KNOX
Was zum Henker mach ich denn da?
»Was zum Teufel tust du?« Edens Frage ist wie ein Echo der Frage, die mir wie ein Knurren durch den Kopf hallt.
Und die Antwort auf beides? Ich hab nicht die leiseste Ahnung.
Das hab ich nun davon, meinem Impuls nachzugeben. Aber seit einiger Zeit scheint das bei mir der neue Modus Operandi zu sein, wenn ich mit Eden zu tun habe. Und es hat nichts gebracht außer meiner Zunge an ihrer Brust, meinen Fingern tief in ihr und einer Wagenladung Schuldgefühle, die mir die Brust eindrücken. Ich habe nichts mehr unter Kontrolle. Und das ist gar nicht gut. Überhaupt nicht. Gerade bei ihr, am allermeisten bei ihr, muss ich mich im Griff haben. Verdammt, ich muss es ganz dringend – um ihretwillen.
In mir steigt Verzweiflung auf, drückt von innen gegen meine Rippen, und ich beiße die Zähne zusammen, damit mir keiner der Flüche entwischt, die mir auf der Zunge liegen. Fahre mir mit einer Hand langsam übers Gesicht, lasse in der anderen meine Schlüssel verschwinden. Ich hätte Jude und Simon folgen sollen.
Vielleicht war es weder Panik noch Angst gewesen, was ich da in Edens Augen habe aufblitzen sehen, als meine Brüder und ich Richtung Tür gegangen sind. Und vielleicht sind ihre verräterischen nervösen Zuckungen dem Umstand geschuldet, dass sie jetzt mit mir allein ist. Könnte ich ihr kaum verübeln.
Trotzdem, irgendwas nagt an mir. Beharrt darauf, dass es eben nicht an mir liegt, sondern dass sie sich nicht wohlfühlt bei dem Gedanken, auf einmal allein zu sein, nachdem sie jahrelang immer Gesellschaft hatte.
Und die bloße Vorstellung, wie sie hier allein und nervös in der Wohnung sitzt, hat mich zu einer Entscheidung bewogen, die wir vermutlich beide bereuen werden.
»Hör zu, ich …« Aber als ich gerade überlege, doch zu gehen, sehe ich etwas über ihr Gesicht huschen. Ein heller Schimmer in diesen tiefen, dunklen Rehaugen. Erleichterung. Der Schraubstock um meine Brust löst sich, und ich lege meine Schlüssel auf den kleinen Tisch, den sie neben die Tür gestellt hat. »Ich schlaf auf dem Sofa.«
Sie verschränkt die Arme vor der Brust und blickt mich finster an. »Ich erinnere mich nicht daran, dass – was? Das Sofa ist für dich doch viel zu klein«, brummt sie in sich hinein.
Ich spüre, wie mein Mundwinkel zuckt, aber ich gehe rasch an ihr vorbei, ehe sie es bemerkt. Sie protestiert zwar noch dagegen, dass ich bleibe, hat es jedoch in Wirklichkeit bereits akzeptiert. »Ich hab schon unbequemer geschlafen«, stelle ich schulterzuckend fest.
»Würde ich wetten«, brummt sie leise in meinem Rücken. Moment mal, was soll das denn heißen? »Apropos woanders übernachten«, fährt sie fort, »solltest du nicht irgendwohin unterwegs sein? Ich bin sicher, dass du eigentlich was anderes vorhattest, als deinen Tormund-Riesentod-Körper auf meinem brandneuen Sofa zu parken.«
Ich drehe mich zu ihr um und mustere sie; ihre verärgerte Miene, die abwehrend vor der Brust verschränkten Arme … und ihre Füße in der dritten Position. Ich hebe den Blick wieder zu ihren Augen und blinzle. »Herr der Ringe?«
Mit einem tiefen, gramerfüllten Seufzer wirft sie die Arme hoch. »Echt jetzt? Game of Thrones, du Plebejer.«
»Ist doch dasselbe.« Ich beobachte sie. Und warte.
Ihre Augen werden schmal, sie stemmt die Hände in die Hüften, dann beugt sie sich vor, und die Winkel ihres Nimm-mich-Munds verziehen sich zu einem herablassenden Grinsen. Na also.
»Nein, das ist nicht dasselbe«, erklärt sie streng. »Sieben Königreiche, Mittelerde. Weiße Wanderer, Orks. Drachen …«
»Drachen«, beende ich den Satz und ziehe eine Braue hoch.
»Das war im Hobbit, nicht im Herrn der Ringe«, murmelt sie. Dann ruckt ihr Kinn hoch, und sie mustert mich eine ganze Weile, ehe sich ihre Lippen zu einem feinen ironischen Lächeln verziehen. »Gar nicht übel.«
Ich antworte nicht – es war das reinste Kinderspiel, sie mit der Serie auf andere Gedanken zu bringen. Neben der Familie hat Eden noch eine zweite große Leidenschaft – Game of Thrones. Ganz zu Anfang habe ich sogar mal ein paar Folgen der ersten Staffel mit ihr zusammen gesehen. Hab’s dann aber nicht mehr über mich gebracht. Bin nach Aquamans Tod ausgestiegen.
Ich lasse mich aufs Sofa plumpsen – und da wird mir sehr nachdrücklich bewusst, wie viel Platz ich darauf brauche. Wo zum Henker hat sie das Teil her? Little People ’R’ Us?
»Warum?«, fragt sie leise. »Warum bist du geblieben?«
Als ich höre, wie verletzlich sie klingt, bohre ich die Finger in meine Handflächen. Ich darf sie nicht berühren. Darf nicht mit dem Daumen über ihren mit Sommersprossen übersäten Nasenrücken streichen. Und auch nicht über die verlockende Mulde über ihrer Oberlippe.
»Weil du mich nicht darum bitten würdest«, antworte ich ihr in fast denselben Worten, die sie vor wenigen Wochen in meiner Wohnung zu mir gesagt hat. Diesen Abend zu erwähnen, ist dumm von mir, denn ich kann nicht an jene selbstlose, liebevolle, durch und durch edenmäßige Umarmung denken, ohne mich zugleich an das zu erinnern, was danach passiert ist. Und als ich ihr in die Augen blicke und erkenne, wie sich das tiefe Braun verdunkelt, bis sie fast schwarz wirken, sehe ich auch darin Erinnerungen. Ob sie es will oder nicht, sie denkt ebenfalls daran, wie sie sich erst an meinem Oberschenkel gerieben hat und dann an meinem Schwanz.
Als sie sich abwendet und mit den Händen über ihre Oberarme reibt, frage ich mich, ob sie jetzt daran denkt, wie sie erstarrt ist, nachdem sie unter meiner Hand gekommen ist. Und an das Warum.
»Willst du noch ein Bier?«, fragt sie und geht Richtung Küche.
Ich bezweifle, dass es wirklich ein Anfall von plötzlichem Durst ist, der sie aus dem Zimmer treibt, weg von mir. Doch ich sage nichts, denn ich brauche auch gerade ein bisschen Raum für mich. Raum und ein paar Minuten, um mich daran zu erinnern, weshalb ich hier bin und nicht mit Jude und Simon in einer Bar, wo ich mir eine Frau suchen könnte, die mir bei dem Versuch hilft, Eden aus meinem System rauszuvögeln. Bisher hat es nicht funktioniert. Aber wer weiß? Vielleicht ja heute.
Niemals die Hoffnung aufgeben und der ganze Scheiß.
»Ja, danke«, sage ich und greife nach der Fernbedienung, die vor mir auf dem Couchtisch liegt. Aus reiner Gewohnheit schalte ich Cartoon Network ein. Wenn mich nachts die Schlaflosigkeit packt, sehe ich oft japanische Animes auf diesem Sender oder auf DVD, bis der Morgen dämmert. Und als jetzt Sasuke Uchiha den Bildschirm ausfüllt, beuge ich mich vor, stütze die Arme auf meine Oberschenkel und versinke sofort in einer meiner Lieblingsserien. Der Ninja ist gerade in einen erbitterten Kampf mit seinem Bruder Itachi verwickelt. Diese Folge habe ich schon mal gesehen – der Kampf gehört zu den epischsten im ganzen Naruto-Universum.
»Ich hätte es echt besser wissen müssen, als dich mit dem Fernseher allein zu lassen«, brummt Eden, die plötzlich neben dem Sofa steht. Ich wende den Blick gerade lange genug vom Fernseher ab, um das Bier entgegenzunehmen, das sie mir hinhält. »Du hast Glück, dass du mir beim Umzug geholfen hast. Sonst würde ich jetzt die Fernbedienung konfiszieren.«
»Süß, dass du glaubst, das könntest du«, murmle ich, gerade als der Kampf und damit auch die Folge endet. Ich rufe das Menü auf und sehe nach, ob noch eine kommt. Verdammt. Nein. Aber dafür Hunter x Hunter. Hunter Gob Freecss auf der Suche nach seinem verschwundenen Vater – meine zweitliebste Serie. Ich mache es mir gemütlich, strecke die Arme auf Seiten- und Rückenlehne aus.
»Ach du Scheiße. Hast du mich etwa gerade …« Sie stößt ein übertrieben lautes Keuchen aus. »… geneckt?« Sie stellt ihr eigenes Bier auf dem Tisch ab – auf einem Untersetzer – und rennt zu dem Fenster, von dem aus man auf die West Newport Ave hinaussieht. Was zum Geier tut sie da?
Sie reißt die Vorhänge auf und späht hinaus, ihr Kopf ruckt von links nach rechts.
»Was ist los? Was gibt es da zu sehen?« Ich stoße mich vom Sofa ab, bin schon halb auf den Beinen, da wirbelt sie herum und blickt mich an.
»Ich halte nach dem regenbogenfurzenden Einhorn Ausschau, das ein geflügeltes Schwein auf dem Rücken trägt. Denn wenn du Witze machst, können sie ja nicht weit sein.«
Ich starre sie an, mein Hirn braucht einen Augenblick, um ihre Worte zu verarbeiten. Dann spüre ich, wie ein Lachen in meiner Brust aufsteigt, warm und ein bisschen unvertraut. Ich gluckse leise und setze mich wieder. Ein Lächeln leuchtet in ihren Augen, die mit einem Mal so weich wirken wie geschmolzene Schokolade. O Gott, dieses Lächeln. Dieses Lächeln gehört mit zum Ersten, was mir an ihr aufgefallen ist. Damals, vor vielen Jahren.
Wie in irgendeinem Kitschfilm habe ich den Blick über den VIP-Bereich des Clubs schweifen lassen, in dem wir nach einem Kampf gefeiert haben, und sah sie, wie sie unsicher in der Nähe der Tür stand, gemeinsam mit einer Freundin. Die angespannten Schultern zurückgenommen, das zarte Kinn hocherhoben, so reglos, als wüsste sie nicht, ob sie weglaufen oder bleiben wollte. All diese Leute im Club, und trotzdem sah ich nur sie.
Nein, das trifft nicht, was in dieser Nacht passiert ist. Sie hat jeden meiner Sinne erfasst, jeden Herzschlag, jedes Organ, jede lebenswichtige Hirnzelle, packte all das bei der Kehle, und auf einmal gehörte alles ihr, funktionierte nur noch für sie. Und das allein wegen dieses Lächelns – scheue Unschuld mit der kaum merklichen Andeutung, dem Versprechen einer noch unberührten Sinnlichkeit. Und verdammt, ich wollte derjenige sein, der diese Sinnlichkeit entdeckte, sie damit vertraut machte. Bevor ich mich selbst ermahnen konnte, dass ich mich nicht in irgendeinem John-Hughes-Film aus den 80ern befand, hatten sich meine Füße bereits in Bewegung gesetzt, und ich lief quer durch den Club auf sie zu. Mein. Das Wort – der Besitzanspruch – hatte in meinem Kopf widergehallt wie Hammerschläge auf einem Amboss. Laut. Durchdringend. Immer und immer wieder.
Dann war Connor zu ihr gegangen. Hatte mir die Sicht auf sie versperrt.
Den Weg versperrt.
Ich blinzle, und die Erinnerung zersplittert wie Glas, hinterlässt aber genügend Scherben, um mich daran zu erinnern: Ich kann sie nicht haben, jetzt ebenso wenig wie in jener Nacht. Ganz gleich, was ein primitiver Teil meines Verstands damals gebrüllt hat, sie ist nicht mein. War es nie.
Wird es nie sein.
»Ich muss mich setzen«, sagt Eden, kommt zurück und lässt sich auf den Sessel plumpsen, der dem Ende des Sofas, auf dem ich sitze, am nächsten ist. Schmunzelnd schlägt sie die Beine unter. »Ich glaube fast, du hast gerade gelächelt, und das könnte alles Mögliche ankündigen, von einem Stück Himmel, das uns auf den Kopf fällt, bis hin zu einer Zombie-Apokalypse.«
Kopfschüttelnd nippe ich an meinem Bier. »So schlimm bin ich gar nicht, Eden.«
Aber wahrscheinlich bin ich es in Wirklichkeit doch. Und so, wie sie die Brauen hebt, denkt sie das auch.
»Hmmm, okay.« Sie kichert und schnappt sich die Flasche, die sie auf den Couchtisch gestellt hatte. Selbst wenn Gott höchstpersönlich auf einer goldgepflasterten Straße herunterkäme und mir die Seele aus dem Leib prügeln würde – ich könnte nicht aufhören, auf den V-Ausschnitt ihres T-Shirts zu starren, der aufklafft, als sie sich vorbeugt. Das Blut rauscht durch meine Adern. Ja, der kurze Blick auf sonnengeküsste, sandfarbene Haut wäre mir die himmlischen Prügel wert.
»Ich kann mich an jedes Lächeln von dir erinnern«, fährt sie fort und legt den Kopf schief. Betrachtet mich mit einem so skalpellscharfen Blick, dass ich gegen den Impuls ankämpfen muss, meine Sachen zusammenzuraffen und so hastig von hier abzuhauen, dass ich auf dem Weg nach draußen die Tür zertrümmere.
Ich bin es gewohnt, dass meine MMA-Fans mich erkennen, mich anstarren, in Gedanken mein Gewicht schätzen. Beim Training, beim Kampf, während eines Interviews und inzwischen auch aus dem Tattoostuhl heraus – es stört mich nicht. Ich habe mich daran gewöhnt.
Aber hier zu sitzen, nur sie und ich in einer kleinen Wohnung, zwischen uns kaum mehr als ein Meter Entfernung … ich fühle mich exponierter, als ich mich jemals gefühlt habe, wenn ich mit nichts als Shorts am Leib vor zahlreichen Kameras und Tausenden auf mich gerichteter Augen stand.
Doch ich bleibe sitzen, wie gebannt von ihrer Eröffnung. Warum zum Henker zählt sie, wie oft ich lächle? Wieso interessiert sie das? Meine brennende Neugier trägt den Sieg über meinen Selbsterhaltungstrieb davon.
»Dreimal.« Sie hebt die Hand und streckt zwei Finger aus. »Als Connor das College abgeschlossen hat und als Simon mit der Highschool fertig war.« Ein dritter Finger. »Und als du deine letzte Meisterschaft gewonnen hast.«
Mir ist zumute, als würde mir ein gerissenes Gummiband gegen die Eingeweide schnalzen. Dreimal in den fünf Jahren, seit ich sie kenne? Ich war niemals so gesellig wie Simon, so flirtfreudig wie Connor oder so charmant wie Jude; ich bin immer ernsthafter gewesen als die anderen, auch schon vor Dads Tod. Und ich weiß, dass ich ein bisschen … stoisch sein kann, aber verdammt, das kann einfach nicht stimmen.
»Ich rede nicht über ein kurzes, beiläufiges Lächeln oder Lachen im Laden«, erklärt sie, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Beides tust du öfter mal, doch auch das nicht täglich. Ich spreche von so einem richtigen strahlenden Lächeln, bei dem deine Augen leuchten. So wie auf dem Bild von dir und deinem Vater, das bei deiner Mutter im Flur hängt.«
»Warum hast du dir das gemerkt?«, frage ich und ärgere mich über meine plötzlich ganz raue Stimme. Und darüber, dass ich mich in Gedanken vorbeuge, die Arme auf die Oberschenkel stütze und begierig auf ihre Antwort warte.
Sie lacht leise in sich hinein, es klingt ironisch und nur ein ganz klein wenig belustigt. »Es ist ziemlich schwierig, Momente zu vergessen, in denen einem zumute ist, als hätte einem jemand ein Kantholz über den Schädel gezogen.« Wieder so ein lachendes Aufschnauben. »Normalerweise weiß ich genau, weshalb ich anfangs so eingeschüchtert von dir war, aber dann waren da auch diese Augenblicke, und …« Sie zuckt mit den Schultern. »Na, jedenfalls liegt Charisma bei den Gordons eindeutig in der Familie.«
Ich weiß nicht, was mich härter trifft – dass ich sie eingeschüchtert habe oder dass sie mich charismatisch findet. Und trifft meine ich ganz wörtlich – wenn ich nicht bereits säße, hätte es mich umgehauen.
»Ich hab dir Angst gemacht?« Ah, also knöpfe ich mir den Punkt als Erstes vor. Vielleicht weil der Gedanke, dass sie Angst vor mir hatte, mir so zuwider ist. »Wann?« Und warum? Was hab ich getan? Nur mühsam halte ich mich zurück, damit ich die Fragen nicht wie mit dem Maschinengewehr auf sie abfeuere, und warte. Die Anspannung lässt förmlich meine Haut vibrieren.
»Bei unserer ersten Begegnung. Du erinnerst dich vielleicht gar nicht daran.« Sie stützt einen Ellbogen auf die Armlehne des Sessels und legt die Hand um ihr Kinn. Als ob. Jede Sekunde dieser Nacht hat sich tief in mein Gedächtnis gebrannt. »Meine Kommilitonin und Mitbewohnerin hatte mich eingeladen, mit ihr zum BFC-Kampf zu kommen, ihr damaliger Freund hat ebenfalls an den Kämpfen teilgenommen. Danach sind wir zum Feiern mit in so einen Club gegangen und wurden in den VIP-Bereich eingeladen. Sobald wir reingekommen sind, bist du mir aufgefallen. Ich meine, es ist ja praktisch undenkbar, dass du irgendjemandem nicht aufgefallen bist. Alle haben dich umringt oder zumindest versucht, näher zu dir zu kommen. Und du warst …«
Sie schüttelt den Kopf, ein Mundwinkel zuckt. »Du warst du. Riesig, hast fast alle anderen überragt. Knallhart. Ungerührt. Aber so verdammt intensiv. Ich weiß noch, wie ich dachte: ›Bitte, Gott, mach, dass er mich nicht bemerkt.‹ Denn wenn du mich bemerkt hättest, dann hätte ich mich vor all diesen Leuten blamiert und wäre einfach in Ohnmacht gefallen.« Diesmal klingt ihr leises Lachen belustigt. »Du kannst …« Sie hält inne, kneift ganz leicht die Augen zusammen. »… einen ganz schön überfordern. Ist nicht leicht, dich zu verkraften. Es ist, als würde jeder Raum, den du betrittst, kleiner werden, als würdest du einfach die gesamte Luft verdrängen. Diese Sorte Intensität kann, hm, ziemlich beängstigend sein.«
Ich bin so erschüttert von ihrem ersten Eindruck von mir, dass ich mich nicht rühren kann. Unterschiedlicher als mein erster Eindruck von ihr könnte es nicht sein, selbst wenn wir es extra drauf anlegen würden. Mein Schreck ist mit Verärgerung durchsetzt und verwandelt mein Innerstes in einen Eisblock. Sieht sie mich wirklich so? Immer noch?
Tja, fuck, kein Wunder, dass sie sich in Connor verliebt hat. Gegen ihn, die brennende Venus, bin ich der Eisplanet Neptun. Ich der Mond, er die Sonne.
»Ich hätte dir niemals wehgetan«, antworte ich und zwinge eine Ruhe in meine Stimme, die nichts davon verrät, wie eng mir die Brust geworden ist. »Damals nicht und heute auch nicht.«
»Natürlich nicht.« Sie runzelt die Stirn. »Das wusste ich schon fünf Sekunden nach unserer ersten Begegnung. Vielleicht hab ich mich blöd ausgedrückt. Du bist intensiv, und das ist nichts Schlechtes. Ich hab mich bei dir immer sicher gefühlt. Beschützt«, murmelt sie. »Ich habe nur immer befürchtet, dass ich sofort den Verstand verlieren werde, solltest du diese Intensität jemals auf mich richten.«
Ein kurzes Auflachen will mir die Kehle hinaufsteigen, in letzter Sekunde schlucke ich es runter. Es stimmt, ich würde jeden Scheißkerl pulverisieren, der es wagt, ihr wehzutun. Aber da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn ich selbst bin die größte Bedrohung für sie; ich bin der Wolf, der das Fell eines etwas weniger bedrohlich wirkenden Wolfs trägt. Körperlich würde ich sie niemals verletzen. Teufel auch, niemals. Doch ich wäre imstande, ihre sichere familiäre Welt in Stücke zu reißen. Ich könnte sie diejenigen kosten, die sie liebt, die sie lieben. Ich könnte sie aus dem hellen Sonnenschein reißen und mit in die Dunkelheit hinabzerren, die mich wie eine dicke, zähe Ölschicht bedeckt. Das wäre es, was mein Verlangen anrichtete, wenn jemals jemand erfahren würde, wie sehr ich sie will. Oder wenn ich, Gott bewahre, glauben könnte, dass sie dieses Verlangen erwidert.
»Ich hatte niemals Angst vor dir«, beharrt sie, immer noch mit derselben sanften Stimme. Fügt zögernd, fast widerstrebend hinzu: »Jedenfalls nicht auf die Art.«
Mir bleibt die Luft weg, als Hitze durch meinen Körper schießt wie ein lautloses, aber mächtiges Brüllen. Sämtliche Muskeln spannen sich, und mein Schwanz schwillt an, das Blut pocht darin wie der Bass in einem riesigen Lautsprecher. Die letzte Bemerkung muss sie mir nicht erklären. Ich habe sehr genau verstanden, und bestünden noch irgendwelche Zweifel, dann würde ihr plötzliches Erröten sie ausräumen – die roten Flecken auf ihren Wangen und wie sie meinem Blick ausweicht, obwohl sie mich eben noch ganz problemlos ansehen konnte, bestätigen meine Annahme.
Und trotzdem frage ich. Als der masochistische, dreckige Scheißkerl, der ich bin, muss ich es aus ihrem Mund hören.
»Auf welche Art dann?« Mehr bekomme ich nicht raus, aber es reicht.
Rasch zuckt ihr Blick zu mir, ihre langen, eleganten Finger spielen mit dem Etikett der Bierflasche. Als ich sehe, wie sie das feuchte Papier zerrupft, bekomme ich fast Mitleid, hätte beinahe meine Frage zurückgezogen. Beinahe. Man muss wohl zu masochistisch und dreckig auch noch ergänzen: selbstsüchtig.
»An dem Abend …« Sie schluckt. Setzt neu an. »An dem Abend in deiner Wohnung, war …«
»Vergiss es«, falle ich ihr mit rauer Stimme ins Wort. »Du musst es mir nicht erklären.« Ich habe mich geirrt. Ich will nicht hören, wie viel Angst es ihr eingejagt hat, als ich sie zum Orgasmus gebracht, ihren Körper bearbeitet habe, bis sie nicht an meinen Bruder gedacht hat. Dafür habe ich mir selbst schon blutige Vorwürfe gemacht.
»Doch, das muss ich.« Sie richtet sich auf, senkt aber den Kopf, und das Haar fällt ihr ins Gesicht, verbirgt es zum Teil vor mir. Ich schließe die Finger fester um meine Bierflasche, halte mich daran fest. Denn sonst würde ich damit durch diese braune, fast schwarze Mähne fahren, die Faust darum schließen und ihren Kopf in den Nacken ziehen, damit sie sich nicht mehr vor mir verstecken kann. Was unglaublich verlogen wäre, denn ich habe mich quasi vom allerersten Moment an vor ihr versteckt. »Ich hätte an dem Abend was sagen sollen, wenigstens am nächsten, aber …« Sie atmet tief ein, hebt das Kinn und sieht mir ins Gesicht. Ihr Blick ist ruhig, doch ich sehe die Reue in der kleinen Falte zwischen ihren Brauen, den Schatten in ihren Augen. »Es tut mir leid«, flüstert sie.
Bedächtig stelle ich das Bier auf den Couchtisch und stütze die Arme auf meine Oberschenkel. Ich muss mich verhört haben. »Für was entschuldigst du dich?«, frage ich schärfer als beabsichtigt.
»Dafür, dass ich einfach weggegangen bin. Zugelassen habe, dass du denkst, du wärst schuld an meiner Reaktion. Dass du irgendwas falsch gemacht hättest. Und das ist nicht wahr. Im Gegenteil.«
Ich schüttle den Kopf, noch bevor sie ihren Satz beendet hat. »Eden, du musst nicht weiterreden. Ich habe …«
»… nichts getan, worum ich dich nicht gebeten … nein, angefleht habe.« Diesmal ist sie es, die mich unterbricht. Ihre Zähne senken sich in ihre Unterlippe, und mein Bedürfnis, mit dem Daumen über die zarte Haut zu fahren, die Linien mit der Zunge nachzuzeichnen, wird so stark, dass ich mir mit den Händen über die Oberschenkel reibe. »Ich hab angefangen, Knox, nicht du. Und ich wollte es. Du hast mich zu überhaupt gar nichts gezwungen, und du hast mich nicht ausgenutzt, und es tut mir so leid, dass ich dir diese Last aufgebürdet hab. Es ist nur … Es ist zwei Jahre her, dass ich zum letzten Mal Sex hatte. Du weißt es vermutlich nicht, aber Connor war der erste und letzte Mann, mit dem ich geschlafen habe. Ich war nicht darauf vorbereitet, dass sich daran etwas ändert. Ich hatte angefangen, darüber nachzudenken, ja. Vor allem, weil ich mich seit ein paar Monaten nicht mehr ganz so tot fühle. Körperlich war ich vielleicht dazu in der Lage, doch mental? Emotional? Es hat mich völlig überrascht, und ich hatte dem überhaupt nichts entgegenzusetzen. Die Trauer, die Wut über den Verlust, das Schuldgefühl, weil mich ein anderer Mann berührt, das alles ist urplötzlich auf mich eingeprasselt, und ich …« Sie verstummt, dreht die Handflächen nach oben. »Es tut mir leid.«
»Was tut dir leid? Dass du Connor geliebt hast? Ihn vermisst?« Ihre Entschuldigung ist absurd und unnötig. Und doch … In meiner Brust regt sich Eifersucht, ein grünlicher Funke, den ich am liebsten leugnen würde, aber er ist da, obwohl ich meinen Bruder ebenfalls geliebt habe und vermisse. »Eden, es ist doch nicht seltsam, dass du es bereust, einen anderen berührt zu haben.« Hätte mich an dem Abend nicht meine eigene Lust so geblendet, die Lust darauf, sie zu berühren, meine Hände auf und in ihr zu haben, dann hätte ich ihre Reaktion womöglich vorausgesehen und es verhindert, indem ich sie weggeschickt hätte, sobald sie auf meiner Türschwelle stand. Verletzlichkeit steht eigentlich nicht in meinem persönlichen Wörterbuch – außer wenn es um sie geht.
Diese Frau ist meine Batseba, meine Delila, meine Maria, alle in einer Gestalt vereint. Meine Schwäche, mein Verhängnis … meine Stärke.
»Nein«, widerspricht sie heftig. »Ich bereue es nicht. Sosehr ich mir nach Connors Tod auch gewünscht habe, die Augen zu schließen und nie wieder aufzuwachen – ich bin nicht tot.« Ihre leisen, heiseren Worte schneiden mir durch Fleisch und Knochen wie Dolchstöße. Allein der Gedanke, sie für immer zu verlieren … ich hole tief Luft. Atme ganz langsam durch die Nase wieder aus. Konzentriere mich auf sie, denn sie ist der einzige Grund, weshalb ich noch hier sitze und nicht weggehen kann.
»Ich muss wissen, dass ich heile, dass alles in mir wieder lebendig wird«, fährt sie fort. »Und das hast du mir gezeigt. Es war nur … ein bisschen überwältigend. Ein bisschen beängstigend.« Sie stößt ein leises, atemloses Lachen aus, in dem eine Spur Selbstironie liegt, und zuckt mit einer Schulter. »Ich hätte damit rechnen sollen. Ich habe gesehen, wie du …«
Langsam richte ich mich auf. Versteife mich. Und damit meine ich nicht nur die Erektion: Meine Schultern verspannen sich, mein Rücken, mein Bauch. Sämtliche Sinne sind vollkommen auf sie ausgerichtet. Ich sehe die Röte, die ihre Haut überzieht und die Farbe reifen Weizens verdrängt. Höre, wie ihr der Atem stockt, ehe sie den Blick abwendet. Bilde mir sogar ein, ich könnte den stechenden Geruch ihrer Verlegenheit wahrnehmen, ebenso wie ihre Erregung. An der Ader an ihrem Hals erkenne ich, wie rasch ihr Herz schlägt.
»Eden«, grolle ich, und ihren Namen auszusprechen, fühlt sich an, als würden scharfkantige Steine durch meine Brust kullern. »Was hast du gesehen?« Als sie nur heftig den Kopf schüttelt, frage ich noch mal, ohne mich darum zu scheren, wie rasiermesserscharf meine Stimme klingt – ich kann nichts dagegen tun. »Eden! Was. Hast. Du. Gesehen?«
Langsam richtet sie die Augen wieder auf mich, und in den umbrabraunen Tiefen schimmert Verlegenheit. Verlegenheit und Scham. Und Verlangen. Dunkelheit und Licht. Scheu und Kühnheit. Sie verkörpert die vollkommene Dichotomie.
»Sag es mir«, verlange ich, leiser jetzt, aber meine Stimme ist noch immer wie mit Stahl durchsetzt.
Sie wringt die Finger im Schoß. Nimmt die Schultern zurück. »In der Nacht, als wir in dieser Bar meine Beförderung gefeiert haben, da hab ich dich gesehen. Im Lagerraum. Mit einem Mädchen.« Sie schluckt und erschauert ganz leicht – wäre ich nicht vollkommen auf sie konzentriert, wäre es mir vermutlich entgangen. Doch es entgeht mir nicht. Und angesichts des Glühens in ihren Augen errate ich, weshalb sie erschauert. Aus demselben Grund, weshalb mein Schwanz so verdammt hart ist, als bestünde er aus irgendeinem ganz neuartigen Metall. »Sie hat dir einen geblasen. Oder du hast sie festgehalten, während du sie in den Mund gefickt hast. Ich bin immer noch nicht ganz sicher, was von beidem es war.«
O Gott. Verdammt. Ich erinnere mich an die Frau und an den Blowjob. So kaputt es auch ist, es war nicht das erste Mal, dass es mir eine Frau in irgendeiner Bar, in einem Club oder, Scheiße, sogar in der Trainingsumkleide mit dem Mund besorgt hat. Die Frauen und ich – wir verschaffen einander Befriedigung. Aber es ist immer ganz klar, dass es nur um den Augenblick geht und darüber hinaus nichts passiert. Die hässliche, arschige Wahrheit? Ich merke mir ihre Namen nicht, sie sind mir nicht wichtig. Denn keine von ihnen ist Eden.
Und doch … bei dem Gedanken, dass sie mir zugesehen hat, wie ich eine Frau in den Mund ficke, sie nehme; das Wissen, dass sie dagestanden und zugesehen hat, wie ich komme …
Ein gewaltiger Gewittersturm rast ins Zimmer und fährt direkt in meinen Körper, setzt mich in Brand, lässt mich hell auflodern, verwandelt mich in einen lebendigen, aufgeladenen Blitzableiter.
Und spätestens jetzt müsste ich aufstehen, einen Abschiedsgruß murmeln und meinen Hintern aus der Wohnung rausschaffen. Weg von ihr. Weg von der sündigen Versuchung von schulderfülltem, aber phänomenalem Sex. Hätte ich auch nur eine Spur Selbstachtung oder Moral oder das leiseste Interesse an anderen Menschen, würde ich es tun.
Doch ich bin ein dummer, verkommener, selbstsüchtiger Arsch, denn stattdessen betrachte ich sie mit zusammengekniffenen Augen und sage leise: »Aber du möchtest es herausfinden, richtig?«
Ihre Augen weiten sich ein klein wenig, und die ungeschminkten, vollen Lippen teilen sich. Ich habe sie kalt erwischt, und aus der Tiefe ihrer Augen explodiert Erregung an die Oberfläche. Trotzdem dauert es mehrere ewig lange Sekunden, bevor sie nickt und flüstert: »Ja.«
Die Gewalt, mit der die Lust in mir hervorbricht, ist ein weiteres Warnschild mit riesigen blinkenden Neonbuchstaben, das mich ermahnt, hier abzuhauen. Doch in dem Augenblick, da ich sehe, wie ihr Puls wild in der kleinen Vertiefung über ihrem Schlüsselbein klopft, und bereits ihren keuchenden Atem an meinen Lippen zu spüren glaube, bin ich mehr als bereit, den Gedanken an die Konsequenzen in den Darum-kümmere-ich-mich-wenn-es-so-weit-ist-Tresor zu stopfen und ihn ganz fest abzuschließen.
»Sag mir, was du gesehen hast«, verlange ich mit so rauer Stimme, dass es mir fast die Kehle wundscheuert.
»D-das hab ich doch schon …«, stammelt sie.
»Erzähl es mir ganz genau.«
Ihre Lider senken sich leicht. Vielleicht habe ich sie zu sehr bedrängt. Scheiße, höchstwahrscheinlich … wie hat sie es noch mal genannt? Höchstwahrscheinlich überwältige ich sie wieder.
Ich sollte aufhören, ihr Raum lassen, Erbarmen zeigen.
Stattdessen warte ich.
»Sie hat vor dir gekniet«, beginnt sie zögernd, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Fährt mit der Zungenspitze über ihre sinnlich geschwungene Unterlippe. Ich nehme das Knurren, das in meiner Brust aufsteigt, in einen Haltegriff, ehe es meine Kehle erreicht. Aber verdammt nochmal, ich kann die zarte Liebkosung ihres warmen Atems fast spüren. »Du hattest eine Hand in ihrem Haar, hast ihren Kopf nach hinten gezogen, und sie …«
Eden verlagert das Gewicht. Versucht sie, ein wenig Druck auf diesen hübschen, bebenden Kitzler auszuüben? Die schmerzhafte Leere in ihrem Innern etwas zu lindern? Die Fragen – die Antworten – jagen eine neue, Warp-schnelle Hitzewelle durch meine Adern.
»Sie was?«, hake ich nach, nicht in der Lage, es bleiben zu lassen. Zu hören, wie sie es mit dieser heiseren, leisen Stimme erzählt, die so unschuldig klingt und zugleich vor Lust bebt, reißt mich vor Verlangen beinahe in Stücke.
»Sie hat dir einen geblasen. Fest. Tief. Und du …« Sie sieht kurz nach unten, ehe sie den Blick wieder hebt und mich anschaut. »Und du warst ihr ausgeliefert. Ich habe deine Augen gesehen, dein Gesicht. Sie war auf den Knien, aber deine Lust war in ihrer Hand. Gleichzeitig hattest du die Kontrolle, hast sie im Haar gepackt und bestimmt, wie schnell oder langsam sie macht. Wie viel von dir sie in den Mund nimmt.« Mit einer ganz sicher nicht bewussten Bewegung, die zugleich liebenswert und verdammt verführerisch ist, streicht sie mit drei Fingern über ihre Lippen. Als würde sie der Vorstellung nachspüren, wie sich ihre Lippen um meinen Schwanz schließen. »Sogar als sie ein bisschen würgen musste, ist sie auf den Knien geblieben. Hat es ausgehalten.«
»Hat es ihr gefallen?«, frage ich so leise, dass ich es selbst kaum höre über dem dunklen, tiefen Hämmern der Begierde, die in meinem Blut rauscht.
»Nein«, flüstert sie ohne das geringste Zögern. »Sie hat es geliebt.« Ihre Hand, immer noch an ihren Lippen, sinkt herab, ballt sich an ihrem Oberschenkel zur Faust. »Und ich hab sie gehasst«, gibt sie zu. Ihr Blick nimmt mich gefangen. Verflucht, ich bin der willigste Gefangene, den man sich nur denken kann. Es ist zu spät, um wegzusehen, zu gehen. Viel zu spät. »Ich hab sie gehasst, weil ich sie sein wollte.«
Weil ich sie sein wollte.
Ihr Geständnis, wenngleich geflüstert, hallt im Zimmer wider wie das Aufbrüllen in einem Baseball-Stadion, das bis zum letzten Platz mit Zuschauern besetzt ist.
Weil ich sie sein wollte.
Die Ironie daran ist: In meinem Kopf war es höchstwahrscheinlich sie.
Das ist mein Modus Operandi. Immer schließe ich dabei die Augen und stelle mir vor, es wäre Edens Mund, der mich leer saugt. Ihr Körper, in den ich stoße. Ihr Hintern, in den ich eindringe. Ihre Schreie in meinen Ohren.
Ich erschauere, und vielleicht hat sie es gesehen. Vielleicht blickt sie hinter den rasch bröckelnden Schutzschild meiner Selbstkontrolle und erkennt das ewig hungrige Verlangen danach, sie zu berühren. Denn im nächsten Augenblick ist sie vom Sessel runter und geht vor dem Sofa auf die Knie. Zwischen meinen Beinen.
»Lass mich sie sein«, flüstert sie.
Die letzten angesengten Überbleibsel meines Bewusstseins brüllen auf, dass ich mich geradewegs auf dem Weg in die Hölle befinde, trotzdem rutsche ich auf dem Sofa zurück, bis ich mit dem Rücken gegen das Polster stoße, und greife nach meinem Gürtel. Öffne ihn. Öffne auch den Knopf meiner Jeans und ziehe den Reißverschluss runter. Bedächtig, langsam. Aber Eden – mit geröteten Wangen, geöffneten Lippen, ihre Brust hebt und senkt sich, als müsste sie um jeden Luftzug ringen – beobachtet mich, als wäre es ein Magic-Mike-würdiger Striptease.
Ich greife in meine Boxershorts und umfasse meinen Schwanz. Bei der Berührung der pochenden, knochenharten, schmerzenden Erektion entringt sich meiner Kehle ein Ächzen. Und Eden als Publikum, ihre schönen braunen Augen auf meine auf und ab gleitende Hand gerichtet, befeuert diese mit einem Hauch Schmerz durchmischte Lust.
»Zeig her«, sagt sie. Und das ist keine Bitte, sondern ein leise geäußerter Befehl. Verdammt, mir ist, als würde eine eifrige, warme Zunge über meine Haut lecken. Ihre Zunge.
Ich schiebe Baumwolle und Denim ein Stück nach unten, damit sie mich ganz sehen kann, so wie sie es verlangt hat. Will, dass sie mich ebenso sehr begehrt wie ich sie, mit dem gleichen nagenden, unaufhörlichen Hunger, der mich seit Jahren ständig plagt.
Ich blicke in diese Augen, die mich zugleich locken und foltern, und bewege meine Hand an meiner Erektion auf und ab, langsamer, fester, lasse sie selbst entdecken, wie ich es gern habe. Wie ich meine Hand ficke, tief in der Nacht, wenn da nichts ist außer der Dunkelheit und meiner Vorstellung von ihr. Wie ich meinen Schwanz drücke, als würde ich in ihr feuchtes, festes Inneres stoßen.
Ihre raschen, heftigen Atemzüge klingen wie kleine Explosionen. Ihr Blick zuckt von meinem Gesicht zu meinem Schwanz, zurück zu meinem Gesicht und wieder nach unten. Als könnte sie sich nicht entscheiden, was sie lieber ansehen will. Wenn sie ausgestreckt auf meinem Sofa läge, ohne Jeans und Unterhose, stünde ich vielleicht vor demselben Dilemma.
Nein, stünde ich nicht. Ihre weichen Lippen, die kühn geschnittenen Wangenknochen, all die Sommersprossen, die ausdrucksvollen Augen würden immer den Sieg davontragen. Aber ihre nackte, feuchte Scham … Jap, ein verdammt knapper zweiter Platz.
Fuck. Kurz schließe ich die Augen bei der Vorstellung, wie sie aussähe, so verletzlich und entblößt, wenn sie mir ihre perfekte Pussy darböte, damit ich sie in Besitz nehme. Mit einem erneuten Stöhnen schließe ich die Hand fest um die Eichel.
»Komm her, Eden«, sage ich und krümme einladend die Finger der freien Hand. »Fass mich an.«
Sie legt die Hände auf meinen Oberschenkel, die langen, eleganten Finger mit den kurzen, unlackierten Nägeln weit gespreizt, und unter ihren Handflächen spannen sich unwillkürlich meine Muskeln. Shit, ich könnte glatt kommen, einfach nur durch diese Berührung.
Mit zusammengebissenen Zähnen starre ich auf sie runter, ganz benommen. Nach fünf Jahren, in denen ich mich heimlich nach der Frau meines Bruders verzehrt habe, kniet sie jetzt vor mir, die Augen dunkel vor Verlangen, ihre Hände und ihr Mund sind nur wenige Zentimeter von meinem Schwanz entfernt. Als hätte es mich in ein Paralleluniversum verschlagen. Oder als hätte ich mich in jenem Augenblick zwischen Schlafen und Wachen verloren, in dem Traum und Wirklichkeit miteinander verschmelzen. Würde mich jetzt jemand wecken, ich würde den Scheißkerl umbringen.
»Was willst du?«, frage ich sie, gebe dem Impuls einer meiner lasterhaften Sehnsüchte nach und vergrabe meine Hand in ihrem Haar. Spüre die dichte, schwere Mähne unter meiner Handfläche, zwischen meinen Fingern, und meine Phantasie läuft Amok. Ich stelle mir vor, wie dieses Haar über meine nackte Haut streicht. Meinen Schwanz streift. Bei diesen lebendigen Bildern wird mein Griff fester, und ihr Atem stockt. Ich sehe ihre Wimpern flattern, und sie stößt ein leises Wimmern aus. Angesichts ihrer offenkundigen Lust werde ich noch härter. Weil ich es kann, wickle ich mir ihr Haar um die Hand und ziehe daran. Mit einem weiteren köstlichen, unglaublich sinnlichen Laut gibt sie dem Zug nach. Gott, sie ist perfekt. »Sag es mir, Eden.« Als ihre Lider sich heben, sie aber noch immer zögert, dränge ich: »Trau dich.«
Ja, ich bin ein Heuchler, denn ich selbst war vom ersten Tag an ein Feigling, wenn es um diese Frau ging. Vom ersten Augenblick an.
»Ich will …« Sie verstummt. Atmet tief ein und spricht weiter: »Ich will, was du mit dieser anderen Frau gemacht hast. Du in meinem Mund, deine Hand in meinem Haar, und du zeigst mir, was du von mir brauchst. Nein.« Ihre Finger graben sich in meine Oberschenkel. »Nimm dir, was du brauchst. Sei nicht sanft mit mir. Halt dich nicht zurück, weil ich es bin. Benutz mich.«
Sie spricht immer schneller, als hätte sie es eilig, all das zu sagen. Aber das macht nichts; ich habe jedes Wort verstanden. Verdammt. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Mir entgleitet die Kontrolle, wie ganz feines Seidenpapier, das langsam einmal in der Mitte durchgerissen wird. Nur sie kann das mit mir anstellen, mit nichts weiter als einer geflüsterten Bitte.
Ich streiche mit dem Daumen über ihre Unterlippe, zeichne ihren Schwung nach, schiebe die Daumenspitze zwischen ihre Lippen. Ihre Zähne streifen meine Haut, und es ist, als würde ein Zittern durch meine Erektion gehen. Vorfreude packt mich, hämmert tief in mir, brodelt unter meiner Haut. Eigentlich hätte ich es gern noch etwas hinausgezögert, aber scheiß drauf. Ich kann nicht. Nicht, wenn ich seit Jahren gewartet habe.
Nimm dir, was du brauchst … Sei nicht sanft … Benutz mich.
Ihre Worte hallen immer wieder durch meinen Kopf, ein schmutziger kleiner Jingle, der sehr schnell zu meiner Lieblingsmelodie wird.
Ich schließe wieder eine Hand um die untere Hälfte meines Schwanzes, drücke ihren Kopf nach unten, runter, runter, bis … oh, fuck.
Für einen brustzertrümmernden Augenblick berühren ihre Lippen die Spitze, ehe sie sich teilen, sich öffnen, und dann versinke ich in der feuchten Hitze ihres Mundes. Mein Körper wird so stocksteif wie eine Statue. Scheiße. Unser beider Stöhnen tränkt die Luft, und als ihr Atem über meine Haut vibriert, bin ich fassungslos, dass sie auf diesen Moment ebenso sehr gewartet, ihn ebenso sehr herbeigesehnt hat wie ich. Jetzt muss ich es mir nicht mehr nur vorstellen.
Sie wartet nicht auf Anweisungen; ihre Zunge gleitet über die Spitze, erkundet sie. Ich bremse sie nicht. Das würde erfordern, dass ich mich bewege. Ich bin wie gelähmt von meiner schmerzlich starken Erregung, ein williger Gefangener ihres Mundes. Sie neigt den Kopf, nimmt mich tiefer in sich auf, ihre lebhafte Zunge foltert mich mit langen, gierigen Bewegungen. Erst als Eden den Kopf hebt und ein Luftzug kühl über meine feuchte Haut streicht, befreie ich mich aus meiner Trance. Mit einem Knurren, das viel zu sehr nach einem Tier klingt, drücke ich ihren Kopf wieder nach unten, immer tiefer, bis ihre Lippen gegen meine Faust stoßen.
Verdammt. Der Anblick, wie sich ihre Lippen weit öffnen, um meinen Schwanz aufzunehmen … keine Phantasie, kein Porno, nichts, was ich je erlebt habe, ist damit vergleichbar. Ihre dichten Wimpern verbergen ihre Augen vor mir, aber die eifrige Bewegung ihrer Zunge, ihre geröteten Wangen, ihre Nägel, die sich in meine Haut graben, verraten ihre Lust. Und dazu ihr Stöhnen, das mir durch und durch geht. Es fühlt sich so gut an.
Ich kann den Blick nicht von ihr lösen. Zuzusehen, wie sich ihre Lippen an mir auf und ab bewegen, ist heißer als der wildeste Sex, den ich je zuvor hatte. Näher am Himmel habe ich mich nie gefühlt. Sie zerlegt mir die Selbstkontrolle immer gründlicher, dabei hat sie gerade erst begonnen, mich mit diesem schönen Mund zu verwöhnen, dessen bloßer Anblick meinen Verstand in Stücke reißt. Vor und zurück, saugend, leckend, fast wie eine Huldigung. Und verdammt, sie sorgt wirklich dafür, dass ich mich wie ein Gott fühle.
Elektrische Impulse rasen mir übers Rückgrat, sammeln sich knisternd ganz unten, springen auf meine Eier über. Ich beiße die Zähne zusammen, kämpfe dagegen an, schon zu kommen – mein Orgasmus ist viel näher, als ich will. Ich lasse meinen Schwanz los, vergrabe auch die zweite Hand in ihrem Haar. Eine Liebkosung, mit der ich sie zugleich festhalte. Sie blickt zu mir hoch, und das brennende Verlangen in mir explodiert. Ihre Augen sind vor Lust so dunkel, dass sie schwarz wirken. In den Tiefen glüht ein Funke Ungeduld, und obwohl die Lust ihre Krallen tief in meine Eingeweide geschlagen hat, spüre ich, wie sich einer meiner Mundwinkel zu einem zufriedenen Schmunzeln hebt.
»Weit aufmachen«, sage ich, warte aber nicht, bis sie gehorcht, sondern stoße die Hüften nach vorn. Stoße tief in sie hinein, noch tiefer, versenke meinen Schwanz zur Hälfte in ihrem Mund. Sie macht die Zunge ganz flach, und mir entringt sich ein Stöhnen, ein Echo meiner Selbstkontrolle, die sich loszureißen droht. »Genau so, Baby. Lass mich rein.« Es ist zugleich Forderung und heisere Bitte.
Sie lässt kurz von mir ab, richtet sich auf den Knien auf und will sich wieder über mich beugen. Rasch lehne ich mich vor und küsse sie auf die feuchte Stirn, dann richte ich mich wieder auf und drücke sie behutsam auf meinen Schwanz hinunter.
»Fuck«, zische ich, als ich hinten gegen ihren Rachen stoße. Sie erstarrt, und ich halte sofort still. Das kann nicht ihr erster Deep Throat sein … oder doch? Vor lauter instinktiver, primitiver Befriedigung durchläuft mich ein Schauer, hallt in meinem Kopf wider. Um ein Haar hätte ich mir mit den Fäusten auf die Brust getrommelt, ganz der Höhlenmensch, in den sie mich verwandelt. »Ganz ruhig«, murmle ich und streiche ihr mit den Fingerknöcheln über den Hals. »Entspann dich, Baby. Atme durch die Nase und entspann dich. Du schaffst das.«
Kostbare Sekunden lang entspannt sie sich sichtlich, und erst als sie den Kopf neigt, stoße ich weiter vor. Ein Stück in diese unglaubliche Enge hinein. Ich ächze, es ist das einzige Geräusch, das hervorzubringen ich imstande bin. Atme schwer, als ich mich ein Stück zurückziehe und dann wieder vorstoße, noch ein Stück tiefer in ihre Kehle.
»Verdammt«, knurre ich. Der letzte Rest Kontrolle entgleitet mir, und ich ziehe mich erneut ein Stück zurück und stoße zu, wieder und wieder, ficke sie. Benutz mich. Benutz mich. Das Echo ihrer Stimme beflügelt mich, und ich nehme sie beim Wort. Sie gräbt die Nägel in meine Oberschenkel, protestiert aber nicht. Nein, sie saugt an meinem Schwanz, als könnte sie nicht genug bekommen, als hätte sich für sie die ganze Welt auf meinen Schwanz in ihrem Mund reduziert.
Lichtblitze durchzucken mich, und ich jage einem Orgasmus entgegen, der mich verdammt nochmal umbringen könnte. Meine Eier ziehen sich zusammen, und wenn ich imstande wäre, die Zähne auseinanderzubekommen, würde ich Eden warnen, dass ich gleich komme. Dass ich mich direkt in ihren Rachen ergießen werde. Und ob das für sie in Ordnung ist. Aber ich kann nicht, und ich tu es nicht.
Der Orgasmus packt mich, und ich explodiere, stoße ein Knurren aus wie die Bestie, als die ich mich sehe. Vom Hirn bis zu den heißen, brennenden Fußsohlen in meinen Stiefeln von einer Lust ergriffen, so heftig, dass sie an Schmerz grenzt. Und ich komme so gewaltig, dass ich fast vor dem zurückschrecke, was ich geworden bin: irgendein wildes Tier, das sein Weibchen fest umklammert, während es sich in sie ergießt und ergießt und ergießt.
Als ich endlich, endlich leer bin, lasse ich ihren Kopf los und sacke gegen die Rückenlehne des Sofas, meine Brust hebt und senkt sich unter meinen abgehackten Atemzügen, und mir laufen Schauer über die Haut und den Rücken hinunter.
Mit absurd anmutender Sanftheit küsst mich Eden auf die Spitze, dann hebt sie den Kopf. Mit der geröteten Haut, den geschwollenen Lippen, strahlenden Augen und dem zerzausten Haar sieht sie aus wie ein ernstlich ramponierter Engel. Ich rechne jede Sekunde mit dem Einsetzen meiner Schuldgefühle, trotzdem greife ich nach unten, packe sie am T-Shirt und ziehe sie hoch. Willig klettert sie auf meinen Schoß und setzt sich rittlings auf mich. Obwohl ich gedacht hätte, dass ich heftig genug gekommen bin, um meinen eigenen Namen zu vergessen, pocht mein Schwanz erneut. Und ich kann es ihm nicht verdenken. Zwischen uns ist noch ihre Jeans, aber ich spüre ihre Hitze durch den Stoff.
Ich lege den Kopf zurück und fahre ihr mit den Fingern durchs Haar. Ich kann nicht anders. Es wird rasend schnell zu einer Obsession. Ich will sehen, wie es ihr über Schultern und Brust fällt, ihre wunderschönen Brüste umspielt und sie halb vor mir versteckt, an ihrer schweißnassen Haut klebt. Ich hungere danach, mir die schwere Fülle um Faust und Handgelenk zu wickeln, ihren Kopf in den Nacken zu ziehen und die schmale Kehle zu entblößen, während ich sie von hinten nehme. Ja, Obsession ist vielleicht ein etwas zu schwaches Wort.
»Küss mich«, fordere ich sie heiser auf, obwohl mir vollauf bewusst ist, dass ich es war, der letztes Mal, als diese Worte zwischen uns fielen, den Schwanz eingekniffen hat und gerannt ist. Sie könnte beschließen, es mir mit gleicher Münze heimzuzahlen, und sie hätte jedes Recht dazu. Aber da sie noch vor wenigen Sekunden meinen Schwanz geleckt hat, hoffe ich, dass sie es nicht tut. »Gib mir, was du eben meinem Schwanz gegeben hast.«
Sie betrachtet mich, ihr Blick wandert zu meinem Mund, dann weiter nach unten über meine Brust und bis zu meinem Schwanz, der schon wieder halb hart ist. Als ihr prüfender Blick schließlich in mein Gesicht zurückkehrt, bin ich absolut bereit für diesen Kuss. Verzehre mich auf einmal so sehr danach, dass sich meine Eingeweide zusammenziehen, bis sich mein Bauch fast nach innen wölbt. Verdammt, wenn es sein muss, werde ich darum betteln.
Sie senkt den Kopf und berührt mich mit den Lippen. Aber nicht meinen Mund. Sondern mein Kinn. Meinen Kiefer. Meine Schläfen. Behutsam streifen ihre Lippen die verblasste, jahrzehntealte Narbe über meiner rechten Braue. Bei ihrer Zärtlichkeit, der Zuneigung, die in diesen leichten Berührungen liegt, fängt mein Herz an zu rasen. Hör auf mit dem Scheiß, blafft eine Stimme in mir, sie klingt herrisch, hektisch, unflätig. Ich brauche das, denn ich kann es mir nicht erlauben, mich in die Illusion zu verrennen, dass ich für sie mehr sein könnte als ihr Schwager und Vibrator-Ersatz. Aber ein anderer Teil von mir – und dieser Teil ist wie ein weites, ausgedörrtes Ödland – dürstet nach ihrer sanften Berührung. Dürstet danach wie ein Verdurstender, der mit blutigen Händen und Knien auf allen vieren durch dieses Ödland kriecht.
Auch meinen Augenlidern wird diese sanfte, aber sinnliche Liebkosung zuteil, ebenso wie dem kleinen Höcker auf meinem Nasenrücken. Als ihre Lippen vor meinen schweben, halte ich die Luft an – und ja, ich halte sie wirklich an, ganz wie ein verknallter Teenager. Und als dann ihr Mund zum ersten Mal meinen berührt, durchläuft mich ein Schauer, stark wie ein verdammtes Erdbeben. So entmannend, so verräterisch es auch ist, ich halte ganz still und warte darauf, dass ihre Lippen noch einmal meine finden.
Noch nie habe ich einen solchen Kuss erlebt; ich glaube, dafür war ich nie unschuldig genug. So küssen sich neugierige, nervöse Fremde bei ihrem ersten Date. Dieser Kuss sagt: Ich mag dich, ich möchte mehr über dich wissen. Erstens hatte ich praktisch nie ein Date, es sei denn, einer Frau in Bar oder Club einen Drink auszugeben gilt auch. Und zweitens sind den meisten Frauen, die ich gevögelt habe, meine Vorlieben, Abneigungen, Lieblingsgerichte oder –essen völlig egal. Sie standen auf meinen Ruhm und liebten meinen Schwanz. Mich kümmert das nicht, ich brauche nicht mehr von ihnen.
Aber Eden …
Mit einem Knurren, das direkt aus dem sich immer fester zuziehenden Knoten in meiner Brust kommt, ziehe ich ihren Kopf zu mir runter. In dem verzweifelten Versuch, das Verlangen zu ersticken, das noch mehr will als diesen von Lust befeuerten Irrsinn, öffne ich den Mund und stoße ihr die Zunge zwischen die Lippen. Hart. Das Knurren verebbt in einem Stöhnen, als ich sie schmecke, zugleich süß und sinnlich. Ich werde sofort süchtig danach, und während ich noch über ihren Gaumen lecke und meine Zunge um die ihre winde, sehne ich mich bereits nach dem nächsten Mal, dem nächsten High.
Ich bin noch klar genug im Kopf, um zu merken, wenn sie sich zurückzöge oder sich sträuben würde, und dann würde ich sie loslassen. Aber nein, verdammt, nein, sie ist voll dabei. Wölbt mir ihr Becken entgegen, saugt, knabbert an mir – teilt ebenso sehr aus wie ich. Die Finger in meinem Haar, öffnet sie die Lippen noch weiter, neigt den Kopf zur Seite; unser gegenseitiges Mundficken, das sich so harmlos als Kuss tarnt, wird heftiger. Denn ja, wir ficken. Vögeln. Feucht, laut, wild. Unsere Zungen gleiten, schlängeln sich, tanzen. Zähne schlagen aneinander. Lippen berühren sich, vereinigen sich.
Und weiter unten … da reibt sie ihren heißen, bestimmt klatschnassen Schritt über meinen härter werdenden Schwanz. Ich lege die Hand über die feste Wölbung und unterstütze, dränge sie, helfe ihr, einen Rhythmus zu finden, bis ich die Zähne zusammenbeiße und ihr bei jedem Hüftstoß mit dem Becken entgegenkomme. Scheiß drauf, dass der Jeansstoff über meinen Schwanz reibt. Die Lust zieht meine Eier fest zusammen und betrachtet dieses kleine Detail als völlig vernachlässigbar.
»Fass mich an«, flüstert sie am Ende eines langen Seufzers direkt an meinem Mund. »Bitte.«
Ich kann weder ihrer Bitte widerstehen noch dem schmerzlichen Drängen, das in ihrer Stimme vibriert.
Rasch öffne ich ihre Jeans und ziehe sie ein Stück runter, schiebe eine Hand hinten hinein und lasse sie über das seidenweiche Fleisch gleiten. Kann unmöglich widerstehen, ihren hübschen Hintern zu drücken, ehe ich mit den Fingerspitzen über ihre Pussy streiche, sie necke, ohne einzudringen. Ich umkreise sie, entlocke der Frau, die sich auf meinen Schenkeln windet und aufbäumt, ein Keuchen.
Der leise, begierige Laut zittert zwischen uns durch die Luft und stachelt mich weiter an. Ich schiebe die andere Hand zwischen Jeans und ihren Bauch, bis ich ihren wundervollen kleinen Kitzler erreiche. Sie zuckt zusammen wie bei einem Elektroschlag, ihr Rücken biegt sich so stark durch, bis sie an einen straff gespannten Bogen erinnert. Ihre Fingernägel bohren sich mir durchs T-Shirt in die Schultern, und bei dem leichten Brennen ächze ich auf. Heiße es willkommen. Hoffe, dass ich morgen beim Blick in den Spiegel entdecken werde, dass Spuren meine Haut zieren.
Reicht nicht. Reicht nicht. Die Worte hallen in meinem Verstand wider, immer lauter und schneller, bis sie wie ein erotischer Trommelschlag in meinem Schädel hämmern. Ich ergebe mich ihnen kampflos.
Ich ziehe meine Hände aus Edens Hose, und ihr enttäuschtes, frustriertes Wimmern erstirbt abrupt, als ich sie von meinem Schoß reiße und rasch die Position mit ihr tausche. Ich setze sie in die Sofaecke und knie mich auf den Boden, dann reiße ich ihre Jeans samt Höschchen runter und von ihren Beinen. Sie gibt einen erstickten Schrei von sich und drückt die Beine zusammen, versucht ihre Nacktheit vor mir zu verstecken. Versucht es. Denn ich erlaube es nicht.
Ich lege die Hände an die Innenseiten ihrer Oberschenkel und drücke sie auseinander, ganz weit, bis ich ungehinderte Sicht habe auf die hübscheste, perfekteste Pussy, die ich je gesehen habe. Vielleicht, weil die dunklen Locken und blütenzarten Schamlippen mit dem Beweis der Lust getränkt sind, die ich in ihr geschürt habe. Vielleicht, weil ihr Kitzler prall durchblutet und pulsierend zwischen den Schamlippen herauslugt.
Vielleicht, weil es Eden ist.
Ich senke den Kopf, fahre mit den Lippen ihr Bein hinauf, knabbere an der Stelle, wo der Schenkel in den Unterleib übergeht. Sauge mit einem tiefen Atemzug ihren berauschenden, köstlichen Duft in meine Lunge. Ja, wie ich es vermutet hatte: Noch immer Pfirsich und Sommersonnenglut, aber viel konzentrierter, moschusartiger. Süchtig machend. Ich habe sie noch nicht geschmeckt, doch ich weiß, dass es so ist. Und ich wäre willens, dafür zu sterben.
Knurrend tauche ich mitten hinein.
Und verliere mich darin.
Fahre mit langen, weiten Bewegungen zwischen ihren Beinen entlang. Ich sauge an dem kleinen rosa Knopf, fest und unbarmherzig an den Schamlippen, die noch um einige Nuancen dunkler sind als ihre braune Haut. Stoße die Zunge in sie hinein. Winkle ihr Becken an, neige den Kopf und vergrabe mich in ihr. So gut. So verdammt gut. Ich kriege nicht genug davon.
Ihre Nägel kratzen über meine Kopfhaut, meine Schultern. Sie windet sich unter meinem Mund, bäumt sich auf – will sich näher drängen oder mir entkommen, Scheiße, ich weiß es nicht. Aber da mir ihre erstickten Schreie in den Ohren gellen und sie sich gegen meinen Mund wirft, tippe ich auf Näherdrängen.
»Knox, o Gott, bitte. Bitte. Härter. Mehr«, bettelt sie mit heiserer, fast brechender Stimme.
Definitiv näher.
Ich gebe ihr, worum sie fleht.
Ohne Zögern schiebe ich zwei Finger tief in sie hinein. Und hätte fast aufgeheult, als sich ihr glattes, weiches, muskulöses Inneres fest um mich zusammenzieht. Mein Schwanz, der sich inzwischen vollständig erholt hat und steif gegen meinen Unterbauch drückt, pocht vor Eifersucht. Tja, ich kann’s ihm nicht verdenken.
Ich senke erneut den Kopf, folge mit der Zungenspitze dem Pfad hinter ihrer Pussy, über das glatte Stück Haut hinweg bis zu der gekräuselten Öffnung, die sich zwischen ihren Arschbacken verbirgt. Sie versteift sich, wirkt zum ersten Mal, seit mein Mund ihre Haut berührt hat, unsicher. Das hält mich nicht davon ab, über ihren Hintereingang zu lecken, die Zunge ganz vorsichtig ein klein wenig hineinzustoßen.
»Knox«, protestiert sie, drückt gegen meinen Kopf, und ich lasse mit dem Mund von ihr ab, ersetze ihn aber durch meinen Finger. Dringe nicht ein, umkreise die Öffnung jedoch behutsam. Lasse sie wissen, dass ich gern dort hineinmöchte in diese verbotene Enge, in die, so nehme ich an, noch nie zuvor jemand vorgestoßen ist. Diese Erkenntnis rast mit einer so urtümlichen Wucht durch meinen Verstand, dass es mir eine Warnung sein sollte: Ich stecke schon viel zu weit, zu tief in dem, was … was auch immer das zwischen uns sein mag.
Ich konzentriere mich auf ihren Kitzler, schlage mit der Zungenspitze dagegen. Lasse ihren Hintern – vorerst – in Frieden und richte die Aufmerksamkeit wieder auf die andere Öffnung, dringe ein. Ficke sie mit den Fingern. Verdammt. Ich könnte das die ganze Nacht lang tun. Ach, Quatsch. Für immer. Hier verweilen zwischen ihren schlanken, braunen Schenkeln. Aber ihre Schreie und die Art, wie sie verzweifelt meinen Kopf packt und mir fieberhaft das Becken entgegenwölbt, verraten unmissverständlich, dass sie kurz davor ist und es nicht mehr lange aushalten wird. Und was immer ich mir wünsche, sie hat Vorrang. Außerdem sehne ich mich danach, wieder zu spüren, wie sie sich beim Orgasmus so kraftvoll, fast schmerzhaft um mich zusammenzieht. Will ihr leidenschaftliches Wimmern hören. Giere danach, zu sehen, wie sich ihre Schamlippen röten und anschwellen, wenn sie kommt.
Ich nehme ihren Kitzler zwischen den Lippen gefangen, streife ihn mit den Zähnen. Beiße ganz leicht hinein. Gerade genug, dass es fast wehtut, während ich zugleich mit den Fingern in ihr bin und die kleine Stelle massiere, die sie so scharfmacht.
Und ja, sie explodiert. Und es ist wunderschön.
Sie ist wunderschön.
Ich lasse nicht von ihr ab, achte darauf, dass sie jedes Erschauern und Zittern mitnimmt. Erst dann richte ich mich widerstrebend auf, denn ich weiß: Wenn ich mich meinem Drang ergebe, weiter an ihr zu lecken und zu saugen, könnte es zu viel sein für das empfindsame Gewebe. Und die Vorstellung, ihr Unbehagen zu bereiten, ist das Einzige, was meiner Lust Einhalt gebieten kann.
Ich stehe auf und blicke auf sie hinunter. Halb nackt, die Beine immer noch weit gespreizt, liegt sie da, die Brust hebt und senkt sich unter ihren tiefen, lauten Atemzügen. Das wirre Haar fällt ihr über Schultern, Hals und Gesicht. Ihre Augen sind geschlossen, gesäumt von dunklen Wimpern, sie driftet in den Schlaf hinüber … Jahrelang habe ich mir vorgestellt, wie sie wohl aussähe, nachdem ich mit dem Gesicht zwischen ihre Beine getaucht bin, ihren Geschmack im Mund, auf meiner Zunge. Keine meiner Phantasien kann mit der Wirklichkeit mithalten. Die Bilder von damals sind wie unscharfe Schwarz-Weiß-Fotografien, sie hingegen leuchtet in solcher Farbenpracht und HD-Qualität, dass es mir in den Augen wehtut.
Plötzlich überschwemmt mich ein tiefes Unbehagen, eine ganze Wagenladung von Was-zum-Teufel-hab-ich-getan.
Versprich es mir. Du musst es mir versprechen, Knox.
Die Bitte, die Forderung, schleicht sich in meine Gedanken und lässt sich nicht vertreiben. Ich lege den Kopf in den Nacken, wische mit der Handfläche über Lippen und Kinn, rieche Eden auf meiner Haut. Geschenk und stumme Anklage zugleich. Meine Unruhe, meine Schuld graben sich tiefer in mich, schlingen sich wie knorrige Ranken um meinen Brustkorb, mein Herz, um sämtliche Organe. Denn als Verlangen und Befriedigung verebben, habe ich den Stimmen nichts mehr entgegenzusetzen, die mir zuflüstern, dass ich kein Recht habe, sie zu berühren, mich an ihr zu erfreuen. Dass sie mich, würde sie die Wahrheit auch nur im Entferntesten erahnen, niemals geküsst hätte. Nie geduldet hätte, dass ich sie küsse.
Eden, Jude, Simon, Jake – sie alle haben mir versichert, dass ich keine Schuld an Connors Tod trage. Aber keiner von ihnen weiß, dass ich jenen letzten Kampf hätte verhindern können, es jedoch nicht getan habe. Connor war ein guter Kämpfer; obwohl er aufs College gegangen ist, haben wir stets gemeinsam trainiert. Und als er bei der BFC angefangen hat, ist er besser gewesen als der durchschnittliche Anfänger. Doch für diesen Kampf war er noch nicht bereit. Zwei Jahre Erfahrung im professionellen Kampf reichen nicht aus, um jemandem gegenüberzutreten wie dem Halbschwergewichtschampion Jordan McNamara. Die Veranstalter allerdings hatten darauf gedrängt, dass bei diesem Event beide Gordon-Brüder antreten. Anfangs habe ich versucht, es Connor auszureden. Er ist stur gewesen, so wie wir alle, ein Erbe unseres Vaters. Doch ich hätte damals genug Einfluss gehabt, um dafür zu sorgen, dass das Match abgesagt wird. Im Notfall, indem ich mich selbst weigerte, anzutreten.
Aber ich habe es nicht getan.
Aus mehreren Gründen: Zum einen wäre Connor stinksauer gewesen, und das ist noch sehr freundlich ausgedrückt. Außerdem hat mir die Vorstellung, dass wir zum ersten Mal beim selben Event auftreten, selbst gut gefallen. Und seinen Kampf zu verhindern, hätte bedeutet, auch meinen eigenen abzusagen. Ich aber wollte unbedingt gegen Israel Clarkson antreten, den dreimaligen BFC-Champion im Schwergewicht. Ihn zu schlagen, hätte meiner Karriere und meinem Ruf als einer der Besten in diesem Sport viel genützt.
Tja, ich hatte Clarkson geschlagen, und mein Bruder war gestorben.
Mein Ehrgeiz hat mir den Titel eingebracht, dafür habe ich einen der Menschen verloren, die mir am allermeisten auf der Welt bedeuteten.
Und jetzt stehe ich hier über seiner Frau – jener Frau, die ich seit Jahren heimlich begehre – und bin schon wieder selbstsüchtig.
Ich knirsche so kräftig mit den Zähnen, dass meine Kiefer schmerzen.
Wenn Eden die ganze Wahrheit kennen würde – wie ich Connor gegenüber versagt habe, ihr gegenüber, meiner Familie –, hätte sie sich dann immer noch so eifrig zwischen meine Beine gekniet? Mich in den Mund genommen, in die Kehle? Mir erlaubt, ihre Beine weit zu spreizen und sie mit der Zunge zu ficken?
Oder hätte sie mich angesehen, mit einer solchen Trauer, Enttäuschung, solchem Hass in den Augen wie in meinen Träumen, aus denen ich tief in der Nacht schweißnass und mit rasendem Herzen aufschrecke?
Ich weiß es nicht.
Es spielt auch keine Rolle, denn eins kann ich nicht leugnen: Ich kenne die Wahrheit. Und ich hätte mich von ihr fernhalten sollen. Unsere Beziehung auf der rein geschwisterlichen Ebene belassen sollen. Es steht mir nicht zu, mehr zu wollen, nicht einmal die Verwirklichung meiner Phantasie, sie zu berühren.
Selbst wenn das bedeutet, dass ich körperlich und emotional Distanz zwischen uns schaffen muss, ich muss es tun – denn das hier zu wiederholen, kommt nicht infrage.
Ich achte nicht auf den bohrenden Schmerz in meiner Brust, als ich mich vorbeuge und die Arme unter ihre Schenkel und Schultern schiebe. Sie zuckt nicht mal mit der Wimper, schmiegt sich aber dicht an mich, als ich sie hochhebe. Es sticht noch schlimmer in meiner Brust als zuvor, trotzdem trage ich sie durch den kurzen Flur, betrete ihr Schlafzimmer und lege sie auf das Bett, das Jude und ich vor einer Stunde zusammengebaut haben.
Sie wacht nicht auf, als ich sie zudecke und die Tür hinter mir schließe.
Wahrscheinlich wird sie sich beim Aufwachen alleingelassen fühlen, gekränkt sein, dass ich einfach gegangen bin. Und angesichts dessen, was zwischen uns gelaufen ist, benehme ich mich wie ein Arschloch. Doch die Alternative, mich neben sie zu legen und sie dicht an mich zu ziehen, sodass das Erste, was sie morgen früh sieht, mein Gesicht wäre, ist undenkbar.
Vor allem, wenn ein Geist und meine Schuld zwischen uns stehen wie eine undurchdringliche Mauer.