E r hatte einen Freund .
Das war etwas, von dem Jaren nie erwartet hätte, dass er es einmal sagen würde. Nicht, dass er viel Wert auf sein Hetero-Label gelegt hätte, aber nachdem er so lange mit Bridget zusammen gewesen war, hatte er nicht einmal mehr darüber nachgedacht. Und jetzt hatte er einen Freund. Einen hinreißenden, süßen, sexy und unglaublich fürsorglichen Freund, der ihm seit Wochen zeigte, wie sehr er ihn liebte. Es waren die kleinen Dinge, wie zum Beispiel seine Bemühungen, ordentlicher zu sein und der wunderbaren Feier, die er an Jarens erstem Tag im neuen Job veranstaltet hatte.
Im Nachhinein war es so einfach zu erkennen, was in seiner Beziehung zu Bridget gefehlt hatte. Wie hatte er jemals glauben können, dass das wahre Liebe war? Sie hatte ihn nie gekannt. Sah nur das, was er zeigen wollte. Aber Reid kannte den echten Jaren, und je näher sie sich kamen, desto mehr traute sich Jaren, ihm jede Seite von sich zu zeigen.
Und jetzt hatte er einen echten Freund. Er war immer noch ganz aufgeregt wegen des Kusses, den sie geteilt hatten, der Frottingrunde und der Art, wie Reid ihm einen geblasen hatte. Er musste immer wieder daran denken, und jedes Mal reagierte sein Körper von Neuem. Gott, er musste darüber reden. Er wollte es unbedingt seinen Brüdern erzählen, aber das war ein bisschen kompliziert, während Reid genau neben ihm war.
Er räusperte sich. „Ich werde für ein paar Minuten nach draußen gehen.“ Reid sah ihn fragend an. „Ich muss mal telefonieren.“
Reids Miene erhellte sich, als er verstand. „Willst du es deinen Brüdern erzählen?“
„Ja, aber …“
„Aber nicht, während ich im selben Raum bin. Ich verstehe.“
„Es ist … Ich will nicht unhöflich sein, aber …“
„Du kannst nicht frei reden, wenn ich hier bin, und sie auch nicht. Ich verstehe es wirklich.“ Er schob seinen Stuhl vom Esstisch zurück, an dem er saß und wieder skizzierte. „Warum gehe ich nicht einkaufen und besorge ein paar Sachen fürs Abendessen? Auf dem Rückweg kann ich uns noch ein paar schöne Eiskaffees holen.“
„Es sind fünfunddreißig Grad da draußen und viel zu heiß, um unterwegs zu sein. Ich bekäme ein schlechtes Gewissen, wenn du der Hitze trotzen müsstest. Ich kann sie ein anderes Mal anrufen, oder selbst gehen.“
Reid schüttelte den Kopf. „Du kannst beim Einkaufen auch nicht frei reden, wenn du dauernd aufpassen musst, dass andere nicht mithören. Ist schon in Ordnung. Einer von uns müsste sowieso gehen.“
Jaren öffnete den Mund, um erneut zu protestieren, aber ein Blick in Reids entschlossenes Gesicht ließ ihn es sich anders überlegen. Er meinte es ernst. Reid verstand, warum es wichtig war, und er hatte dieses Angebot aus eigenem Antrieb gemacht. Jaren sollte aufhören, sich deswegen schuldig zu fühlen. Stattdessen ging er zu ihm hinüber und umarmte ihn. Reid schlang seine Arme um ihn herum, und Jaren legte seinen Kopf an seine Schulter. „Danke für dein Verständnis.“
„Das ist nichts, wofür du dich bedanken müsstest.“
Jaren ließ los und hob seine Lippen, eine Einladung, die Reid mit einem sanften Kuss beantwortete. „Jetzt geh und ruf deine Brüder an. Ich schicke dir eine Nachricht, wenn ich fast zu Hause bin, damit du weißt, wann du mich wieder erwarten kannst.“
Ein weiterer Kuss folgte und dann verschwand Reid zur Tür hinaus, zwei Einkaufstüten in der Hand. Jaren hatte sein Handy bereits in der Hand, bevor die Haustür ganz geschlossen war. Er startete einen Gruppenanruf auf FaceTime , und innerhalb von Sekunden hatte Hadley abgenommen, der verschwitzt aussah, obwohl er saß. „Hey, was gibts?“, sagte er.
„Ich habe einige Neuigkeiten zu berichten, aber warten wir auf die anderen.“
„Lagan schnappt sich gerade sein Handy.“
Sekunden später nahm Lagan das Gespräch an. „Hey, Bro. Wie gehts dir? Du siehst bemerkenswert frisch aus, wenn man die Temperaturen bedenkt.“
„Reid hat eine fantastische Klimaanlage in seinem Loft.“
„Oh mein Gott, ich bin so neidisch“, sagte Lagan und fächelte sich Luft zu. „Hier ist es wie in einer verdammten Sauna, selbst wenn die Ventilatoren an sind.“
Jetzt warteten sie nur noch auf Nordin, der oft ein wenig mehr Zeit brauchte. Moment, war er überhaupt in Seattle? Am Abend zuvor war er es gewesen, als sie sich getroffen hatten, aber hatte er nicht erwähnt, dass er abreisen müsste? „Ist Nordin auf Geschäftsreise?“, fragte er, aber bevor jemand antworten konnte, tauchte Nordins Gesicht auf dem Bildschirm auf. Er sah aus, als wäre er gerade erst aufgewacht, die Haare standen in alle Richtungen ab, und auf seinen Wangen waren noch Kissenfalten eingeprägt.
„Habe ich dich geweckt?“, fragte Jaren.
„Ja, aber es ist schon in Ordnung.“
„Das will ich hoffen, denn es ist schon nach Mittag“, sagte Hadley.
„Ja, und?“ Nordin gähnte.
„Er hat recht“, kam ihm Jaren zu Hilfe. „Was macht es schon, wenn er mittags noch schläft? Es ist ja nicht so, dass es ein Gesetz gibt, das besagt, dass man bis dahin aufgestanden sein muss.“
Drei erstaunte Augenpaare blickten ihn an, und es war Nordin, der zuerst antwortete. „Okay, wer bist du und was hast du mit Jaren gemacht? Nicht, dass ich die Unterstützung nicht zu schätzen wüsste, aber das kam aus heiterem Himmel.“
Jaren lächelte. Nordin hatte recht. Noch vor ein paar Wochen hätte Jaren nicht so reagiert. Es lag alles an Reids gutem Einfluss. „Sagen wir einfach, ich habe angefangen, viele Dinge in einem anderen Licht zu sehen.“
„Ah, dank Reid, nehme ich an?“ Nordin grinste.
„Deswegen rufe ich an. Wir …“ Gott, wie sollte er es nur sagen? „Es gibt jetzt ein wir . Reid und ich … Wir sind seit heute zusammen. Feste Freunde.“
Das Jubelgeschrei seiner drei Brüder war so laut, dass er das Handy so weit wie möglich von sich weghalten musste, während er lachte. Als sie sich ein wenig beruhigt hatten, brachte er das Handy wieder näher.
„Details“, forderte Nordin. „Wir wollen alle Details hören, vor allem die sexy Details.“
Ja, das hätte er kommen sehen müssen, wenn man bedenkt, dass sie alle auf Männer standen – Jaren jetzt eingeschlossen. Er hatte es vorher nicht bemerkt, aber es brachte auch eine neue Tiefe in seine Beziehung zu seinen Brüdern. Nicht, dass sie ihm jemals das Gefühl gegeben hätten, ein Außenseiter zu sein, aber er war manchmal der Außenseiter gewesen, wenn sie über Sex und ihre Dates gesprochen hatten. Und jetzt konnte er seine Erfahrungen mit ihnen teilen.
„Ich brauchte eine Weile, um herauszufinden, was ich für Reid empfand, denn es war anders als alles andere, was ich je erlebt hatte, selbst mit Bridget. Aber heute Morgen wurde mir klar, was es war. Wir teilen nicht nur eine körperliche Anziehung. Ich mag ihn wirklich. Er ist nett und süß und fürsorglich, und er kümmert sich so gut um mich. Aber es ist eine ganz andere Dynamik, und das hat mich aus der Bahn geworfen.“
„Das klingt wunderbar“, sagte Hadley, dem die Herzchen praktisch aus den Augen sprangen.
„Habe ich euch erzählt, dass er eine kleine Feier veranstaltet hat, um meinen ersten Tag im Grey Sloan zu zelebrieren? Er hat mir sogar eine teure Flasche Wein gekauft. Das sind diese Art von Dingen, die er tut, die seine Fürsorge zeigen.“
„Ja, ja, ja.“ Nordin rollte mit den Augen. „Können wir jetzt zu den sexy Details kommen?“
„Du meinst den Blowjob, den er mir heute Morgen gegeben hat?“
Hatte er das gerade wirklich gesagt? Warum zum Teufel nicht? Die anderen hatten immer alle Details über ihre Eskapaden geteilt, und wenn Reid ein Problem damit hatte, hätte er es gesagt, als Jaren ihm sagte, dass er seine Brüder anrufen würde. Verdammt, er hatte ihm erst die Privatsphäre für den Anruf ermöglicht. Er musste gewusst haben, dass dieses Thema aufkommen würde.
Nordin pfiff zwischen anerkennend. „Das hört sich schon besser an. Taugt er was? Ich wette, das tut er. Gott, seine prallen Lippen sehen bestimmt richtig gut aus, wenn sie sich um deinen Schwanz legen.“
„Ja, das tun sie, aber du wirst es nie zu sehen bekommen“, schnauzte Jaren und lachte dann über sich selbst. Reid war erst seit ein paar Stunden sein Freund, und schon beanspruchte er ihn für sich?
Nordin grinste ebenfalls und hielt die Hände hoch. „Wollte dich nur aufziehen, Mann. Du weißt, dass ich ihn nie anfassen würde.“
Das würde er nicht tun. Sie hatten von Anfang an einen strengen Bro-Kodex eingehalten und waren nie hinter den Liebhabern oder gar den Ex-Freunden eines anderen aus ihrer Gruppe her gewesen. „Ich weiß.“
„Aber dein kleiner Anfall von Eifersucht war ziemlich bezeichnend“, sagte Hadley.
Jaren seufzte. „Ich mag ihn wirklich. So habe ich mich noch nie gefühlt.“
„Ich freue mich so für dich“, sagte Lagan, und Jaren wurde es warm ums Herz. Der Tag, an dem er diese drei Männer kennengelernt hatte, war der beste Tag seines Lebens gewesen.
„Ich habe ihm von meiner Mutter erzählt“, sagte er leise. „Und von einigen Dingen, die im Heim passiert sind.“
Die anderen wurden still und tauschten vielsagende Blicke aus. Sie alle wussten, wie selten es war, dass er über seine Vergangenheit sprach.
„Du hast nie mit Bridget darüber gesprochen, nicht wahr?“, fragte Lagan.
„Sie hatte keine Ahnung. Das lag an mir, aber sie hat auch nie danach gefragt. Sie wusste, dass ihr drei nicht meine Blutsbrüder seid und dass wir uns im Heim kennengelernt haben, aber sie hat nie nach Details gefragt.“
„Ich verstehe“, sagte Hadley mit freundlichem Blick. „Es ist nicht leicht, darüber zu sprechen, vor allem nicht mit jemandem, der aus so privilegierten Verhältnissen stammt wie sie. Ich meine, wo soll man da überhaupt anfangen?“
„Stimmt, aber Reid ist ihr Bruder, er kommt also aus demselben Umfeld“, warf Nordin dazwischen.
„Das tut er, aber sie sind völlig unterschiedlich. Er macht es mir leicht, zu reden und ich selbst zu sein.“
„Das klingt fantastisch.“ Der wehmütige Blick in Hadleys Augen war nicht zu übersehen.
„Ich freue mich wirklich für dich, aber können wir zurück zum Sex kommen?“, fragte Nordin, dem es wie immer unangenehm war, seine Gefühle zu zeigen. Er zeigte sie selten, obwohl Jaren wusste, dass sie viel tiefer gingen, als er jemals zugeben würde. Also ließ er ihn gewähren, denn er wusste, dass Nordin so mit dem umging, was das Schicksal ihm zuwarf.
„Er ist ein großartiger Küsser. Unser erster Kuss heute Morgen war verdammt heiß, und wir sind schon gekommen, als wir uns aneinander gerieben haben.“
Lagans Augen leuchteten auf. „Oh, während ihr noch angezogen wart?“
Jaren nickte.
„Verdammt, das ist so heiß.“
„Es ist verrückt.“ Hadley runzelte die Stirn. „Ich kann mir lustigere Wege vorstellen, um zu kommen, die nicht so umständlich sauber zu machen sind.“
Jaren grinste. „Glaub mir, es hat viel Spaß gemacht. Und dann haben wir zusammen geduscht, gefolgt von diesem Blowjob, und die ganze Sache war einfach episch.“
„Wie kam es, dass ihr jetzt feste Freunde seid? Ist es einfach so passiert, oder habt ihr darüber gesprochen?“, fragte Hadley.
„Wir haben darüber gesprochen, und ich habe ihm gesagt, dass ich jetzt, da ich diese Entscheidung getroffen habe, es offiziell machen möchte. Ich will mich nicht verstecken.“
„Sieh mal einer an, wie erwachsen du dich benimmst“, sagte Lagan. „Ich bin so stolz auf dich.“
„Ich bin so glücklich. Ich weiß, ich klinge wie ein Idiot, aber ich glaube, ich war noch nie zuvor so glücklich in meinem Leben.“
„Wer hätte gedacht, dass die Trennung von Bridget das Beste ist, was dir je passieren konnte?“, sagte Hadley.
Bridget . Das war die einzige große Sorge, die sie noch hatten. Jaren atmete tief durch. „Wir werden es ihr sagen müssen. Ich habe Reid bereits gesagt, dass ich es tun werde. Sie verdient es, es von mir zu hören.“
„Das stimmt. Und warte nicht zu lange, denn das Letzte, was du willst, ist, dass sie es von jemand anderem erfährt“, warnte Hadley ihn.
„Ich weiß. Das habe ich auch gesagt.“
„Und das Geld?“, fragte Nordin.
„Ich habe beschlossen, es auf sich beruhen zu lassen. Jetzt, da Reid und ich zusammen sind, fühlt es sich noch falscher an es einzuklagen. Ich weiß, dass ich gute Argumente dafür vorbringen kann, dass Bridget mir zumindest einen Teil zurückzahlt, aber ich werde es nicht erzwingen.“
„Es ist wirklich scheiße, weil es eine Menge Geld ist, aber ich denke, es ist die richtige Entscheidung“, sagte Nordin und seufzte. „Aber wenn du willst, dass ich ihren Vater ins Visier nehme, und sei es nur ein bisschen, dann sag es mir bitte.“
Jaren wollte gar nicht wissen, wie Nordin das anstellen würde, aber er würde es tun. Jaren brauchte nur grünes Licht zu geben, und Charles Welz’ Schicksal würde sich zum Schlechten wenden … und niemand würde es je herausfinden, denn Nordin war erschreckend gut in solchen Dingen. „Nicht jetzt, aber danke. Ich wollte euch nur zu einem Freitagsessen bei uns einladen.“
„Bei uns ? Du willst mit Reid dort wohnen bleiben?“, fragte Hadley.
Jaren runzelte die Stirn. Hm, daran hatte er gar nicht gedacht. Reid hatte Jaren schon bevor sie zusammen waren, so deutlich gemacht, dass er nicht darüber nachgedacht hatte, seine Wohnsituation jetzt zu ändern. „Ich denke schon? Wir haben noch nicht darüber gesprochen.“
„Das würde dir eine Menge Geld sparen“, sagte Hadley so praktisch veranlagt wie immer.
„Ja, obwohl das nicht der Hauptgrund ist.“
„Natürlich nicht, aber es ist ein netter Bonus, nachdem du bei der Hochzeit so viel verloren hast.“
Hadley hatte nicht ganz unrecht.
„Jedenfalls wollte ich euch das mitteilen, bevor wir uns am Freitag sehen.“
Kaum hatte er das Gespräch beendet, schrieb Reid, dass er auf dem Rückweg sei. Perfektes Timing.
„Was haben deine Brüder gesagt?“, fragte Reid, während sie gemeinsam die Einkäufe einräumten und zwischendurch an ihren Eiskaffees nippten.
„Sie haben sich sehr für mich gefreut. Und Nordin wollte Details wissen.“
Reid grinste. „Du hast ihnen also brühwarm erzählt, was wir heute früh gemacht haben? Was sagt die Jury?“
Puh! Er hatte nichts zu befürchten, denn es machte Reid nichts aus, dass er seinen Brüdern alles erzählt hatte. „Irgendwie schon. Ich habe ihnen gesagt, dass du sehr, sehr gut im Blasen bist.“
Reid küsste ihn. „Schön zu hören, dass ich deine Anerkennung verdient habe. Muss ich mir Sorgen machen, ob ich auch ihre Zustimmung erhalte?“
„Nein. Sie sind schon an Bord. Ich habe sie eingeladen, diesen Freitag hierherzukommen, damit sie dich offiziell kennenlernen können.“
Reid erstarrte, dann schluckte er. „Du meinst, wir werden euer Freitagsdinner hier ausrichten? Oh Gott. Das ist eine Menge Druck.“
Oh, wie süß von ihm, dass er deswegen nervös wurde. „Du kommst schon klar. Mach dir keine Sorgen.“
Den Rest des Tages schwelten sie in zuckersüßer Zuneigung, wie Nordin es genannt hätte, und kuschelten trotz der Hitze miteinander. Sie redeten, knutschten, redeten noch ein wenig mehr und kühlten sich mit Eiscreme ab. Was für ein perfekter Tag.
Reid gähnte, und Jaren sah auf die Uhr. Es war kurz vor zehn. „Zeit fürs Bett“, sagte er leise.
„Das ist es.“ Reid löste sich von Jaren und erhob sich von der Couch.
„Reid?“
„Was denn, Hübscher?“
„Willst du mit mir in deinem Bett schlafen?“
Reids Lächeln ließ sein Herz höher schlagen. „Das würde ich wirklich gern.“