Eine Welt, die Liebe braucht

»Die Frauen der Welt, vereint ohne Rücksicht auf nationale oder rassische Belange, könnten zu einem mächtigen Fürsprecher für internationalen Frieden werden.«

Coretta Scott King

Die Herausforderungen, vor denen die Welt steht, entsprechen in vielerlei Hinsicht jenen, mit denen auch jede Einzelne von uns innerlich konfrontiert ist.

Stell dir nur vor, wie anders unsere Welt wäre, wenn der Westen auf der Basis von Fürsorge und Barmherzigkeit auf die Tragödie vom 11. September 2001 reagiert hätte statt mit Angst und Verurteilung?

Und wie anders sähe unsere Welt aus, wenn die Wirtschaft Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellte, statt ein Modell zu propagieren, das immer noch mehr verlangt und mit ständig steigender Konsumgier und laufend zunehmender Verschuldung aufwartet?

Genauso wie wir uns in unserem Leben schneller Scheinlösungen bedienen, wenn wir emotional aus dem Lot geraten, greift auch die heutige Politik auf langfristig wenig sinnvolle Kurzzeitlösungen zurück. Viele von uns kämpfen mit Gier und Stolz, während die Regierungen darin versagen, dem Waffenhandel und der Ölbranche Einhalt zu gebieten, aus lauter Angst, ein anderer könnte den Reibach machen oder sie könnten bei den nächsten Wahlen Stimmen verlieren.

Unsere Hauptbeschäftigung mit uns selbst hat Gier salonfähig gemacht und gibt Individualrechten Vorrang vor dem übergeordneten Gesamtwohl. Dort, wo sich ursprünglich einmal das Wertesystem einer Religion befand, sind wir nun von einer gähnenden Leere beherrscht, die wir durch das Streben nach materiellem Wohlergehen zu füllen versucht haben. In der Folge wurden die Reichen reicher, während die Armen komplett auf der Strecke geblieben sind.

Eine Welt für sich

In den Vereinigten Staaten ist die Kluft zwischen Reich und Arm tiefer als während der Großen Depression Ende der 1920er-Jahre – 0,1 Prozent der Reichen besitzen ebenso viel wie die neunzig Prozent am unteren Ende der Skala. Mehr als eines von fünf amerikanischen Kindern lebt heute in Armut45 – die höchste Rate verglichen mit allen anderen Industrienationen.

Global betrachtet, besitzen die reichsten 80 Personen inzwischen ebenso viel wie 50 Prozent des ärmeren Rests.46 Gefördert wird diese extreme Ungleichheit vor allem von einem weltweiten Netz von Steueroasen. In der Folge verlieren ärmere Länder mindestens 170 Milliarden Dollar pro Jahr – Geld, das sie dringend für lebenswichtige Dienstleistungen wie Gesundheitsfürsorge und Erziehung benötigen.47

Nichts davon ist unvermeidbar. Es beruht alles auf getroffenen Entscheidungen.

Unser gegenwärtiges System führt zur Polarisierung. Es ist ein duales System, in dem einige wenige von uns die Gewinner sind und in der Folge wir alle miteinander Verlierer. In dem diejenigen von uns, die Arbeit haben, oft vollkommen abwegige Arbeitszeiten ableisten müssen, und die anderen, die keinen Arbeitsplatz haben, am Rand der Gesellschaft versauern. In dem die Chancen, die das Computerzeitalter im Hinblick auf eine kürzere Arbeitswoche und eine gerechtere Verteilung der Arbeit versprochen hat, zugunsten eines deregulierten Arbeitsmarktes mit Null-Stunden-Verträgen und 24-Stunden-Schichten ignoriert wurden. In dem reiche Länder mit hochschießenden Adipositasraten kämpfen und dennoch jeden Abend 800 Millionen Menschen hungrig zu Bett gehen.

Hunger daheim

Hunger ist nicht nur ein Problem der südlichen Halbkugel. In Großbritannien ist aufgrund der Sparpolitik die Zahl derer, die auf karitative Essensausgaben angewiesen sind, massiv in die Höhe geschnellt.48 In den Vereinigten Staaten wohnen mittlerweile 48,1 Millionen Einwohner in Haushalten mit unsicherer Ernährungssituation, wobei der Anteil von Afroamerikanern zweimal so hoch ist wie der Anteil Weißer nicht lateinamerikanischer Herkunft.49 (In Deutschland betreibt die Tafel seit ihrer Gründung 1993 mittlerweile über 900 Ausgabestellen und vorsorgt nach eigenen Angaben anderthalb Millionen Menschen, von denen 23 Prozent Kinder und Jugendliche, 53 Prozent Erwachsene und 24 Prozent alte Menschen sind, A. d. Ü.).

Jene, denen es gut geht und die erst einmal eine gewisse Sicherheit erlangt haben, plagt ein nagendes Gefühl der Besorgnis. Tief im Inneren wissen wir, dass unser System nicht gerecht ist und dass unser Wohlstand auf Kosten anderer zustande kommt. Während unser Kind an seinem Geburtstag einen Berg von Geschenken auspackt, bekommen andere Kinder gar nichts. Während wir die Essensreste von unseren Tellern in den Mülleimer kratzen, kommt bei anderen gar nicht erst etwas zu essen auf den Tisch. Es gelingt uns immer weniger, unsere Augen vor der Tatsache zu verschließen, dass wir alle miteinander verbunden sind und dass wir mit unserem Handeln Einfluss aufeinander nehmen.

Wenn wir Güte zum beherrschenden Prinzip unseres Lebens machten, wie viel besser wäre das Leben vieler Menschen überall auf der Welt, und wie viel glücklicher wären wir als Individuen?

Studie um Studie zeigt, dass unser Glück nicht davon abhängt, wie viel wir in absoluten Zahlen besitzen, sondern vom Stand der Gleichberechtigung, auch der Einkommensgleichheit, in einer Gesellschaft. Auf internationaler Ebene verursacht globale Ungleichheit Kriege und Massenflucht. Zu Hause verursacht sie steigende Kriminalitätsraten und soziale Spaltungen.

Glück statt Reichtum

Bhutan, ein kleines Königreich am Fuß des Himalaja-Gebirges, hat den Weg bereitet für eine neue Herangehensweise. Statt des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nutzt es als Erfolgsmesser das Bruttonationalglück (BNG) und stellt in seiner Politik individuelles Wohlergehen und spirituelle Werte über den Konsum. Obgleich Bhutan einer der ärmsten Staaten der Welt ist, rangiert das Land regelmäßig unter den ersten zehn, wenn es um die Zufriedenheit der Bevölkerung geht.

Die Vereinten Nationen untersuchen gegenwärtig, wie sich das Bhutan-Model auf den Rest der Welt übertragen ließe.

»Die Stimme des Gewissens ist so zart, dass man sie leicht ersticken kann. Aber sie ist zugleich auch so klar, dass sie unmissverständlich ist.«

Madame de Staël

Unserem gegenwärtigen Wirtschaftssystem liegt ein verdrehtes Wertesystem zugrunde. Alles in das Fördern und Vermarkten von Erdöl investierte Geld wird als positiv gewertet, ungeachtet der Kosten, die durch die daraus folgenden Umweltschäden entstehen. Und wenn es zu einer Umweltkatastrophe kommt, dann werden auch die durch Aufräumarbeiten verursachten Kosten auf der Positiv-Seite der wirtschaftlichen Aktivität verbucht und zum Bruttoinlandsprodukt hinzuaddiert.

Die durch Waffenverkäufe generierten Einkünfte erscheinen ebenfalls auf der Haben-Seite unserer Handelsbilanz. Die katastrophalen menschlichen und finanziellen Kosten durch die resultierenden Kriege werden nicht gegengerechnet.

Überall auf der Welt haben wir inzwischen Städte, in denen Kinder, Asthmatiker und ältere Menschen kaum Luft bekommen, doch die durch ihre Behandlung entstehenden Kosten – vom menschlichen Leiden ganz zu schweigen – werden nicht berücksichtigt, wenn der Wert der Autoindustrie für die Wirtschaft ermittelt wird.

Die neun Prinzipien in diesem Buch liefern eine neue Handhabe, um zu erkennen, was für uns und unseren Planeten am wichtigsten ist.

Gleich heißt gleich

»Die Welt wird wachgerüttelt von einer mächtigen Wahrheit: Frauen und Mädchen sind nicht das Problem, sie sind die Lösung.«

Christiane Northrup

Als Frauen haben wir natürlich noch zusätzliche Schlachtfelder.

Unser Kampf für die Gleichberechtigung ist alles andere als gewonnen.

Die Vereinten Nationen haben Gleichberechtigung in ihrer Charta verankert. Doch von ihren 191 Staatsoberhäuptern sind nur zwölf Frauen.

Im englischen Parlament sind weniger als drei von zehn Abgeordneten Frauen.50 In den Vereinigten Staaten gibt es mehr Firmenbosse mit dem Vornamen John als Frauen in der gleichen Position. Und weniger als ein Prozent der landesweit gewählten Führungskräfte sind Afroamerikanerinnen.51 (Im Deutschen Bundestag sitzen nur 232 Frauen bei insgesamt 631 Sitzen, A. d. Ü.)

Weltweit wird die Arbeit von Frauen durchweg unterbewertet. Wenn man unbezahlte Arbeit und Hausarbeit einschließt, dann tragen Frauen weltweit 75 Prozent der Arbeitslast, bekommen aber nur 10 Prozent des Lohns und halten nur ein Prozent des Besitzes.52

Es heißt, die Wirtschaft unterstütze die Gleichberechtigung, doch überall ist die Entwicklung hin zu gleichberechtigter Bezahlung zum Stillstand gekommen, und die Bezahlung von Frauen bleibt immer noch ungefähr 26 Prozent hinter der von Männern zurück.53 Und wenn du in den Vereinigten Staaten eine schwarze Frau bist, dann musst du auf einen um 32,4 Prozent niedrigeren Lohn gefasst sein und als Hispanoamerikanerin sogar auf ein um skandalöse 44,1 Prozent niedrigeres Gehalt.54

Unter den Industrienationen sind die Vereinigten Staaten die einzige, die weder bezahlten Mutterschutz noch Erziehungsurlaub gewähren – die einzigen beiden anderen Länder sind Papua-Neuguinea und Oman. Das bedeutet, dass eine von vier Amerikanerinnen innerhalb von zwei Wochen nach der Geburt ihres Babys an ihren Arbeitsplatz zurückkehren muss. Ungefähr die Hälfte der betroffenen Frauen war sogar nach weniger als einer Woche wieder bei der Arbeit.55, 56

Sozialberufe wie Lehr- und Pflegekräfte, in denen traditionell mehr Frauen arbeiten, zahlen weit geringere Gehälter als Berufe, die weniger zum Gemeinwohl beitragen, aber in der Regel von Männern dominiert werden. Und obgleich westliche Ökonomien ohne ehrenamtliche Pflege- und Betreuungskräfte kollabieren würden, wird ihre Arbeit nicht in das Bruttoinlandsprodukt einbezogen. In Großbritannien würden diese Pflege- und Betreuungskräfte, natürlich überwiegend Frauen, das Land insgesamt 119 Milliarden Pfund kosten (etwa 143 Milliarden Euro) – das Dreifache des Verteidigungsbudgets.57 Die kanadische Regierung schätzt den Wert unbezahlter Betreuung in Kanada auf 30 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts. Versuch dir vorzustellen, was geschähe, wenn wir alle in Streik träten!

Gemeinsam stark!

Im Jahr 1975 sind in Island die Frauen in den Streik getreten – neunzig Prozent von ihnen haben zu Hause und an ihren Arbeitsplätzen die Arbeit niedergelegt. Das Land kam knirschend zum Stillstand. Im Jahr darauf wurde ein Gesetz beschlossen, das Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantierte. Fünf Jahre später war Island die weltweit erste Nation, die ein gewähltes weibliches Staatsoberhaupt hatte (Vigdís Finnbogadóttir, 1980–96), und heute ist Island das Land mit der weltweit am gründlichsten durchgesetzten Geschlechtergleichstellung.

Trotz der bahnbrechenden Gesetzgebung liegt in Island das Gehalt von Männern durchschnittlich noch immer achtzehn Prozent über dem der Frauen. Deshalb verließen isländische Frauen am 24. Oktober 2016 um exakt 14.38 Uhr ihre Arbeitsplätze und nahmen sich als Ausgleich für die Gehaltslücke für den Rest des Tages frei.

»Wir leben in einem modernen Zeitalter und glauben, dass nichts unmöglich ist.«

Malala Yousafzai

In der westlichen Welt nimmt der Beitrag der Männer im Haushalt zu, aber es sind noch immer Frauen, die den größten Teil dieser Arbeit zu Hause schultern – neun zusätzliche Stunden Arbeit pro Woche für Frauen in den Industrienationen.58

Auch in anderen Ländern hat die Wirtschaft darin versagt, gegenüber Frauen die gegebenen Versprechen zu halten. In China hat der Kapitalismus die Geschlechterungleichheit eher befördert denn zurückgedrängt. Während in den Zeiten des Kommunismus die Bezahlung in etwa gleich war, verdienten Frauen 1988 nur noch 87 Prozent der Männerlöhne. Inzwischen sind ihre Löhne auf nur mehr 67 Prozent abgesunken.59

In Indien hat der wachsende wirtschaftliche Wohlstand zu einem Anstieg der Ehren- und Mitgiftmorde in der Mittelklasse geführt.60

In den zurückliegenden drei Jahrzehnten wurden in Asien mehr als 163 Millionen weibliche Föten abgetrieben oder getötet, weil sie das falsche Geschlecht hatten – mehr als die gesamte weibliche Bevölkerung der USA. Die Folge ist ein Überschuss an männlichen Einwohnern und damit wachsender Frauenhandel und Brautkauf in den jeweils ärmeren Nachbarländern.61

Weltweit leben 603 Millionen Frauen in Ländern, die häusliche Gewalt nicht als Straftat bewerten62, und fürchterliche zweihundert Millionen63 Frauen wurden einer Genitalverstümmelung unterzogen.

In den USA wird alle zwei Minuten eine Frau überfallen. In Großbritannien werden jede Woche zwei Frauen von ihren Partnern ermordet. Dennoch nehmen die Verurteilungen wegen Vergewaltigung weiter ab. In Großbritannien hat eine Frau, die eine Vergewaltigung anzeigt, lediglich eine Chance von 5,7 Prozent, dass ihr Angreifer verurteilt wird64, und in den Vereinigten Staaten verbringen nur zwei Prozent der Vergewaltiger mehr als einen Tag im Gefängnis.65 Nur ein geringer Prozentsatz von Vergewaltigungen wird überhaupt angezeigt.

Während uns echte Gleichberechtigung versagt bleibt, wird versucht, uns mit widersprüchlichen Ideologien zu kontrollieren und zu beherrschen. Die einen wollen von uns, dass wir unsere Körper enthaaren und zurechtmodellieren, die anderen, dass wir uns hinter Schleiern verbergen. Unsere gegenwärtige Lebensweise hat darin versagt, uns von Ausbeutung und Gewalt zu befreien.

Ein alternativer Zugang

Nicht alle Kulturen wertschätzen Jugend und körperliche Vollkommenheit auf die Weise, wie der Westen es tut. In Japan beispielsweise legt die Ästhetik des Wabi-Sabi größeren Wert auf Alter und Unvollkommenheit statt auf Jugend. Falten und äußere Anzeichen des Alterns werden als einzigartig und kostbar gewertschätzt und als Steigerung der weiblichen Schönheit betrachtet. Wie wunderbar wäre es doch, wenn wir zu einer Einstellung wechseln könnten, die unsere Lebenserfahrung als schön wahrnimmt, statt uns mit ihr zunehmend kulturell und sexuell unsichtbar zu machen?

Gleichheit – ein neues Paradigma

»Wir haben begonnen, unsere Töchter mehr wie Söhne zu erziehen … doch nur wenige wagen es, unsere Söhne mehr wie Töchter zu erziehen.«

Gloria Steinem

Als Frauen wünschen wir uns Gleichberechtigung, wir wollen fifty-fifty machen, doch wir müssen uns fragen, wovon? Zu oft mussten wir feststellen, dass unser Kampf für einen fairen Anteil an den Systemen und Institutionen letztlich dazu führte, dass wir uns zwischen Beruf und Familie zu entscheiden hatten. Doch bei der Entwicklung der Berufstätigkeit war nicht an Arbeitskräfte gedacht worden, die Kinder gebären und stillen. Moderne Arbeitsplätze funktionieren weder für uns Frauen noch für die Männer der Generationen, die nach uns kommen.

Wir wollen kein Wirtschaftssystem, das Profite höher bewertet als die Menschen und grenzenloses Wachstum über Nachhaltigkeit stellt, denn dieses Modell legt keinerlei Wert auf den Mensch als soziales Wesen. Wir wollen nicht dafür kämpfen, dass wir unseren Anteil an einem System bekommen, das für uns gar nicht funktioniert. Wir wollen ein neues Modell.

Eines, das auf unserem tatsächlichen Sein und unseren tatsächlichen Bedürfnissen basiert. Eines, das uns echt und chaotisch und ganz sein lässt. Eines, das den Wert unserer unbezahlten Arbeit ebenso wertschätzt wie unseren gerechten Anteil am finanziellen Gewinn. Eines, das uns Aufrichtigkeit mit uns selbst und gerechtere Systeme für die Befriedigung aller unserer Bedürfnisse gestattet – egal, welchem Geschlecht wir angehören, welchem Glauben oder welcher Generation und egal, wo in der Welt wir leben.

Wir gemeinsam

»Ich wollte, dass die Welt wieder gesund wird, und wusste, dass sie nicht gesund werden kann, wenn sie – allein – von Männern regiert wird.«

Nancy Astor

Bevor wir uns auf diesen Weg begeben haben, fühlten sich viele von uns machtlos und unbedeutend. Man hat uns oft gesagt, dass wir nichts tun könnten, und wir haben es geglaubt. Auf diese Art und Weise mussten wir auch keine Verantwortung übernehmen. Aber inzwischen wissen wir – aus der Erfahrung unserer eigenen Reise –, dass Handeln die Dinge wirklich verändert. Wir akzeptieren nicht mehr, dass Menschen aufgrund lösbarer Probleme leiden müssen.

Denk noch einmal darüber nach, was geschehen würde, wenn wir die Politik den gleichen Tests unterzöge, wie wir sie bei uns selbst angewandt haben. Wenn wir kollektiv Güte zum Grundwert jeden Aspekts des öffentlichen Lebens machen würden.

Unsere wirtschaftlichen Prioritäten verschöben sich. Der Schutz des Planeten hätte Vorrang vor der Maximierung der Kurzzeitprofite. Flüchtlinge blieben nicht sich selbst überlassen oder ertränken im Meer. Pflegearbeit und Kinderbetreuung würden entsprechend ihres tatsächlichen Werts bezahlt, und wir teilten Arbeit gerechter auf, damit wir alle arbeiten können, um zu leben, statt zu leben, um zu arbeiten. Die Lösungen, die es für den Kampf gegen Armut, Ungleichheit und den drohenden unkontrollierbaren Klimawandel bereits gibt, würden endlich umgesetzt.

»Im Kampf gegen die Ungerechtigkeit brauchst du nur ein Floh zu sein. Eine ausreichende Zahl entschlossener Flöhe, die strategisch zubeißen, können auch noch den größten Hund aus der Ruhe bringen und sogar noch die größte Nation verändern.«

Marian Wright Edelman

Wir würden kluge, spirituell gesunde Politiker wählen, die sich daranmachen, den Hunger in der Welt zu beenden, statt ihn stillschweigend zu akzeptieren. Es gibt genug Lebensmittel, um die Hungernden der Welt zu nähren. Das Problem ist nicht der Mangel an Nahrungsmitteln, es ist der fehlende Wille.

Die Abläufe sind bereits geplant – 193 Länder haben den globalen Zielsetzungen der Vereinten Nationen zugestimmt, in denen die Beendigung des weltweiten Hungers, der Ungleichheit und des Klimawandels vorausgedacht sind. Doch die Pläne werden nicht umgesetzt, bis wir nicht den Mund aufmachen und unsere Bereitschaft dazu erklären, dass wir mit weniger zufrieden sind, damit andere das Notwendige haben. Und, das ist das Entscheidende, unsere Stimmen werden sich Gehör verschaffen müssen, um das Getöse jener zu übertönen, deren Interessen unser gegenwärtiges System widerspiegelt.

Das Heft in die Hand nehmen

»Ich bin eine Träumerin, und einen Traum zu haben kann eine Herausforderung darstellen, aber ich betrachte niemals eine Situation als zu schwierig.«

Schwester Rosemary Nyirumbe

Nun, da wir unser Leben auf ein spirituelles Fundament gestellt haben, können wir unsere Werte hinaus in die Welt tragen. Wir können beginnen zu handeln und unsere Überzeugungen mit unserem Tun in Übereinstimmung bringen.

Wenn wir die Hindernisse, die unser Ego uns in den Weg wirft, ignorieren und den Hinweisen unserer Seele folgen, dann wird jede von uns ihren eigenen Weg finden und für sie passende Möglichkeiten, sich einzubringen.

Die sanfte Revolution ist bereits im Gange. Überall auf der Welt verändern Frauen Paradigmen.

Ein pakistanisches Mädchen hat den Nobelpreis erhalten und verändert das Angesicht von Bildung.

In Utah schlug der Bericht einer jungen Mutter, die verarmte, hohe Wellen und verändert die Einstellung zu Niedriglöhnen.

In London veranlasste das Posting einer Mutter Tausende, für syrische Flüchtlinge auf die Straße zu gehen.

Im Iran bewirkte der Hungerstreik einer Studentin, dass die Welt sich der fortbestehenden Unterdrückung von Frauen zuwendet.

In Uganda hat eine Nonne ihr Kloster zu einem sicheren Hafen für vom Menschenhandel betroffene Frauen und Mädchen gemacht.

Frauen überall auf der Welt nehmen im Kleinen und im Großen das Heft in die Hand und bewirken Veränderung.

»Da ich eine Frau bin, ist die ganze Welt mein Land.«

Virginia Woolf

Eine jede von uns hat ihre eigene Rolle zu spielen. Von uns wird nichts verlangt als das, was wir ohnehin bereits geben müssen. Wir alle bringen unterschiedliche Begabungen mit. Wir alle werden gebraucht. Das Internet verschafft uns Möglichkeiten, uns auszutauschen und zu organisieren, die es niemals zuvor gab.

Eine jede von uns hat ihre eigene, ihre von ihrem Herzen diktierte Berufung.

Manche von uns werden führen, andere werden unterstützen. Manche von uns werden marschieren, manche Tee kochen, manche von uns Banner nähen, manche von uns werden Thesenpapiere schreiben. Andere von uns werden an der Seite von jemandem sein, der einsam und gebrochen ist, wie sich jede von uns bereits einmal auf ihre eigene Weise einsam und gebrochen gefühlt hat.

Aber auf keinen Fall werden wir dem Leiden weiterhin gleichgültig gegenüberstehen. Wir werden Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit nicht mehr tolerieren, und wir werden nicht mehr länger glauben, dass unsere Stimmen und unser Handeln nichts bewirken, denn gemeinsam können sie etwas verändern, und das werden sie und tun sie bereits.