Verlass dich auf den HERRN von ganzem Herzen,
und verlass dich nicht auf deinen Verstand.
Sprüche 3,5 (LUT)
Es gibt eine Krankheit, die Menschen heutzutage sehr erschreckt. Es ist eine noch nicht heilbare Krankheit und jeder hofft, von ihr verschont zu bleiben. Rudi Assauer hat sie durch seine autobiografischen Notizen 2012 aus dem Abseits in die volle mediale Aufmerksamkeit geholt: Es geht um Alzheimer. Eine Krankheit, bei der die Erinnerung und später auch der Verstand nach und nach ihre Dienste versagen. Eine Krankheit, die uns vor Augen führt, dass der Verstand ein zerbrechliches Instrument ist, das dem Verfall preisgegeben ist.
Doch nicht von Alzheimer handelt unser Text. Der Verstand ist eine gute Gabe Gottes und wir dürfen dankbar sein, dass wir ihn einsetzen können. Es geht an dieser Stelle darum, worauf wir unser letztes Vertrauen setzen. Ist der Verstand das Maß aller Dinge?
In unserem Vers werden zwei Dinge einander gegenübergestellt: sich auf Gott zu verlassen oder auf den Verstand. Vertrauen ist sehr wichtig bei vielen unserer alltäglichen und auch unserer großen Entscheidungen im Leben. Wenn uns jemand am frühen Morgen einen Kaffee bereitet, vertrauen wir darauf, dass dieser Kaffee uns beim Aufwachen helfen wird. Wir gehen nicht davon aus, dass er vergiftet ist. Warum überprüfen wir den Kaffee nicht, bevor wir ihn trinken? Weil wir die Person kennen, die uns den Kaffee serviert. Und weil wir darin ihren kleinen Akt der Nächstenliebe sehen können. Der Verstand könnte uns eine Wahrscheinlichkeitsrechnung über das Risiko der Vergiftung erstellen, könnte uns Statistiken zu Kaffeebohnen und deren Röstung in Erinnerung rufen, doch dann wäre der Kaffee wahrscheinlich schon längst kalt geworden, bevor wir ihn getrunken hätten. Und wir hätten dabei die emotionale Komponente, dass ein lieber Mensch fürsorglich für uns gehandelt hat, gar nicht im Blick gehabt.
Vertrauen hat mit Beziehung zu tun. Wir vertrauen, weil wir jemanden kennen, ihn oder sie einschätzen können, weil wir in einer positiven Bindung zu diesem Menschen stehen. Ein kleines Kind springt sorglos in die Arme seines Vaters oder seiner Mutter. Es vertraut seinen Eltern voll und ganz bis zu dem Zeitpunkt, wo das Vertrauen aktiv missbraucht wird. Erst durch negative Erfahrungen nimmt das Vertrauen ab, das verstandesmäßige Kalkulieren und Berechnen zieht ein.
Das Vertrauen zwischen zwei erwachsenen Menschen ist unerschütterlich, wenn es sich auf Liebe und verantwortungsbewussten Umgang miteinander stützt. Vertrauen ist immer da angebracht, wo ich dem anderen Kompetenz zuspreche. Der Besuch beim Arzt oder Zahnarzt, das Anvertrauen des Wohnungsschlüssels an die Nachbarin, die die Blumen gießen soll, die Erlaubnis für die Kinder, bei einem Klassenkameraden zu übernachten … All das hat mit Vertrauen und mit der Kenntnis der Kompetenz und Zuverlässigkeit der beteiligten Personen zu tun.
In diesem Bibelwort bin ich direkt angesprochen und werde aufgefordert, Gott zu vertrauen. Das kann ich nur, weil ich Gott kenne. Ich kann in der Bibel sehen, dass er vertrauenswürdig ist. Dass er in seinem tiefsten Wesen für uns Menschen ist, dass er immer für mich ist. Dass er mich kennt und liebt. Dass er gute Gedanken für mich hat. Dass er mich mit seinen Augen leiten will. Und weil ich ihn kenne und so viele gute Erfahrungen mit ihm gemacht habe, vertraue ich ihm, auch wenn es mal durch schwere Zeiten geht.
Doch hier ist mehr gefragt als ein halbherziges Vertrauen: Es geht um alles. Von ganzem Herzen zu vertrauen, das geht eigentlich nur, wenn man alles Gott hingibt. Solange ich in meinem Herzen noch Zweifel hege, solange ich Gott nicht alles zu- und anvertraue, solange ich noch mit dem Verstand Gott analysieren und auseinandernehmen will, solange bin ich in Gefahr, meinen Verstand zum Maßstab zu machen. Und mit den Grenzen meines Verstands auch Gott einzuschränken. Was ich mir dann nicht vorstellen kann, was meinem Verstand widerspricht, wird automatisch als unrealistisch und unwahr abgebucht. So leben und handeln viele Menschen in unserer Zeit. Was sie nicht erklären oder verstehen können, wird geleugnet. Das ist nicht nur schade, das ist dumm. Denn wenn Gott so vom Verstand begreifbar, so einfach einzuschätzen wäre, wäre er dann überhaupt noch Gott? Oder wäre er dann nicht einfach nur ein Konstrukt meines Verstandes?
Wie wirkt sich das Vertrauen auf Gott in meinem Alltag aus? Hier kommt eine kleine Übung:
Nehmen Sie sich einen Stift und ein Blatt Papier und erstellen Sie zwei Spalten. In die eine tragen Sie Dinge und Verhältnisse ein, in denen Sie mit Ihrem Latein, mit Ihrem Verstand am Ende sind, keine Lösung sehen und keine Wege der Veränderung kennen.
In die zweite Spalte schreiben Sie, was Gott Ihnen und uns Menschen zugesagt hat: Siehe, ich mache alles neu! (Offenbarung 21,5; LUT). Vielleicht gibt es auch eine ganz persönliche Zusage Gottes für Sie, die Sie hier eintragen möchten.
Im nächsten Schritt beten Sie Punkt für Punkt durch und sagen Gott, dass Sie ihm von ganzem Herzen genau an dieser Stelle vertrauen wollen. Bewahren Sie diesen Zettel so auf, dass Sie ihn jederzeit wieder hervorholen können. Und da, wo Gott Ihr Vertrauen belohnt hat und sich eine Änderung ergeben hat, da schreiben Sie ganz dick ein: Danke, Jesus!
Auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden, werden Sie feststellen, dass Gott es immer wieder schafft, unser Vertrauen zu belohnen und uns zu überraschen. Deshalb gilt: Werft dieses Vertrauen auf den Herrn nicht weg, was immer auch geschieht, sondern denkt an die große Belohnung, die damit verbunden ist! (Hebräer 10,35).
Der Glaube an Gott und die Beziehung zu ihm sind unser volles Vertrauen wert und übersteigen letztendlich alles, was sich der Verstand ausdenken kann. Denn auch dann, wenn der Verstand ausfällt, wenn das Gehirn seine Dienste verweigert, ist Gott noch da. Immer noch da. Immer da. Immer.
Elke Werner, 1956, lebt in Marburg. Sie ist Leiterin des Christus-Treff und der Internationalen Frauenarbeit WINGS – Women in God’s Service.