Kapitel 44
Als Zondi aufwachte, fiel die Sonne durch die Löcher in den Vorhängen, und er hörte die hupenden Taxis unten auf der Straße. Es juckte ihn am ganzen Körper, sein Kopf tat weh, und er war mächtig durstig, dennoch fühlte er sich kräftiger als am Vortag. Nicht so durch den Wind. Er griff nach der Plastikflasche Wasser neben dem Bett und leerte sie. Warf einen Blick auf sein Mobiltelefon. Kein Netz.
Er ging mit seinem Kulturbeutel zum Waschbecken und nahm ein neues Stück Seife von Roger & Gallet heraus. Zog sich nackt aus und drehte den Wasserhahn auf. Kaltes Wasser. Das Becken war fleckig und stank, weil es offenbar auch schon als Urinal benutzt worden war. Ein angefressenes Stück Sunlight-Seife, in deren Oberfläche eine stilisierte aufgehende Sonne geprägt war, lag neben dem Wasserhahn. Zondi beabsichtigte nicht, diese Seife auch nur in die Nähe seiner Haut kommen zu lassen, hielt sie aber trotzdem an die Nase und roch den Duft seiner Kindheit.
Über Generationen war diese Seife im ländlichen Südafrika benutzt worden, um Körper und Kleidung und Bettwäsche zu waschen. In seinen frühesten Erinnerungen wurde er auf dem Rücken seiner Mutter getragen, in eine Decke gewickelt, dicht an sie geschmiegt. Sie sang ihm etwas vor, während sie Hausarbeiten erledigte. Ihre Stimme, die Wärme ihres Körpers und der Duft der Seife versetzten ihn an einen Ort, der friedlicher war als alles, was er danach kennengelernt hatte.
Unfähig, der Versuchung zu widerstehen, rieb er das Stück Sunlight unter Wasser, verjagte die Bilder all der Arschlöcher und Leistengegenden, die die Seife schon berührt hatte, und seifte seinen Körper ein, wobei er die Bisse der Bettwanzen wie Blindenschrift unter seinen Fingerkuppen fühlte. Wusch und trocknete sich ab. Er verzichtete auf sein Hugo Boss-Aftershave, wollte diesen Sunlight-Duft nicht überdecken.
Zondi reinigte sich die Zahnzwischenräume mit Zahnseide, putzte die Zähne und zog anschließend eine frische Diesel Jeans und ein Leinenhemd an. Schüttelte seine Nikes, um Skorpione zu entfernen, die sich womöglich darin eingenistet hatten, und schlüpfte dann hinein. Zog den Reißverschluss seiner Reisetasche zu und verließ das Zimmer.
Er verstaute die Tasche im Kofferraum seines Wagens und ging zu dem Telefon-Container hinüber. Vusi wachte über die Telefone. Er lächelte und stand auf, als Zondi eintrat, scharf darauf, einen weiteren Schein abzustauben.
»Diese Telefone«, sagte Zondi und zeigte auf die Geräte, »zeigen die Ihre Nummer an, wenn ich ein Mobiltelefon anrufe?«
»Nein, Sir. Da wird gar nichts angezeigt.«
Zondi nickte und nahm das Telefon, das am weitesten von der Tür entfernt war, wählte dann M.K. Molois Nummer. Nach zweimaligem Klingeln meldete sich jemand. »Moloi.«
»Weißt du, wer hier spricht?« Sprach Englisch.
»Mh-hmmmh. Bist du noch in Bhambatha’s Rock?«
Zondi war sprachlos. »Ja.«
»An einem Münzfernsprecher?«
»Ja.«
»Gib mir die Nummer dort, und ich rufe zurück.«
Zondi las die Ziffern vor, die an der Wand über dem Gerät standen. Die Verbindung wurde unterbrochen, und er legte auf. Sekunden später summte das Telefon.
Zondi nahm den Hörer ab. »Woher wusstest du, wo ich bin?«
Hörte ein leises Lachen. »Du bist in Zululand, mein Freund. Und du weißt doch, wie das bei euch Zulus ist: Man kommt entweder als Mörder oder als Spion auf die Welt.« Moloi war ein Tswana. Ein völlig anderer Schlag.
»Was willst du?«, fragte Zondi.
»Dein Abstecher dorthin, hat er zufälligerweise irgendwas mit unserem hündischen Freund zu tun?« Moloi hatte einige Jahre in Harvard studiert, er sprach mit leichtem Bostoner Akzent. Eine affektierte Angewohnheit, die Zondi schon immer kirre gemacht hatte.
»Nein«, sagte Zondi. Hielt sich bedeckt.
»Ich kann dir nur sagen, dass wir ihn im Auge haben.«
»Wer ist wir?«
»Eine Interessengruppe, die sehr viel Wert auf Rechtsstaatlichkeit legt.« Wieder ein leises Lachen. »Er war für einige Tage unten in Kapstadt. Hat sich um Geschäfte gekümmert. Oder besser gesagt, um einen Geschäftsmann. Kannst du mir folgen?«
Zondi konnte. Ben Baker. Der Mann war so etwas wie eine Achillesferse von Injas Herrn. Eine verwundbare Stelle, um die man sich kümmern musste. »Absolut.«
»Ich sage nur so viel, mein guter Freund, solltest du rein zufällig über etwas Interessantes stolpern, hältst du mich auf dem Laufenden. Es könnte zu deinem Vorteil sein.«
»Tut mir leid. Ich bin heute wieder hier weg.«
»Wie schade. Wie auch immer, lass uns mal zusammen einen trinken, wenn du wieder zu Hause bist. Über Sachen von gemeinsamem Interesse quatschen und über all die schönen Dinge des Lebens.« Damit endete das Gespräch.
Er ging hinaus und blieb auf dem Bürgersteig stehen, sah nicht den Staub und den Dreck und die Ziegen und die Taxis. Sah Pläne, die in Jo’burg und Pretoria geschmiedet wurden. Eine Schlacht bahnte sich an. Eine Schlacht der Art, die Zondi verstand. Zwar würde kein Blut vergossen, aber unbarmherzig würde es nichtsdestotrotz sein.