Ich habe ihn nicht gefragt, ob er mich noch lieben würde, wenn ich meine Schönheit verlieren würde, sagte Lena, ich habe die Frage ganz allgemein gestellt. Aber er hat sie so verstanden, sagte ich. Und als wir uns trennten, hat er versucht, mich auf den Mund zu küssen, sagte sie, aber ich habe den Kopf weggedreht. Ein wenig zu spät, sagte ich. Und was geschieht nun, wenn ich meine Schönheit verliere?, fragte Lena. Liebt er mich dann immer noch? Sie sind noch so schön wie damals, sagte ich. Ich rede nicht von Ihnen, sondern von Chris und mir, sagte Lena.
Wir gingen schon seit längerem eine dichtbefahrene Straße entlang, an der auf beiden Seiten Industriegebäude standen, Lagerhallen und Werkstätten und einmal eine Autowerkstatt mit einer geschlossenen Tankstelle. Daneben war ein großer Platz voller Gebrauchtwagen. Ich muss ganz dringend auf die Toilette, sagte Lena. Da vorne ist Licht, sagte ich, und tatsächlich kamen wir nach einigen hundert Metern zu einem hellerleuchteten Möbelgroßmarkt, der noch geöffnet war. Wir schienen die einzigen Kunden zu sein. Als mich ein einsamer Verkäufer nach unseren Wünschen fragte, behauptete ich, mich für einen Lesesessel zu interessieren, während Lena verschwand, um nach der Toilette zu suchen. Der Verkäufer zeigte mir verschiedene Modelle und erläuterte mir in gebrochenem Englisch ihre Vorzüge. Nach ein paar Minuten kam Lena zurück, hakte sich bei mir unter und sagte, aber wir wollten doch ein Bett kaufen, Liebling. Und zum Verkäufer sagte sie, wir sind nämlich frisch verheiratet und brauchen dringend ein stabiles Bett, aber mein Mann ist etwas verklemmt. Der Verkäufer schüttelte verdutzt den Kopf und sagte, Schlafzimmer befänden sich im dritten Stock. Wir schließen in zwanzig Minuten, sagte er und zeigte zu den Aufzügen, und wir bedankten uns.
In der Bettenabteilung waren Kojen mit Einrichtungsvorschlägen aufgebaut, simulierte Schlafzimmer mit Betten und Nachttischen und Wandschränken. Lena war vor einem Himmelbett im Kolonialstil mit weißen Tüllvorhängen stehen geblieben. Links und rechts des Bettes standen passende Nachttische und riesige schmiedeeiserne Kerzenständer mit goldenen Kerzen. An der dünnen Stellwand, die das Zimmer vom nächsten trennte, hing ein Bild von einem Märchenwald, einer Waldlichtung, auf der ein mächtiger Hirsch friedlich graste. Süße Träume, sagte Lena und lachte. Wär ich ein muntres Hirschlein schlank, wollt ich im grünen Walde gehn … Können Sie sich die Person vorstellen, die sich ein solches Schlafzimmer kauft? Mit wenigen Bewegungen und Mienen und Sätzen spielte sie die Frau, die sich von ihrem Mann diese Möbel wünschte. Liebling, sagte sie, bitte, bitte! Ich wollte schon immer ein Himmelbett.
Weit und breit war kein Verkäufer zu sehen, und es hatte etwas Unheimliches, durch diese Ansammlung von unbelebten Lebensentwürfen zu gehen, die sich in ihrer Sterilität doch alle glichen. In der nächsten Koje standen rustikale Fichtenmöbel, und Lena wurde zur patenten Mutter und Hausfrau, die mir in erfundenem Schwedisch erläuterte, wie einfach das alles zusammenzubauen und abzuwaschen sei und wie wir aus dem Kajütenbett zwei einzelne Betten machen könnten, wenn unsere Kinder älter sein würden und jedes sein eigenes Zimmer haben wollte. Wie viele Kinder haben wir noch mal?, fragte ich. Zwei natürlich, sagte sie, einen Jungen und ein Mädchen, wie es sich gehört. In wieder der nächsten Koje wurde sie zur Geschäftsfrau, die das kühle Design der Stahlrohrmöbel lobte und gleichzeitig alle Schubladen auf ihre Funktionstüchtigkeit prüfte. Schließlich war sie die laszive Verführerin, die sich auf die rote Plüschdecke eines Schlafzimmers aus schwarzem Lack und Spiegeln setzte und mich mit dem Zeigefinger zu sich lockte. Ich setzte mich neben sie und fragte, welche dieser Frauen ihr am ähnlichsten sei. Welche hätten Sie denn gern?, fragte sie. Bevor ich antworten konnte, sagte sie, das sind doch alles nur Klischees wie die Schlafzimmer. Wenn hier noch ein BH auf dem Boden läge und eine Katze auf dem Bett und auf dem Nachttisch ein Kreuzworträtselmagazin und eine Schachtel Schlaftabletten, das wäre eine Geschichte. Aus dem Bad wäre das Rauschen der Dusche zu hören, sagte ich, und durch das geöffnete Fenster die Geräusche der Stadt. Einer anderen Stadt, sagte Lena, Amerika müsste es sein. Der Vorhang würde sich im Wind bewegen. Und wann haben wir uns das erste Mal richtig geküsst?, fragte sie. Das war Monate später, sagte ich.