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Das Mädchen hat dir gefallen, stimmt’s?«, fragt Denise.
Ich zwinge mich dazu, den Blick von der Tür zu wenden und die Bilder von einer von Licht umgebenen Sophia Rose zu verscheuchen.
»Sie war … gut. Aber das sind sie alle.« Ich umklammere immer noch meinen Stift. »Wann kommt der oder die Nächste?«
Denise lächelt mich wissend an. »Gut, Marc Blackwell? Wen willst du täuschen? Mich nicht. Sie war ausnehmend gut, das weißt du ebenso wie ich.«
»Sie ist zu jung, um ausnehmend gut zu sein.«
»Hör doch auf. Du hast dasselbe in dem Mädchen gesehen wie ich. Die Offenheit. Die Verletzlichkeit. Diese eindringlichen Gefühle. Wirklich hervorragend.«
»Ich habe dir doch schon gesagt, dass sie gut war.«
»Also ist sie aufgenommen?«
»Ich bin mir noch nicht sicher.«
»Marc …«
»Zum einen ist sie viel zu jung.«
»Es geht hier nicht ums Alter, sondern um Reife. Und die besitzt sie in höchstem Maß. Sie hat mich an dich erinnert. Sie wirkt älter, als sie ist. Das hat wohl mit ihrer Familienkonstellation zu tun. Ihre Mutter ist gestorben, als sie noch ein Kind war. Sie musste sich um ihren Vater und einen kleinen Bruder kümmern. Sie hat es wirklich mehr als alle anderen verdient, bei uns aufgenommen zu werden.«
»Sie wird immer und überall zurechtkommen.«
»Warum wollen wir sie dann also nicht aufnehmen?«
»Weil …« Aber ich weiß keine Antwort. Es gibt keinen Grund für meine Weigerung – bis auf die Gefühle, die ihn mir explodiert sind, als Sophia Rose den Raum betrat. Aber ich kann Denise nicht erklären, dass ich befürchte, dieses Mädchen könnte mich dazu bringen, die Selbstkontrolle zu verlieren.
Denise schüttelt den Kopf. »Ich glaube, du vergisst, wie hart die Welt der Schauspieler sein kann«, sagt sie. »Sophia ist sehr hübsch und sehr talentiert. Aber das reicht nicht. Sie hat keine Beziehungen, keinen Theaterhintergrund, nichts, was ihr beim Einstieg in die Branche helfen könnte. Ohne uns geht sie dem Publikum vielleicht verloren. Du weißt doch, wie es dort draußen zugeht. Die Rollen bekommen die Mädchen mit den reichen Vätern.«
Ich schließe die Augen und spüre dem Schmerz hinter meiner Stirn nach. Als ich sie wieder öffne, ist die Welt lichterfüllt.
Vielleicht kann ich Sophia Rose ja übersehen, wenn sie in einem großen Kurs sitzt. Und vielleicht nimmt sie den Platz ja gar nicht an.
»Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, dass wir das beste College für sie sind«, sage ich. »Du hast doch gesehen, wie sie gekleidet war. Wir sind hier in London!«
»Marc Blackwell! Was ist denn heute in dich gefahren? Es ist mir egal, was du sagst. Ich nehme sie auf. Sie verdient diesen Platz, und ich werde es nicht zulassen, dass sie ihn nur deshalb nicht bekommt, weil du schlechte Laune hast.«
»Das ist nicht deine Entscheidung.«
Denise lacht. »Ich bin keiner deiner albernen Fans, Marc Blackwell. Ich lasse mir von dir nichts vorschreiben. Sie ist aufgenommen und damit basta. Und jetzt mache ich dir eine gute Tasse Tee, damit sich deine Laune wieder bessert, okay?«
Denise weiß sehr wohl, dass ich Sophia Rose ablehnen könnte, wenn ich wollte. Aber sie hat die Chance wirklich verdient. Sie sollte ihr nicht vorenthalten werden, nur weil ich verrückt bin.
»Na gut«, erwidere ich. »Nimm sie auf.« Dann muss ich mich eben beherrschen.