134
Bishop
Tag 203, 9.58 Uhr
»Du hast dir den Schädel geschoren.«
Klozowski fuhr sich mit der Hand über den kahlen Kopf. Die langen Haare waren verschwunden. »Ist mein Breaking-Bad
-Look. An dem Ziegenbärtchen arbeite ich noch.«
»Niemand sucht nach dir. War eine ordentliche Explosion.«
Kloz blickte verlegen drein. »Ich hab den C4 wohl etwas unterschätzt. Sie haben meine Leiche in den Trümmern immer noch nicht gefunden. Da macht man sich all diese Mühe, DNA- und Fingerabdruckproben auszutauschen, und sie finden nicht mal den Daumen, den sie damit abgleichen können.«
»Irgendwas finden sie schon, hab nur ein bisschen Geduld.«
»Das bezweifle ich.«
Vincent trat hinter ihn und drückte Klozowskis Schultern. »Also, ich für meinen Teil finde es ziemlich cool, tot zu sein. Studienkredit abzahlen – nie wieder. Exfreundinnen abwimmeln – nie wieder.«
Mutter war auf die beiden zugegangen, und Vater war ihr gefolgt. Sie musterte Klozowskis Glatze. »Findest du das wirklich gut?«
Kloz nickte. »Ich hab jede potenzielle Datenbank
durchkämmt und jedes Bit an Informationen für uns alle ausgetauscht – bis hin zu uralten Führerscheinfotos. Die Leichen, die wir ihnen hinterlassen haben, passen perfekt zu unseren früheren Leben – und zwar bis ins letzte Detail. Für die restliche Welt sind wir tot – alle außer Anson natürlich. Aber der ist auf freiem Fuß und kann für dieselben Taten nicht erneut belangt werden.«
»Und nachdem die Leute von BackPage entweder tot oder auf Tauchstation sind, wird auch niemand die Handvoll Mitarbeiter vermissen, die wir quasi an unserer statt abgelegt haben«, fügte Vater hinzu. »Polizei und FBI geben inzwischen eine dermaßen schlechte Figur ab, dass sie alles täten, um diesen Fall endlich abschließen zu können. Da gräbt keiner mehr.«
Klozowski griff in den Mustang und nahm mehrere Lederetuis heraus. Er legte zwei aufs Autodach, die anderen verteilte er. »Das sind eure neuen Ausweise und Kreditkarten. Bankverbindungen sowie Kredithistorie sind lupenrein. Ich habe uns allen Konten bei mehreren Banken eingerichtet. Das Geld stammt aus dem BackPage-Vermögen – mit freundlichen Grüßen und so. Deren Konten sind allesamt leer.« Er sah zu Mutter. »Mit dem Geld, das du und Lisa Carter damals Talbot abgenommen habt, sind wir bei fast vier Millionen Dollar pro Nase.«
Irgendwie schaffte es Vincent, noch breiter zu grinsen als zuvor.
Vater zog eine kleine Flasche Jameson-Whiskey aus seiner Innentasche. »Darauf sollten wir anstoßen.«
»Ich trinke nicht.«
»Heute schon, Sohn.«
Ansons Vater drehte den Verschluss ab und hielt die Flasche in die Höhe. Seine Mundwinkel zuckten nach oben, als er seinen Sohn ansah. »Du hast ordentlich aufgeräumt, Champ. Auge um Auge.« Dann sah er der Reihe nach
Klozowski, Vincent und Mutter an. »Auf euch alle! Ihr ahnt ja nicht, wie stolz ich auf euch bin.« Dann hob er die Flasche an die Lippen, nahm einen beherzten Schluck und reichte den Whiskey weiter.
Bishop starrte kurz darauf hinab. Am Flaschenhals glitzerte ein Whiskeytropfen. Dann gab er die Flasche seinem Vater zurück. »Halt noch mal kurz.«
Er griff in seine Tasche und zog ein Blatt Papier heraus, faltete es auf und hielt die Zeichnung hoch, damit die anderen sie sehen konnten: ein Mädchen von vielleicht vierzehn Jahren in einem roten Pullover mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht und einem Blitzen in den Augen. »Ein original Paul Upchurch. Maybelle Markel
.«
»Du weißt schon, dass das Tegan ist, oder?«, sagte Vincent und betrachtete lächelnd die Zeichnung. »Er hat sein Leben lang auf sie gestanden.«
Bishop nickte. Dann zückte er ein Feuerzeug, und während die anderen ihm zusahen, zündete er die Ecke des Blattes an. Er hielt die Zeichnung hoch, so lange es ging, und sie sahen zu, wie die Flammen sich emporarbeiteten, das Bild allmählich schwarz wurde und eine Brise brennende Flocken mit sich riss. Das letzte Stück ließ er fallen, und es verbrannte auf der Erde. Fast eine Minute verstrich, ehe er wieder das Wort ergriff. Er nahm seinem Vater die Flasche aus der Hand und hielt sie auf Brusthöhe. »Auf alle, die wir auf diesem Weg verloren haben. Paul Upchurch und Lisa Carter. In unserer Erinnerung leben sie weiter.« Dann nahm er einen Schluck und reichte die Flasche weiter.
Für einen winzigen Augenblick befürchtete er, Mutter könnte bei der Erinnerung an Mrs. Carter in Tränen ausbrechen. Aber das tat sie nicht. Sie weinte nicht, nie.
Stattdessen lächelte sie ihn an. »Was hast du als Nächstes vor, Anson? Jetzt, wo alles vorbei ist?
«
Er dachte kurz nach. »Ich glaube, ich schreibe ein Buch. Ich fand es immer schon spannend, was Leute alles glauben, wenn man nur einen bunten Umschlag um den Text packt und ›Roman‹ draufschreibt.«
Ein gelber VW Käfer rollte auf den Parkplatz und hielt neben Vincents Mustang.
Bishop grinste. »Die Mädels sind da.«