Das Motel und das Auto, das Parker benutzen würde, befanden sich in Evansville. Als sie dort angekommen waren, zählten Melander und Ross auf dem Bett das Geld, während Carlson und Parker an dem runden Tisch einander gegenübersaßen, in den beiden einzigen Sesseln, die es in dem Zimmer gab.
»Das Haus ist billig. Für Palm Beach, meine ich«, erklärte Carlson.
»Warum?«
»Vor vielleicht acht Jahren ist es an dieses Filmstar-Ehepaar verkauft worden, du weißt schon, er ist ein Star, und sie ist ein Star, und wenn sie einen Film drehen, kriegt er zwanzig Millionen und sie zehn Millionen —«
Vom Bett aus sagte Melander: »Immer noch kein gleicher Lohn für gleiche Arbeit, ist dir das klar?«
Carlson und Parker beachteten ihn nicht, und Carlson sagte: »Die haben das Anwesen gekauft und gedacht, sie würden Stars in Palm Beach sein, aber Palm Beach hat sie geschnitten. Sie sind Stars, aber sie sind Prolos, und in Palm Beach darf man kein Prolo sein. Oder wenn man einer ist, lässt man es sich nicht anmerken und wirft mit Geld um sich.«
»Wohltätigkeit«, sagte Melander.
»Wohltätigkeit ist in Palm Beach große Mode«, stimmte Carlson zu. »Aber die beiden haben es nicht richtig gemacht. Die dachten, sie gehören schon dazu. Sie haben große, protzige Partys veranstaltet und sogar Rockbands eingeflogen, das muss man sich mal vorstellen, aber kein Schwein ist hingegangen.«
»Na ja, es sind schon viele auf diese Partys gegangen«, sagte Ross.
»Aber nicht die richtigen Leute«, sagte Carlson. »Außerdem sind die Partys dem Haus nicht gut bekommen, es ist in ziemlich schlechtem Zustand. Dann sind die Stars weggezogen, um woanders Stars zu sein —«
»Wo man zu Stars aufschaut«, sagte Melander.
»Also hat das Haus leergestanden«, sagte Carlson, »und die Alarmanlage ist andauernd kaputtgegangen, und Penner haben sich vom Strand her eingeschlichen, und es hat ein paar kleine Brände gegeben, und schließlich haben die Cops gesagt, wir können nicht jeden Tag vierundzwanzig Stunden einen Mann vor diesem Haus postieren, Sie müssen einen eigenen Sicherheitsdienst engagieren, und die Stars haben gesagt, scheiß drauf und haben es zum Verkauf angeboten.«
Melander lachte: »Ein renovierungsbedürftiges Haus in Palm Beach zu verkaufen. Was für Do-it-yourself-Freaks.«
»Diese Stars haben nichts auf die Reihe gekriegt«, sagte Carlson. »Wenn sie die Renovierung übernehmen, können sie das Haus viel teurer verkaufen. Aber sie sind nicht interessiert, sie sind längst woanders, und das Haus steht da, bis Boyd aufkreuzt.«
Melander stand vom Bett auf und stellte sich in Positur: die Schultern gestrafft, der massige Körper entspannt, ein breites Lächeln, das Gesicht von vollem, gewelltem Haar umrahmt. Mit starkem texanischem Akzent sagte er: »Ich mag eure kleine Stadt, ich würde gern was beitragen, wenn ich könnte, damit sie noch schöner wird. Ich mag den Ozean, den ihr habt, er ist größer als der Golf, mir gefällt die Vorstellung von diesem ganzen Ozean da draußen und dass Europa auf der anderen Seite ist, nicht Mexiko. Nicht dass ich etwas gegen die Mexikaner hätte, das sind hart arbeitende kleine Kerle, die meisten jedenfalls.«
Melander setzte sich wieder zu dem Geld, und Carlson sagte grinsend zu Parker: »Boyd passt dort prima hin. Und mit dem ganzen Erdölgeld von seiner Familie wird er das Haus so herrichten, dass es wieder wie neu wird. Besser. Und wenn er mit dem Haus fertig ist, will er dort die große Benefizveranstaltung für die Bibliothek organisieren.«
Parker nickte. »Ja, er wirkt glaubwürdig.«
Carlson schien zufrieden. »Also bist du dabei?«
»Nein«, sagte Parker.
Die drei waren enttäuscht, schauten ihn an, als hätte er sie auf eine unerwartete Art im Stich gelassen. »Darf man fragen, warum?« fragte Carlson.
»Ihr habt ein Haus, in dem ihr euch aufhalten könnt. Wenn ich euch frage, werdet ihr mir sagen, dass von dem Haus keine Spur zu einem von euch führen wird, wenn alles vorbei ist.«
»Klar«, sagte Carlson.
»Aber das ist nicht der Job«, sagte Parker. »Das ist nur ein sicheres Haus. Der Job, das ist nach wie vor ein großer Haufen Schmuck, Klunker für zwölf Millionen Dollar, dicht umstellt von Leuten mit Waffen, die nicht wollen, dass ihr das Zeug in die Finger kriegt. An der Idee von heute — als Ablenkungsmanöver ein bisschen weiter draußen was in die Luft jagen — sehe ich, dass ihr Jungs es gern knallig habt. Nichts dagegen, Brände und Explosionen haben ihre Berechtigung, aber ich glaube, ihr wollt es auch in Palm Beach knallig haben, und damit werdet ihr genauso baden gehen wie die Filmstars.«
Carlson wollte etwas sagen, aber Parker hob die Hand. »Sag’s mir nicht«, sagte er. »Ich mach nicht mit, also will ich auch nicht wissen, wie euer Plan aussieht, und ihr wollt auch nicht, dass ich es weiß.«
Die drei sahen einander an. Parker beobachtete sie, um festzustellen, wie er reagieren sollte, aber anscheinend wollte keiner irgendeine Drohung loslassen. Schließlich sagte Carlson: »Wie weit seid ihr mit dem Zählen?«
»Fertig«, sagte Ross. »Fünfundachtzig und ein paar Zerquetschte.«
»Das ist wenig«, sagte Carlson.
»Na ja, wir wussten, dass es möglicherweise nicht viel sein würde«, sagte Melander.
Carlson wandte sich wieder an Parker. »Die Anzahlung für das Haus beläuft sich auf hundert Riesen. Die haben mehr verlangt, Boyd hat sie runtergehandelt, aber das ist die absolute Untergrenze. In zwei Tagen wird das Bargeld hier als elektronischer Impuls eine Bank in Austin verlassen, aber es ist nicht genug. Nach Lage der Dinge werden wir uns den Rest schwarz borgen müssen.«
Parker wartete.
Vom Bett her sagte Ross: »So sieht’s aus, verstehst du? Wir müssen uns fünfzehn borgen, das heißt, wir müssen dreißig zurückzahlen. Mann, wenn wir dir deine« — er schaute auf einen Zettel, der vor ihm auf dem Bett lag — »einundzwanzigtausenddreihundertneunzehn Dollar geben, müssen wir uns fast vierzig leihen, und das ist ein Rückzahlbetrag von achtzig, da fängt’s an weh zu tun.«
»Außerdem«, sagte Carlson ganz ruhig und vernünftig, »brauchen wir immer noch einen vierten Mann, so wie die Sache geplant ist, also muss irgendwer diesen vierten Anteil kriegen. Deshalb sollst du es sein.«
»Nein«, sagte Parker.
Wieder sahen sie einander an, und wieder wartete Parker darauf, dass sie etwas unternahmen, aber es passierte auch jetzt nichts. Melander sagte nur: »Der ändert seine Meinung nicht.«
»So ein Mist«, sagte Carlson.
Melander meinte: »Wir haben gewusst, dass es so kommen könnte.«
»Trotzdem.«
Unterdessen zählte Ross einen kleinen Stapel Geldscheine aufs Bett, und Carlson stand auf und trat an den Wandschrank. Er öffnete die Tür und zog zwei der drei Koffer heraus — den von Parker ließ er drin. Ross stand vom Bett auf, kam herüber, legte Parker ein kleines Bündel Scheine hin und sagte: »Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat. Wir melden uns wieder bei dir.«
Parker schaute das Geld an. Es war nicht genug, bei weitem nicht. »Was ist das?« fragte er.
»Das sind zehn Prozent«, sagte Ross. »Gut zwei Riesen. Wenn wir in Palm Beach fertig sind, kriegst du den gesamten Rest; das hier sind also quasi die Darlehenszinsen.«
»Ich gebe euch kein Darlehen«, sagte Parker.
Melander und Carlson stopften das übrige Geld in die beiden Koffer. Melander sagte: »Tut mir leid, aber du musst. Du hast keine Wahl, und wir haben keine Wahl.«
Ross zeigte Parker eine Pistole, ohne sie direkt auf ihn zu richten. »Du stehst besser nicht auf«, sagte er, »und lässt die Hände besser auf dem Tisch.«
»Tom Hurley hat gesagt, ihr wärt keine Halsabschneider.«
»Sind wir auch nicht«, sagte Ross mit schlichter Aufrichtigkeit. »Du kriegst dein Geld. Der Job läuft in zwei Monaten, und dann gehört das Geld dir. Mit Zinsen.«
Melander sagte: »Tut mir leid, Kumpel, dass wir so vorgehen müssen, aber was bleibt uns anderes übrig? Wir dachten, du würdest mitmachen, dann wäre alles in Butter gewesen. Tut mir leid, dass du dich anders entschieden hast, aber da kann man nichts machen.«
Carlson sagte: »Du kannst dich drauf verlassen, dass wir dich auszahlen. Ich hab noch nie einen Kollegen gelinkt.«
Jetzt linkst du mich, dachte Parker. Aber wozu noch viel reden?
Die drei wechselten Blicke, als dächten sie, es könnte noch mehr zu sagen geben, und dann wandte sich Melander an Parker und breitete die Hände aus: »Du weißt, wo wir demnächst sind.«
»In Palm Beach.«
»Wenn wir Halsabschneider wären, würden wir dich jetzt umlegen.«
Das einzig Richtige, dachte Parker und wartete.
»Aber das ist nicht unser Stil«, sagte Carlson.
Dann seid ihr tot, dachte Parker und wartete.
»Es ist nur, wir möchten, dass du die beiden nächsten Monate zu Hause bleibst. Wir werden dich ab und zu anrufen, um uns zu überzeugen, dass du da bist«, sagte Melander.
Parker zuckte die Achseln. Mit diesen Leuten war nicht zu reden.
Offenbar fanden sie jetzt auch selbst, dass sie genug geredet hatten. Sie bewegten sich Richtung Tür, Ross steckte die Pistole weg und ging hinaus, ohne sich nach ihm umzudrehen.
Parker saß da, die Hände mit den Handflächen nach unten auf dem Tisch, die paar Geldscheine dazwischen. Sein Geld war weg, es war im Begriff, ein elektronischer Impuls in Texas zu werden. Das war so nicht vorgesehen, und es würde auch nicht so kommen.
Er stand auf, ging zum Telefon und rief Claire in dem Haus oben in New Jersey an. Als sie sich meldete, fragte er, ohne seinen Namen zu sagen: »Erinnerst du dich an das Hotel mit dem Haialarm?« Er meinte ein Hotel in Miami Beach, in dem sie einmal gewohnt hatten.
»Ja.«
»Fahr hin und bleib die nächsten zwei Monate dort. Ich ruf dich an.«
»Gleich?«
»Du kannst noch zwei Tage warten, bis das Telefon klingelt, aber geh nicht ran«, sagte er und legte auf.