A & A Therapy

Route 40 West

Catonsville, Maryland

2:30 Uhr

Bogier tat alles weh. Seine Brustwarzen schmerzten, seine Zehen schmerzten, das Armband seiner Uhr tat ihm weh, das Gummiband in seiner Unterhose tat ihm weh. Auch sein Verstand hatte Schmerzen. Aber in seiner Brust war es am schlimmsten. Sie brannte, als würde ein 4.-Juli-Feuerwerk in ihr gezündet, aber eines in den Farben Blau, Indigo und Violett. Jeder von Rays fünf Schüssen hatte eine Energie von mehr als 670 Joule auf die Kevlar-Brustplatte übertragen, die die Geschosse am Eindringen gehindert hatte. Aber sie hatte nicht verhindert, dass deren Wucht ihn wie ein Vorschlaghammer getroffen hatte. Eine rosafarbene Blutblase markierte den Punkt des Einschlags und lag im Zentrum einer bläulich strahlenden Blüte, die heranwuchs wie Gänseblümchen in der Sommersonne. Aus den Wunden an Bauch, Bizeps und Hals sickerte Blut, sodass die Blumen auf einem Feld aus bläulichem Samt mit Weinflecken zu stehen schienen. Es sah kaum noch menschlich aus.

»Was passiert, Baby?«, fragte Kay. »Du gekämpft?«

Kay trug ein trägerloses Kleid mit Blumenmuster, das offenbar das schönste aller Dekolletés und den schönsten aller Hintern verhüllte. Sie hatte die Ausstrahlung einer Sexgöttin der 50er-Jahre und hätte ohne Weiteres das böse Mädchen in einer Menge B-Movies spielen können. Ihr puppenhaftes Gesicht war symmetrisch, verdiente in seiner Flachheit jedoch nicht ganz die Bezeichnung ›schön‹. Ihr Blick war nicht frei von Mitgefühl, hilfreicherweise aber völlig frei von Neugier. Sie hatte die Frage nur der Form halber gestellt.

»Du solltest mal den anderen Typen sehen«, gab Mick zurück. Seine Antwort war kein bisschen lustig, und genau das war der Witz daran. Diese Humorlosigkeit passte perfekt zu seiner rabenschwarzen Stimmung.

»Du hinlegen. Kay kümmert sich.«

»Ich kann nicht allein duschen«, sagte er. »Ich hab’s versucht, tut zu sehr weh. Du musst das für mich machen. Vergiss die Rückseite, mach nur die Vorderseite, unter den Armen. Ich stinke nach Schweiß. Sei vorsichtig, der dumme weiße Mann hat starke Schmerzen.«

Sie lachte so, wie sie es in Cartoons gehört hatte. Ein »Ha«, gefolgt von einem weiteren »Ha«. Dann sagte sie: »Du lustig, Schatzi.«

»Ja, ich bin ein richtiger Talkshow-Moderator.«

Sie nahm ihm das Handtuch ab, und falls seine Ausstattung da unten sie beeindruckte, ließ sie es sich nicht anmerken. In ihrem Job bekam sie mehr Dinger zu sehen als ein Urologe, daher gab es nichts mehr, das sie überraschen konnte. Er legte sich auf den Tisch, der in einem Becken mit warmem Wasser stand. Sie spülte ihn drei- oder viermal ab, seifte ihn ein – an allen Stellen – und benutzte ihre kräftigen, aber sanften Hände, um ihm ein wenig Vergnügen zu verschaffen. Sie war sehr gut, wusste, was sie tat, war nicht schüchtern und höchst professionell in ihrer Konzentration. Hinauf, hinab, plitsch, platsch, hinein, hinaus, bis es schließlich vorbei war.

»Ah, das war gut«, sagte er.

»Du groß«, sagte sie – endlich.

»Groß, aber dumm. So ist das meistens.«

»Du mitkommen.«

Sie hüllte ihn in das Handtuch und führte ihn leise und barfuß durch überraschend saubere Flure zu dem Zimmer, in dem alles begonnen hatte. Das Licht war gedämpft, beinahe religiös, aber es roch nach Desinfektionsmittel. Hinter Vorhängen lagen weitere Räume mit Acht-Dollar-Motel-Dekoration und Lavalampen, wie der, in den sie ihn geführt hatte, und dort spielten sich andere Dramen ab. Kay zog das Handtuch von ihm, trocknete ihn ab und stellte überrascht fest, dass er schon wieder einsatzbereit war.

»Wow. Starker Kerl.«

»Stark, aber dumm.«

Er legte sich auf den Rücken. Sie dämpfte das Licht und schälte sich aus ihrem Kleid. Unter ihrem hypnotischen Ausschnitt kamen zwei bewundernswerte Brüste zum Vorschein, die des Playboy würdig gewesen wären. Sie berührte sie für ihn, weil er es nicht selbst tun konnte. Weil sie die Begeisterung ihres Zuschauers bemerkte, fuhr sie mit den Berührungen verschiedener Intimzonen in verschiedenen ungewöhnlichen Positionen fort, bis sein Interesse sich bis zum Äußersten steigerte.

In diesem Moment ging sie schnell zu ihm, und er entleerte sich mit einem mächtigen Stoß. Danach kroch sie neben ihn und schmiegte sich an. Er war niemand, der gern kuschelte, aber an diesem Abend waren ihm ihre Weichheit, Wärme und unkritische, professionelle Bewunderung willkommen.

»Du traurig, Baby?«

»Heute ist ein guter Freund von uns gegangen«, erwiderte er. »Das ist nie schön, weißt du?«

»In gleichem Kampf?«

»Genau. Das lässt sich nicht ändern, gehört zum Geschäft, aber es ist traurig.«

In diesem Moment klingelte ein Telefon, unglaublich, aber wahr. Er wälzte sich vom Massagetisch, ging zu seiner Kleidung, die am Boden lag, und zog das große Satellitengerät hervor.

»Entschuldige mich.«

Er drückte auf den Knopf.

»Nett, dass Sie rangehen«, sagte MacGyver.

»Ich bin nicht in Stimmung, mir irgendwelchen Mist anzuhören. Weder von Ihnen noch von sonst wem.«

»Was ist passiert? Drei gegen einen. Er tötet Crane, und Sie und die anderen rennen einfach davon. Das entspricht nicht den Black-Cat-Standards, und erst recht nicht denen von Graywolf oder den 5. Special Forces.«

»Er hat besser gekämpft, das ist passiert. Er hat uns irgendwie bemerkt, wusste, wer wir waren, und hat uns überrascht statt umgekehrt. Seine ersten fünf Kugeln haben mich aus nächster Nähe an der Brust getroffen. Ich hatte verdammtes Glück, dass ich eine Schutzweste anhatte. Der Arsch ist Weltklasse, das muss ich ihm lassen. Einer, der Carl Crane erledigen kann, muss ein Mordskerl sein.«

»Die haben Crane schnell identifizieren können, weil das Verteidigungsministerium seine Fingerabdrücke hatte. Das FBI hat einen Fahndungsaufruf für seine Kumpels Mick Bogier und Tony Zemke herausgegeben.«

»Wollen Sie, dass wir verschwinden? Wird’s für uns zu heiß? Wollen Sie Ihr Geld zurück? Ich hab keine Lust, Tonys Mutter anrufen zu müssen, wie ich Carls Frau angerufen habe. Carl hat sie und ihre drei Kinder zurückgelassen. Er war ein toller Vater. Das, was er tat, hat er getan, damit es ihnen gut geht, und weil Sie uns erzählt haben, dass es das Beste für unseren Onkel sei.«

»Ich wünschte, ich könnte es mir leisten, Sie gehen zu lassen. Aber es ist zu spät, jetzt noch neue Leute an Bord zu holen. Und da Cruz davongekommen ist und da oben niemand den Vorfall mit ihm in Verbindung zu bringen scheint, müssen Sie nach wie vor Ihren Auftrag zu Ende bringen.«

»Wird gemacht«, versicherte Mick.

»Es ist die Sache wert. Wir versuchen, einen Ausweg zu finden, und Zarzi ist dafür der beste Weg. Wenn das klappt, werden nicht noch mehr Jungs in diesem Drecksloch sterben. Cruz, sein Spotter, die 31 Geschäftsleute, die Filipinos und wer weiß wer noch, die sind alle für einen guten Zweck gestorben, nämlich damit das sinnlose Abschlachten unserer Leute aufhört. Verstehen Sie? Im Grunde versuchen wir, den Krieg zu beenden und Sie arbeitslos zu machen.«

»Die Kriege werden nie enden, sagt Nietzsche«, gab Mick zurück.

»Da hat er recht, aber vielleicht kriegen wir mal eine kleine Pause vor dem nächsten.«

»Freitagabend, Georgetown?«

»Das wäre wirklich nett. Vielleicht kann ich Ihnen Informationen zu den Sicherheitsmaßnahmen geben. Offenbar hat dieser Swagger ein seltsames Talent dafür, herauszufinden, von wo ein anderer Scharfschütze schießen wird. Sie müssen gar nicht in der Nähe von Georgetown sein; mit dem Barrett können Sie aus einer Meile Entfernung feuern.«

»Nur mit Testschüssen. Und es gibt keine Testschüsse. Ein Schuss, ein Toter. Mit kaltem Lauf wären 1100 Meter das Maximum. Und dann geht’s ab nach Belize.«

»Bogier, das mit Ihrem Freund Crane ist hart. Aber bleiben Sie nicht zu lange deprimiert deswegen. Erledigen Sie die Sache, werden Sie mit Ruhm und Ehre und dem Dank dieser Nation überhäuft. Das alles ist Ihr Lohn. Was kann man sich als Söldner mehr wünschen? Und dazu kommt noch die ganze Knete.«

»Besorgen Sie mir die Infos. Je mehr, desto besser. Und dann knipse ich diesen kleinen Wichser endlich aus, und wenn es nur für Carl ist.«

Er wandte sich ab und senkte das Telefon. Kay saß nackt auf dem Tisch. Ihre Augen verrieten ihre völlige Unschuld hinsichtlich des Gesprächs, das sie mitgehört hatte. Ihre Haut schien zu leuchten; ein verlockender Anblick. Aus irgendeinem Grund hatte sie im Gegensatz zu so vielen Koreanerinnen ihre Haare mit Lockenwicklern frisiert. Ihre Miene war fröhlich. Ihre Augen waren fröhlich und ausdruckslos. Er stellte fest, dass sein Ding schon wieder anschwoll, und das schien ihr ebenso zu gefallen wie ihm.