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S ie zogen sich in die verschiedenen Ecken des Zimmers zurück, hielten ihre Handys umklammert, auf der Suche nach einem Empfang. Sheppard beobachtete sie, er wusste, es war sinnlos.
Denn Alan hatte recht. Der böse Mensch spielte mit ihnen, er verführte sie dazu, Zeit zu vergeuden.
Es steckt mehr als das dahinter. Ja? Es musste einen Grund dafür geben.
Sein Handy hatte nicht im Kasten gelegen. Hatte das etwas zu bedeuten? Hatte er sein Handy im Pariser Hotelzimmer einstecken gehabt? Er konnte sich nicht erinnern.
Vielleicht also …? Sheppard vergewisserte sich, dass alle mit ihren Geräten beschäftigt waren, bevor er Winters BlackBerry herausholte. Es war nicht passwortgeschützt, er konnte sich alles ansehen, was er wollte. Er rief die Nachrichten auf und stellte fest, dass es keine gab. Sie mussten gelöscht worden sein. Er ging die übrigen Apps auf dem Homescreen durch. Das Gleiche. Keine E-Mails. Keine Benachrichtigungen. Keine Notizen.
Bis er zum Kalender kam. Der Tag war mit einem breiten gelben Streifen blockiert. Ein Streifen, der sich weiterzog. Laut dem Handy war Winter beschäftigt, von jetzt bis … Er tippte auf den Streifen, der sich nun ausdehnte und weitere Infos anzeigte. Das Ereignis begann um 05.00 Uhr am 25. Oktober (heute – dachte Sheppard) und erstreckte sich bis zum 31. Dezember im Jahr 2999. Das Maximum, was der Kalender erlaubte. Das Ereignis war überschrieben mit »4404«. Und der Ort? Sheppard scrollte nach unten: GH.
Sheppard ließ das Handy sinken. 4404. Dieses Zimmer? Das Zimmer, das Winter ausgemessen hatte? Wenn das hier Zimmer 4404 war (es musste es sein), dann war der Ort das Great Hotel. Es passte. Was trieb Winter mit dem bösen Menschen? Und warum kam er freiwillig in dieses Zimmer, wenn er wusste, was mit ihm passieren würde? Es sei denn, er hatte es eben nicht gewusst. Das Ereignis, das bis 2999 dauerte. Winter war bis zum Ende aller Zeit beschäftigt.
»Sheppard.« Er sah auf. Mandy stand vor ihm. Wie lange hatte er so vor sich hin gestarrt? Hinter Mandy sah er Alan auf- und abspringen. Es war fast komisch. Aber nur fast. »Nichts. Nirgends Empfang.«
»Nein«, sagte Sheppard.
»Wie ist das möglich?«, fragte Mandy und drehte ihr Gerät hin und her.
»Ich weiß es nicht«, sagte er halbherzig. »Vielleicht wird der Empfang blockiert, wie Alan gesagt hat. Vielleicht hat er die Telefone manipuliert.« Er war es leid, solche Vermutungen anzustellen. War es leid, im Dunkeln zu tappen. Denn mehr hatte er bislang nicht getan.
»Aber Handy-Blocker funktionieren so nicht«, sagte Ryan. »Außer die Pferdemaske hat einen Blocker, der das ganze Stockwerk ausschaltet. Aber das würde jemandem auffallen.«
»Was ist mit …«, begann Mandy.
»Dafür haben wir keine Zeit«, fiel ihr Sheppard ins Wort.
»Ich weiß«, sagte Mandy und lächelte fast. »Ich dachte mir bloß, Sie würden das haben wollen.« Sie hielt ihm eine dünne Metallscheibe hin. Sheppard brauchte einen Moment, bis er wusste, was es war. Eine Hundemarke vom Militär. Die hatte an ihrem Handy gehangen. Der Name PHILLIPS war eingestanzt – darunter eine Reihe von Zahlen.
Sheppard war verwirrt. »Ich weiß nicht recht, warum ich …«
Ryan schien Mandys Gedanken zu erraten. Seine Augen erhellten sich. »Kein Penny, aber es müsste reichen.« Mandy nickte.
Sheppard nahm die Marke entgegen und lächelte. Er lächelte – endlich hatten sie etwas. Er betrachtete die Marke. »Die Lüftung.«
»Kann ich die andere Hälfte haben?«, fragte Ryan.
»Warum?«
Mandy gab sie ihm. Er hielt sie hoch. Sie entsprach exakt der anderen Hälfte. »Das Badezimmer. Ich bin kein Klempner, aber es gibt vielleicht einen Weg aus dem Badezimmer. Über die Wasserleitungen.«
Sheppard wunderte sich, warum ihm das nicht schon früher eingefallen war. Die Luft im Lüftungsschacht. Und die Rohre in der Toilette.
»Wenn ich die Toilette aus der Wand reißen kann, gibt es dahinter vielleicht eine Art Öffnung.«
»Ja«, sagte Sheppard und sah auf die Hundemarke in seiner Hand. Es könnte funktionieren.
»Es gibt nur ein Problem«, sagte Mandy. »Was wird die Pferdemaske tun, wenn sie sieht, was Sie vorhaben?«
Sie hatte recht. Der böse Mensch musste nur auf einen Knopf drücken, und alles war vorbei. Aber einen anderen Weg sah Sheppard nicht.
»Ich glaube nicht, dass die Pferdemaske schon mit uns fertig ist. Ich glaube nicht, dass er sich sein kleines Spielchen selbst kaputt macht«, sagte Ryan. Er sah zu Sheppard. Beide nickten sich zu.
»Was, wenn Sie sich irren?«, fragte Mandy.
»Eine andere Möglichkeit haben wir nicht«, sagte Sheppard.
Mandy dachte schweigend nach und nickte schließlich. »Okay.«
»Ich geh durch den Lüftungsschacht, Ryan kann versuchen, im Badezimmer einen Weg nach draußen zu finden. Und Sie müssen hierbleiben. Sie müssen für Ruhe sorgen. Kümmern Sie sich darum, dass Constance ruhig bleibt, halten Sie Alan in Schach und das Mädchen … Ich verlasse mich auf Sie.«
»Gut«, sagte Mandy. »Sie wissen, was Sie tun?«
»Das ist mein Problem«, entgegnete Sheppard mit fester Stimme. »Es ist nur recht und billig, dass ich es mache.«
Mandy nickte und setzte sich neben Constance.
Ryan sah zu ihr, beugte sich zu Sheppard und senkte die Stimme zu einem Flüstern: »Sie hat recht. Sie würde viel besser in den Lüftungsschacht passen. Sie oder Rhona.«
Sheppard schüttelte den Kopf. »Rhona leidet unter Platzangst, und Mandy ist hier niemandem etwas schuldig. Es ist meine Aufgabe. Ich will nicht, dass sie verantwortlich ist, wenn der Pferdemaskenmann das in den falschen Hals bekommt. Sie soll nicht schuld daran sein, wenn wir alle sterben.«