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7. Woche

Kompromisslos ehrlich – weil er die Wahrheit liebt

Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.

Was darüber ist, das ist vom Übel …

Matthäus 5,37 (LUT)

Ich hatte den Telefonhörer aufgelegt und war wieder hinauf in mein Zimmer gegangen, überhaupt nicht zufrieden mit mir. Was hatte ich da eben von mir gegeben?

Hätte ich nicht eigentlich sagen müssen: »Nein, es geht mir nicht gut! Ich habe oft mit Schmerzen zu tun. Und eigentlich ist mein Alltag ohne Freude, weil …«

Aber nichts davon hatte ich meinem alten Bekannten erzählt. Das lag nicht an ihm. Es lag an mir. Leider. Eigentlich wäre es schön gewesen, sich einmal richtig auszusprechen. Nichts zu beschönigen.

Diese Mini-Episode liegt nun schon viele Jahre zurück. Meine Ehrlichkeit reichte damals noch nicht für mein eigenes Leben. Ich konnte mir selbst gegenüber nicht wahrnehmen, wie es mir ging. War unfähig dazu. Ich lebte mit Vertröstungen: »Man kann sich doch nicht so hängen lassen. Andere haben viel mehr Probleme als ich. Das habe ich doch bisher auch alles geschafft. Das wird schon wieder. Ich habe es doch eigentlich gut. Zähne zusammenbeißen und durch!«

Mein eigenes Unglück lag so tief vergraben in meinem Leben, dass ich mehr als ein schlechtes, unzufriedenes Gefühl nach dem Telefonat nicht zustande brachte.

Es waren also nur Bruchstücke aus mir herausgekommen. Und mein Bekannter? Wahrscheinlich hat er sich ein ganz anderes Bild von meinem Leben gemacht, als es in Wirklichkeit war.

Kompromisslos ehrlich »Nein«? Es war eher ein »Jein«, geboren aus Angst und Unsicherheit.

Heute stehe ich zum Glück anders da. Habe die Courage, ehrlich zu erzählen, wie es mir gerade geht. Ich genieße es, dass ich mit meinen Worten am Telefon oder beim Besuch, in meinen E-Mails oder Briefen Gemeinschaft stiften kann.

Denn darum geht es: Unsere Worte sind ein Geschenk des Schöpfers an uns. Mit ihnen können wir so viel Schönes erreichen, aber auch so viel Halbwahres sagen. Jesus will unsere Achtsamkeit für unsere Worte schärfen und uns ermutigen, keinerlei Kunstgriffe zu verwenden. Klare Ansage, unfrisiert, ehrlich, ja oder nein – das ist es, was er möchte.

Wenn das mal immer so einfach wäre …

Tina wurde angefragt, ob sie den Schaukasten der kleinen Kirchengemeinde für weitere zwei Jahre »übernehmen« wollte. Klar, sie konnte das. Sie konnte bestens mit Karten, Schnipseln, Texten und Bildern umgehen. Noch während der Pastor sie fragte, wusste sie, dass sie eigentlich Nein sagen sollte. Wie war es denn in den letzten Monaten gelaufen? Meistens hatte sie erst am Anfang des Monats die Zeit gefunden, das zu machen. Immer lief sie hinter sich her. Denn da waren ja noch der Job, der Haushalt und die anderen ehrenamtlichen Dienste. Sie müsste aus Aufrichtigkeit sich selbst und den anderen gegenüber, ebenso aus Rücksicht auf ihre Kräfte, Nein sagen. Aber wer sollte es dann machen? Hatte es nicht bisher auch immer irgendwie geklappt? Hatte sie nicht letztens noch gehört: »Der ist dir ja mal wieder spitzenmäßig gelungen, der Schaukasten für April«? Und was war mit dem Pastor? Der wäre doch auch froh, wenn er die Aufgabe jetzt ganz schnell untergebracht hätte.

Also rang sie sich zu einem Ja durch und – lebte ein Jein, denn sie war hundemüde, als sie am vierten Mai mit ihren Fotos und Schnipseln anrückte. Sie seufzte innerlich und beneidete all die, die jetzt im Garten bei Eis und Keksen ihren Feierabend genießen konnten.

Kompromisslos ehrlich? Oder ein Jein? Ihr Jein war geboren aus Angst davor, jemanden enttäuschen zu müssen. Sie hatte nicht gelernt, Nein zu sagen oder ihre Grenzen zu achten. Sie wollte den Schein wahren, dass sie allem gewachsen ist.

Jetzt wird es Zeit, in den Text einzutauchen, aus dem dieser kurze, klare Satz stammt: Sagt einfach ›Ja‹ oder ›Nein‹, heißt es in der Übersetzung Neues Leben. Wer spricht hier zu wem und wozu? Der geübte Bibelleser ahnt es schon fast. Der Meister himself spricht. Wir befinden uns in der Bergpredigt und werden mit hineingenommen in spannende Themen. Luft anhalten ist angesagt. Seine Jünger sind um ihn herum, dazu noch jede Menge anderer Menschen, die zuhören. Aber sie hören nicht nur: Sie sind erschüttert. Denn Jesus legt hier ein Konzept für ein Miteinander seiner Leute vor, das auf jeden Fall revolutionär, herausfordernd und einfach krass ist.

Eigentlich geht es um das Thema Schwören. Die Juden waren gewohnt, in ihrem Alltag und auch vor Gericht Schwurformeln oder Beteuerungen abzugeben. Da wurde beim Himmel, bei der Erde, bei Jerusalem und vielem anderen mehr geschworen.

Jesus möchte diese Gewohnheiten nicht. Er möchte schlicht und ergreifend, dass die Leute ihre Wortwahl, viel mehr aber noch ihre Gedanken ändern. Sie sollen »einfach so« die Wahrheit sagen, Gott und Mensch gegenüber. Nichts frisieren, keinen falschen Schein wecken, keine Kunstgriffe mit Worten machen.

Warum? Weil es mit und in unseren Worten um das Vertrauen geht, das wir Gott und einander schenken. Deshalb sollen wir klare, eindeutige Worte benutzen.

Vor mir sehe ich in Gedanken einen Dreikäsehoch: Die Mutter findet im Mülleimer einen zerbrochenen Teller. Vor sich aber sieht sie ihren Jungen, der sagt: »Mama, ich schwöre, ich war’s nicht.« Das Schwören lässt uns aufmerken: Aha, hier geht es also um etwas »richtig Wichtiges«. Alles andere kann »einfach so« erzählt werden, aber jetzt geht es um die Wahrheit? Es geht ums Ganze?

Keine Ahnung, wie das in der Küche bei den beiden ausgeht … Ob es der Bruder war oder doch der Kleine? Vielleicht kniet die Mutter sich auch neben ihn und sagt: »Du brauchst nicht schwören, ich vertraue dir doch, wenn du mir etwas sagst.«

Jesus wünscht sich wie die Mutter von ihrem Sohn, dass seine Leute so eine enorme Wahrheitsliebe entwickeln, dass weitere Formeln unnötig sind. Er ist doch überall dabei, weiß und sieht alles.

Stimmt!

Jeder zerbrochene Teller, jede halbherzig erledigte Gemeindeaufgabe, jede falsche Lebensvertröstung kommt irgendwann heraus! Jede Antwort, die wir auf gestellte Fragen geben, alles kommt einmal an den Tag!

Geht es Ihnen wie mir? Sie müssen die Luft anhalten. Sie denken: Was hab ich in meinem Leben schon Gott und Menschen versprochen? Aus welchen Motiven habe ich Dinge getan? Wie schwer ist das denn?

Ja, das ist herausfordernd! Aber: Heute ist die Möglichkeit, neu durchzustarten! Heute besteht die Chance, sich neu von Gottes Wahrhaftigkeit anstecken zu lassen!

Erst einmal heißt es, das Ganze mit Gott zu klären: Vielleicht sind Ihnen gerade Ihre »zerbrochenen Teller« eingefallen, deren Scherben Sie in der Mülltonne haben verschwinden lassen. Besprechen Sie es mit Ihrem himmlischen Vater, führen Sie ein »Küchengespräch«, jetzt auf der Stelle. Er kniet nämlich schon neben Ihnen, weil er um die Scherben weiß.

Gottes »Wahrhaftigkeit« steht außer Frage. Die macht uns gesund, die vergibt und schenkt Leben.

Und dann geht es um Sie selbst und Ihre Mitmenschen, mit denen Sie Gott nachfolgen: Gemeinde, Hauskreis, Zweierschaft. Hier sollen sich die Wünsche Jesu nach einem ehrlichen Miteinander verwirklichen.

Vielleicht müssen Sie jetzt eine Ihrer drei ehrenamtlichen Aufgaben abgeben. Vielleicht ist es angesagt, dass Sie sich eine Auszeit nehmen, um hinter Ihre traurige Fassade zu schauen, die Jesus schon lange bedrückt und von der Sie bisher nichts ahnten. Vielleicht ist es dran, Ihrem Freund an einem ruhigen Abend ehrlich Ihr Herz auszuschütten, auch wenn Sie dann nicht mehr als »starke Frau« oder »starker Mann« erlebt werden. Aber – vielleicht werden Sie jetzt wahrhaft stark durch Ihre Ehrlichkeit?

In mir arbeitet ein Lied aus alten Zeiten. Sonntagmittags ließ mein Opa nach der Mahlzeit immer ein Lied singen. Eine Zeile hieß: »Denn des Herrn Wort ist wahrhaftig und was er zusagt, das hält er gewiss.«

Das ist es: Das ist der Grund, warum wir klar sein sollen in unseren Worten, in unseren Zusagen, in unseren Motiven, in unserem ganzen Leben – weil er wahrhaftig ist.

Kerstin Wendel, Jahrgang 1965, lebt in Wetter an der Ruhr und ist zurzeit tätig als Familienfrau, Autorin, Referentin sowie als Instrumentallehrerin. Sie arbeitet in der EFG Wetter Kaiserstraße, erholt sich am und im Wasser, beim Walken, Lesen, Musizieren, Erdnüsse knacken und mit Freunden reden.