Was einmal gewesen ist, kommt immer wieder, und was einmal getan
wurde, wird immer wieder getan. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
Prediger 1,9
Öfter mal was Neues! Was gibt es Neues? Hast du schon das Neueste gehört?
Wir lieben das Neue. Vielleicht ist unsere Gesellschaft süchtig nach dem Neuen. Nur nichts verpassen, immer am Ball sein, die Lebenschancen erkennen und nutzen.
Irgendwann schleicht sich aber der Gedanke ein, dass das Neue nicht unbedingt besser ist als das, was wir schon haben oder kennen. So schwanken wir zwischen einer glorifizierten Nostalgie und einem Zukunftsglauben, der uns sehnsüchtig auf das Neueste warten lässt.
Die Worte des Predigers wirken da wie eine kalte Dusche: Was einmal gewesen ist, kommt immer wieder, und was einmal getan wurde, wird immer wieder getan. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Das heißt, dass sich im Leben und in der Geschichte alles wiederholt; und alles, was noch geschehen wird, ist schon einmal dagewesen.
Dabei gibt es doch viel Neues unter der Sonne. Musiker schreiben neue Lieder, die Welt der Technik präsentiert ständig neue Produkte, die unser Leben einfacher und interessanter machen. Alles wird schneller, kleiner und besser.
Der amerikanische Schriftsteller Ambrose Bierce fasst es in folgende Worte: »Es gibt nichts Neues unter der Sonne, aber es gibt eine Menge alter Sachen, die wir nicht kennen.«
Ich bin mit 17 Jahren nach Kanada ausgewandert. Was für eine Gelegenheit! Nicht nur war alles neu für mich, auch ich war allen neu. Ich konnte noch einmal von vorne beginnen, anders leben, besser leben, nur um dann festzustellen: Auch wenn die äußeren Gegebenheiten und Situationen neu sind, bin ich immer noch der Alte. Das Neue verändert nicht unsere Situation. Es beseitigt nicht unser eigentliches menschliches Dilemma. Bei einem Leben unter der Sonne können wir nicht über unseren Schatten springen.
Wer das Buch Prediger liest, wird bemerken, dass der Schreiber das Leben mit all seinen Facetten kennt. Er kommt zu dem Schluss, dass alles ein Kreislauf ist. Aus sich heraus kann er diesen Lebenskreislauf nicht durchbrechen, in sich selbst hat er nicht die Kraft dazu. Mehr noch, man gewinnt den Eindruck, dass alle Bemühungen zu keinem Ziel führen.
Diese Bemühungen hat Beate Backenköhler sehr treffend in ihrem Gedicht »Mehr oder Weniger« beschrieben7.
Heute haben wir größere Häuser,
aber kleinere Familien;
mehr Bequemlichkeit,
aber weniger Zeit;
mehr Wissen,
aber weniger Urteilsvermögen;
mehr Berater,
aber größere Probleme.
Wir haben unseren Besitz vervielfacht,
aber unsere Werte reduziert.
Wir wissen, wie man seinen Lebensunterhalt verdient,
aber nicht mehr, wie man lebt.
Wir haben dem Leben mehr Jahre hinzugefügt,
aber nicht den Jahren Leben.
Wir kommen zum Mond,
aber nicht mehr an die Tür des Nachbarn.
Wir haben den Weltraum erobert,
aber nicht den Raum in uns.
Wir können Atome spalten, aber nicht unsere Vorurteile.
Jemand hat einmal gesagt: »Das Leben besteht aus Beziehungen und Bezogenheiten.« Wie wahr: Wenn es um die Beziehungen und Bezogenheiten des Menschen geht, gibt es nichts Neues unter der Sonne.
Der Begriff »unter der Sonne« beschreibt das Leben des Menschen losgelöst von Gott. Er ist Teil eines Kreislaufs, aus dem er selbst nicht entkommen kann. Nur die Ausrichtung auf Gott schenkt ihm eine Alternative – ewiges Leben, Gottes Leben. Dieses Leben ist nicht nur im Blick auf die Unendlichkeit für uns schwer vorstellbar, es ist auch von einer Qualität, die das Leben unter der Sonne nicht kennt.
Nicht dass der Prediger sich willenlos dem Lauf dieses Lebens unter der Sonne unterworfen hätte. Er sagt auch nicht, dass dieses Leben nicht lebenswert sei. Es ist ihm nur unmöglich, es zu ergründen.
Der Reichtum des Predigers war unermesslich, seine Macht scheinbar ohne Grenzen und die Welt der Religionen war ihm nicht fremd. Sein Denken war mit Weisheit erfüllt und seine Erfahrungswelt außergewöhnlich weitreichend. Doch trotz all seiner Macht und Erfahrung, trotz seines Wissens und seiner Weisheit musste er sich eingestehen: Alles ist vergänglich, es gibt nichts Neues unter der Sonne.
Der Mensch durchlebt einen Kreislauf, und am Ende ist er genau wieder da, wo er am Anfang war. Der Mensch kommt vom Schöpfer und steht wieder vor dem Schöpfer.
Eine Frage drängt sich mir beim Lesen des Buches Prediger immer wieder auf: Wie kann ich mein Leben gestalten, wenn sich alles wiederholt, alles vergänglich ist und es nichts Neues gibt? Der Ton des Buches wirkt fatalistisch und pessimistisch, aber genau auf diesem Hintergrund wird die Bedeutung der Beziehung zu Gott sichtbar. Der Prediger zeigt drei Schritte für ein gewinnbringendes Leben unter der Sonne:
Der Prediger ist weder Zyniker noch Skeptiker. Er ist Realist und ein Mann des Glaubens. Er ist überzeugt von Gottes Souveränität. In Kapitel 3,11 schreibt er: Gott hat allem auf dieser Welt schon im Voraus seine Zeit bestimmt, er hat sogar die Ewigkeit in die Herzen der Menschen gelegt. Aber sie sind nicht in der Lage, das Ausmaß des Wirkens Gottes zu erkennen; sie durchschauen weder, wo es beginnt, noch, wo es endet. Und einige Kapitel weiter: Wenn es dir gut geht: Freu dich daran! Und wenn du von Unglück betroffen bist: Denk daran, dass dieser Tag wie auch jener von Gott gekommen ist, damit der Mensch nicht herausfinden kann, was die Zukunft bringt (Prediger 7,14).
Er ist davon überzeugt, dass Gott souverän ist. Er kennt nicht den ultimativen Plan, aber Gott kennt ihn. Genau darüber schreibt der Apostel Paulus auch an die Christen in Rom. In Römer 8,20 spricht er von der Vergänglichkeit der ganzen Schöpfung und kommt in Vers 28 zu dem Schluss: Und wir wissen, dass für die, die Gott lieben und nach seinem Willen zu ihm gehören, alles zum Guten führt.
Der Prediger ist davon überzeugt, dass Gott trotz der Sinnlosigkeit, Bedeutungslosigkeit und Vergänglichkeit des Lebens gut ist und es gut mit dem Menschen meint. Dadurch wurde mir klar, dass es das Beste für den Menschen ist, sich zu freuen und das zu genießen, was er hat. Denn es ist ein Geschenk Gottes, wenn jemand isst und trinkt und sich über die Früchte seiner Arbeit freuen kann (Prediger 3,12-13). Auch wenn Gott einem Menschen Reichtum und viele Güter gegeben hat, und der Mensch diese aus der Hand Gottes annehmen und sich trotz seiner Mühe daran freuen kann, ist es ein Geschenk Gottes. Wer dazu in der Lage ist, denkt nicht mehr oft über die Kürze seines Lebens nach. Denn Gott hat ihm Freude ins Herz gegeben (Prediger 5,18-19). Gott meint es gut mit uns.
Der Prediger erkennt an, dass Gott gerecht und heilig ist, und schreibt am Ende seines Buches: Als Ergebnis dieser ganzen Gedanken will ich dir Folgendes mitgeben: Bring Gott Achtung entgegen und tu das, was er in seinen Geboten fordert! Das gilt für jeden Menschen. Gott wird über alle unsere Taten Gericht halten – seien sie gut oder böse – selbst über die Taten, die im Verborgenen liegen (Prediger 12,13-14).
Der Kreislauf des Lebens führt zu einem neuen Leben, wenn wir es in Gemeinschaft mit dem leben, der das Leben erschaffen hat, der über dem Leben steht und neues Leben schenkt. Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der alte Himmel und die alte Erde waren verschwunden. Und auch das Meer war nicht mehr da. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen wie eine schöne Braut, die sich für ihren Bräutigam geschmückt hat. Ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: »Siehe, die Wohnung Gottes ist nun bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein. Er wird alle ihre Tränen abwischen, und es wird keinen Tod und keine Trauer und kein Weinen und keinen Schmerz mehr geben. Denn die erste Welt mit ihrem ganzen Unheil ist für immer vergangen.«
Und der, der auf dem Thron saß, sagte: »Ja, ich mache alles neu!« (Offenbarung 21,1-5).
• Welche Gegebenheiten, Erfahrungen und Menschen hat Gott mir in meinem Leben »zugeteilt«, die ich von Herzen genießen darf und an denen ich mich erfreuen kann? Ich will Gott heute ganz bewusst dafür danken.
• Gibt es Bereiche in meinem Leben, wo weniger mehr sein würde? Was müsste geschehen, damit ich hier loslassen könnte?
• Wo schenkt mir mein Vertrauen auf Gott und das ewige Leben neue Lebensperspektiven?
Wilfried Schulte, Jahrgang 1955, ist seit 1975 verheiratet mit Doris. Sie haben zwei erwachsene Söhne. Er ist Direktor des Missionswerkes Neues Leben und als Evangelist und Herausgeber des Magazins Neues Leben tätig. Darüber hinaus produziert er christliche Fernsehsendungen.