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Im Kontrollraum der Insel bemühte sich Hayley Anderson, so normal wie möglich zu erscheinen. Sie redete mit Thero, als habe sie George vor sich, verlieh ihren Worten einen Ausdruck der Zuneigung, wobei sie darauf achtete, nicht zu sehr zu übertreiben.

Während sie grenzenlose Bewunderung demonstrierte, zeigte Thero ihr die Kontrolltafel der großen Maschine und führte sie zu einer Sichtscheibe, durch die sie die große Kugel sehen konnte, die in der dunklen Höhle ruhte.

Er betätigte einige Schalter. Lampen flammten jenseits des Fensters in der Höhle auf. Eine riesige kugelförmige Konstruktion schälte sich aus dem Dunkel. Sie kannte sie schon von einer Konstruktionszeichnung, die Thero ihr Jahre zuvor gezeigt hatte.

»Unglaublich«, hauchte sie beeindruckt.

»Mein Vater hatte recht«, sagte er. »Dies ist der Beweis. Von hier aus können wir ganz erstaunliche Energiemengen durch die Erde leiten, und zwar an jeden Ort auf dem Globus. Energie, die wir aus dem Nullpunktfeld gewinnen.«

»Brauchst du keine Generatoren?«, fragte sie.

»Nur um die Welle zu starten«, erklärte er.

Das brachte sie auf eine Idee. Wenn man es fertigbrachte, den Generator zu zerstören, den sie draußen gesehen hatte, könnte man vielleicht verhindern, dass die Maschine ihre Wirkung entfaltete.

»Das ist phantastisch«, sagte sie und betrachtete die Gitterkonstruktion durch das Sichtfenster hindurch. »Wie habt ihr das Problem der dynamischen Resonanz gelöst?«

»Bisher ist uns das nur zum Teil gelungen«, räumte er ein.

»Habt ihr am Ende noch immer mit unkontrollierbaren Vibrationen zu kämpfen?«

»Wir benutzen das Wasser als Dämpfungsmedium«, sagte Thero. »Es absorbiert einen Großteil der Energie. Indem wir einen kugelförmigen Emitter anstelle eines am Ende offenen Leiters einsetzen, erhalten wir eine erheblich stabilere Welle.«

»Du bist uns immer einen Schritt voraus gewesen, George«, sagte sie lächelnd. »Das ist schlichtweg brillant.«

»Mein Vater hat den größten Teil der theoretischen Arbeit geleistet«, erwiderte er. »Aber ich habe die Berechnungen durchgeführt.«

Während Hayley redete, versuchte sie einzuschätzen, wie stark die George-Persönlichkeit in dieser Paarung ausgeprägt war. Bei ihren Bemühungen, ihre eigenen Phobien in den Griff zu bekommen, hatte sie sehr viel über psychische Krankheiten gelernt. So hatte sie auch von Fällen gehört, bei denen an multiplen Persönlichkeitsstörungen Erkrankte absolut keine Ahnung hatten, welche Absichten die jeweils anderen Persönlichkeiten in ihrem Geist verfolgten. Das reichte sogar so weit, dass sie Lügendetektor-Tests bestanden, nachdem sie Verbrechen begangen oder Affären gehabt oder sogar ein völlig anderes Leben geführt hatten, während die dominante Persönlichkeit ruhte.

Wenn das auch hier der Fall war, könnte sie George vielleicht überreden, sie frei zu lassen oder zu kapitulieren oder ihnen zumindest mehr Zeit zu verschaffen, um einen Plan zur Verhinderung des tödlichen Schlags zu entwickeln, dessen Countdown bereits begonnen hatte.

»Bist du es gewesen, der die Briefe geschrieben hat?«, fragte sie hoffnungsvoll.

Thero blickte sie verständnislos an.

»Um mich zu warnen«, fügte sie hinzu, indem sie alles riskierte.

»Ja«, erwiderte er schließlich. »Ich hatte gehofft, dass wir der Welt immer noch zu friedlicher Energie verhelfen könnten.«

»Dein Vater weiß nichts davon«, sagte sie. »Dabei muss es bleiben. Wir können ihm noch immer helfen, aber er wird es nicht verstehen.«

»Du hast recht«, sagte Thero. »Er wird mich dafür hassen, aber es ist zu unserem Besten.«

»Hast du den anderen geholfen zu entkommen?«, bohrte sie weiter.

Thero nickte. »Ich habe ihnen die Gelegenheit verschafft und ihnen die entscheidende Information gegeben. Sie hatten keine Ahnung, dass ich es war. Ich konnte ihnen Nachrichten zukommen lassen. Ich habe Möglichkeiten geschaffen.«

Innerlich erschauderte sie, wenn sie sich den Aufruhr vorstellte, der in ihrem Gegenüber toben musste. Als George war er der Informant gewesen und hatte den Kurieren geholfen, in die Freiheit zu gelangen. Aber als Thero hatte er sie gejagt und töten lassen. Es gab keine undichte Stelle in der ASIO, das Leck existierte an der Quelle. Es bedeutete, dass zwischen Georges und Theros Persönlichkeiten Informationen ausgetauscht wurden. Diese Erkenntnis machte ihr zwar schreckliche Angst, aber sie musste den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen.

»Ich dachte, die Vernunft werde am Ende siegen«, sagte George.

»Das kann sie noch immer«, antwortete sie und schöpfte neue Hoffnung.

»Nein«, erwiderte er traurig. »Sie sind wieder gekommen, um uns zu töten. Nur eine Demonstration unaufhaltsamer Gewalt wird sie jetzt noch stoppen können.«

Hayleys Gedanken rasten. »Ich kann in deinem Namen mit ihnen verhandeln«, flehte sie und drückte seine unversehrte Hand. »Die Amerikaner haben bereits vollständige Amnestie zugesagt«, log sie. »Ihr braucht nichts anderes zu tun, als mit ihnen in die Vereinigten Staaten zurückzukehren.«

»Amnestie?«

»Ja«, bekräftigte sie. »Für dich und deinen Vater«, fügte sie hinzu und bemühte sich, Georges Persönlichkeit zu beschäftigen und im Vordergrund zu halten.

»Weshalb sollten sie ein solches Angebot machen?«

»Sie befürchten, dass die Waffe den Russen in die Hände fällt.«

»Sie arbeiten doch mit den Russen zusammen«, sagte George mit Nachdruck.

»Nein«, widersprach sie. »Die Russen haben uns entführt. Sie wollen dich töten. Aber wenn du mir ein Funkgerät besorgst, kann ich Hilfe herbeiholen.«

George zögerte. »Bist du sicher?«

»Ich verspreche es«, sagte sie. »Ich brauche nur eine Chance, es dir zu beweisen.«

Er sah sie lange wortlos an, als ließe er sich durch den Kopf gehen, was sie gesagt hatte.

»Deshalb hast du mit mir Verbindung aufgenommen«, sagte sie, »nicht wahr?«

Schließlich nickte er. »Komm mit.«

Er führte sie an der Reihe Kontrolltafeln vorbei und blieb abrupt stehen, als er die letzte Konsole passierte.

Hayley sah zu ihrem Schrecken sofort, aus welchem Grund. Mehrere Männer und Frauen lagen hier auf dem Boden. Ihre Laborkittel waren mit Blut getränkt. Sie waren erschossen worden.

»Vater, was hast du getan?«

Hayley hatte Mühe zu atmen. »Wir müssen uns beeilen, George.«

Thero zögerte. Lauschend legte er den Kopf auf die Seite. »Was meinst du, waren sie Verräter?«, fragte er ins Leere.

Sie erkannte, was gerade geschah. »Nein, George«, sagte sie beschwörend. »Sprich nicht mit ihm!«

»Sie haben für dich gearbeitet«, sagte er in scharfem Tonfall, als stritte er mit seinem Vater. »Sie haben dies alles für dich gebaut.«

Eine seltsame, tranceähnliche Ruhe kam über Thero, und Hayley sah, wie er schwankte.

»Bleib bei mir!«

Thero zögerte. Er hatte Mühe, sich aufrecht zu halten, und ließ ihre Hand los.

»George?«, fragte sie.

»Nein«, sagte er leise.

»George?«

»Nein!«

Diesmal schleuderte er ihr das Wort entgegen. Schlagartig kehrte der harte Glanz in Theros Augen zurück, und er legte seine rechte Hand um ihren Hals und stieß sie brutal gegen die Wand. Der Aufprall machte sie benommen, und Theros Hand, die ihre Kehle zusammenpresste, schnürte den Blutstrom zu ihrem Gehirn ab.

»Bitte …«, keuchte sie und versuchte, die andere Hälfte seines Geistes zu erreichen. »Bitte!«

Thero ließ sie los, und sie sank neben dem Leichenstapel zu Boden.

»Wie kannst du es wagen, meinen Sohn gegen mich aufzuhetzen!«

»Das habe ich nicht getan«, wehrte sie sich. »Wir wollten nur … helfen.«

»Ich brauche deine Hilfe nicht!«, brüllte er. »Oder die meines Sohnes. Ich werde die Welt in die Knie zwingen. Sobald sie sehen, wie ich mit Australien verfahre, sind keine Verhandlungen mehr nötig. Sie werden mich um Gnade bitten.«

Er ging zur Kontrolltafel hinüber und legte den Hauptschalter um. Sie hörte, wie sich der Stromkreis schloss und die Generatoren im Raum nebenan starteten. Die Lampen flackerten und verloren für einen kurzen Moment an Leuchtkraft, dann wurden sie stetig heller.

Schon bald hatten die Generatoren ihre vorgesehene Drehzahl erreicht, und ihr Summen steigerte sich zu einem schrillen Pfeifton.

»Nein«, flehte Hayley. »Bitte, tu das nicht!«

»Ich bin so froh, dass du hier bist«, rief Thero. »Ich werde nicht bis zur Stunde null warten. Ich bestrafe sie sofort. Und du wirst neben mir stehen und zusehen, wie ich all jene vernichte, die mich schikaniert haben.«

Draußen in der Höhle setzte sich die Mechanik in Gang, und das dicke Bündel aus Rohren und Stromleitungen neigte sich bereits. Die Waffe drehte sich langsam und klapperte dabei wie ein Achterbahnwagen, der auf den höchsten Punkt der Startrampe hinaufgezogen wird.

Hayley verfolgte benommen, wie die Waffe ihre neue Position einnahm. Sie bildete einen Winkel zur Erdoberfläche, sodass der von ihr abgefeuerte Impuls die Störungswelle durch die Erdkruste zu dem bislang noch schlummernden Grabenbruch im australischen Outback sandte.