Er startete in Evansville, und er musste zwei Monate später in Palm Beach sein. In dieser Zeit waren Vorbereitungen zu treffen, und Vorbereitungen kosteten Geld. In den nächsten sechs Wochen musste er also vor allem eins tun: Geld sammeln.
An Bargeld kommt man heute schwerer ran als früher. Es gibt keine Lohntüten mehr. Im Sportstadion, beim Reisebüro und in Kaufhäusern bezahlt man überwiegend mit Kreditkarte. Man kann einen gepanzerten Geldtransporter nicht knacken, wenn man allein arbeitet. Eine Bank kann man als einzelner überfallen, aber dann bekommt man nur, was ein einzelner Kassierer in seinem Käfig hat, und das ist bei dem Risiko nicht genug. Es ist also schwer, an nennenswerte Mengen Bargeld zu kommen. Aber nicht unmöglich.
Einschließlich der »Zinsen«, die seine drei ehemaligen Partner ihm gegeben hatten, besaß er etwas mehr als dreitausend Dollar in bar. Der Wagen, den er fuhr, ein gelbbrauner Ford Taurus mit Nummernschildern aus Oklahoma, war sauber genug für eine Verkehrskontrolle, aber zu riskant für eine genaue Überprüfung der Wagenpapiere. In einer Halterung unter dem Armaturenbrett, rechts von der Lenksäule, hatte Parker einen 38er Special Colt Cobra, in einem schmalen Wildlederholster auf der linken Seite unter dem Hemd trug er einen gedrungenen 22er Sentinel, der aber nur auf ein, zwei Meter einsetzbar war. Außerdem hatte er mehrere Garnituren Arbeitskleidung, in denen er aussah wie einer, der von seiner Hände Arbeit lebte, und das war’s.
Was er zuerst brauchte, waren bessere Waffen, dann mehr Geld, dann bessere Kleidung und besseres Gepäck und schließlich ein besserer fahrbarer Untersatz. Er musste auch sein Äußeres verändern, nicht für die drei Kerle, die er umlegen würde, sondern für die Polizei von Palm Beach; er musste jemand sein, bei dem die Polizei nicht zweimal hinsah.
Melander hatte das Motelzimmer mit einer Kreditkarte bezahlt, die sich wahrscheinlich spätestens morgen selbst zerstören würde, also musste er vor allem schnell hier raus. Parker trug seine Reisetasche, die leichter war als vorgesehen, zu dem Taurus hinaus. Fünf Minuten später war er auf der Interstate 164 und fuhr südwärts nach Kentucky.
Überall im Süden gibt es mehr Waffengeschäfte draußen an den großen Highways als in den Innenstädten oder Einkaufszentren, und zwar aus mehreren Gründen. Die Geschäfte brauchen gute Parkmöglichkeiten, sie wollen sich nicht mit quengeligen Nachbarn, nervigen Vermietern oder der falschen Art von Laufkundschaft herumärgern, und die meisten ihrer Kunden sind eher Land- als Stadtbewohner.
Also siedeln sie sich auf dem Land an, sind deswegen aber keineswegs hinterwäldlerisch. Sie haben erstklassige Sicherheitssysteme mit erstklassigen Schlössern, mit der nächsten Polizeiwache verbundene Alarmanlagen, bruchsichere Schaufensterscheiben, Eisengitter und teilweise sogar Bewegungsmelder.
Parker entschied sich für einen Laden mit dem Namen »A-Betta-Deala — GUNS«, vor allem deshalb, weil es dort keinen Wachhund gab. Es war ein breiter ebenerdiger Bau an einer Staatsstraße in der Mitte von Kentucky, und der Name stand in roten Lettern auf einem riesigen weißen Schild auf dem Dach. Beiderseits der zweiflügeligen, vergitterten und alarmgesicherten Ladentür befanden sich jeweils zwei große Schaufenster, drei mit Gewehren und Schrotflinten und eines mit Handfeuerwaffen.
Dreieinhalb Kilometer südlich von dem Waffengeschäft waren die Garage und das Lagergrundstück der Straßenmeisterei des County, und sechseinhalb Kilometer weiter lag die nächste Staatspolizeikaserne. Morgens um Viertel nach drei stellte Parker den Taurus neben A-Betta-Deala ab, wo man ihn von der Straße aus nicht gleich sah. Dann ging er auf der hügeligen, kurvenreichen Straße, die überwiegend durch Buschwald führte, die dreieinhalb Kilometer nach Süden. Viermal kamen ihm Scheinwerfer entgegen, dann trat er von der Straße zwischen die Bäume, bis das Fahrzeug vorbei war.
Die Sicherheitsvorkehrungen an der Garage der Straßenmeisterei waren vergleichsweise lax — die beiden Flügel des Maschendrahttors waren nur mit einer Kette mit Vorhängeschloss gesichert. Parker zog sich zuerst die Chirurgenhandschuhe an, kletterte dann über das Tor und machte im Dunkeln einen gelben Bagger mit einer gut einen Meter breiten Schaufel ausfindig. Er knipste kurz seine Taschenlampe an, las die Nummer von der Seite der Führerkabine ab und ging dann zur Garage hinüber. Die Seitentür hatte nur ein einfaches Schloss und keine Alarmanlage; er ging hinein und fand mit Hilfe der Taschenlampe das Sperrholzschränkchen an der Wand, in dem die Schlüssel aufbewahrt wurden. Eine herumstehende Schaufel bot sich als Brechstange an; er hebelte die Tür des Schränkchens auf und fand den Baggerschlüssel. Außerdem nahm er einen gelben Schutzhelm mit, um als Fahrer echt zu wirken.
Der Bagger machte viel Krach, hatte aber einen starken Motor. Er musste ihn rückwärts aus der Parkbucht fahren, und die Maschine piepte mehrmals, bis er den Wählhebel auf Drive stellte. Dann schwang er herum, fuhr die Schaufel aus, drehte sie so, dass die Öffnung nach hinten zeigte, und fuhr durch das verschlossene Tor.
Die Höchstgeschwindigkeit der Maschine lag bei dreißig Stundenkilometern, und in Kurven musste er noch langsamer fahren. Parker brauchte elf Minuten für die Fahrt zurück zu A-Betta-Deala. In dieser Zeit kam ihm nur ein Pick-up entgegen, der mit lauter Country Music aus den offenen Fenstern Richtung Süden fuhr.
Es waren in beiden Richtungen keine Scheinwerfer zu sehen, als Parker das Waffengeschäft erreichte. Ohne anzuhalten, senkte er den Baggerarm mit der Schaufel nach vorn ab und fuhr direkt in das Schaufenster mit den Handfeuerwaffen. Er schaufelte den gesamten Fensterinhalt auf und setzte dann zurück, wobei der Bagger erneut Pieptöne von sich gab. Als er weit genug von dem Gebäude weg war, in dem jetzt die Alarmanlage ohrenbetäubend schrillte, drehte er die Baggerschaufel und kippte den Inhalt auf den asphaltierten Parkplatz; dann schaltete er den Motor des Baggers aus, nahm den Schutzhelm ab, kletterte aus der Kabine und durchsuchte mit Hilfe der Taschenlampe den Haufen. Er wählte vier Pistolen, ging zu dem Taurus, legte die Waffen unter eine Moteldecke auf dem Rücksitz, streifte die Handschuhe ab und fuhr nach Norden, weg von dem Waffengeschäft, der Garage der Straßenmeisterei und der Staatspolizei.