70
Tagebuch
Sie wollten mich nicht ins Krankenhaus bringen, Transportermann und Stocks. Es war Welderman, der nicht lockerließ. Nicht weil er sich auch nur eine Sekunde darum geschert hätte, dass ich Schmerzen hatte, nein, er war genauso aufgebracht wie die beiden anderen. Ich konnte hören, wie er sagte, wenn mein Arm verkrüppelt bliebe, würde sie das auf lange Sicht ziemlich was kosten.
»Dann schreiben wir ihn doch einfach ab«, erwiderte Transportermann. »Kein Krankenhaus. Wenn ich den Boss anrufen soll, mach ich das. Aber der wird nicht begeistert sein. Nicht zu dieser Uhrzeit.«
Anscheinend war die Sache damit klar.
Kein Krankenhaus.
Ein stinkwütender Welderman zerrte mich zurück in den Malibu, während Transportermann und Stocks Bernie in eine Steppdecke wickelten und hinten in den Transporter verluden. Stocks fragte noch, was ich in dem Zimmer angefasst hätte, und ich sagte es ihm. Dann war er weg. Ich wusste, dass dort überall Blut war – anscheinend war Bernie Bluter gewesen. Es war nur so aus ihm herausgeströmt. Selbst ich hatte Spritzer abbekommen, aber anscheinend waren sie eher besorgt wegen der Fingerabdrücke. Ich hoffte insgeheim darauf, dass irgendwer aus dem Motel den Tumult gehört hatte und gleich herauskommen würde, um zu sehen, was da vor sich ging, oder um endlich die Polizei zu rufen. Aber es tauchte niemand auf. In weniger als einer Viertelstunde waren wir wieder unterwegs.
Ich presste mir den gebrochenen Arm vor die Brust. Mit jedem Schlagloch spürte ich, wie die Knochenenden übereinanderschmirgelten. Der Knochen war direkt unter dem Ellbogen gebrochen – und zwar die Elle, wie ich später erfahren sollte –, und mein Arm schwoll rasend schnell an. Die Haut loderte und war brandrot.
Mehr als ein Mal schrie Welderman mich an, ich solle die Klappe halten, aber ich hätte das Winseln nicht einmal dann unterdrücken können, wenn mein Leben davon abgehangen hätte (wobei ein kleiner Teil von mir genau das glaubte). Die Fahrt zurück zum Finicky-Heim dürfte die längste in meinem Leben gewesen sein.
Der weiße Transporter bog etwa auf halber Strecke auf einen Feldweg ab, während wir im Malibu weiter bis vor Finickys Haustür fuhren.
Sie mussten sie angerufen haben, weil Finicky bereits mit einer Decke über den Schultern unter dem Vorderlicht am Eingang stand. »Bringt ihn in die Küche.« Dann drehte sie sich um und stampfte wieder hinein.
Wenn ich gedacht hatte, die Fahrt wäre schmerzhaft gewesen, dann war der Gang vom Wagen bis in die Küche noch zehnmal schlimmer. Zwischendurch versuchten Welderman und Stocks, mich vorwärtszuziehen, weil ich angeblich zu langsam war, aber irgendetwas in meinem Blick musste sie dann doch abgehalten haben, weil sie die Finger von mir ließen. Die beiden schlurften einfach nur links und rechts neben mir her – in nicht mal einer Armlänge Abstand, um mich zur Not in die richtige Richtung zu bugsieren.
In der Küche saß Dr. Oglesby. Er blickte von seiner Zeitung auf und nickte auf den Tisch hinab. »Dann bringen Sie ihn mal her. «
Was als Nächstes kam, blendete ich größtenteils aus.
Welderman und Stocks sollten mich festhalten, während Finicky einen Ledergürtel aufrollte und mir in den Mund stopfte. Auf den Gürtel sollte ich beißen. Dann schnitt Oglesby mir den Hemdsärmel ab und tastete über den Bruch. Seine Finger hielten kurz inne, dann verstärkte er den Griff zu beiden Seiten der Bruchstelle, sah mir für einen Moment in die Augen, und …
Ich wurde ohnmächtig. Ich hätte nicht gedacht, dass die Schmerzen noch schlimmer werden konnten, aber genau so war es. Sie kamen mitsamt eines gleißenden Lichts – und dann tiefste Schwärze. Als ich wieder zu mir kam, war Oglesby gerade dabei, meinen Arm mit Stoffstreifen zu umwickeln, von denen flüssiger Gips triefte. Irgendwo anders im Haus brüllten Welderman und Transportermann sich an.
Finicky bemerkte als Erste, dass ich wieder bei Bewusstsein war, und kam ganz nah an mich heran. »Wenn du so etwas noch ein Mal machst, dann lass ich zu, dass einer dieser werten Gentlemen nach dem anderen deine kleine Freundin vergewaltigt, und du siehst dabei zu. Die sollen dem kleinen Flittchen jedes verdammte Loch stopfen. Und wenn sie die Lust verlieren, dann schlitz ich ihr die verdammte Kehle auf und werfe sie raus auf den Acker, damit die Krähen auch noch was von ihr haben. Solange du hier unter meinem Dach lebst, gelten meine Regeln, und du arbeitest dafür, dir dieses Dach zu verdienen.« Sie leckte sich über die spröden Lippen. »Du glaubst vielleicht, Bernie war schlimm. Aber da warte mal ab. Warte nur! Der Nächste darf mit dir machen, was er verdammt noch mal will. Du lernst deine Lektion noch, wirst schon sehen. Oder ich hebe eigenhändig ein Loch für dich auf dem Acker aus. Welderman hat den Schraubenzieher behalten. Er hat also deine Fingerabdrücke. Erzähl du nur irgendeiner Menschenseele, was da passiert ist, und er sorgt dafür, dass du für den Mord an Bernie dran bist.« Sie kam noch näher heran. »Du gehörst mir , du kleiner Scheißer.«
Oglesby ließ ein paar Tabletten gegen die Schmerzen für mich da, aber Finicky steckte sie ein, um sie selbst einzuwerfen.
»Ich will, dass du Schmerzen hast«, sagte sie noch. Dann durfte ich auf mein Zimmer verschwinden.
Paul war wach, als ich mich ganz vorsichtig auf die Matratze legte.
»Grober Fehler«, lautete sein einziger Kommentar.