Nicht identifiziertes Söldnerteam
P Street, ein kurzes Stück nördlich von der Wisconsin Avenue
Georgetown
Washington, D. C.
20:30 Uhr
Sie hatten sich einen Film angesehen. Der Film war scheiße gewesen. Dann waren sie in einen Massagesalon gegangen. Auch der war beschissen gewesen. Danach hatten sie sich ein schönes Abendessen gegönnt: scheiße. Ein Taxi zurück nach Georgetown: scheiße. Sie waren nervös. Auch das war schlecht. Jetzt hockten sie in dem dunklen Wagen an der ruhigen Straße, zwei Blocks östlich der Polizeibarrikade, die die P Street kurz vor der Kurve und dem Übergang zur 37th abriegelte, und legten Schutzwesten über ihren schwarzen Kampfhosen und -hemden an. Sie zogen ihre schwarzen Rollmützen bis über die Ohren herab.
»Wir haben’s fast geschafft, verdammt«, sagte Tony Z.
»Z, hör zu. Wenn ich getroffen werde, dann mach bloß keinen Quatsch, komm mich nicht holen und bleib nicht in der Nähe, um mir Feuerschutz zu geben. Sobald wir dieses Arschloch erledigt haben, wird’s Zeit zum Abflug. Wenn du in die eine Richtung musst und ich in die andere, macht das nichts. Wenn du es schaffst und ich nicht, ist das in Ordnung. Wir treffen uns in Miami wieder.«
»Gar nichts wird passieren, Mick. Wir knallen ihn ab, die blöden Bullen fragen sich, wo der Überschallknall herkommt, wir fahren zum Flughafen, lassen eine Zeitbombe im Auto, damit es morgen Mittag in die Luft geht, und dann fliegen wir ab. In ein paar Wochen findet der Gärtner ihn, wie er da in dem Spalt zwischen Mauer und Zaun steckt. Und alle fragen sich: Was zum Teufel war das? Wer hat Ray Cruz umgebracht? Aber du und ich, wir gönnen uns da schon rund um die Uhr Pussys, Dope und Gin, und das für ein Jahr oder so. Und das Beste ist: Das ganze Scheißuniversum war dabei, vor die Hunde zu gehen, die Stützen, auf denen es stand, bekamen schon Risse, aber wir haben trotzdem unseren Job gemacht, sind unserer Berufung gefolgt. Was soll da rankommen? Ist mit Sicherheit besser, als an der High School Englischunterricht zu geben oder Software zu verkaufen.«
»Stimmt. Nur dass du’s weißt: Du und Carl, ihr wart die Besten, mit denen ich je gearbeitet habe. Schade, das mit ihm, aber ich halte dir jederzeit den Rücken frei, Bruder.«
»Gleichfalls, Adonis.«
»Los, erledigen wir den Drecksack.«
Sie schoben sich wieder auf die Rückbank des SUV. Das Spektiv und das Gewehr im Kaliber 338 Lapua Magnum, ein Sako TRG 42 mit einem großen Brocken von einem Nightforce-Zielfernrohr, lagen dort bereit. Sie rutschten in Position. Tony Z arbeitete sich zum Zielfernrohr vor und machte sich daran zu schaffen, während Mick sich um das Gewehr kümmerte.
»Warte«, sagte Bogier. »Schau mal mit dem Blackberry nach, wo Swagger ist. Das könnte nützlich sein.«
»Wird gemacht.« Tony rollte sich auf den Rücken, zog das Blackberry aus einer Tasche seiner Kampfweste, kam wieder hoch und schaltete es ein. Wie durch Zauberei erschien eine Rasterdarstellung der umliegenden Straßen, und nach ein paar Sekunden leuchtete das kleine, blinkende Licht auf, das die Meinung des Satelliten über die astronomische Position von Planet Swagger kundtat.
»Ja, er ist vor Ort. In der Bibliothek. Das muss ihr Hauptquartier sein.«
»Gut«, erwiderte Bogier. »Hätten die irgendwas gemerkt, wären sie jetzt hier in diesem Bereich. Wir sind auf der Zielgeraden. Ich bin sehr zuversichtlich. Die Mission kann losgehen.«
»Okay, Swagger bewegt sich, nicht viel, aber ein bisschen.« Tony sah auf seine Armbanduhr. »Gut, das heißt, dass die Rede vorbei ist. Swagger weiß, dass jetzt der gefährlichste Moment kommt, und er geht näher zu Zarzi.«
»Geh ans Spektiv, Bruder.«
Tony legte das Auge ans Objektiv. Er sah die Steinmauer, einen grasbewachsenen Hang vor ihr, den schmiedeeisernen Zaun im rechten Winkel dazu, einen Gehweg, der auf den Campus führte, einen weiteren Zaun, dann die Einfahrt, die vermutlich zu den Parkplätzen führte. Etwa 30 Meter weiter an der 37th Street standen zwei Cops beisammen und unterhielten sich. Sie wandten der Einfahrt und dem Tor den Rücken zu. Der Bereich war etwa 550 Meter von ihnen entfernt und es war bereits recht dunkel geworden. Für ein Nachtsichtgerät zu weit weg, aber das Spektiv hatte eine exzellente Auflösung, und die Lampen auf dem Campus und in den Gebäuden an der 37th sorgten für genug Umgebungslicht.
»Ich habe klare Sicht.«
»Ich auch«, sagte Bogier.
Das Gewehr war eine bunte Mischung moderner Präzisionstricks. Es verfügte über einen frei schwingenden Lauf, und der Verschluss war in einen grünen Plastikschaft eingebettet, der über sämtliche Schikanen der Präzisionsverbesserung verfügte, darunter ein fester Pistolengriff, eine Kammerstängelkugel von der Größe eines Golfballs sowie unendliche Anpassungsmöglichkeiten. Ganze Teile, Seitenstücke und Halbkugeln konnten nach innen und außen verstellt werden. Die Waffe sah aus wie ein von einem Komitee aus Clowns zusammengebautes Plastikrohr, aber alles passte wie angegossen. Micks Hand, Auge und sein aufgestützter Ellbogen fanden die richtige Position an dem auf ein Zweibein gestützten Gewehr. Das Ende des Schalldämpfers ragte nur ein kleines Stück aus dem Rückfenster, und die Scheiben des Fahrzeugs waren so dunkel, dass man nur dann einen Scharfschützen darin vermutet hätte, wenn man ihn aktiv gesucht hätte.
Durch das Zielfernrohr, das auf die bescheidene Stärke sechs eingestellt war, sah Mick genau das, was auch Tony sah, nur kleiner. Doch der große Vorteil der geringeren Vergrößerung lag darin, dass seine Atmung kein störendes Zittern oder Wackeln auslöste.
»Ich bin so was von auf Zack«, verkündete Mick. »Ich spür meinen Herzschlag, ich fühle, wie sich meine Atome bewegen. Mann, ich schwimme auf einer Zen-Welle, die du dir nicht vorstellen kannst.«
»Ich auch, Bruder. Ja.«
»Jetzt kann’s jeden Moment so weit sein«, sagte Mick, und sie beide begriffen, dass die Zeit für Plaudereien nun vorbei war.
Sie warteten. Es war nervtötend. Sie warteten. Es war nervtötend. Sie warteten. Es war nervtötend.
»Uh!«, rief Tony mit leicht schriller Stimme. »Ich hab ihn. Mein Gott, er hat sich gerade hinter dem Eisenzaun am Eingang zum Parkplatz hervorgelehnt. Du hast so recht gehabt, Mick! Er ist jetzt knapp sieben Meter vor seiner Schussposition.«
»Siehst du irgendwelche Cops?«
»Die schauen in die falsche Richtung, die blöden Arschlöcher. Er scheint zu überlegen, ob er sie erst ausknocken oder gleich zur Mauerlücke gehen soll, in der Hoffnung, dass sie sich nicht umdrehen.«
»Ich hab ihn, verflucht, aber er geht ständig vor und zurück. Ich hab keine Zeit, zu schießen.«
»Bleibst du auch cool?«
»Wie die Hand des Todes, Mann. Sobald er mal ruhig stehen bleibt, haben wir ihn, Bingo.«
Dann kam der Scharfschütze zum Vorschein. Er huschte geduckt durch die Einfahrt und kauerte sich vor die Trennwand zwischen ihr und dem Gehweg.
»Er geht am Zaun entlang. Dann macht er einen Bogen zurück zu der Lücke. Ich schnapp ihn mir, wenn er an Ort und Stelle ist. Ich will nicht durch den Zaun schießen.«
»Alles cool?«
»Mehr als cool, Junge. Jetzt geht’s richtig los.«
Sie konnten beide sehen, wie der Schütze weiter voranschlich, aber das Problem war der Eisenzaun. Aus diesem extremen Winkel waren die Lücken zwischen den Metallteilen winzig, und es wäre leichtsinnig gewesen, zu versuchen, hindurchzuschießen. Sie würden ihn gehen lassen, bis er auf Position war, und ihn dann ausschalten.
»Er ist fast …«
Plötzlich durchdrangen Lichtstrahlen die Szenerie, scharf wie Messerstiche. Sie kamen vom Dach des nächsten Gebäudes, drei, vier von ihnen, und sie spießten den Schützen auf, der am schmiedeeisernen Zaun entlangkroch. Männer tauchten wie aus dem Nichts auf, kamen aus Gebüschen hervor oder kamen vom Boden hoch und legten die Entfernung in Sekundenbruchteilen zurück. Sie richteten Schrotflinten auf den Scharfschützen, und irgendjemand schrie etwas, das aus dieser Entfernung nicht zu verstehen war.
»Verdammt noch mal! Das war eine verfluchte Falle! Das muss Swagger eingefädelt haben! Verfluchter Mist!«, schrie Tony wütend. »O Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Schei…«
»Bleib am Spektiv. Vielleicht kann ich noch schießen, sobald sie ihn wegbringen. Beruhig dich, gottverdammt, beruhig dich.«
»Jetzt haben sie ihn. Es sind sechs. Die sind an ihm dran. Mist.«
Einer der Polizisten löste sich aus dem Handgemenge und sprach in ein Funkgerät. Nach wenigen Sekunden fuhr ein Streifenwagen einen Block weiter um eine Kurve und sein rot-weißes Signallicht flackerte durch die Nacht. Der Wagen raste zum Ort des Geschehens. Er hielt an und zwei Cops stiegen aus.
»Okay, er steigt ins Auto. Bleib an ihm dran«, wies Mick Tony an. »Ich nehme den Wagen ins Visier. Sprich mit mir, sprich mit mir.«
»Sie haben ihn, Mann, er wehrt sich aus Leibeskräften. Ups, jetzt haben sie ihn umgehauen, sie legen ihm Handschellen an. Oh yeah, jetzt schleppen sie seinen Arsch zum Auto. Ich kann ihn nicht mal mehr sehen, so viele Cops sind über ihm. Okay, sie haben ihn hingebracht, drücken seinen Kopf runter, machen die Tür auf und er steigt ein …«
»Hab ihn genau im Visier«, sagte Mick.
Jetzt hatte er ihn. Cruz’ Kopf zeichnete sich ganz deutlich im hinteren Wagenfenster ab, gut beleuchtet von den pulsierenden Signallichtern. Mit fließenden Bewegungen nahm Mick eine leichte Korrektur vor, legte das präzise und unbewegte Fadenkreuz genau über Cruz’ Kopf. Er wusste, dass die Kaliber-338-Kugel keinen Zentimeter abweichen würde, wenn sie das Glas mit so viel mehr Wucht als eine .308 durchdrang. Wenn sie traf, würde sie alles Organische am Ende ihrer langen Reise zerfetzen, und in diesem Moment absoluter Wahrheit und Klarheit legte sein Finger sich wie von selbst an den Abzug und er feuerte.