Tag 3

An dem der Pferdeflüsterer der Liebe den Pferdefuß des Glücks trifft

Lieber Jochen, wäre ich Psychologe, würde ich sagen: Du bist traumatisiert. Trennungsgeschädigt. Ein Unfallopfer der Liebe.

aw:

Du bist aber kein Psychologe.

re:

Ich frage dich trotzdem: Hast du seitdem ein Problem mit Frauen?

aw:

Nein.

re:

Jochen, dein Problem könnte darin bestehen, dass du denkst, du hättest kein Problem mit Frauen.

aw:

Maxim, dein Problem könnte darin bestehen, dass du denkst, du seist Psychologe.

re:

Ich will nur helfen.

aw:

Aber warum mir?

re:

Ich bin … der Pferdeflüsterer der Liebe.

aw:

Dann bin ich der Pferdefuß des Glücks.

re:

Aber es gibt doch ein Problem bei dir. Das spüre ich doch.

aw:

Maxim, es gibt nicht EIN Problem. Es gibt eine allgemeine Problemlage, die sich aus unterschiedlichen Einzelproblemen zusammensetzt. Vielleicht sind es 15. Ich habe nicht gezählt. Wenn du willst, kannst du eine Nummer wählen, so wie im Chinarestaurant.

re:

Okay. Ich fange vorne an. Was ist das erste Problem, das du hast, wenn es um eine Frau geht? Stell dir vor, du sitzt einem kompletten Single-Analphabeten gegenüber, das bin ich nämlich. Ich habe nur wenige Minuten der vergangenen siebzehn Jahre ohne Frau verbracht. Ich weiß nicht, wie jemand wie du tickt. Du musst also geduldig und lieb zu mir sein.

aw:

So nähert man sich fremden Welten, oder? Von vorne nach hinten, von A nach B, erst die Erde, dann das All.

Die Eins ist natürlich kein kleines Problem. Vorn auf der Liste liegen die Grundprobleme, weiter hinten die Detailprobleme. Deinem Wunsch entsprechend benenne ich das Problem kurz: Finden.

Die meisten Frauenprobleme entstammen der Phase nach dem Kennenlernen, Problem Nummer 1 aber beginnt zeitlich vorher. Damit die Frauenprobleme beginnen, muss man die Frau erst mal getroffen haben. Wo trifft man die Frau aber an? Frauen haben, im Gegensatz zu Obst oder Gemüse, keine Saisonzeiten. Sie haben auch keine festen Reviere wie der Pandabär oder der Grauwolf. Gute Frauen können überall sein, theoretisch. Man kann sie überall treffen, theoretisch. Gute Frauen trifft man aber fast nirgendwo, das ist die Praxis.

Wo würdest du hingehen, wenn du eine Frau kennenlernen möchtest?

re:

Ich würde in ein Theater gehen. Oder, noch besser, in ein Tanztheater auf die Premierenfeier. Da tummeln sich niveauvolle, gut aussehende Frauen, die es sehr schätzen, wenn ein Mann sich für Kultur interessiert.

aw:

Der Vorschlag klingt, selbst für deine Verhältnisse, sehr tantig.

»Niveauvolle Frauen, die es schätzen, wenn sich ein Mann für Kultur interessiert«? Wer bist du? Dr. Brinkmann aus der Schwarzwaldklinik?

Theaterfrauen sind anstrengend, Maxim. Haben Sartre gelesen oder Dario Fo oder Beckett. Haben abgekaute Fingernägel und irgendein Projekt: Kunst, Installationen oder Frauenpornografie. Trinken zu viel Rotwein und reden wahnsinnig viel, vor allem über sich, weil sie sich für niemanden so sehr interessieren wie für sich. Ist alles Klischee. Ist aber alles wahr.

re:

Der Trick ist: Du musst die Frauen selbst mitbringen. Nicht ins Kino einladen oder in die Kneipe. Nein, ins Theater. Kultur! Hat immer wunderbar funktioniert.

aw:

Ja, 1987.

re:

Ich muss zugeben, ich kenne mich nicht mehr so aus. Aber ich weiß ja noch nicht mal, was für dich eine gute Frau ist, außer dass sie schöne Füße und kleine Brüste haben sollte. Was sind denn schöne Füße?

aw:

Eine gute Frau hat Soul. Die Füße sind nur ein kleiner persönlicher Fetisch. Frauenfüße dürfen nicht dick, groß oder hart sein. Der große Zeh und der dazugehörige Große-Zeh-Knochen sollten nicht nach innen gebogen sein wie ein Krummsäbel. Die Ferse sollte möglichst frei von Hornhaut sein.

Mit großen Brüsten bin ich überfordert. Deshalb bevorzuge ich die kleinen. Außerdem wird aus jeder Gegenwart auch mal Zukunft, viel Masse ist viel Schwerkraft ausgesetzt. Aber ich will gar nicht über Brüste reden. Wir schreiben erst seit zwei Tagen und sind schon bei Brüsten. Das ist ein Männerklischee.

re:

Du drängst mich in eine Ecke, Jochen. Ich klinge schon wie mein eigener Vater. Das stört mich übrigens an diesem Mail-Schreiben mit dir, dass ich mich auf einmal alt und uncool fühle. Obwohl ich das, glaube ich, gar nicht bin.

aw:

Doch. Ich denke, es ist nicht von Nachteil, wenn du für dich erkennst: Du bist alt und uncool. Ich meine das nicht herablassend. Dein Vorteil ist ja: Du kannst ruhig alt und uncool sein. Du kannst alles ein bisschen schleifen lassen. Die Frau ist im Haus, die Kuh vom Eis.

Manchmal wache ich morgens auf und denke: Ich muss jetzt was machen, schnell irgendwas machen, gründen, eröffnen, anlegen, zeugen. Dabei weiß ich gar nicht genau: Was eigentlich? Und warum?

Ich bin 39. Ich habe aber keine Ahnung, was das bedeutet. Bedeutet es etwas? Gibt es adäquate Verhaltensweisen, einen adäquaten Umgang?

Ich muss gar nichts. Ich muss nur mit dem Gefühl klarkommen, mit 39 an einem Samstagabend um 3.30 Uhr in einem Club zu stehen, zusammen mit anderen 39-Jährigen, und zu denken: »Wetten dass?!« und ein bisschen Selbstbefriedigung hätten es heute Abend auch getan.

Ich hätte gerne eine Frau mit Soul. Wie soll ich das definieren?

Sie ist davon überzeugt, dass ich der großartigste Typ der Welt bin. Und gleichzeitig so klug zu wissen, dass ich das natürlich nicht bin.