Michael Thode
Du kennst den Ort
Finn Brandt
A uf seine Tochter konnte Finn Brandt sich verlassen: Wenn Anka nach Hause kam, dann war das mit lautstarkem Getöse verbunden!
Finn sprang vom Küchentisch auf, griff nach dem Handy und blickte sich um. Wo konnte er das Gerät verstecken?
»Hey, Papa«, hörte er Anka vom Flur rufen. »Ich bin spät dran. Kannst du mich gleich in den Reitstall fahren?«
Finn spurtete zum Kühlschrank, öffnete die Tür und legte das Handy ganz nach hinten, sodass es hinter den Joghurtbechern verschwand. Er warf die Tür zu und wartete, bis Anka in die Küche kam.
»Oh, Gott, wie siehst du denn aus?«, fragte sie, als sie ihn sah. »Ist was mit Mama?«
»Nein, nein, mit ihr ist alles in Ordnung. Es war … die Arbeit … also … sie ist im Moment … stressig.«
Anka hob die Augenbrauen. »So schlimm, dass dir Schweiß auf der Stirn steht und deine Hände zittern? Ist wirklich alles okay mit Mama?«
»Mama sitzt am Schreibtisch!«
»Na dann …« Anka ging zum Kühlschrank.
Finn versperrte ihr den Weg. »Was willst du?«
Sie sah ihn entgeistert an. »Joghurt?«
Er nahm einen Becher aus dem Kühlschrank und gab ihn ihr. »Hier!«
Anka runzelte die Stirn. »Was soll das denn jetzt?«
Tobias Krause
»Ich bin wieder zurück!«, rief Tobias Krause und stellte die Aktentasche im Flur ab. Dann zog er die Jacke aus, hängte sie an die Garderobe und tauschte seine Sneakers gegen die Hausschuhe. »Ob du es glaubst oder nicht, Schatz: Es ist tatsächlich genauso gelaufen, wie wir es geplant haben! Er hat das Handy aufgehoben und es wirklich eingesteckt!«
Tobias begann zu kichern und klopfte sich dabei auf die Oberschenkel. »Er hat sich dabei sogar noch umgesehen, ob ihn jemand beobachtet. Ich habe selbstverständlich darauf geachtet, dass die Luft rein war! Anschließend hatte er es wahnsinnig eilig, nach Hause zu kommen.«
Tobias seufzte zufrieden. »Zur Feier des Tages koche ich jetzt unser Lieblingsessen. Einverstanden?«
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Finn Brandt
Der Kühlschrank, dachte Finn und ärgerte sich über sich selbst. Ein beschisseneres Versteck hätte ich nicht finden können!
Anka blickte ihn ratlos an. »Willst du reden, Papa?«
Mit Sicherheit nicht!, dachte er und winkte ab. »In ein paar Minuten ist der Stress verflogen. Ich fahre dich jetzt erst einmal in den Reitstall. Wann müssen wir los?«
»In zehn Minuten!« Sie schlang ein paar Löffel Joghurt hi­nunter, stellte den Becher auf die Arbeitsplatte und verschwand.
Als er allein war, nahm Finn das Handy aus dem Kühlschrank und eilte hinauf in das erste Stockwerk. Dort schloss er sich im Badezimmer ein und aktivierte das Gerät. Es war frei zugänglich, ohne dass er vorher eine PIN eingeben musste – noch nicht einmal das hatte ihn stutzig gemacht, als er das Handy vorhin auf dem Gehweg gefunden hatte!
Auf dem Display waren zwei Icons sichtbar: eines für Instagram, das andere für Whatsapp. Tobias rief Instagram auf und augenblicklich schnürte es ihm die Luft ab.
Es erschien ein Bild, das ein Nutzer namens finn_brandt hochgeladen hatte.
Er nutzte Instagram doch gar nicht!
Auf dem Display wurde ein Bild sichtbar, das Finn und seine Frau Lea bei einem Ausflug in der Innenstadt zeigte. Der Text dazu lautete: Frühlingsgefühle #freiheit #ehrlichkeit #mut
Er kannte das Foto nicht!
Es gab auch einige Kommentare zu dem Beitrag. Von seinem Bruder stammte: »Willkommen auf Instagram, alter Sack.« Ein Fußballkamerad hatte geschrieben: »Die Schöne und das Biest …«, und von einer Arbeitskollegin kam: »Oh, wie schön!«
Was sollte das?
Wer hatte die Fotos gemacht?
Und wer zum Teufel nutzte seine Identität?
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Tobias Krause
»In zehn Minuten können wir essen!« Tobias deckte das gute Geschirr, stellte Kerzen auf den Tisch und zündete sie an. Dann schmeckte er die Sauce bolognese ab und rieb den Parmesan. »Einen Moment noch!«, rief er und lachte. »Es ist Zeit für das nächste Foto!«
Tobias zückte sein Handy und lud einen Beitrag auf Instagram hoch, den er weit im Voraus geplant hatte. Dann goss er das Nudelwasser in einem Sieb ab, füllte die Pasta in eine Glasschüssel und arrangierte sie ebenfalls auf dem Tisch.
»Schatz, du kannst jetzt kommen!«
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Finn Brandt
Nachdem Finn seine Tochter zum Reitstall gefahren hatte und nach Hause zurückgekehrt war, schloss er sich erneut auf der Toilette ein.
Wieder sah Finn sich das fremde Handy an. Er rief Instagram auf und sogleich lief ihm eine Gänsehaut über den Rücken.
Der Nutzer, der sich finn_brandt nannte, hatte vor wenigen Minuten ein weiteres Bild gepostet. Es zeigte Finn während der Mittagspause, in der Sonne, mit einer Zigarette im Mund. Der Text lautete wieder: Frühlingsgefühle #freiheit #ehrlichkeit #mut
Es gab bereits einen Kommentar von seinem Chef: »Ich gehe davon aus, dass du dich zum Rauchen ausgeloggt hast!«, und einen weiteren von seinem Bruder: »Mensch Finn, Lea war doch so stolz auf dich, dass du seit fünf Jahren nicht mehr rauchst!«
Er musste diesen Irrsinn stoppen!
Sofort!
Finn rief die Kontakte des fremden Handys auf. Dort war lediglich eine Nummer abgespeichert: Unbekannt. Er glich sie mit seinem eigenen Smartphone ab – kein Treffer.
Kurz wägte er das Für und Wider ab, dann entschied er sich dafür, die unbekannte Nummer anzurufen. Er wählte, und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis das Gespräch endlich angenommen wurde.
Mit der für sie typischen, monotonen Stimme meldete sich seine Frau. »Lea Brandt?«
»Lea?«, schoss es aus Finn heraus. »Du?«
»Ja?«
»Ähm …«
»Ja?«
»Ich …«
»Warum rufst du mit einer fremden Nummer an?«
»Es ist … wegen … na ja … Ich habe … Anka … ich habe sie zum Reiten gefahren.«
»Ich weiß.«
Tobias spürte das Blut durch seine Halsschlagadern pulsieren. Was sollte er sagen?
»Wo bist du?«, fragte Lea.
»Oben. Auf der Toilette.«
»Du rufst mich mit einer fremden Nummer von der Toilette aus an, um mir zu sagen, dass du Lea zum Reiten gefahren hast?«
Eine Rufumleitung, dachte Finn, eine verfickte Rufumleitung!
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Tobias Krause
»Das Essen wird kalt«, rief Tobias. Er saß am Tisch und starrte auf die Spaghettischüssel. Er wartete einige Augenblicke, doch es kam keine Antwort.
»Schatz, ich habe unser Lieblingsessen gekocht. Es wäre schade, wenn es kalt werden würde.«
Keine Antwort.
»Christine?«
Keine Antwort.
»Christine, kommst du bitte!«
Keine Antwort.
»Das macht mich alles sehr, sehr traurig!« Plötzlich spürte Tobias einen irrsinnigen Zorn in sich – eine flammende Wut, die ihn förmlich zerriss. Er nahm die Schüssel mit der Sauce bolognese und schleuderte sie gegen die Wand. »Christine!«
Er griff mit beiden Händen in die Nudeln und feuerte sie gegen die Fensterscheibe. »Christine!«
Er nahm die beiden Kerzenleuchter und schlug auf das Ceranfeld ein, bis es vollständig zerstört war. »Christine!«
Er riss die Tischdecke vom Tisch, sodass das Geschirr klirrend zu Boden ging. »Christine!«
Er nahm einen Stuhl und haute auf den Fußboden, bis er nur noch ein gebrochenes Stuhlbein in der Hand hielt. »Christine!«
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Finn Brandt
Finn trat neben seine Frau und strich über ihre Wange. Ihr Kopf war aufgrund der hohen Querschnittslähmung der einzige Teil ihres Körpers, der für Berührungen sensibel war. »Lea?«
»Ja?« Sie hatte ihren Rollstuhl an den Schreibtisch herangefahren und blickte auf den Bildschirm. Vor dem Monitor war ein Gestell montiert, das einen feinen Lippensensor vor ihrem Mund positionierte. Mit diesem Sensor bediente sie eine Computermaus.
Der Unfall hatte sie damals gezwungen, ihr Leben vollständig umzustellen: Weg von einer durchtrainierten Leichtathletin, hin zu einer bewegungsunfähigen Rollstuhlfahrerin. In den vergangenen fünf Jahren hatte sie sich in den sozialen Medien unter dem Namen lea_rollt eine riesige Fangemeinde aufgebaut. Mittlerweile verknüpfte sie dies geschickt mit Werbung.
Lea war finanziell unabhängig.
»Es ist Zeit für das Waschen«, sagte Finn.
»Ich möchte auf Facebook nur noch kurz über das nächste Fotoshooting schreiben. Der Leichtathletikverband ist auf mich aufmerksam geworden und möchte eine Reportage mit mir machen.«
Es entstand eine längere Pause, in der nur Leas Beatmungsgerät zu hören war. Chirurgen hatten unterhalb ihres Kehlkopfes einen stabilen Zugang zu ihrer Luftröhre geschaffen, um dort eine Trachealkanüle einführen zu können. Transparente Schläuche verbanden diese Kanüle mit einem Beatmungsgerät, das an der Rückenlehne des Rollstuhls montiert war. In regelmäßigen Abständen baute das Gerät einen Überdruck auf, der ihre Lungen mit einem speziellen Atemgas versorgte. Zwischen der Trachealkanüle und den Beatmungsschläuchen war ein Sprechventil eingesetzt, das das Gas beim Ausströmen über den Kehlkopf und die Stimmlippe lenkte. So war sie trotz der künstlichen Beatmung in der Lage, sich zu artikulieren.
»Das kannst du später erledigen«, sagte Finn schließlich.
»Bitte. Nur noch zehn Minuten, dann bin ich so weit.«
Finn schüttelte den Kopf und schaltete den Bildschirm aus. »Marie hat alles vorbereitet.«
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Tobias Krause
»Oh Gott«, murmelte Tobias und fuhr sich durch die Haare. »Oh mein G-o-t-t!«
Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, ging er zum Waschbecken und wusch sich die Hände. Dann verließ er die Küche Richtung Wohnzimmer. Kurz bevor er dort ankam, hielt er inne und konzentrierte sich auf das, was jetzt vor ihm lag.
Er holte noch einmal tief Luft, dann senkte er den Kopf und betrat den Raum.
Er blieb stehen.
Er blickte aus den Augenwinkeln nach oben.
Er sah sie.
Er erkannte ihr Lächeln.
Er fühlte eine grenzenlose Erleichterung.
Christine.
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Finn Brandt
Lea Brandt war wegen ihrer hohen Querschnittslähmung rund um die Uhr auf Intensivpflege angewiesen. Eigens dafür war ein zwölfköpfiges Team in Acht-Stunden-Schichten organisiert. Marie Unger war diejenige Pflegerin, zu der Lea und Finn in den vergangenen fünf Jahren das größte Vertrauen aufgebaut hatten. Daher war es mittlerweile fest eingeplant, dass Leas Körperpflege während Maries Schicht stattfand.
»Bist du so weit, dass wir Lea anheben können?«, fragte Finn.
»Einen kleinen Moment noch!«, erwiderte Marie. Sie löste die Bremsen des Rollgestells, an dem das Beatmungsgerät befestigt war. Dann nahm sie die Beatmungsschläuche in die Hand und hielt sie so, dass die Trachealkanüle beim Umlagern vom Rollstuhl auf den Pflegetisch nicht aus der Luftröhre rutschen konnte.
»Kannst du dich bitte ein bisschen beeilen?«
»Okay, ich bin fertig«, antwortete Marie irritiert. »Du kannst sie jetzt anheben.«
Finn drückte auf die Fernbedienung. Mit einem Surren spannte der Deckenlifter das Hebetuch, das unter Lea ausgebreitet war, und hob sie sanft aus dem Rollstuhl. Gemeinsam bugsierten sie Lea so, dass sie direkt auf dem Pflegetisch zum Liegen kam.
Im Laufe der folgenden halben Stunde entkleideten sie die gelähmte Frau, wuschen sie, cremten sie ein und zogen sie wieder an. Dabei gaben sie besonders darauf acht, die künstliche Beatmung zu keinem Zeitpunkt zu unterbrechen.
»Finn, hast du schon gehört, dass Lea ein Fotoshooting mit dem Leichtathletikverband hat?«, fragte Marie, als Lea wieder in ihrem Rollstuhl saß.
»Ich habe andere Probleme«, erwiderte Finn knapp. »Kommt ihr ohne mich klar?« Er wartete die Antwort nicht ab, sondern ging.
»Ist ihm eine Laus über die Leber gelaufen?«, fragte Marie, als sie mit Lea allein war. »So kenne ich ihn überhaupt nicht.«
Einige Augenblicke war lediglich das Beatmungsgerät zu hören. Schließlich antwortete Lea: »Wir müssen im Moment nachsichtig mit ihm sein. Es geht ihm jedes Jahr um diese Zeit nicht gut.«
Auf Maries Stirn bildeten sich tiefe Falten. »Hängt das zusammen mit dem …?«
»Ja«, unterbrach Lea sie, »aber du darfst ihn darauf nicht ansprechen. Hast du verstanden? Auf gar keinen Fall!«
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Tobias Krause
Tobias hatte mehrfach um Entschuldigung gebeten, und Christines Gesichtsausdruck machte den Eindruck, als sei sie ihm nicht böse. Sie lächelte noch immer.
»Wenn du nichts dagegen hast, würde ich jetzt zum nächsten Schritt kommen«, sagte Tobias. Er zückte das Handy und streckte es in die Luft. »So, wie wir es besprochen haben. Danach räume ich die Küche auf und besorge uns etwas zu essen, ist das für dich okay?«
Sie blieb bei ihrem Lächeln, also deutete er ihre Mimik als Zustimmung.
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Finn Brandt
Finn zog sich gerade eine Jacke an, um mit Lea eine Ausfahrt in die Lüneburger Innenstadt zu unternehmen – ein Ritual, das sicherstellte, dass Lea zumindest einmal am Tag nach draußen kam.
Das fremde Handy machte mit einem Vibrieren auf sich aufmerksam. Tobias spurtete nach oben, schloss sich auf der Toilette ein und sah auf das Display.
Eine neue Whatsapp!
Tobias öffnete die Nachricht. Es handelte sich um ein Foto. »Nein!«
Das Handy rutschte ihm aus der Hand. Es stürzte auf die Fliesen, prallte dort ab, drehte sich einige Male um die eigene Achse und kam mit einem dumpfen Schlag zum Liegen.
»Das kann doch nicht sein!«, murmelte er voller Verzweiflung und hob das Handy auf. Das Display hatte mehrere Sprünge, das Foto war aber immer noch zu sehen. Das Bild würde ihn erledigen! Lea weg, Anka weg, Arbeit weg, Freunde weg, alles weg.
Prompt folgte eine weitere Whatsapp.
Morgen um 18:00 geht das Bild bei Instagram online.
Den Rest muss ich wohl nicht erklären.
Ich lasse dir eine Alternative: Morgen ist Jahrestag. Du kennst den Ort. Du weißt, was passiert ist. Solltest du DAS bis 18:00 Uhr
wiederholen, lösche ich den Account.
Tobias Krause
Tobias brauchte knapp zweieinhalb Stunden, um die Küche wieder in einen akzeptablen Zustand zu bringen. Das Ce­ranfeld und den Stuhl konnte er nicht reparieren, darum würde er sich in den nächsten Tagen kümmern.
Anschließend bestellte er zwei Pizzen bei einem Lieferdienst: Prosciutto e Funghi für Christine und Quattro Formaggi für sich selbst.
Er servierte sie im Wohnzimmer.
Christine lächelte, und Tobias war glücklich.
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Finn Brandt
»Du sollst nicht so schnell fahren!«, schimpfte Finn und bemühte sich, mit Lea mitzuhalten.
»Wir sind gleich da«, antwortete sie mit monotoner Stimme. Daraufhin drückte sie den Joystick mit dem Kinn nach vorn und beschleunigte den Elektrorollstuhl auf die Höchstgeschwindigkeit von zehn Stundenkilometern.
Finns Gedanken rasten. Was würde passieren, wenn sie durch ein Schlagloch fuhr, ein falsches Signal an den Joystick gab und auf den Asphalt stürzte?
Er wollte ihr nachrufen und sie zum Halten bringen – doch eigentlich war das jetzt vollkommen egal.
Prompt stoppte Lea vor einem Reisebüro und richtete den Rollstuhl mit Hilfe der Kinnsteuerung so aus, dass sie sich die Aushänge in dem Schaufenster ansehen konnte. »Amerika wäre cool«, sagte sie, als Finn endlich neben ihr stand. »Ein halbes Jahr lang mit dem Motorrad über die Route 66.«
»Lea!«, erwiderte er, und es war deutlich zu hören, dass er ihre Begeisterung nicht teilte.
»Die Südsee würde mir auch gefallen. Den ganzen Tag am Strand liegen, Cocktails trinken und abends in einer Bar tanzen bis zum Morgengrauen.«
»Du weißt ganz genau, was passieren kann, wenn du so schnell fährst!«
»Guck mal, da oben. Drei Wochen Fallschirmspringen in Südafrika. Und am Ende hätten wir sogar die AFF-Lizenz.«
»Nächstes Mal begleite ich dich nicht! Dann musst du selbst sehen, wie du klarkommst! Oder du fragst Marie!«
»Hast du gehört, was ich gesagt habe? Eine AFF-Lizenz in Südafrika!«
»Lea!«
Eine lange Zeit war nur das Beatmungsgerät zu hören. Schließlich unterbrach Lea das Schweigen: »Ich weiß, wie sehr der Unfall dich belastet. Aber das Leben geht weiter! Es ist an der Zeit, positiv zu denken!«
»Hör auf damit!«
»Ich weiß, dass du darüber nicht reden willst. Ich wünsche mir für dich, dass du irgendwann anfängst, nach vorne zu schauen.«
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Marie Unger
Maries Schicht hatte gerade begonnen, als Anka nach Hause kam. Der Lärm, der damit verbunden war, erschütterte das ganze Haus. Kurz darauf standen beide in der Küche.
»Du kommst allein?«, fragte Marie.
»Ja, wieso?«
»Finn ist vor einer halben Stunde weggefahren. Er hat gesagt, dass er dich aus der Schule abholen will.«
Anka zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, wir haben nichts abgesprochen.«
»Darf ich dich etwas fragen?«
Anka stutzte. »Ja, klar.«
»Was war das für ein Unfall damals?«
Anka spitzte die Lippen und schien zu überlegen, ob sie diese Frage beantworten wollte. Schließlich sagte sie: »Papa hat die Kontrolle über den Wagen verloren. Mama saß auf dem Beifahrersitz. Hinten saßen Freunde. Christine und Tobias. Christine war sofort tot. Zu Tobias haben wir seitdem keinen Kontakt mehr.«
Marie kniff die Augenbrauen zusammen und stöhnte.
»Was sagtest du gerade?«, fragte Anka. »Wo wollte Papa hin?«
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Tobias Krause
»Du möchtest deine Pizza nicht?«, fragte Tobias und blickte zu Christine hinüber.
Ihr Bild hing an der Wand.
Es war die letzte Aufnahme, die vor dem Unfall aufgenommen worden war. Sie lächelte das schönste Lächeln, das er sich vorstellen konnte.
Dann begann er zu weinen.