles ist so makellos.»
«Mach dich auf einen Elektroschock gefasst, solltest du dein Glas nicht genau auf den Untersetzer stellen», sagt Kate und lacht, weil Nick sein Glas grinsend kurz direkt auf dem Tisch platziert, bevor er es mit einem Ausdruck gespielter Angst zimperlich am richtigen Ort absetzt.
«Und wie war die Nachtschicht?», fragt sie, da sie die Schatten unter seinen Augen bemerkt. «Hattet ihr viel zu tun?»
«Ja, aber es hat Spaß gemacht», antwortet Nick begeistert. «Die große Umstellung steht nächsten Monat bevor, und jetzt arbeite ich mit dem Team die Vorversuche durch. Die Infrastruktur ist so alt, dass es eigentlich viel mehr Systemabstürze hätte geben müssen.»
Bei einem anderen Freund könnte sie misstrauisch werden und befürchten, die freitags regelmäßig durchgearbeiteten Nächte im Büro könnten in Wirklichkeit ein Deckmantel für etwas ganz anderes sein, aber sie hat selbst gesehen, wie Nicks Augen aufleuchten, wenn er über Daten redet – ungefähr so wie die Augen anderer Männer, wenn sie ein schwarzes Spitzenhöschen sehen.
«Wirst du bis dahin oft nachts arbeiten?»
«Ein- oder zweimal pro Woche – aber ich bekomme die Überstunden bezahlt, und außerdem macht es riesigen Spaß.»
«Ich könnte eifersüchtig auf deine Arbeit werden.»
«Weil ich dort so viel Zeit verbringe?»
«Nein, ich wollte sagen, dass ich neidisch auf dich bin. Ich wünschte, ich würde meinen Job so lieben wie du den deinen», sagt Kate, schenkt sich Wein nach und denkt an ihre unerwartete Enttäuschung zurück, als sie erfuhr, dass sie ihre Stelle behalten würde. «Wie dem auch sei, hast du Hunger?»
«Zum Teufel, ja. Was gibt es zu essen? Von diesem Duft knurrt mir der Magen.»
«Es ist ein Menü aus dem Kochbuch, von dem ich dir erzählt habe. Aus dem Buch, das Mrs. Finn geschrieben hat. Scampi und danach Hähnchen – komm mit.» Kate steht auf und geht ihm voraus in die Küche.
«Selbst zubereitete Scampi? Das ist ja großartig,» sagt er, als sie den Deckel hebt.
«Ich wünschte, du hättest mir beim Schälen helfen können», sagt sie und zeigt ihm die Scampi mit dem Blick einer Traumatisierten. «Es war harte Arbeit.»
«So etwas mache ich schrecklich gern. In der Küche ergänzen wir uns perfekt. Das Kochen macht viel mehr Spaß, wenn du dabei bist. Ich vermisse dich wirklich. Sehr.»
Er beugt sich vor und küsst sie. Er nimmt ihr Gesicht zwischen die Hände, und ihre Lippen vereinigen sich, ein Siegel fester Absichten. Fünf Minuten lang stehen sie da und küssen sich, bis Kate sich widerstrebend von ihm löst. «Dann hilf mir mal beim Frittieren», sagt sie. «Mum wird es mir definitiv nicht verzeihen, sollte ich ihre Wohnung abfackeln. Ich habe schon ihre Stimme im Ohr: ‹Freud sagt, es gibt kein aus Versehen.›»
Nick lacht. «Deine Mum und du, ihr zankt euch ständig. Dafür haltet ihr es schon ganz schön lange miteinander aus.»
«Ich hatte wohl kaum die Wahl!», sagt Kate und verflucht sich dafür, dass die süße, unbekümmerte Version ihrer selbst nur wenige Minuten verweilt. «Also, du erhitzt das Öl, und ich gebe diese armen Kerle in ihr fettes Grab. Ich sehe noch vor mir, wie ihre Perlenaugen mir in die Seele geschaut haben.»
Thought for Food hatte recht, überlegt Kate, die auf dem Sofa liegt, während Nicks Kopf auf ihrem Schoß ruht. Mit einem Servierteller voll frittierter goldener Happen kann man tatsächlich seine Ziele erreichen. Das Hähnchen war unglaublich zart, und die Sauce hatte einen so intensiven, köstlichen Geschmack, wie man ihn sonst nur in guten französischen Restaurants findet. Die Kartoffeln waren das reinste Wunder. Und der Kuchen war der perfekte Abschluss – leicht, süß und befriedigend.
Nick war sehr aufmerksam, hielt ihr das Haar zurück, als sie die Garnelen frittierte, und streichelte ihr beim Essen die Knie. Seinem Appetit zuzusehen, war ein Vergnügen – er nahm sich von allem zweimal. Im Scherz fütterte er sie im Stil von 9½ Wochen mit Erdbeeren, bis sie sich beide vor Lachen nicht mehr halten konnten. Jetzt entspannen sie mit einem Bourbon, genau wie früher immer, nur dass sie jetzt bei Rita sind. Dadurch fühlt es sich anders an, neu und ein bisschen unartig.
Kate krault Nick sanft am Hinterkopf. Er schnurrt vor Wohlbehagen wie ein Kater, und sie beugt sich über ihn, um ihn zu küssen. All der unnötige Unsinn der letzten Monate hat an ihren Kräften gezehrt, aber manchmal muss man durch ein Unwetter hindurch, um die Küste zu erreichen. Wer hat denn behauptet, Beziehungen seien einfach? Eine Knoblauchpresse, die gut funktioniert und leicht zu säubern ist, findet man ja auch nicht einfach so, warum um Himmels willen sollte es mit der Liebe anders sein?
Nick klopft sich auf den vollen Bauch. «Die Kartoffeln haben das Dinner perfekt gemacht.»
«Und hat dir der Kuchen geschmeckt? Ich habe ihr Rezept leicht abgewandelt, und sie fand, das hätte ich nicht tun sollen.»
«Wer?»
«Mrs. Finn.»
«Der Kuchen war phantastisch. Wahrscheinlich hätte ich auf das zweite Stück verzichten sollen», sagt er, ergreift ihre Hand und legt sie auf seinen Bauch, als wären darin Kindsbewegungen zu spüren.
«Ich habe sie heute Vormittag besucht.»
«Wen?»
«Mrs. Finn.»
«Ich dachte, du besuchst sie immer sonntags.»
«Ich habe ihr Kuchen gebracht. Und sie hatte Bauchschmerzen.»
«Nach dem Verzehr des Kuchens? Du hast mich doch nicht etwa aus Rache für Frankreich vergiftet? War das dein Plan? Mich hierherlocken, wunderschön aussehen und dann hinterrücks vergiften?»
«Sie hat den Kuchen kaum angerührt – aber heute Nachmittag bekam ich einen Anruf, es sei ein Notfall und ich müsse mit Erste-Hilfe-Suppe zu ihr eilen. Ich haste also durch die ganze Stadt, um diese Suppe aufzutreiben – und als ich schließlich bei Mrs. Finn eintreffe, stelle ich fest, dass sie wohlauf ist und sogar ein bisschen munterer als sonst! Ich glaube, sie wollte meine Tagesplanung absichtlich durcheinanderbringen.»
Nick schüttelt verwirrt den Kopf. «Warum hast du die Bitte nicht einfach von vornherein ausgeschlagen?»
«Ich dachte, sie wäre krank. Du kennst sie nicht, aber du würdest es verstehen. Sie ist nicht der Typ, dem man etwas ausschlägt. Und sie hat sonst niemanden mehr – sie tut mir leid. Meine Großeltern sind früh gestorben.»
Nick zuckt mit den Schultern. «Du trägst keine Verantwortung für sie.»
«Ich denke, es ist nie ein Fehler, freundlich zu jemandem zu sein.» Nicht dass Kate heute besonders freundlich gewesen wäre, aber das erwähnt sie nicht, und sie übergeht auch den Grund, der möglicherweise hinter Cecilys Sabotageaktion stehen könnte. «Du hast deine Großeltern nicht kennengelernt, oder?»
«Dad war seinen Eltern entfremdet, und Mums Leute sind gestorben, als sie noch ziemlich klein war. Ich glaube, deswegen ist sie so fromm geworden.»
«Eigenartig, nicht wahr? Wie eine Tragödie dazu führen kann, dass Menschen entweder gläubiger werden oder aber den Glauben vollkommen verlieren.»
«Ich habe mit meinem Psychoklempner darüber geredet.»
«Über Religion?»
«Über Mum – er meinte, eine derart fromme Mutter zu haben, sei nicht anders, als eine alkoholsüchtige Mutter. Beide sind von etwas abhängig, das außerhalb der Familie liegt.» Mit gerunzelter Stirn versucht er, die Theorie zu erklären. «Sie war süchtig nach Jesus, nicht nach Wodka, aber seiner Meinung nach läuft es auf das Gleiche hinaus.»
«Interessant. Du profitierst also von der Therapie?»
«Ganz ehrlich?» Er strahlt. «Sie ist das Beste, was ich je gemacht habe.» Er atmet tief und zufrieden durch und ergreift ihre Hand. «Kate – danke, dass du so geduldig bist und mir zur Seite stehst.» Er drückt ihre Hand, und sie sieht Tränen in seinen Augen. «Das, was wir haben, ist etwas so Gutes, nicht wahr?»
«Unsere Beziehung war immer wunderschön, Nick. Im Urlaub habe ich gesehen, wie sehr es dich aus der Fassung bringt, jemandem so nahe zu sein. Das war doch wohl das Problem, oder?»
Er nickt eifrig. «Ich konnte es nicht formulieren, weil mir die Worte dafür fehlten, aber ich war noch nie jemandem so nahe wie dir, und das hat mir Angst gemacht.»
«Nick, ich muss ehrlich zu dir sein. Ich habe Angst, dass du wieder herumeiern wirst.»
«Das wird nicht geschehen, Kate, bestimmt nicht. Gib mir noch eine Chance. Ich verspreche dir, dass es kein Herumeiern mehr geben wird. Ich kann mir keine Frau vorstellen, mit der ich mein Leben lieber verbringen würde.»
Kates Herz pocht vor Glück. «Abgesehen von Laura Marling. Oder Kristen Stewart», sagt sie und streicht mit dem Finger seine borstige rechte Augenbraue glatt.
Er lacht. «Du bist also für mich die drittbeste Wahl auf der ganzen Welt. Keine hat mich je so geliebt wie du, du bist wundervoll.»
Und sie denkt lächelnd, vielleicht bin ich das ja wirklich.
Es ist 3.40 Uhr, und sie liegen kurz vorm Einschlafen in Kates Bett.
«Ich habe vergessen, wie perfekt wir zusammenpassen», sagt Nick, streichelt Kates Haar und zieht sie näher an sich heran.
Sie nickt mit geschlossenen Augen und atmet seinen vertrauten Duft ein. Das hier hat ihr mehr als alles andere gefehlt – nicht so sehr der Sex, vielmehr die Minuten danach, wenn sie Hand in Hand, die Finger verflochten, langsam dem Schlaf in die Arme gleiten.
«Also … was hältst du davon, dieses zugegebenermaßen reizvolle Bett im begehbaren Kleiderschrank deiner Mutter gegen die linke Hälfte meines Bettes einzutauschen? Bist du immer noch dazu bereit?»
«Weißt du was? Ich glaube schon», sagt sie und blickt lachend in sein strahlendes Gesicht auf.
Als er ihre Hand fest drückt, spürt sie, wie ihr Herz sich vor Liebe weitet.
«Wann machen wir’s?»
«Bald», antwortet Kate, nach all dem Hoffen und Warten von plötzlicher Erschöpfung überkommen, denn endlich erhält sie zurück, wonach sie sich so gesehnt hat. «Anfang Dezember fliegt Mum nach Lanzarote, dann habe ich die Wohnung für mich …»
«Und dann steht auch der große Geburtstag an …»
Gott sei Dank wird Nick nun an ihrer Seite sein, wenn sie diese erschreckende Zeitmarke erreicht.
«In der Woche darauf wird mein Projekt fertig, sollen wir also sagen, am darauffolgenden Wochenende?»
«Das klingt gut.» Kate nickt zufrieden, und Sekunden später ist sie in einem tiefen, glücklichen Schlaf versunken.