»Sieh in dein Herz, finde heraus, was dir Schmerz bereitet, und dann weigere dich unter allen Umständen, solchen Schmerz anderen zuzufügen.«
Karen Armstrong
Die neun Prinzipien in diesem Buch sind dein Kompass.
Ohne Kompass kann sich das Leben anfühlen wie ein aussichtsloser Kampf auf verlorenem Posten. Wie Ertrinkende schlagen wir im Wasser um uns und mühen uns ab, unsere widersprüchlichen Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen. Gelegentlich scheinen wir Fortschritte auf der Seite der Bedürfnisse zu machen – wir bekommen den Job oder den Partner oder das Haus –, doch dabei geht nicht selten die Erfüllung unserer tieferen Wünsche verschütt. Dann wieder fühlen wir uns wie in einem Kahn mit nur einem Ruder, all unsere Arbeit führt nur dazu, dass wir uns im Kreis drehen.
Die neun Prinzipien dieses Buches sind ein Wegweiser nach vorn. Sie bringen uns nach Hause.
Hast du erst gelernt, die Prinzipien in deinem Leben umzusetzen, dann kannst du, egal, wo du dich befindest und was in deiner Vergangenheit geschehen ist, dein Leben ausgehend von einer Position der Authentizität und der Liebe führen.
Die Transformation unserer Welt beginnt damit, dass wir uns selbst heilen. Wenn wir das nicht machen, dann gehen wir das Risiko ein, dass unser Ego den Laden an sich reißt. Es kann sein, dass wir zuletzt unsere unverarbeiteten Belange an denen auslassen, denen wir eigentlich helfen wollen, oder dass wir uns einer Sache annehmen, nur um uns wichtig zu machen, und nicht, weil sie uns wirklich am Herzen liegt. Unsere Welt ist voll von Menschen, die unbeabsichtigt Schaden anrichten, obwohl sie eigentlich Gutes tun wollen.
»Erst wenn du bereit bist, dich zu ändern, bist du bereit, die Welt zu verändern.«
Edit Schlaffer
Möglicherweise möchtest du durch das Buch blättern, bis du einen Abschnitt findest, der sich mit einem Thema beschäftigt, das dich ganz persönlich anspricht – zum Beispiel mit Beziehungen. Doch wir bitten dich, tu das nicht. Die neun Prinzipien sind ganz bewusst in der vorliegenden Reihenfolge zusammengestellt. Sie bauen aufeinander auf, und wenn du das eine oder andere auslässt, dann betrügst du dich selbst. Sobald du WIR vollständig durchgearbeitet hast, möchtest du es vielleicht noch einmal zur Hand nehmen, um das eine oder andere nachzusehen, doch tu dir zuvor den Gefallen, den vollständigen Prozess ganz durchzuarbeiten.
Es gibt keine zeitlichen Vorgaben, doch je früher du anfängst, desto eher stellen sich die ersten Wunder ein. Vielleicht nimmst du dir für jede Woche ein Kapitel vor oder du gehst es langsamer an. Möglich ist es außerdem, mit gleichgesinnten Freundinnen für die Arbeit mit dem Buch eine WIR-Gruppe zu bilden.
Handeln kontra Denken
»Handeln ist das Gegenmittel für Verzweiflung.«
Joan Baez
WIR ist ein auf Verhalten beruhender Prozess, weniger ein geistiger. Die meisten von uns bringen eine Menge mentaler Energie auf, um sich selbst zu verstehen, doch kommt dabei wenig Bleibendes heraus. Zwar haben wir jede Menge Einsichten, doch Einsichten allein führen nur selten zu Veränderungen. Ein Kochrezept zu lesen allein bringt ja auch noch keine fertige Mahlzeit auf den Tisch – es bleibt immer noch eine Menge Wiegen, Kleinschneiden und Rühren zu tun.
Um Veränderung zu bewirken, braucht es Handeln. Handeln verändert Dinge.
Richtiges Handeln führt zu richtigem Denken. Und nicht umgekehrt. Zu wissen oder zu verstehen reicht nicht aus. Man lernt nicht zu schwimmen, indem man am Beckenrand sitzt. Und wenn du erst einmal im Wasser bist, dann musst du, wenn du nicht untergehen willst, deine Arme und Beine bewegen, statt nur über das Schwimmen nachzudenken. Handeln ist außerdem das, was dir die Reise vom Kopf zum Herzen ermöglicht.
Also werden wir dich im Lauf dieser Reise immer wieder daran erinnern. Denn nur Handeln verändert Dinge.
Die in den Kapiteln verstreuten Übungen zu machen, bedeutet handelnd Dinge zu verändern. Lass sie nicht aus gleichgültig, wie unvollkommen sie dir gelingen, sie helfen dir, das Hinzugelernte zu integrieren.
Jahrzehntelang versuchte ich, mit meinem Kopf den Dingen auf den Grund zu kommen. Ich lebte mit einem Stoß Ratgebern neben meinem Bett. Ich las ein oder zwei Kapitel, bis ich eine Erkenntnis hatte, die dafür sorgte, dass ich mich vorübergehend besser fühlte. Dann empfahl ich das Buch irgendwelchen Bekannten als exzellente Lektüre. Ich glaubte, meinen Schmerz durch Begreifen und Wissen loszuwerden. Ich lag nachts wach und betrachtete die Dinge aus jeder nur denkbaren Perspektive – und steckte fest in meiner Analyseparalyse. Zuletzt gelang es mir nur noch mit einer Kombination aus Alkohol und Tabletten, Ruhe zu finden vor dem unausgesetzten Lärm in meinem Kopf. Es kam mir wie eine revolutionäre Idee vor, als mir jemand vorschlug, doch auch einmal einen Muskel zu bewegen, um mein Denken zu verändern. Ich hatte geglaubt, dass ich warten musste, bis meine Gedanken sich veränderten, bevor ich handeln konnte. Inzwischen weiß ich, dass es genau anders herum ist. Richtiges Handeln bewirkt richtiges Denken und obendrein auch noch Selbstwertgefühl.
Leider fällt es mir noch immer schwer, die Praktiken in diesem Buch auch wirklich umzusetzen. Zwar weiß ich, was gut für mich ist, und kenne aus eigener Erfahrung den Unterschied, den die Praktiken in meinem Leben bewirken, doch mein Gehirn will es noch immer nicht wahrhaben, dass ich mich besser fühle, wenn ich meine Übungen täglich mache. Vielleicht liegt es daran, dass sie wirklich etwas bewirken, und die Herausforderung ist deshalb größer – meine eingefleischte, dickköpfige Selbstsabotage will nicht, dass es mir gut geht, oder aber es ist meine mir innewohnende Rebellin, die ruft: »Du hast mir gar nicht zu sagen, was ich tun soll!« Vielleicht aber bin ich einfach nur zu faul. Was immer auch die Gründe für meinen inneren Widerstand sind, Tatsache ist: Wenn ich die Übungen mache, dann zeigen sie Wirkung.
GA
Selbstverpflichtung
Es gibt nur eines, wozu du deine Zustimmung geben musst, damit die Prinzipien in diesem Buch etwas bewirken. Du musst dich verpflichten, mitzumachen. Bereitschaft zeigen, es zu versuchen. Du musst bereit sein, dich aufzurappeln, wenn du es vermasselt hast (was uns allen schließlich dauernd passiert), und es gleich wieder versuchen.
Diese Selbstverpflichtung kann jeder eingehen. Dazu braucht es keine spezielle Ausbildung, keinen Status und keinen Reichtum. Und Perfektion braucht man dazu schon gleich gar nicht.
Nichts in diesem Buch muss man genau »richtig« oder »perfekt« machen. Perfektionsstreben hat hier nichts zu suchen. Es bereitet uns allen nur gewaltige Probleme – in der Form von Erwartungen, die die Gesellschaft an uns richtet, oder als die Anforderungen, die wir selbst an uns stellen. Wir sind keine Pappfiguren. Wir sind Individuen. Das bedeutet, ein jeder von uns ist kompliziert und wahrhaftig, unsere einzigartigen und oft chaotischen Schichten emotionaler Verletzungen eingeschlossen.
Dein Kopf wird dir Tausende von Ausreden vor die Brust knallen, aber du kannst und du wirst die Zeit finden. Du kannst und du wirst den Mut aufbringen. Das, was für dein Wohlergehen nicht mehr länger notwendig ist, wird nachlassen.
Die neun nachfolgenden Prinzipien sind für dich und deine Welt.
Sie gehören nicht nur auf deine Yogamatte oder in deine Andachtsstätte. Sie dienen den großen und den kleinen Entscheidungen des täglichen Lebens. Sie helfen dir zu entscheiden, welche Partei du wählen, in welches Regal du im Supermarkt greifen und wie du dich in deinen engsten Beziehungen verhalten sollst. Nichts ist zu wichtig oder zu unbedeutend für die neun Prinzipien, um Wirkung zu zeigen. Nutze sie nicht nur in der Krise – sie wirken zu jedem Zeitpunkt deines Lebens. Das versprechen wir.
Dies ist eine Reise hin zur Liebe.
Mach dich auf Überraschungen gefasst.