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31. Woche

Letztlich geht es ums Vertrauen

Denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.

Psalm 127,2 (LUT)

Unser Leben bewegt sich in der Regel zwischen Extremen, und unser Denken bleibt oft in den Extremen hängen: Da kommt aus der Tiefe unseres Herzens der Stoßseufzer: Alles muss man selbst machen.

Oder wir stellen nach viel (vergeblichem?) Einsatz verzweifelt fest: Ich kann sowieso nichts machen, zwecklos, ich lass es sein!

Überengagement oder Resignation.

Die biblische Weisheit bleibt nicht bei einem Extrem hängen, auch wenn man das hier meinen könnte. Sie führt aus den Extremen in die Gegenwart Gottes. Dort ist er und beschenkt.

Wir kennen vermutlich das manchmal gar so hektische Überengagement, getragen von der Überzeugung: Alles hängt an mir! Wenn ich das hier nicht mache … wenn ich es nicht hinkriege … dann geht die Welt unter. Ich übertreibe (hoffentlich).

Wo sind gerade jetzt die Stellen, die Aufgaben, die Herausforderungen, die uns in diese Haltung bringen? Wo sind wir gerade überaktiv dabei, die Welt zu retten – und meinen, das tun zu können, was uns wahrlich nicht möglich ist?

Die ersten beiden Verse in Psalm 127 belehren uns über unsere Grenzen:

Wenn der HERR das Haus nicht baut, arbeiten seine Erbauer vergebens daran. Wenn der HERR die Stadt nicht bewacht, wacht der Wächter vergebens. Vergebens ist es für euch, dass ihr früh aufsteht, euch spät niedersetzt, das Brot der Mühsal esst. So viel gibt er seinem Geliebten im Schlaf (ELB).

Vergeblich ist, was wir in typischer Manier der Selbstüberschätzung sorgenvoll zustande bringen. Also nichts mehr machen?

Das andere Extrem lauert: Gott wird’s schon machen – und dann noch im Schlaf …

Ja, vielleicht ist es wirklich gut, für eine kleine Weile mal ins jeweils andere Extrem zu fallen. (Und wer vor lauter Sorgen nicht mehr schlafen kann, der kann auch nicht erleben, wie Gott ihn im Schlaf beschenkt.)

Aber es geht nicht um die Extreme, sondern darum, ein Leben in der Gegenwart Gottes zu entdecken, in dem wir das tun, was wir zu tun haben, und in dem Raum ist, die unberechenbaren und schönen Geschenke von ihm zu empfangen.

Erwartungsvolle Aktivität oder aktives Erwarten. Oder wie können wir es noch nennen, wenn unser Leben in ein Gleichgewicht kommt? Engagiert tun, was wir tun können, und dabei ganz realistisch sein: Wenn Gott nicht das tut, was nur er tun kann, dann ist alles vergeblich.

In mir klingen die Worte Jesu auf:

Wer aber unter euch kann mit Sorgen seiner Lebenslänge eine Elle zusetzen? Und warum seid ihr um Kleidung besorgt? Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie mühen sich nicht, auch spinnen sie nicht … So seid nun nicht besorgt, indem ihr sagt: Was sollen wir essen? Oder: Was sollen wir trinken? Oder: Was sollen wir anziehen? Denn nach diesem allen trachten die Nationen; denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr dies alles benötigt. Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit! Und dies alles wird euch hinzugefügt werden (Matthäus 6,27-33; ELB).

Letztlich geht es ums Vertrauen!

Worauf vertrauen wir? Auf uns und unser Tun und Machen oder auf Gott und sein Schaffen?

Vom früheren Papst Johannes XXIII. wird Folgendes erzählt: Kurz nach seiner Weihe kam ein junger Bischof zu ihm und suchte Rat. Er fürchtete sich vor seinem Amt und konnte aus lauter Verantwortungsbewusstsein nicht mehr schlafen. Der Papst lächelte ihn an und sagte: »Mein Sohn, als ich zum Papst gewählt wurde, bin ich erschrocken vor der Würde dieses Amtes, und ich konnte eine Zeitlang überhaupt nicht mehr schlafen. Einmal bin ich doch kurz eingenickt, da erschien mir ein Engel im Traum. Ich erzählte ihm meine Not, und daraufhin sagte der Engel: ›Giovanni, nimm dich nicht so wichtige.‹ Seitdem kann ich wunderbar schlafen.

Ich liebe diese Geschichte. Sie hilft mir und ermahnt mich immer wieder: Nimm dich nicht so wichtig!

Fragen zum Nachdenken

•  »Erwartungsvolle Aktivität oder aktives Erwarten« – wie sehr empfinde ich mein Leben im Gleichgewicht? Oder habe ich gerade »Schlagseite« zum Übereifer oder zur Resignation?

•  Wo stehe ich in der Gefahr, mich mit meinem Engagement zu wichtig zu nehmen?

•  Wo und wie habe ich es schon erlebt, dass Gott mich »wie im Schlaf« beschenkt?

Astrid Eichler, Jahrgang 1958, aus Berlin ist Pfarrerin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz und seit 2011 Bundesreferentin für EmwAg »Es muss was Anderes geben. Lebensperspektiven für Singles«.