»Wir stehen kurz vor einer Sensation: In einigen Tagen gibt es zum ersten Mal Maskottchen aus unserer feinsten Edelrahm-Nuss-Schokolade zu kaufen, und zwar aus ganz besonderen Kakaobohnen.« Klößchens Vater breitete seine Arme aus, so als wolle er jemanden auf einer Bühne willkommen heißen.
»Dürfen wir das Maskottchen denn auch schon sehen?« Gaby reckte den Hals.
»Leider nein«, bedauerte Herr Sauerlich. »Bis zum Stadtfest ist es noch geheim. Was meint ihr denn, was es wird?«
»Ich weiß es!«, rief Leo und legte seinen Arm um Klößchens Schultern. »Ein süßer, kleiner Waschbär mit Haarnetz.« (Das Haarnetz mussten die Schüler wie eine Mütze aufsetzen, damit keine Haare in der Schokolade landeten.) »Könnte aber auch ein Hamster sein.«
Klößchen verdrehte die Augen. »Wenn einer aussieht wie ein Tier, dann ja wohl du! Und zwar wie das Eichhörnchen, das der Nuss hinterherrennt.«
»Gut gekontert«, flüsterte Tim.
»Und du bist als Kind in den Schokoladentank gefallen, oder?«, scherzte Leo.
»Du bist ja nur neidisch, Leo«, mischte sich Gaby ein.
»Pssst.« Frau Schlemmer hielt den Finger vor den Mund und sah die Klasse mahnend an. Die Schüler verstummten.
»Wir zeigen euch jetzt, wie die edle Schokolade hergestellt wird. Hier, in diesem großen Tank, wird zunächst der Rahm angerührt«, erklärte Herr Sauerlich, während sein Mitarbeiter einen großen Sack Kakao heranschleppte.
»Der Tank ist ja so groß wie der Swimmingpool in unserem Garten«, stellte Leo erstaunt fest.
»Herr Fröhlich kippt jetzt die gemahlenen Kakaobohnen in einen Trichter. Dazu kommen dann fein gehackte, geröstete Haselnüsse, Zucker und Milchpulver«, erklärte Klößchens Vater. »In dem großen Bottich werden sie verrührt.«
Er tippte auf eine Flasche in seiner Hand, in der sich eine milchige Flüssigkeit befand. »Wenn die Zutaten vermischt sind, kommt noch diese Zauberzutat dazu. Sie verfeinert das Schokoladenaroma. Ich rühre sie ganz allein an, nur Willi und ich kennen die Rezeptur.«
»Und ich habe sie entdeckt!«, verkündete Klößchen stolz. »In einem alten Medaillon meiner Oma Lissi!«
Herr Sauerlich klopfte seinem Sohn auf die Schulter. »Unser Willi hat eben eine gute Spürnase.« Klößchen wurde rot. »Mensch, Papa!«
Gaby legte den Arm um Klößchens Schulter. »Wieso? Stimmt doch!«
»Darin ist das Rezept.« Sauerlich hielt ein Medaillon hoch, das er gleich wieder einsteckte. »Wer will die Rührbesen einschalten? Karl, du vielleicht?«
Karl nickte und schob sich an Leo vorbei nach vorn.
Aber Leo versperrte ihm den Weg. »Das mach ich.«
Unsanft schubste er Karl. Der stolperte gegen Herrn Sauerlich, der ins Straucheln geriet. Dabei rutschte ihm die Flasche mit der milchigen Flüssigkeit aus der Hand.
Mit einem Hechtsprung fing Tim die Flasche, kurz bevor sie auf den Boden fiel.
Dann rollte er sich gekonnt ab und stand sofort wieder auf.
Herr Sauerlich nahm die Flasche erleichtert aus Tims Hand. »Danke, Tim. War das Judo?«
»Tim, der Retter der Milch!«, rief Leo grinsend.
»Erstens ist das keine Milch, und zweitens könntest du dich mal entschuldigen«, brummte Gaby.
»’tschuldigung«, presste Leo hervor, aber Klößchens Vater reagierte nicht. Er beobachtete irritiert Hannes Fröhlich, der bereits die Tasten auf der Maschine drückte. »Hannes, das sollten doch die Kinder machen.«
»Wenn sie sich nicht einig werden können, mache ich es lieber selbst«, erklärte Herr Fröhlich ungerührt. »Wir müssen schließlich den Zeitplan einhalten.«
Sauerlich seufzte. »Na gut, da hast du wohl recht.« Nach und nach schüttete er nun vorsichtig die wertvolle Flüssigkeit durch eine Öffnung in die Maschine, die mit riesigen Schneebesen das Ganze zu einem sämigen Brei verrührte.
Grinsend zeigte Leo auf die braune Masse. »Oh, ich hab Durchfall!« Dabei machte er ein Pupsgeräusch.
Tim, Karl, Klößchen und Gaby tippten sich gleichzeitig an die Stirn.
Frau Schlemmer kniff wütend die Augen zusammen. »Leo, wenn du nicht aufhörst, ist die Führung für dich gleich zu Ende.«
»Entschuldigung, Frau Schlemmer.« Leo sah seine Lehrerin unschuldig an.
»Aber Sie müssen zugeben, dass das nach Dünnpfiff aussieht.«
Klößchen kochte innerlich. »Am liebsten würde ich ihn in den Schokoladentank werfen!«, flüsterte er Karl ins Ohr.
»Wäre das wirklich eine Strafe?«, fragte Karl.
Klößchen lief das Wasser im Mund zusammen. »Stimmt, das wäre eher das Paradies.«
Das klingelnde Handy seines Vaters riss Klößchen aus den Gedanken. Herr Sauerlich schüttelte der Klassenlehrerin die Hand. »Ich verabschiede mich an dieser Stelle und übergebe an Herrn Fröhlich.« Er winkte in die Runde, nahm den Anruf an und verschwand.
Herr Fröhlich sah auf das Display der Maschine. »Der Rahm wird jetzt noch exakt fünfundzwanzig Minuten gerührt. Dann fließt er durch eine Walze, damit er besonders fein wird. Anschließend wird er noch mal erhitzt. Danach ist die Schokolade genau richtig: cremig, leicht und fluffig. Aber so lange können wir nicht warten.« Fröhlich marschierte los. »Ich zeige euch jetzt den nächsten Schritt mit dem Rahm, den wir heute Morgen bereits hergestellt haben.« Die Klasse folgte ihm.
Im angrenzenden Raum floss Schokoladenmasse aus einem Trichter in Formen, die dann auf dem Laufband in einer Maschine verschwanden.
»Die fahren jetzt durch einen Kühlschrank, damit die Schokolade fest wird und ihre Form behält.« Herr Fröhlich nahm eine fertige Tafel, die auf der anderen Seite aus der Maschine herauskam.
»Das ist unsere dicke Fünfhundert-Gramm-Tafel Macadamianuss. Die solltet ihr unbedingt mal probieren.«
»EY, LASS DAS!« Alle drehten sich um und sahen, wie Ralf Leo von sich wegschubste.
Hannes Fröhlich verdrehte die Augen und sah auf seine Uhr. »Jetzt ruft die Schokolade.« Er winkte Frau Grünberg, Herrn Sauerlichs Assistentin, heran, die Tütchen mit Schokolade an die Schüler verteilte.
»Wie kann denn Schokolade rufen?«, spottete Leo.
»Du Scherzkeks.« Herr Fröhlich lächelte gequält.
»Lasst uns noch kurz hierbleiben«, raunte Klößchen seinen Freunden zu. »Ich möchte noch ein bisschen mehr mitnehmen.« Er schaute in sein Tütchen. »Das haben wir ja in fünf Minuten aufgegessen.«
»Wir?«, fragte Tim ungläubig.