Projekt: Fletchers’ Special Selection
Unsere Züchter haben mit unseren Partnern zusammengearbeitet, um für unsere Kunden erstklassiges Traditionsgemüse zu großartig günstigen Preisen zu produzieren.
Kate sitzt Dienstagnachmittag an ihrem Schreibtisch und starrt entsetzt in ihr Mail-Eingangsfach, wo sie durch die neuen Anweisungen scrollt:
Zur Markteinführung steht als Erstes Wurzelgemüse an, insbesondere Karotten. Für die folgenden Sorten gibt es Rabatte von vierzig Prozent oder mehr: Early Horn, Golden Ball, Little Finger und Purple 68. Die Leitung des Verkaufs Agrarerzeugnisse ist jedoch besorgt, diese Namen könnten pornographisch klingen. Daher wird Tendersweet die erste Qualitätssorte der Aktion Nimm zwei, zahl eins sein. Anforderungen: Alliteration in der Kopfzeile plus Text für Vorderseite der Packung. Zubereitungsempfehlung wie üblich: Vor dem Servieren waschen.
Das also sind Devrons «aufregende kreative Möglichkeiten». Kate kann sich bestens vorstellen, welche Verachtung Cecily dafür übrig hätte.
Seit acht Uhr früh hetzt Kate von einem Meeting zum
Nach diesem Marathon an Meetings wird sie sich zur Stärkung einen Cappuccino und ein Twirl genehmigen, während sie die Stunden zählt, die bis zum Wiedersehen mit Nick heute Abend noch bleiben. Der Dienstag ist als der schlimmste Tag der Woche berüchtigt: Vom Montag erwartet man, dass er schrecklich wird, am Mittwoch hat man bereits den Scheitelpunkt erreicht, aber der Dienstag? Für diesen Tag spricht wirklich gar nichts.
Sie geht in die Kantine, kehrt an ihren Schreibtisch zurück und begibt sich mit ihrem Computerbildschirm erneut in ein Duell des Starrens. Der Kick durch Koffein und Schokolade ist innerhalb weniger Minuten verflogen.
Tolle, telegene Tendersweets … trübselige, törichte Tendersweets …
Traditionskarotten sind einfach nur Karotten. Karotten sind knackig. Karotten sind gesund. Manchmal sind
Erst jetzt, da Nick wieder seinen angestammten Platz in ihrem Leben eingenommen hat und ihr Kopf wieder frei ist, kann sie sich konzentrieren. Die letzten Monate war sie Opfer ihrer eigenen Prinzipienreiterei, was ihren Job angeht. Sie hat mit Annalex konkurriert – und wozu? Jedes Mal, wenn Cecily über ihren Job lästerte, musste Kate ihr insgeheim recht geben. Jetzt aber, da Kate ruhiger, selbstsicherer und stärker ist, ist es nicht zu übersehen: Sie hat einen Fehler gemacht. Sie hatte die Möglichkeit, die Mauern ihrer kleinen Welt zu überwinden, es mit einem anderen Beruf zu versuchen, doch stattdessen hat sie sich an ihren Job geklammert, weil sie Angst und keine Vorstellung von ihrem Potenzial hatte.
Sie spürt eine leichte Panik in sich aufsteigen, schließt die Augen und zwingt sich, tief durchzuatmen. Sie denkt an Cecily, an all die Orte, die sie besucht hat, und an die Abenteuer, die Samuel und sie erlebt haben – Cecily hat das Beste aus ihrem Leben gemacht. Kate findet im Gegenzug für sich selbst den Gedanken unerträglich, mit siebenundneunzig auf eine Karriere zurückblicken zu müssen, die sie Karotten und Annalex gewidmet hat und, oh, so vielen kleinen, langweiligen Dingen.
Kate klickt die ursprüngliche E-Mail zum Thema Entlassungen an und liest die Hintergründe, Konditionen und
Dann ruft sie die Personalabteilung an, und nach einem dreißigminütigen informativen Gespräch legt sie erregt auf und macht sich auf die Suche nach Devron.
«Das soll wohl ein Scherz sein», sagt Devron.
Kate kann es sich leisten, liebenswürdig zu bleiben, da sie gerade fünf Monate Freiheit gewonnen hat. «Devron, ich weiß zu schätzen, was Fletchers für mich getan hat, aber ich arbeite hier die längste Zeit meines Lebens. Ich muss endlich etwas anderes mache.»
«Kannst du nicht wenigstens bis Weihnachten bleiben? Und Annalex in ihrer neuen Rolle unterstützen?»
«Das wird leider nicht gehen.»
«Hm. November ist keine gute Zeit für die Stellensuche.»
«Dann werde ich wohl erst mal morgens ausschlafen», erwidert Kate und lächelt bei dem Gedanken.
«Du gehst, ohne etwas Neues in der Hand zu haben? Ganz schön wagemutig. Das hätte ich dir nicht zugetraut.»
Es ist kein Kompliment, aber Kate beschließt, es als ein solches aufzufassen. «Danke. Weißt du was? Ich auch nicht.»
Als sie durch die Drehtür in den kalten, klaren Abend hinaustritt, nimmt sie ihr Handy aus der Tasche. Der erste Mensch, dem sie gern davon erzählen würde, ist Cecily;
Wie oft hat Kate sich in der Vergangenheit selbst dafür gelobt, dass sie die Stellung hielt, obwohl ihr etwas keinen Spaß machte – das furchtbare Konzert mit Songs der neunziger Jahre in der Wembley Arena, der entsetzliche vierstündige japanische Arthouse-Film beim British Film Institute und unzählige ätzende Dates mit Männern, die nur über sich selbst redeten. All diese Bücher, die ihr von der ersten Zeile an missfielen, die sie aber weiterlas, weil der Guardian sie «erlesen» genannt hatte – wo «anmaßend» das richtige Wort gewesen wäre. Menschen, Orte, Dinge, denen sie die Treue hielt, obwohl sie sie von Anfang an genervt hatten – letztlich war das alles Zeitverschwendung gewesen.
Sie lacht, als ihr klarwird, dass jetzt sie diejenige ist, die den Bettel hinschmeißt. Sie hat lange dafür gebraucht, aber schließlich hat sie verstanden, dass es manchmal richtig ist wegzugehen. Es beweist Kraft und Mut und ist kein Eingeständnis einer Niederlage. Oder, besser gesagt, das Eingeständnis einer Niederlage ist keine wirkliche Niederlage, es ist der erste Schritt in Richtung Zukunft.