KAPITEL 3

Lieber guter Weihnachtsmann,
fragst mich, warum ich dich nicht leiden kann.
Die Antwort darauf ganz einfach ist,
mich nervt dein ganzer Weihnachtsmist …

– Verfasser unbekannt –

MONA

Zehn Minuten später stand ich immer noch auf dem gleichen Fleck und der Bär war immer noch nicht verpackt. Mir taten die Beine weh, mein Kreuz schmerzte, aber schlimmer noch, ich musste jetzt wirklich dringend mal wohin. Irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl beobachtet zu werden, aber bei diesen Menschenmassen vielleicht auch keiner Wunder. Ich blickte nach rechts und links, aber das einzig Verdächtige war das dämlich grinsende Rentier gegenüber der Kasse, das bei jedem vorbeilaufenden Kunden »Ho, ho, ho merry Christmas« schmetterte. Am liebsten hätte ich das Vieh ja am Geweih gepackt, auf den Boden geworfen und mit Wonne darauf herumgetrampelt, bis das es keinen Laut mehr von sich gegeben hätte. Doch ich tat es natürlich nicht, sondern sah mich stattdessen genervt um. Nicht mal eine Toilette war irgendwo in Sicht. Aber wenn ich nun wegen so etwas Lapidarem wie meiner vollen Blase aus der Reihe tanzen würde, wären meine Geschenke sowieso verloren. Endgültig. Und das konnte ich definitiv nicht zulassen.

 

***

 

DAVID

Sollte ich oder sollte ich nicht? Herrgott. Ich konnte doch nicht einfach eine wildfremde Frau in einem Kaufhaus ansprechen, oder? Ich wusste ja nicht einmal, ob sie nicht womöglich verheiratet war, oder sogar Kinder hatte. Vielleicht sollte ich sie einfach auf den Schal ansprechen, der sicher immer noch in der Auslage mit den Handschuhen lag. Das wäre zumindest unverfänglich.

Plötzlich hatte ich Davinas Stimme in den Ohren. »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, Pops. Du weißt doch, wer runter fällt, soll schnell wieder aufs Pferd steigen.« Doch ich konnte dem Spruch nichts abgewinnen. Mittlerweile war ich schon zwei Jahre wieder solo, eines davon offiziell geschieden. Aber den Verrat meiner Ex hatte ich immer noch nicht ganz verwunden.

Ich schüttelte die unangenehmen Gedanken ab und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Hübsche vor mir. Sie hibbelte ziemlich rum. Geduld war wohl nicht gerade ihre Stärke. Sollte ich oder sollte ich nicht?

 

***

 

MONA

Die Geschäftsführung teilte den Kunden gerade über eine Durchsage mit, dass die Verkäuferinnen nun alles per Hand aufschreiben und abrechnen müssten. Das Kassensystem war angeblich ausgefallen. Das war der Moment, an dem ich tatsächlich notgedrungen aus der Reihe tanzte, weil meine Blase kurz vor der Sprengung stand. Die Geschenke ließ ich wehmütig in einer Weihnachtsschütte mit Parfüm und Duschgelangeboten für Späteinkäufer wie mich zurück und nahm mir vor, einfach später alles zu Hause online zu bestellen. Per Expresslieferung. Hätte ich eigentlich auch gleich drauf kommen können. Duschgel gibt’s schließlich auch im Internet.

 

***

 

DAVID

Plötzlich war sie weg. Hatte einfach ihre Sachen in eine Auslage geworfen und das Weite gesucht. Konnte ich sogar verstehen. Ich hatte auch keine Lust mehr, mir hier an der Kasse die Beine in den Bauch zu stehen. Warum musste auch ausgerechnet kurz vor Feierabend noch das Kassensystem ausfallen? Vielleicht sollte ich denen mal ein Angebot über absturzsichere Software unterbreiten.

Na ja, sicher war es besser so, dass die Hübsche weg war. Nachher hätte ich mich noch blamiert. Schließlich hatte ich seit zwanzig Jahren kein Mädchen mehr angesprochen. Ina hatte ich in der Schule kennengelernt und mir schon damals einen abgebrochen, sie zu fragen, ob wir mal zusammen ins Kino gehen würden. Jetzt war ich zwar erfahrener und älter, doch die Angst sich zu blamieren ist nach wie vor geblieben. Also was, wenn die Hübsche mir womöglich einen Korb gegeben hätte – wegen ihres Mannes?

Ich seufzte leise auf und rückte in der Schlange ein Stück vor. Trotzdem schade. Sie war verdammt süß.