W as man ganz klar in den Werdegängen sämtlicher erfolgreicher Wirtschaftslenker erkennt: Beruf und Arbeit haben in ihrem Leben eine hohe Priorität. Das bedeutet nicht automatisch, dass sich ihr gesamtes Leben nur um Arbeit dreht und es für sie nichts Wichtigeres als ihren Job gibt. Aber es bedeutet, dass sie bereit sind, in so gut wie allen anderen Lebensbereichen erhebliche Opfer zu bringen, um ihren Erfolg zu sichern. Auch wichtige Entscheidungen wie die Investition für eine exzellente akademische Ausbildung oder einen berufsbedingten Umzug treffen sie in dem Wissen, dass sie etwas tun, das ihnen wirklich wichtig ist und wofür sie bereit sind, Nachteile in Kauf zu nehmen. Letztendlich sind sie in der Lage, Menschen aus ihrem Leben zu verbannen, die sie davon abhalten, ihre hohen Ziele zu verfolgen.
Die Arbeitsbelastung in Branchen wie Investment Banking, Strategieberatung und Private Equity ist immens. Schon während des Studiums musst du extrem hart arbeiten, um die hohen Anforderungen zu erfüllen. Vielen, die eine solche Karriere anstreben, wird spätestens nach den ersten Praktika klar, dass ihre beruflichen Ziele nicht mit ihrem derzeitigen Privatleben vereinbar sind. Dies realisieren früher oder später fast alle, die diese Karrierewege einschlagen wollen. Auch angehende Profi-Sportler müssen sich beispielsweise fragen, ob sie viele Beeinträchtigungen im Privatleben in Kauf nehmen möchten, wie den Verzicht auf regelmäßige Partys oder ungesunde Ernährung. Die Frage ist, wie du damit umgehst und ob du damit umgehen kannst.
Die extremste Lösung besteht darin, dein gesamtes Privatleben auf die Karriere auszurichten und alles zu streichen, was dir beruflich nichts nutzt. Diese Entscheidung habe ich in meinem ersten Studienjahr getroffen: Ich war nur zweimal für wenige Tage in meiner Heimatstadt, um meine Mutter und meine Großeltern zu besuchen. Für meine Freunde aus der Schulzeit konnte und wollte ich mir keine Zeit nehmen. Partys oder Treffen mit Freunden außerhalb des Universitätsalltags habe ich fast vollständig vermieden. Urlaub war für mich ein Fremdwort und meine sportlichen Aktivitäten, die ohnehin begrenzt waren, da ich keinen Mannschafts- oder Vereinssport betrieb und lediglich ins Fitnessstudio und ab und zu joggen ging, habe ich auf ein Minimum reduziert.
Diese Methode funktioniert für eine gewisse Zeit recht gut, wenn du dich wirklich zu 100 Prozent auf dein Studium und deine Karriere konzentrieren kannst. Langfristig empfehle ich sie allerdings nicht, da du Gefahr läufst, außerhalb der Arbeit kein Leben mehr zu haben, was nicht unbedingt zu deiner Erfüllung beiträgt.
Die in meinen Augen sinnvollste und nachhaltigste Methode, um mit dieser Problematik umzugehen und dennoch deine Karriereziele zu erreichen, besteht darin, dein Umfeld und dein Privatleben schrittweise auf deine hochgesteckten Ziele vorzubereiten. Selbst wenn deine Eltern oder alte Schulkameraden beispielsweise nichts mit Investment Banking, Strategieberatung oder Private Equity zu tun haben, kannst du ihnen wahrscheinlich nachvollziehbar erklären, warum du in diese Branchen einsteigen möchtest und was du dafür tun musst.
Gemeinsam mit deinem Umfeld solltest du ein Verständnis dafür entwickeln, dass man im Leben nicht überall gleichzeitig sein kann. Du solltest nicht erwarten, dass du eine erfolgreiche Karriere im Finanzsektor beginnen und gleichzeitig noch genug Zeit haben kannst, um beispielsweise dreimal die Woche Fußball zu spielen, dich zweimal die Woche mit Freunden zu treffen, täglich Klavier zu üben, morgens joggen zu gehen, abends im Fitnessstudio zu trainieren und regelmäßig mit deinen Eltern und Großeltern zu telefonieren. Und noch genug Zeit für deine Partnerin oder deinen Partner zu haben und alle paar Wochen einen Kurzurlaub zu machen, ist unrealistisch.
Nicht jeder ist jedoch bereit, diesen Kompromiss einzugehen, und das ist völlig in Ordnung. Manche erkennen nach einigen Monaten oder Jahren, dass ihnen der Fußballverein und die Zeit mit Familie und Freunden wichtiger sind oder sie nicht ihr komplettes Leben der Karriere widmen möchten. Wenn du wirklich zur Wirtschaftselite gehören willst, musst du auch bereit sein, für eine gute Gelegenheit in eine fremde Stadt oder in ein fremdes Land zu ziehen. Viele der Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, sind dafür sehr aufgeschlossen. Aber wenn du merkst, dass du sehr heimatverbunden bist, ist dieser Weg vielleicht nicht der richtige für dich. Je früher du dies erkennst, desto besser. Es ist wichtig, dass du den Mut hast, dir dies einzugestehen, sobald du es bemerkst, um dann einen anderen Karriereweg einzuschlagen. Es gibt viele spannende Jobs, für die du deine privaten Ziele nicht so extrem unterordnen musst. Es nutzt dir nichts, Karriere zu machen und von Jahr zu Jahr unglücklicher zu werden, weil du außerhalb deines Berufs keine Erfüllung findest.
Es gibt auch Menschen, die ihr gesamtes Privatleben gern der Karriere unterordnen würden, es aber einfach nicht können. So habe ich mit Menschen zusammengearbeitet, die sich neben ihrem Studium um ein schwerkrankes Familienmitglied kümmern mussten und daher an ihre Heimat gebunden waren. In solchen Fällen waren wir bei der Suche nach Praktika stärker eingeschränkt als ohne diese örtliche Bindung. Auch hier gilt: Es gibt einige Dinge im Leben, die wichtiger sind als berufliche Erfüllung und Karriere, und dazu zählt definitiv deine Gesundheit und die deiner engsten Familienmitglieder. Wenn du deine Karriere nicht zur absoluten Priorität in deinem Leben machen willst oder kannst, ist das vollkommen in Ordnung. Wichtig ist nur, dass du dies rechtzeitig erkennst, akzeptierst und nach der bestmöglichen Lösung suchst, die mit deinen Zielen vereinbar ist.
Probleme entstehen vor allem dann, wenn du dir deiner Ziele nicht vollständig bewusst bist und versuchst, allen gerecht zu werden, ohne Anpassungen vorzunehmen. Wenn du versuchst, alles für deine Karriere zu geben, aber dein restliches Privatleben und Umfeld nicht entsprechend anpasst, weil du denkst, auf allen Hochzeiten gleichzeitig sein zu können, führt das zu immer mehr Stress und Streit. Wenn du in einer Beziehung bist und dein Partner oder deine Partnerin nicht versteht, warum du so viel arbeitest und manchmal einfach keine Zeit für sie oder ihn hast, entsteht großes Konfliktpotenzial. Auch deine Verwandten und Freunde werden enttäuscht sein, wenn du für sie so wenig Zeit hast. In einer solchen Situation ist dein Scheitern vorprogrammiert und du versagst sowohl im Privatleben als auch in deinen beruflichen Ambitionen. Statt einer Win-Win-Situation schaffst du eine Lose-Lose-Situation.
Wer ein Ziel mit höchster Priorität verfolgt und fest daran glaubt, es zu erreichen, trifft Entscheidungen, dem Ziel näher zu kommen, selbst wenn sie mit unangenehmen Konsequenzen verbunden sind. Jene, die ihr Ziel nicht mit gleicher Intensität verfolgen, schrecken eher vor möglichen negativen Auswirkungen zurück.
Zum Beispiel sind Menschen mit extrem hohen beruflichen Ambitionen oft bereit, trotz der hohen Kosten von mehreren Zehntausend Euro an renommierten Business Schools zu studieren. Manche nehmen Schulden auf oder arbeiten in mehreren Nebenjobs, um diesen Traum zu verwirklichen. Sie akzeptieren diese Opfer, da sie an ihre Ziele und die langfristigen Vorteile ihrer Investitionen glauben. Im Gegensatz dazu fragen sich jene, die nicht sicher sind, ob sie wirklich so viel arbeiten wollen, um die Investition zu rechtfertigen, sich oft, ob es sich lohnt, so viel Geld für ein Studium auszugeben.
Das Gleiche gilt für Entscheidungen wie einen Umzug für einen Job. Haben der Beruf oder die berufliche Zukunft eine hohe Priorität, sind viele Menschen bereit, in eine andere Stadt, ein anderes Land oder gar auf einen anderen Kontinent zu ziehen, auch wenn sie ihr Privatleben dort neu aufbauen müssen. Viele sind auch bereit, die ersten Jahre ihrer Karriere in Jobs wie Investment Banking oder Strategieberatung zu verbringen, wo man aufgrund der extrem krassen Arbeitszeiten mehr oder weniger auf fast sein gesamtes Privatleben verzichtet – und all das nur, damit sie langfristig ihre Ziele erreichen können. Diese Bereitschaft, solche Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen zu tragen, bringt sie dann bis nach ganz oben .
Um festzustellen, wie ernst es dir mit deinen beruflichen Zielen ist, könntest du überlegen, ob du in der Vergangenheit bei wichtigen, karrierefördernden Entscheidungen gezögert hast. War dies der Fall, hat dein Beruf vielleicht nicht die höchste Priorität in deinem Leben. Das ist völlig in Ordnung, solange du dir darüber im Klaren bist, dass andere, die bereit sind, schwierige Entscheidungen zu treffen, möglicherweise bessere Jobchancen haben und dir die Positionen wegnehmen könnten, die du eigentlich gerne hättest.
Menschen, für die der Beruf eine hohe Priorität hat, sind oft bereit, die schwierige Entscheidung zu treffen, andere Menschen, die ihre berufliche Ausrichtung nicht unterstützen, aus ihrem Leben zu entfernen. Dies können Freunde oder auch Lebenspartner sein, die es einfach nicht akzeptieren können, dass ihre Karriere für sie einen solch hohen Stellenwert hat. Ich habe schon mit vielen erfolgreichen Wirtschaftsführern gesprochen, die mir berichteten, enge Beziehungen seien an ihrer intensiven Karriereorientierung gescheitert.
Natürlich solltest du dich immer nur als letzte Maßnahme von Menschen distanzieren, die deine beruflichen Ambitionen nicht nachvollziehen können. Versuche zunächst dem anderen klar zu machen, warum deine Karriere für dich eine hohe Priorität hat und dass sie für dich wichtig ist.
Solltest du in die Situation kommen, dich zwischen einem Menschen und deinen beruflichen Zielen entscheiden zu müssen, liegt es ganz bei dir, welche Opfer du bereit bist zu bringen. Aber denke stets daran: Es gibt andere, die ihre Karriere an oberste Stelle setzen und bereit sind, ihr Privatleben völlig der Arbeit unterzuordnen.