Ihr Nachname war Mackenzie. Im Telefonbuch war sie mit der Adresse Utica Street in West Palm Beach eingetragen. Die Rückwärtssuche ergab einen Eintrag für Laurel Simons an derselben Adresse.
Parker verließ das Gebäude der Telefongesellschaft und fuhr mit dem Jaguar über die Flagler Bridge aus Palm Beach hinaus und durch West Palm zum Airport, wo er den Wagen auf dem Langzeitparkplatz abstellte und so lange herumlief, bis er einen roten Subaru-Outback-Kombi gefunden hatte, einen Wagen, der in jeder Umgebung außer Palm Beach viel weniger auffiel als das gelbe Jaguar Cabrio. Es war kaum Staub darauf, also stand er noch nicht lange hier. Er brach ihn auf, schloss die Zündung kurz und fuhr zur Ausfahrt, wo er den Parkschein abgab, den er gerade gezogen hatte.
Der Mann an der Kasse, ein Hispanic, der so aussah oder so aussehen wollte wie Pancho Villa, besah sich stirnrunzelnd das Ticket: »Lange sind Sie nicht geblieben.«
»Ich habe meinen Pass vergessen«, erklärte Parker. »Jetzt muss ich zurück und ihn holen. Vermasselt mir den ganzen Tag.«
»Pech«, sagte der Mann und gab Parker das Wechselgeld, und Parker fuhr in die Utica Street.
Es war eine ordentliche, aber billige Wohngegend — überwiegend Einfamilienhäuser auf kleinen Grundstücken, die meisten mit angebauter Garage. Basketballkörbe über den Garagentoren, gepflegte Rasenflächen, Dreiräder und Spielsachen vor manchen Haustüren. An vielen Häusern Aluminiumverkleidung in gebrochenen Weiß- oder Pastelltönen.
Nummer 417 war ein Haus im Ranch-Stil: auf der linken Seite zwei Stockwerke, unten die Garage und oben vermutlich Schlafzimmer, auf der rechten nur ein Erdgeschoss. Das Garagentor war geschlossen, und am Rand der asphaltierten Einfahrt, so, dass er die Garagenzufahrt nicht versperrte, stand ein grüner Honda Accord. Lesleys Lexus, der für den Unterhalt der Familie wichtiger war, durfte also in die Garage, und das Auto der Mutter bekam Wind und Wetter ab.
Parker fuhr einmal um den Block und hielt dann etwa zweihundert Meter vor der 417. In der Türablage auf der Fahrerseite steckte eine Karte von Florida; er entfaltete sie auf dem Lenkrad.
Es war ein Viertel, in dem Berufstätige wohnten, und alle waren bei der Arbeit. Nur wenige Autos fuhren durch die Utica Street; Fußgänger waren überhaupt keine unterwegs. Es war halb zwölf; Parker war bereit zu warten, bis am Nachmittag die ersten Schulkinder nach Hause kamen.
Aber das war nicht nötig. Um zwanzig vor eins ging die Haustür von Nr. 417 auf, und zwei Frauen kamen heraus. Die eine war eine ältere, fülligere Ausgabe von Lesley, mit kurzgeschnittenen Haaren in einem grelleren Blond, einer aggressiven Haltung und ähnlich konservativer Kleidung. Die andere war abstoßend dick; sie trug ein buntes Muumuu, und sie watschelte. Ihr schwarzes Haar war in einer schlechten selbstgemachten Dauerwelle fixiert, tausend kleine Löckchen wie Schneckenfarn, als sei der wahnwitzige Versuch unternommen worden, von ihrem Körper abzulenken. In der Einfahrt stolperte sie über die eigenen Füße, und ihre Mutter fuhr sie gereizt an. Die Tochter zuckte zusammen und trottete weiter.
Die beiden Frauen setzten sich ins Auto und fuhren los, die Mutter am Steuer. Nach dem Mittagessen müssen die Einkäufe fürs Abendessen gemacht werden. Parker fuhr mit dem Subaru etwas näher heran und hielt vor dem Nachbarhaus, stieg aus, ging hinters Haus und brach die Küchentür auf.
Es gab nicht viel, was er wissen musste — eine geheimnisvolle Frau war Lesley ja nicht —, und innerhalb einer Viertelstunde hatte er alles gefunden. Ihr Exehemann hieß Gerald Mackenzie und lebte in Miami, und die beiden kommunizierten auf kühle, korrekte, formelle Art, wenn Angelegenheiten wie etwa alte Steuergeschichten eine Kontaktaufnahme erforderten.
Lesley war ständig leicht im Minus, auf mehreren Kreditkarten- und Kaufhauskonten. Es gab offenbar keinen Mann in ihrem Leben und hatte vielleicht keinen mehr gegeben, seit sie vor acht Jahren schuldlos von Gerald geschieden worden war. Ab und zu schrieb sie sich mit einer Freundin in New Jersey.
Über ihre Recherchen zu Daniel Parmitt hatte sie keine Aufzeichnungen gemacht. Waffe besaß sie offenbar keine, es sei denn, sie bewahrte sie im Handschuhfach ihres Lexus auf.
Sie war das Alphatier der Familie. Ihr Zimmer, das über der Garage und zum Garten hin lag, war größer als die anderen beiden Zimmer im ersten Stock und hatte ein eigenes Bad. Eine Ecke hatte sie als Büro eingerichtet, mit einem kleinen Schreibtisch, einem niedrigen Aktenschrank und einem Computer mit Internetanschluss. Sie hatte sich große Mühe gegeben, es sich hier gemütlich zu machen, und ihre Mutter und ihre Schwester hatten nach Kräften mitgeholfen, aber es hatte nicht funktioniert. Ihr Zimmer war unpersönlich, und sie hätte jederzeit lieber den Sprung ins Ungewisse gewagt, als weiter dieses Leben zu führen.
Was sie am Abend zuvor gesagt hatte — dass er jemanden vor Ort brauchte, der ihm den Weg ebnete —, war vernünftig. Die Frage war: War Lesley vernünftig? Sie hatte einen höchst ungewöhnlichen Schritt unternommen; bedeutete das, dass noch mehr ungewöhnliche Schritte zu erwarten waren?
Die meisten Leute hätten sich an Lesleys Stelle nicht an seiner Daniel-Parmitt-Imitation gestört, hätten nichts Verdächtiges daran gefunden. Die wenigen, die seine Fehler bemerkt oder hinter seinem Rollenspiel ihn selbst erahnt hätten — welche Reaktionen wären von ihnen zu erwarten gewesen? Erstens die häufigste: nichts tun und alles auf seine Exzentrizität zurückführen. Zweitens, falls jemand wirklich irgendwo einen falschen Ton heraushörte: es gegenüber einem Freund erwähnen, einem Arbeitskollegen im Büro oder einem Familienmitglied zu Hause, vielleicht sogar anschließend mit einem Polizisten darüber reden — wahrscheinlicher, wenn man den Polizisten kannte. Die unwahrscheinlichste Reaktion, fand Parker, war jedoch die von Lesley: versuchen, dem Schwindler auf die Schliche zu kommen, ihn für die eigenen Zwecke einzuspannen, nämlich dafür, diesem Leben in der Sackgasse zu entkommen und anderswo neu anzufangen.
Sie war also gewieft, und sie ließ sich von ihrer Angst nicht zurückhalten. Und sie hatte nicht vor, kess zu werden und Sex als Waffe einzusetzen, wie sie am Abend zuvor durch ihre Verlegenheit und ihr Unbehagen bewiesen hatte, als sie sich ganz kurz hatte ausziehen müssen.
War sie demnach zuverlässig, oder war sie eine tickende Zeitbombe? In ihrem Haus fand er nichts, was ihm diese Frage definitiv beantwortet hätte. Also bis auf weiteres mit ihr zusammenarbeiten, aber auf der Hut sein.
Bevor er das Haus verließ, rief er sie in ihrem Maklerbüro an. »Hallo Lesley, hier ist Daniel Parmitt.«
»Ah, Mr. Parmitt«, sagte sie. »Ich habe mich schon gefragt, ob ich noch etwas von Ihnen hören würde.«
»Heute«, sagte er, »würde ich mir gern ein paar Eigentumswohnungen ansehen.«
»Was ganz anderes.«
»In der Tat. Gegen vier? Können Sie mir da was Hübsches zeigen?«
»Muss sie möbliert sein?«
»Das ist egal.«
»Gut.« Es klang erleichtert. »Ich hätte eine ganz reizende Dreizimmerwohnung im Bromwich, mit Meerblick. Wir könnten uns im Eingangsbereich treffen.«
»Einverstanden«, sagte er und legte auf. Er fuhr den Subaru zum Flughafen zurück, stellte ihn an derselben Stelle wieder ab, holte den Jaguar und fuhr zur Ausfahrt.
An der Kasse saß diesmal eine hispanische Frau, vierschrötig und gelangweilt. »Sie heute eingefahren?« fragte sie. »Das hier Langzeit.«
»Ich habe meinen Pass vergessen. Jetzt muss ich zurück und ihn holen. Versaut mir den ganzen Tag.«
»Pech«, sagte sie und gab ihm das Wechselgeld.