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6. Woche

Veränderung – ein Glücksfall?!

Wer das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein
Mensch, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet: Er betrachtet
sich, geht weg, und schon hat er vergessen, wie er aussah.

Jakobus 1,23-24 (EÜ)

Heftig, oder? – Dieses Beispiel, das Jakobus gebraucht? Ich versuch’s mal noch etwas konkreter: Da schaut eine Frau bei der Hausarbeit so nebenbei in den Spiegel. Mit Schrecken sieht sie, dass ihr Make-up total verrutscht ist. Sie sieht aus wie eine Schreckschraube. Die Hektik der Hausarbeit hat sie verunstaltet. Sie muss das unbedingt sofort ändern. So kann sie sich ja niemandem an der Tür oder auf der Straße zeigen. Wenn jetzt nur niemand klingelt. Also, ab ins Bad. Nur schnell noch die Herdplatte herunterschalten. Ach ja, und den Staubsauger wegstellen … oh weh, ein Anruf! Puh, dieses Telefonat war nicht leicht. »Aber Moment, was wollte ich denn noch? Ich komm nicht mehr drauf … Na egal, es wird schon nicht so wichtig gewesen sein …«

Stunden später wundert sich die Frau über die süffisanten Blicke der Menschen in der S-Bahn. Was die nur alle haben …?

Was glauben Sie wohl, wie viele von Gottes guten und auf Veränderung ausgerichteten Hinweisen im Laufe unseres Lebens bei mir und bei Ihnen »für die Katz’« sind, weil wir das Erkannte nicht umsetzen? Wir hören in einem Gottesdienst eine herausfordernde Predigt. Viele Dinge davon finden wir wichtig für unser Leben. Doch bereits draußen auf dem Parkplatz am Auto haben wir vergessen, was Gott uns eigentlich sagen wollte. Und wir erinnern uns nicht mehr daran, bis von ganz anderer Seite der nächste Impuls in dieselbe Richtung kommt – während des Hauskreises vielleicht. Dann denken wir: »Ein tolles Gespräch war das heute Abend. Muss ich mir unbedingt merken und die Anregungen in die Tat umsetzen.« Aber wieder: Der Wille zur Veränderung ist da, doch die Umsetzung bleibt aus. Es passiert nichts bei uns. Es kommt zu keinem veränderten Handeln.

Wie viel Prozent Veränderung bewirkt ein wichtiger Impuls Gottes wohl in unserem Leben? 80 Prozent? 60 Prozent? 40 Prozent? Haben Sie aber Illusionen! Ich habe da aus eigener Erfahrung bedauerlich wenig Hoffnung. Es ist erschreckend, wie viel beim Alten bleibt, selbst bei an Veränderung interessierten Menschen, weil sie die Impulse Gottes vergessen, verdrängen – oder abweisen.

Wer sich auf die Kanzel stellt und eine spritzige Predigt hält, die je und dann zum Lachen ermutigt und rhetorisch elegant formuliert ist, der hat die Aufmerksamkeit. Geliebt wird er, wenn er in dem, was er sagt, meine Meinung bestätigt. Wenn er es versteht, auch ein bisschen betroffen zu machen – prima. Betroffenheit gibt mir das Gefühl: Bei mir passiert etwas!

Aber wenn mir da einer Dinge sagt, die mich belehren; wenn er mir nachweist, dass ich mit meiner Auffassung von persönlichem Leben und Glauben nicht in allem Recht habe; wenn er mir womöglich sogar biblisch nachweist, dass etwas in meinem Leben nicht stimmen kann; wenn er mir deutlich macht, dass eine Menge Arbeit auf mich zukommt, bis mein Leben wieder mit Gottes Willen übereinstimmen wird – dann werde ich leicht ungemütlich. »Ja, bin ich hier im Gottesdienst oder in der Schule? Wie kann man nur so absolut reden! Das ist unlautere Festlegung auf eine bestimmte Meinung!« Da mache ich dicht. Das lasse ich mir nicht gefallen. Den lasse ich am Ausgang eiskalt abblitzen, wenn ich gehe.

Ist das nicht schade, dass wir gerade dann vergessen oder dichtmachen, wenn Gott uns ganz besonders beschenken will? Er ermutigt uns, vom Hören auch zur Tat zu kommen, damit sich in unserem Leben Wichtiges verändert – und wir verdrängen oder verschließen uns!

Warum nur passiert uns das immer wieder, dass wir – unbewusst oder bewusst – Gottes Impulse vernachlässigen? Weil das Weiterlaufen auf den altbekannten Pfaden viel einfacher zu gestalten ist, als wirklich Ernst zu machen und endlich, Punkt für Punkt, umzukehren und Dinge zu verändern. Und weil alle vermiedene Umkehr unsere Bequemlichkeit widerspiegelt und bestärkt. Wir sind nicht bereit – nicht bereit im letzten Winkel unseres Herzens wirklich neu anzufangen. Lieber belügen wir uns – durch mangelnde Besinnung, durch Schuldabweisung, durch Selbstanklagen oder – durch gute Vorsätze!

Was würde Jakobus wohl zu uns sagen, wenn wir ihn einmal fragten: »Jakobus, wie hast du das denn selbst geschafft, nicht nur Neues zu hören, sondern dann auch Neues zu tun?« Möglicherweise würde er antworten: »Weißt du, im Grunde war es die Liebe Gottes. Der hat mich niemals aufgegeben. Der hat gewartet. Der hat alles für mich gehofft. Er war es, der mir die Kraft zum Entschluss gegeben hat. Und als ich schließlich das Erkannte auch getan habe, da spürte ich, dass die Zeiten der Täuschung verlorene Zeit gewesen waren. Ich hätte viel früher handeln sollen. Ich hätte die Dinge viel früher anpacken und ändern sollen.« Und dann würde Jakobus uns vielleicht anschauen und sagen: »Du, belüge dich nicht länger. Versteck dich nicht hinter Selbstanklagen oder guten Vorsätzen. Tu, was du als richtig erkannt hast. Der Vater im Himmel wird dir die Kraft dazu schenken.«

Es gehört manchmal viel Kraft und Mut dazu, Gottes Wort zu hören – und dann eben nicht zu verdrängen, sondern zu tun. Aber anders werde ich nicht wirklich heil und bleibe im Tiefsten meines Glaubens oft enttäuscht.

Wenn Gott Sie und mich glücklich machen und segnen will, dann heißt das: Er zeigt uns das, was sich noch ändern darf. Warum? Damit Ihr und mein Leben eine positive Richtung nimmt und so eine hilfreiche, erfreuliche, fördernde Wirkung haben kann für uns selbst – und für andere Menschen. Wir können andere weiterbringen und ihnen zum Segen werden. Vielleicht richtet sie unser Beispiel auf, sie fühlen sich durch uns ermutigt und schöpfen im Anblick unseres Lebens neue Hoffnung. Vielleicht erkennen sie in ihrer persönlichen Dunkelheit wieder Licht am Ausgang des Lebenstunnels, sie wissen wieder, warum sie überhaupt noch leben.

Das Wort Gottes hören, annehmen und tun – nur das verändert Menschen. Das aber ist meine und Ihre Chance, das ist die Chance für alle, die mit mir zusammen sind: in den Spiegel schauen – und dann nicht mehr vergessen.

Gerd Ballon, Jahrgang 1953, ist Pastor in der Freien evangelischen Gemeinde Fürstenfeldbruck. Er fährt gerne in der Einsamkeit Skandinaviens Kanu – natürlich niemals ohne seine mutige Frau.