Es ist die zweite Nacht, und sie liegen im Bett, als Nick sagt, er empfinde das starke Bedürfnis nach Rückzug.

Kate ist verwirrt.

Sie hatten gerade Sex, und im ersten Augenblick glaubt sie, er mache einen ziemlich schlechten Scherz, aber als sie darüber nachdenkt, kann sie die Pointe nicht finden. Der Sex war gut, aber sie spürte, dass Nick nicht ganz bei der Sache war. Sie weigert sich, das persönlich zu nehmen; Nick ist schon länger arbeitslos, als er erwartet hatte – da ist es nur natürlich, dass seine Gedanken abschweifen.

«Wie meinst du das?», fragt sie und versucht, ruhig zu klingen.

«Ich weiß nicht», antwortet er traurig. «Es ist einfach ein Bauchgefühl … es sagt, Rückwärtsgang einlegen.»

«Rückwärtsgang …?»

Er zuckt entschuldigend mit den Schultern und runzelt die Stirn. «Ich habe ein komisches Gefühl wegen uns beiden … seit einer Woche oder so …»

Seit einer Woche oder so? Tatsächlich?

«Es sitzt hier.» Er legt die Hand auf seinen Magen. «Wenn ich an die Zukunft denke, habe ich hier ein … merkwürdiges Gefühl.»

Moment mal. Arbeitet er auf eine Trennung hin? «Du machst dir Sorgen wegen eines neuen Jobs. Vielleicht ist es das.» Sie versucht, das elende Gefühl zu ignorieren, das sich

«Ich bin in dieser Hinsicht vollkommen entspannt.»

Warum hast du dann letzten Freitag die halbe Nacht wachgelegen? Und warum knirschst du in letzter Zeit so stark mit den Zähnen, dass ich davon wach werde?, denkt sie.

Sie hält inne. «Oder ist es, weil ich bei dir einziehe?»

«Wie kommst du denn darauf?»

«Na ja, du hast nie mit einer Frau zusammengelebt, abgesehen von dieser launischen WG-Partnerin, die dir im Studium den Kopf verdreht hat …»

«Jo? Du hältst Jo für launisch?» Jo ist düster, griesgrämig, aber darum geht es hier nicht.

«Es ist das, was du immer machst, Nick! Du willst weglaufen. Genau wie bei Tom Brady.»

«Tom Brady?»

«Okay, hör mir zu.» Sie hebt den Finger in dem Versuch, sich ihre Argumentation zurechtzulegen. Sie kann seine Motive ergründen. «Du liebst Football und hast mehrfach versucht, mir die blöden Regeln zu erklären …»

«Oho, zuerst Jo und jetzt Football?»

«Schau mal, als die Patriots Anfang des Jahres im Super-Bowl-Finale …»

«Das Finale ist der Super Bowl.»

«Das habe ich doch gesagt.»

«Nein, ich meine, nur das Finale wird Super Bowl genannt.»

«Hör mir zu: Als Tom Brady und deine Lieblingsmannschaft zur Halbzeit die Verlierer zu sein schienen …»

«Bitte …», sagt er mit gequält verzogener Miene.

«Es ist der Super Bowl.»

«Ja, das weiß ich Nick, verstehst du denn nicht, worauf ich hinauswill?», fragt Kate verzweifelt. «Unbehagen ist etwas, womit du eindeutig nicht klarkommst.» Kate ist dagegen eine Meisterin des Umgangs mit Unbehagen; offen gestanden scheint sie sich dann am wohlsten zu fühlen. Unbehagen ist ihr zweiter Vorname. «Nick, selbst wenn du etwas liebst, ergreifst du die Flucht, du bringst die Dinge nicht zu Ende – siebte Staffel Game of Thrones? Die Patriots haben das größte Comeback aller Zeiten geschafft, du aber hast es versäumt, weil du Schiss hattest.» Sie sagt es ruhiger, als sie sich fühlt. «Das ist ein klassischer Fall. Du beginnst herumzueiern, weil wir zur nächsten Stufe unserer Beziehung übergehen.»

«Kate», sagt er, und im Dämmerlicht des vom Mond erhellten Schlafzimmers sieht sie, dass er Tränen in den Augen hat. «Ich glaube, nachdem ich dich gebeten habe, bei mir einzuziehen, ist mir bewusstgeworden, dass ich zwar unsere gemeinsame Zeit liebe, aber genauso gern allein fernsehe.»

Uuff. Die Worte sind wie Fausthiebe.

«Ich habe dich niemals aufgefordert, dich zwischen deinem Fernseher und mir zu entscheiden», sagt sie bestürzt. «Es ist doch kein Entweder-oder.»

«Wohl nicht …»

«Ist das deine Art, mir zu sagen, dass du doch nicht mit mir zusammenziehen willst?»

Er sieht sie verwirrt an. «Nein, definitiv nein – es ist nur im so», sagt er, und es klingt so ernsthaft betrübt und verwirrt, dass sie ihn fast umarmen und trösten will, doch der Zorn über seine Schwäche setzt sich durch, und so verharrt sie reglos.

Er ergreift ihre Hand und drückt sie.

Schockiert liegt sie da und begreift, dass nichts von dem, was Nick gesagt hat, für sie hinnehmbar ist. Sie will das Gespräch wiederaufnehmen, doch als sie sich zu ihm umdreht, schläft er tief und fest.

 

Zugegeben, Nick besitzt einen phantastischen Fernseher. Es ist ein hochwertiges HD-Gerät von Sony mit einem riesigen Bildschirm, ausgezeichneten Lautsprechern und Triluminos-Technologie. Letzteres klingt wie ein Wort, das Marketingexperten sich ausgedacht haben, um Frauen Kosmetika zu verkaufen. Wie oft hat Kate mit Nick auf dem Sofa gelegen, sich an ihn gekuschelt und in häuslicher Wonne auf diesen Bildschirm geschaut. Jetzt liegt sie neben ihm im Bett, ihre Haut glüht vom Sonnenbrand, und in ihrem Inneren brodelt es. Sie hofft, dass er gleich aufspringt, sich entschuldigt und sagt, dass er nichts von alldem wirklich gemeint hat. Aber Kate weiß, dass sie dazu neigt, auf Dinge zu hoffen, die statistisch gesehen zwar möglich sind, jedoch definitiv nicht eintreten werden.

Von Minute zu Minute wird sie wütender. Sie kann hier nicht neben Nick liegen bleiben, während er seelenruhig schläft! Sie geht ins Kinderzimmer, nimmt die Sammlung von Peppa-Wutz-Kuscheltieren von der Matratze und stellt sie sorgfältig auf den Nachttisch. Dann schlüpft sie in das schmale Bett. Im Dunkeln liegt sie da, das Adrenalin schießt

Nein, das ist nicht das, was geschehen ist. Nick hat schlicht und ergreifend Angst davor, sich zu binden. Um halb drei Uhr morgens liegt sie erschöpft, verwirrt, benommen und fassungslos da. Sie wird bis zum Morgen warten. Dann sieht alles besser aus.