M an muss kein studierter Volkswirtschaftler sein, um zu verstehen, dass es einen Einfluss auf die Wirtschaftsleistung unseres Landes und auf den Erfolg oder Misserfolg Tausender Unternehmen hat, ob die Zinsen, zu denen ein Unternehmen bei der Bank einen Kredit beantragen kann, bei 0,1 oder bei 10 Prozent liegen. Ein gutes Verständnis für Volkswirtschaftslehre braucht man jedoch, wenn man diese Zinsen eines Tages selbst festlegen will. Das machen typischerweise Zentralbanker wie Mario Draghi (Präsident der Europäischen Zentralbank 2011–2019) oder Jerome Powell (Präsident der Federal Reserve seit 2017). Die Zentralbanker haben einen erheblichen Einfluss auf die Geldpolitik und damit auf die gesamte Funktionstätigkeit einer Volkswirtschaft. Um in diesem Job erfolgreich zu sein, benötigt man ein komplexes Verständnis der Finanzindustrie sowie beste Verbindungen zu großen Banken und Vermögensverwaltungen. Daher werden häufig Mitarbeiter rekrutiert, die zuvor bei genau solchen Firmen in der Privatwirtschaft gearbeitet haben. Mario Draghi zum Beispiel war vor seinem Posten bei der EZB für einige Jahre bei der US-Investment Bank Goldman Sachs tätig. Auch Powell war lange Zeit in dieser Branche – erst als Investment Banker und später als Partner im Private Equity, unter anderem bei dem US-Giganten The Carlyle Group, welcher laut Firmenwebsite ein Vermögen von über 350 Milliarden US-Dollar verwaltet.
Neben Jobs als Zentralbanker gibt es viele weitere wichtige Positionen in der Politik, sei es als Regierungschef, Finanz- oder Wirtschaftsminister oder als Beamter in einem anderen wichtigen, hohen politischen Amt. Auch hier ist ein sehr gutes wirtschaftliches Verständnis sowie ein gutes Netzwerk zu den wichtigsten Finanzinstitutionen der Privatwirtschaft gefordert. Mit ihren Gesetzesentwürfen und -beschlüssen prägen Politiker und Beamte die Volkswirtschaft ihres Landes teilweise für Jahrzehnte.
Insbesondere Goldman Sachs ist in diesem Bereich mit einer einzigartigen Alumni-Basis vertreten, allein mit Robert Rubin (US-Finanzminister 1995–1999), Henry Paulson (US-Finanzminister 2006–2009) und Steven Mnuchin (US-Finanzminister 2017–2021) arbeiteten drei der letzten US-Finanzminister zuvor bei der amerikanischen Investment Bank. Auch in Deutschland gibt es mit Jörg Kukies (Staatssekretär im Finanzministerium 2018–2021, Staatssekretär im Bundeskanzleramt seit 2021) als engem Vertrauten von Bundeskanzler Olaf Scholz einen hochrangigen Staatsbeamten, der zuvor über ein Jahrzehnt lang als führender Investment Banker bei Goldman Sachs gearbeitet hat.
Weitere prominente Beispiele für politische Figuren mit Vorerfahrungen im Investment Banking, Strategieberatung oder Private Equity sind Emmanuel Macron (französischer Staatspräsident seit 2017), der zuvor bei der Investment Bank Rothschild arbeitete, Mitt Romney (US-Senator und US-Präsidentschaftskandidat 2012), der Gründungsmitglied der Private-Equity-Firma Bain Capital ist, Pete Buttigieg (US-Verkehrsminister seit 2021), der nach seinem Studium bei der Strategieberatung McKinsey einstieg, sowie Malcolm Turnbull (Premierminister Australien 2015–2018) und Rishi Sunak (Premierminister Vereinigtes Königreich seit 2022), die beide zuvor für Goldman Sachs arbeiteten.
Neben dem wirtschaftlichen Verständnis sowie den sehr guten Verbindungen in die Finanzindustrie und auch zu vielen anderen großen Konzernen, die ein Berufseinstieg bei einer Investment Bank, einer Strategieberatung oder einer Private-Equity-Firma mit sich bringt, sind auch die enorme Selbstdisziplin, die Führungsqualitäten und die analytische Arbeitsweise, die man in diesen Branchen lernt, für eine Karriere als erfolgreicher Politiker sehr von Vorteil.
Die meisten, die sich zu so einem Karriereweg entscheiden, haben durch ihre jahrelange vorherige Berufserfahrung bereits genug Vermögen geschaffen und sind nicht von einem besonders hohen Gehalt abhängig, denn zumindest in den meisten demokratischen Ländern wird man in der Politik nicht reich. Der Ansporn für diesen Karriereweg liegt darin, das eigene Wissen dort einzusetzen, wo es den maximalen positiven Einfluss haben kann, und zu beobachten, wie man Jahr für Jahr womöglich ein ganzes Land oder sogar eine ganze Währungsgemeinschaft mit seiner Arbeit beeinflussen kann. Wer hier weit kommt, kann bis in eine der mächtigsten Positionen unserer Welt aufsteigen und dadurch für immer in die Geschichte eingehen, ein nachvollziehbarer Ansporn für jene, die finanziell bereits all ihre Ziele erreicht haben.
Als Vorstandsmitglied oder Bereichsleiter eines großen Konzerns hast du teilweise Verantwortung für Tausende oder gar Zehntausende Arbeitskräfte. Deine Entscheidungen beeinflussen nicht nur deren Leben, sondern auch das ihrer Familien. Wenn die von dir verfolgte Geschäftsstrategie erfolgreich ist, sind deine Aktionäre, deine Mitarbeiter und auch du zufrieden, aber wenn das von dir geführte Unternehmen in Schieflage gerät, hat das massive Auswirkungen.
Um erfolgreich zu sein, brauchst du vor allem exzellente Führungsqualitäten, ein sehr gutes Verständnis über Projektmanagement und analytische Fähigkeiten, um dich schnell in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten und rationale Entscheidungen treffen zu können. Insbesondere in der Strategieberatung, wo man tagein, tagaus große Unternehmen bei wichtigen strategischen Entscheidungen berät, entwickelt man genau diese Qualitäten.
Deshalb ist es nicht überraschend, dass es sich in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt hat, dass es eine bemerkenswerte Verbindung zwischen den Vorständen der DAX-Unternehmen und der Arbeit in Top-Strategieberatungen wie McKinsey, Boston Consulting Group (BCG) und Bain & Company gibt. Eine Studie der Personalberatung Korn Ferry aus dem Jahr 2018 fand heraus, dass jeder fünfte Vorstandschef der 170 größten an der Deutschen Börse gelisteten Unternehmen zum Berufseinstieg in der Beratung gearbeitet hatte. 1 Alleine bei McKinsey arbeiteten zahlreiche DAX-CEOs, darunter:
Oliver Bäte, CEO (Vorstandsvorsitzender) der Allianz: Bäte arbeitete fast zehn Jahre bei McKinsey, bevor er zur Allianz wechselte, wo er verschiedene Führungspositionen innehatte, bis er schließlich zum CEO ernannt wurde.
Theodor Weimer, CEO der Deutsche Börse AG: Er stieg nach seinem Studium bei McKinsey ein, wechselte nach einigen Jahren zum Konkurrenten Bain und später ins Investment Banking zu Goldman Sachs.
Frank Appel, ehemaliger CEO der Deutschen Post AG. Er arbeitete nach seinem Studium ebenfalls bei McKinsey und stieg dort sogar bis in die Geschäftsleitung auf.
Stephan Sturm, ehemaliger CEO von Fresenius. Er arbeitete nach seinem Studium bei McKinsey und wechselte dann ins Investment Banking, unter anderem zur UBS.
Die hohe Anzahl ehemaliger Berater in Führungspositionen wirkt sich auch auf die Macht und den Einfluss dieser Top-Strategieberatungen aus. Da viele Vorstände und Top-Manager einen persönlichen Hintergrund in der Beratungsbranche haben, sind sie in der Regel gut mit den Beratungsunternehmen vertraut und schätzen deren Expertise. Dies führt dazu, dass sie häufiger auf die Dienste dieser Beratungen zurückgreifen und somit deren Einfluss auf die Unternehmenswelt weiter vergrößern. Daher gehe ich davon aus, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren weiter verstärken wird.
Eine ähnliche Tendenz zeigt sich auch auf internationaler Ebene 2 : Vor einigen Jahren fand eine Studie heraus, dass von den CEOs der Fortune-500-Unternehmen über 70 zuvor alleine bei McKinsey arbeiteten. Auf ihrer eigenen Website wirbt McKinsey in einem Post von 2015 damit, dass weltweit etwa 450 ehemalige McKinsey-Berater CEOs von Unternehmen mit 1 Milliarde Umsatz oder mehr sind. Das verdeutlicht, dass diese Karriereverbindung nicht nur auf den deutschen Markt beschränkt ist, sondern sich auch in anderen Ländern widerspiegelt.
James Gorman, CEO von Morgan Stanley, war Partner bei McKinsey, bevor er in den Finanzsektor wechselte und CEO von Morgan Stanley wurde.
Sundar Pichai , CEO von Alphabet (Google), arbeitete bei McKinsey, bevor er zu Google kam und dort mehrere Führungspositionen innehatte, bevor er zum CEO von Alphabet aufstieg.
Sheryl Sandberg , COO (Co-Geschäftsführerin) von Facebook, arbeitete bei McKinsey, bevor sie ihre Karriere bei Google fortsetzte und schließlich zur COO von Facebook ernannt wurde.
Indra Nooyi , ehemalige CEO von PepsiCo, war Strategieberaterin bei BCG, bevor sie zu PepsiCo kam und dort mehrere Führungspositionen durchlief, bis sie CEO wurde.
Personen mit einem solchen Karriereweg reizt die Herausforderung, Verantwortung für eine große Mitarbeiterzahl zu übernehmen und ihr Unternehmen nach ihren Vorstellungen beeinflussen zu können. Auch finanziell kann sich so ein Posten lohnen: Während DAX-Vorstände in der Regel maximal Jahresgehälter im niedrigen siebenstelligen Bereich verdienen, kann das Einkommen als Vorstand einer international tätigen Firma durchaus weit mehr als ein Vielfaches betragen. So verdiente Sundar Pichai als CEO von Alphabet durch eine attraktive Aktienvergütung 2019 rund 280 Millionen US-Dollar und 2022 rund 226 Millionen US-Dollar.
Wenn man einen Posten als CEO im Vorstand hat, sind die Gehaltsaussichten sehr attraktiv – und sollte man eines Tages von seinem Posten abdanken, erhält man relativ unkompliziert verschiedene Aufsichtsratsmandate und weitere Schlüsselpositionen in der Wirtschaft.
Der Karriereweg als Gründer und Unternehmer ist wohl am wenigsten vorhersehbar und steuerbar. Doch genau das macht den Reiz am Unternehmertum aus – man schafft als Erster etwas vollkommen Neues und kann damit einen Markt revolutionieren und das Leben Zehntausender Menschen beeinflussen. Insbesondere, wenn man die eigenen Anteile an seinem Unternehmen lange genug behält oder sie gewinnbringend veräußert, kann sich das auch finanziell sehr lohnen. Wir alle kennen die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt, auf der viele Gründer- und Unternehmerlegenden stehen, wie Elon Musk (PayPal, Tesla, SpaceX), Jeff Bezos (Amazon), Bill Gates (Windows), Larry Page (Google) oder Larry Ellison (Oracle).
Zahlreiche Beispiele und Statistiken zeigen: Ein Großteil der Gründer erfolgreicher Start-ups, insbesondere Unicorns (Start-ups mit einer Bewertung von +1 Milliarden US-Dollar) und Soon-to-be-Unicorns, waren zuvor in der Strategieberatung, im Investment Banking oder im Private Equity tätig – so beispielsweise auch Jeff Bezos, der vor der Gründung von Amazon für einige Jahre in der Finanzindustrie tätig war.
Auch in Deutschland zeigt eine Analyse der Gründerszene, dass jeder vierte Unicorn-Gründer zuvor in der Unternehmensberatung arbeitete und viele weitere vorherige Erfahrung im Banking oder im Venture Capital sammelten. 3
Zu den bekanntesten Beispielen zählen André Schwämmlein, Mitgründer von Flixbus, der davor in der Strategieberatung bei der Boston Consulting Group arbeitete, oder die Gründer von N26, Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal, die beide im Investment Banking und in der Strategieberatung tätig waren. Die Gründer von Zalando, Robert Gentz und David Schneider, arbeiteten zuvor ebenfalls in diesen Branchen, genauso wie die ehemalige BCG-Beraterin Lea-Sophie Cramer, die das E-Commerce-Start-up Amorelie mitgründete, und der Ex-Banker von Goldman Sachs, Erik Podzuweit, der Scalable Capital gründete. Der Emma-Sleep-GmbH-Mitgründer Dennis Schmoltzi war zuvor bei McKinsey in der Strategieberatung.
Aus verschiedenen Gründen kann es ein Vorteil sein, vor der eigenen Gründung im Investment Banking, in der Strategieberatung oder im Private Equity zu arbeiten. Zum einen baut man sich in dieser Zeit ein wertvolles Netzwerk auf. Man kann potenzielle Mitgründer kennenlernen und mit potenziellen Entscheidungsträgern und Investoren ins Gespräch kommen. Auch für spätere Investitionsrunden ist die hohe Glaubwürdigkeit, die so eine Station im Lebenslauf eines Gründers hinterlässt, sehr von Vorteil. Abgesehen von den wertvollen Soft- und Hardskills, die auch für andere Karrierewege etwas bringen, lernt man in diesen Branchen viel über verschiedene Problemstellungen einzelner Industrien und den optimalen Umgang mit ihnen. So kann man später mit höherer Wahrscheinlichkeit eine nachhaltig erfolgreiche Geschäftsidee entwickeln.