Kapitel 64

Dell saß zitternd unter dem Mond, der fahl und hässlich über der zerklüfteten Landschaft hing. Er zitterte nicht vor Kälte, noch immer stieg restliche Tageshitze aus dem Boden auf. Er hörte den Klang von Metall gegen Stein und bemerkte, dass er die Pistole in seiner zitternden Hand hielt. Er hob die Waffe, betrachtete ihren blauen Schimmer im Mondschein.

Dell öffnete den Mund und führte den Lauf tief ein. Registrierte die Schärfe des Kordits, den bitteren Geschmack des Metalls und etwas beinahe Süßes, wahrscheinlich Waffenöl. Spürte, wie sich der Bogen des Korns gegen seinen Gaumen drückte. Die leichten Kerben des Abzugs unter seinem Zeigefinger. Schloss die Augen. Erhöhte den Druck auf den Abzug. Wollte endlich Befreiung. Sein Finger erstarrte, als er seine Familie sah. Nicht das verkohlte Fleisch im Leichenschauhaus: seine Frau und Kinder. Lachend. Glücklich. Lebendig.

Rosie. Mary. Tommy.

Dell öffnete die Augen und zog den Lauf langsam wieder aus seinem Mund heraus. Er atmete rauh und in Stößen. Aber das Zittern war weg. Er wusste, dass er ein anderer geworden war, nicht mehr der, der er früher gewesen war. Er wollte sterben. Aber noch nicht jetzt. Er hatte mit Inja Mazibuko noch eine Rechnung offen.

Dell lehnte sich gegen den Felsen zurück. Lauschte in die Nacht. Zikaden. Ein Vogelruf. In der Ferne das Brüllen eines Tiers. Er musste eingeschlafen sein, denn als er die Augen aufschlug, blutete der Sonnenaufgang rosafarben in den Himmel. Sein Mund war völlig trocken, und er wusste, es gab kein Wasser.

Dell stand auf und lief den Abhang hinunter zu dem abgefackelten Pick-up. Er hörte ein Bellen, das nicht von einem Hund war, und blieb stehen. Ging vorsichtig weiter, umrundete die verrußte Haube des Toyotas. Eine Hyäne fraß die Eingeweide seines Vaters. Das Tier sah zu ihm auf, die Schnauze feucht vor Blut. Fletschte die Zähne.

Dell bückte sich nach einem Stein, den er auf den Aasfresser warf. Traf ihn in der Nähe des Brustkorbs, wo die Knochen sich fast durch das verstaubte Fell drückten. Das Tier machte einen Satz zurück und knurrte ihn wieder an. Dell sah in die eng zusammenstehenden, gelben, wilden Augen. Das Tier trug sein geflecktes Fell wie einen schlecht sitzenden Anzug. Dells Finger fanden einen weiteren Stein, und er schleuderte ihn, legte all seine Wut und Trauer in diesen Wurf. Traf die Hyäne nahe ihrer stumpfen Schnauze, und sie jaulte auf. Dann drehte sie sich um, schlich davon, mit ihrem mageren Arsch und x-beinig, warf einen letzten Blick zurück und knurrte noch einmal, bevor sie in einer Bodensenke verschwand.

Sein Vater lag ausgestreckt auf dem Rücken in seinen blutigen Eingeweiden. Eine Kugel hatte ein sauberes Loch in seine Schläfe gestanzt. Sein Mund hing schlaff offen, seine bläuliche Zunge war zu sehen. Schmeißfliegen drängten sich in die klaffenden Wunden, die einmal seine Augen gewesen waren. Dell sah Geier am Himmel treiben.

Schätze, so viel bin ich dir schuldig, alter Mann, sagte er, als er seinen Vater an den Fußknöcheln packte und ihn wegschleifte, den Körper in einen Graben hinabrollen ließ und dabei versuchte, das feuchte Klatschen der Gedärme nicht zu hören. Er war froh, dass der Körper auf dem Bauch zu liegen kam, so musste er nicht noch einmal in die klaffenden Augenhöhlen sehen.

Dann machte er sich daran, den Leichnam mit Steinen zu bedecken. Selbst so früh am Tag war es schon heiß, und schon bald schwitzte er. Die Zunge angeschwollen vor Durst. Er trat zurück. Ein kleiner Hügel aus roten Steinen bedeckte die Leiche. Er saß eine Weile da, verschnaufte, dachte an seinen Vater, den Mann, den er immer gehasst hatte. Hatte sich irgendetwas geändert? Nein. Nichts hatte sich geändert.

Dell stand auf. Er brauchte Wasser. Er machte sich auf den Weg zu einer Ansammlung von Hütten, die in einiger Entfernung an einem Hang standen und in der aufgehenden Sonne schimmerten.