William beobachtete, wie Tiziana ihr Handy weglegte. Sie wirkte etwas genervt.
»Pia?«
»Ja. Netterweise hat sie heute mal eine Nachricht geschickt.«
William setzte sich neben Tiziana. Er war gerne in ihrer Wohnung, weil er den Eindruck hatte, dass jedes Möbelstück ihm von ihr erzählte.
»Bist du sauer auf sie?«
Tiziana erhob sich, ging ans Fenster. William sah ihr hinterher, wartete einfach nur ab. Sie ließ sich Zeit mit der Antwort. Schließlich hob sie den Arm leicht an, wobei ihre Armbänder klimperten.
»Ich glaube, ja.«
William klopfte auf den freien Platz auf der Couch neben sich.
»Komm her, honey. Erklär mir das!«
Wie ein kleines Mädchen setzte sich Tiziana schmollend zu ihm.
»Ja, verdammt, ich bin sauer auf sie. Ich weiß, dass das dumm ist. Aber, santo cielo, ausgerechnet jetzt verschwindet sie?«
»Was meinst du mit ausgerechnet jetzt?«
»Na … eben … jetzt. Ich meine, wen soll ich denn um Rat fragen, wenn nicht Pia? Dabei habe ich selbst ihr geraten, sich mal eine Auszeit zu nehmen. Aber, William, ich brauche sie jetzt! Ich kann das nicht alleine.«
»Du kannst was nicht alleine?«
William hasste sich gerade ein bisschen dafür, dass er nicht begriff, um was es Tiziana genau ging.
»Das mit dir, William. Woher soll ich wissen, ob ich es richtig angehe? Pia ist die einzige Person, die mich wirklich kennt. Sie weiß immer, was zu tun ist, immer, wie ich mich zu verhalten habe. Sie weiß es einfach. Und ohne sie bin ich aufgeschmissen.«
Ach, darum ging es ihr also. William konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er strich Tiziana eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Das ist nicht lustig«, fand Tiziana, wurde bei seiner Berührung aber gleich viel weicher. Und William liebte es, dass er diese Art Macht besaß. Was machte diese Frau nur mit ihm?
»Das ist es in der Tat nicht, Tiziana. Aber, weißt du, ihr alle müsst lernen, auch ohne Pia zurechtzukommen.«
Tiziana ließ seine Worte lange auf sich wirken.
»Wir haben sie alle als Mülleimer für unsere Sorgen, Probleme und Fragen benutzt, oder?«
William zuckte mit den Achseln.
»Das weiß ich nicht. Ich kann es nur vermuten. Auf mich hat sie immer wie eine Person gewirkt, die auf der Suche nach etwas ist. Deshalb war sie mir wahrscheinlich gleich so vertraut. Auch ich habe unbewusst nach etwas gesucht. Daher wohl diese Affinität, die wir beide sofort gespürt haben.«
»Hast du dieses Etwas denn jetzt gefunden?«
Tiziana räusperte sich und schaute auf ihre Fingernägel.
»Ja. Das habe ich, Tiziana. Ich habe einen Teil von mir gefunden, den ich irgendwo im Verlauf meines Lebens verloren hatte. Ich weiß jetzt wieder, wie es ist, verliebt zu sein. Und es ist … Ja, es ist toll. Es macht mich lebendig, tatdurstig und wieder zuversichtlich, was die Zukunft betrifft.«
»Das klingt schön.«
»Ist es auch.«
»Und wieso habe ich das Gefühl, dass es ein Aber gibt?«
»Weil es immer ein Aber gibt, Tiziana.«
»Schließt dieses Aber mich aus deiner Zukunft aus?«
William drückte zärtlich ihre Hand.
»Ich möchte, dass du Teil meiner Gegenwart bist.«
»Siehst du, jetzt ist es so weit. Das ist so eine Situation, in der ich mich an Pia gewandt hätte. Dein letzter Satz sagt doch alles und nichts.«
»So soll es auch sein. Ich kann dir meine Gegenwart schenken. Lass uns doch einfach jeden Tag erleben, ohne dabei an das Nachher zu denken. Versprechen kann ich dir im Moment nichts.«
»Das ist ziemlich wenig …«
William legte Tiziana die Hand in den Nacken, rückte näher an sie heran, kam sich dabei vor, wie ein Teenager beim ersten Hormonschub. Er konnte ihr einfach nicht widerstehen.
»Oh, glaub mir, das ist eine ganze Menge«, entgegnete er.
Tiziana seufzte tief.
»Pia hätte mich jetzt bestimmt gebeten, vernünftig zu sein und nur ja nichts zu tun, was mich verletzen könnte.«
»Pia ist jetzt aber nicht da, oder?«
»Das stimmt allerdings«, grinste Tiziana jetzt und ließ sich endlich küssen.
Der Kuss dauerte aber nicht lang. Widerwillig ließ William von ihr ab.
»Wo willst du denn hin?«
»Ich habe Pasquale versprochen, ihm noch etwas zu helfen …«
»Das meinst du doch nicht ernst, oder?«, fragte Tiziana und rollte mit den Augen.
»Doch. Oh, doch. Und wenn ich etwas verspreche, dann halte ich Dummkopf es auch. Immer.«