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Nash
Tag 6, 5.41 Uhr
Kloz bewegte sich – und zwar schnell.
Nash feuerte, und die Kugel aus der Beretta traf die Stahltür genau dort, wo eben noch Kloz’ Bein gewesen war. Dann prallte sie zurück in den Korridor, zersplitterte die Fliesen, ehe sie unter einem Staubregen in die Decke einschlug.
Nash kam auf die Beine, auch wenn seine Knie weich wie Pudding waren. Er stürmte auf die Türen zu und schleuderte die Rollbahre aus dem Weg. Einige Zentimeter über seinem Kopf schlug eine Kugel in die offene Tür ein, und er duckte sich weg. Kloz hatte inzwischen ein gutes Stück Vorsprung, stand in der Nähe einer weiteren Tür, zog sich das Nachtsichtgerät über die Augen und nahm Warnicks Waffe in den Anschlag.
Nash richtete das Taschenlampenlicht direkt auf ihn, und Kloz drehte sich weg und stürmte durch die Tür in seinem Rücken. In geduckter Haltung jagte Nash ihm nach.
Er landete in einem weiteren Kellerraum – abgestandene Luft, wie in einer Gruft. Das verwaiste Kellergeschoss des Cook County General. Während er den Lichtkegel schweifen ließ, kam er sich vor wie in einer Zeitkapsel. Im Cook-Keller stapelte sich das gleiche ausgemusterte medizinische
Gerät wie drüben im Stroger, nur dass all dies hier eindeutig aus einem anderen Jahrhundert stammte. Gläserne Infusionsflaschen, die an Metallgalgen hingen. Einige Schläuche sahen aus, als bestünden sie aus Stoff oder farblosem Gummi statt aus Plastik. Alles schmutzig und verschlissen. Eine dicke Staubschicht lag auf Apparaturen mit riesigen Bildschirmen und Tastaturen – alles überdimensioniert und tonnenschwer. Tücher waren über das eine oder andere Gerät geworfen, andere waren sich selbst überlassen worden.
Aus den Augenwinkeln nahm Nash eine Bewegung wahr. Am entlegenen Ende des Kellerraums quietschten die Angeln einer Tür, und Kloz rief über die Schulter: »Du glaubst, du würdest Sam kennen, aber das ist nicht wahr. Er ist nicht derjenige, für den du ihn hältst. Er ist keiner von den Guten. Er ist kein bisschen besser als alle anderen – als all diese Wichser, die uns Kinder geopfert haben, nur um sich zu bereichern! Die haben sich die Taschen vollgestopft, und wir mussten bluten. Die haben mich fast totgeprügelt, weil ich einen Brief übergeben wollte – nur weil ich für meine Freiheit kämpfen und meinen Freunden helfen wollte!«
»Wo ist Clair?«, brüllte Nash zurück. »Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, schwöre ich, dann tue ich Sachen, die noch viel schlimmer sind als …«
»Schlimmer als was? Du kannst mir nichts mehr anhaben«, erwiderte Kloz. »Ich bin bereits tot.«
Nash blieb abrupt stehen, stellte sich breitbeinig hin und feuerte drei Schuss in schneller Folge in die Richtung, aus der Klozowskis Stimme kam. Als zur Antwort eine Kugel an seinem Kopf vorbeizischte, ging er in Deckung.
»Erschieß mich doch, dann findest du sie nie!«
Nash sprang gerade rechtzeitig auf, um Klozowski durch die Tür schlüpfen und sie hinter sich zuwerfen zu sehen.
So schnell er konnte, durchquerte er den Raum, riss die Tür auf – und stand in einem Treppenhaus. Von oben hörte er Klozowskis gedämpfte Schritte.