Die Eigentumswohnanlagen auf dem schmalen Inselstreifen südlich des Hauptteils von Palm Beach sehnen sich nach einem besseren Leben: ein bisschen englisch, ein bisschen Landadel. Dieses Verlangen steckt in den Namen der Gebäude: das Windsor, das Sheffield, das Cambridge. Doch wie immer sie sich nennen, sie sind doch nur eine Reihe heller Bienenstöcke aus Beton auf einer Sandbank in der Sonne.
Parker kam um fünf nach vier am Bromwich an. Zwei hispanische Gärtner arbeiteten auf dem langen Beet mit Fuchsien und Springkraut an der langen Ziermauer vor dem Gebäude, auf der in goldenen Blockbuchstaben der Name der Anlage prangte. Schilder an der Einfahrt zeigten an, dass Bewohner rechts, Besucher links parken konnten. Der Besucherparkplatz war weiter vom Gebäude entfernt.
Parker fuhr zur gleißenden Asphaltfläche des Besucherparkplatzes und stellte den Jaguar neben Lesleys blauen Lexus. Er ging durch die Sonne zu dem cremefarbenen Klotz und sah keinen einzigen Bewohner, obwohl deren Parkplatz vollstand — überwiegend große altmodische Straßenkreuzer, traditionelle Eisenwaren aus Detroit.
Der Eingangsbereich war mit bernsteingelbem falschem Marmor verkleidet, und an einem langen, brusthohen, nierenförmigen Empfangstisch, ebenfalls aus falschem Marmor, stand ein uniformierter schwarzer Wachmann. Als Sitzgelegenheiten gab es mehrere runde magentarote Sofas; Lesley saß in einem davon. Heute war ihr Kostüm pfirsichfarben, ihre Brosche eine goldene Rose. »Mr. Parmitt«, sagte sie mit ihrem Bürolächeln, als sie sich erhob, und kam auf ihn zu, um ihm die Hand zu schütteln. »Pünktlich wie die Uhr.«
»Hallo, Ms. Mackenzie.« Ihre Hand war weich und trocken, ihr Händedruck schlaff.
Sie drehte sich zu dem Wachmann um und sagte: »Wir sehen uns die 11-C an, Jimmy.«
»Ja, Ma’am.« Er warf Parker einen gleichgültigen Blick zu und schaute dann wieder nach unten. Die Zeitung Globe lag vor ihm auf dem Tisch, zwischen der Telefonanlage und den Überwachungsbildschirmen.
Die Aufzüge waren hinter dem Empfangstisch. Beim Hinauffahren sagte Lesley: »Sie wollen keine Eigentumswohnung, Sie wollen einen Ort, wo Sie reden können.«
Er zuckte die Achseln. »Was sonst?«
»Also bin ich engagiert«, sagte sie mit einem ausdruckslosen Lächeln, als spielte das kaum eine Rolle.
»Ganz so läuft es nicht«, sagte er.
»Sie werden’s mir erklären«, sagte sie, und der Aufzug wurde langsamer und hielt.
Er wollte sie vorausgehen lassen, aber statt den Aufzug zu verlassen, hielt sie den Knopf gedrückt, der die Türen offenhielt, und sagte: »Wenn Sie heute wieder kontrollieren müssen, ob ich verdrahtet bin, dann kehren wir jetzt um.«
Er schüttelte den Kopf. »Einmal hat gereicht.«
»Mir auf alle Fälle«, sagte sie, ging vor ihm den Flur entlang und schloss die 11-C auf.
Die Wohnung war völlig leer, so hell und kahl wie der Strand unten. Ihre Schritte auf dem hellen Holzfußboden hallten von den harten weißen Wänden und, im Wohnzimmer, von der Wand aus Glastüren wider, die auf den Balkon führten. Die Wohnung war neu gestrichen worden, um sie präsentabler zu machen, schwacher Farbgeruch hing noch in der Luft.
Parker ging durch den Raum und öffnete die Schiebetür zum Balkon. Es war heiß draußen, aber es wehte eine Brise. Der Nachmittagsschatten des Gebäudes lag unten auf dem Strand, an dem niemand saß. Auch im Wasser war niemand zu sehen.
Die Balkone hatten auf beiden Seiten einen Sichtschutz aus rosa Plastik, und an diese beiden Wände waren durchbrochene Eisenbänke montiert. Parker zeigte auf eine davon und sagte: »Wir setzen uns da hin.«
»Sie sollten wissen«, belehrte sie ihn, »dass diese Wand nicht schalldicht ist.«
Vorne war der Balkon durch eine hüfthohe rosa Plastikwand mit einem schwarzen eisernen Handlauf auf der Oberseite begrenzt. Parker hielt sich daran fest, beugte sich vor und schaute um die Kante des Sichtschutzes herum auf den Nachbarbalkon. Die Bank dort war voller Topfpflanzen, und den übrigen Platz nahmen ein weißer Plastiktisch, vier dazu passende Stühle, ein Gasgrill und ein Fitnessgerät ein. Die Glastüren dieser Wohnung waren vollständig mit weißen Gardinen verhängt. Es war niemand auf dem Balkon.
Er richtet sich wieder auf und drehte sich um. »Da ist niemand.«
Sie hatte die Augen aufgerissen und presste beide Hände auf ihre Brust. »So etwas tut man nicht«, sagte sie.
»Setzen Sie sich, Lesley.«
Sie setzten sich nebeneinander auf die Eisenbank vor der rosa Trennwand, er zum Haus gewandt, sie mit Blick auf die Aussicht. »Ich werde Ihnen sagen, was hier vorgeht«, sagte er.
»Okay«, sagte sie. Sie machte ein feierliches Gesicht, als sollte sie in irgendwelche Geheimriten eingeweiht werden, wie bei den Freimaurern oder der Cosa Nostra.
»Stellen Sie mir keine Fragen,« sagte er. »Ich werde Ihnen nämlich nur sagen, was ich Ihnen sagen will.«
»Verstehe.«
»Sehr gut. Der Typ, den Sie als Roderick kennen, schuldet mir Geld.«
Sie wirkte enttäuscht. »Schulden?«
»Gewissermaßen. Er ist mit zwei anderen Typen zusammen. Haben Sie die mal gesehen?«
»Ich habe nicht mal Roderick jemals gesehen.«
»Als die drei hierhergekommen sind, hatten sie gerade genug Geld, um die Anzahlung für dieses Haus zu leisten. Und ein Teil des Geldes hat mir gehört.«
»Wollen die es etwa weiterverkaufen?« fragte sie. »Erzählen Sie mir nicht, dass die einen Käufer haben.«
»Hören Sie zu, Lesley«, sagte er. »Diese Typen sind Diebe. Es geht nicht darum, dass sie mich bestohlen haben. Sie machen das ständig. Sie sind das von Beruf.«
»Wie Sie auch«, sagte sie.
»Die brauchen das Haus, weil sie demnächst ein Ding drehen wollen, und sie wissen, dass sie hinterher nicht von der Insel wegkommen.«
»Wenn irgendwas passiert«, sagte sie, »dann ziehen die hier alle Zugbrücken hoch. Und sie patrouillieren pausenlos auf dem Waterway.«
»Deswegen wollen sie die Insel ja nicht verlassen. Sie wollen hier etabliert sein, schon bekannt und deshalb unverdächtig. Wenn ich heute diese Wohnung hier miete und in zwei Wochen passiert es, dann stehen die Cops vor meiner Tür und wollen alles über mich wissen.«
»Dabei sind Sie gerade mal zwei Monate alt«, sagte sie.
»Das ist also der Grund, warum Melander — er ist Roderick —, das ist der Grund, warum er schon vor Ort sein wollte; damit sich keiner Gedanken über ihn macht.«
»Die wollen einen großen Raubüberfall machen«, sagte sie, »und sich dann in das Haus zurückziehen und abwarten, bis Gras über die Sache gewachsen ist.«
»Genau.«
»Aber sie haben das Haus mit Ihrem Geld gekauft.«
»Zu einem Viertel.«
»Für die Anzahlung«, sagte sie. »Wenn die den Raubüberfall durchziehen, dann sind Sie hier und holen sich Ihren Teil des Geldes zurück.«
»Dann hole ich mir alles, Lesley. Die hätten mir nicht mein Geld wegnehmen dürfen.«
Sie musterte ihn. »Sie meinen’s ernst.«
»Natürlich.«
Sie nickte und überlegte. »Es geht also um richtig viel Geld.«
»Ja.«
»Und einen Teil davon kriege ich, weil ich Sie nicht hintergehe, sondern Ihnen helfe.«
»Ja.«
»Wenn die Sie nicht hintergangen hätten, wären Sie mit einem Viertel zufrieden.«
»Ja.«
Sie schaute an ihm vorbei aufs Meer hinaus. »Das ist ein paar Nummern größer, als ich dachte«, sagte sie. Er wartete, und sie sah ihn wieder an. »Sie sind hier, um herauszufinden, ob Sie mir vertrauen können, und ich bin hier, um herauszufinden, ob ich Ihnen trauen kann, und wenn sich einer von uns irrt, kriegen wir Schwierigkeiten.«
»Das stimmt.«
»Aber ich fürchte, wenn ich mich irre, kann ich in viel größere Schwierigkeiten kommen als Sie.«
»Schwierigkeiten sind Schwierigkeiten«, sagte er.
»Kann sein. Worum geht es bei dem Raub?«
»Das ist das erste, was Sie für mich tun können«, sagte er. »Sie können mir sagen, um was es bei dem Raub geht.«
»Sie wissen es nicht?«
»Ich weiß ein paar Einzelheiten. Ich weiß, dass es eine Wohltätigkeitsgeschichte ist.«
»Wohltätigkeitsveranstaltungen gibt’s das ganze Jahr über«, sagte sie. »Es gibt hier Bälle, bei denen der Eintritt fünftausend Dollar pro Nase kostet. Aber da läuft nichts in bar.«
»Bei dieser Sache auch nicht«, sagte er. »Es handelt sich um eine Benefizauktion von Schmuck. Sie findet wahrscheinlich irgendwann im Lauf der nächsten vierzehn Tage statt, und angeblich ist es Schmuck im Marktwert von zwölf Millionen Dollar. Wissen Sie da Genaueres?«
Sie wirkte überrascht, dann lachte sie. »Mrs. Clendons Schmuck?« fragte sie ungläubig.
»Meinen Sie?«
»Ja, natürlich, ganz sicher sogar.« Offenbar fand sie das sehr erheiternd. »Ach, Daniel, und ich hab mir solche Hoffnungen gemacht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Da ist für niemand was drin, Daniel«, sagte sie. »Nichts für mich, nichts für Sie und auch nichts für Ihren Freund Roderick.«
»Die ziehen das durch.«
»Dann landen sie im Knast«, sagte sie. »Und wenn Sie vor Ort sind, landen Sie auch im Knast.« Sie stand auf und wandte sich ihm zu. »Aber ich werde nicht vor Ort sein. Keine Sorge, Daniel, ich vergesse dieses ganze Gespräch.« Sie wandte sich ab, zum Wohnzimmer hin.
»Lesley.« Als sie ihn wieder ansah, sagte er: »Wenn Sie nicht von diesem Balkon fliegen wollen, Lesley, setzen Sie sich wieder hin.«
Sie schaute erschrocken in die Luft jenseits des Balkongeländers. »Die wissen, dass Sie hier im Gebäude sind«, sagte sie.
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein.«
Sie sahen einander an. Er wollte schon aufstehen, als sie doch herüberkam und sich neben ihn setzte. »Wenn ich Ihnen sage, worum es dabei geht«, sagte sie, »und wenn Sie einsehen, dass es nicht funktionieren kann, lassen Sie mich dann gehen?«
»Ja.«
»Daniel«, fuhr sie fort, »ich würde mir wirklich wünschen, dass es etwas wäre, was funktionieren könnte. Ich wüsste das wirklich zu schätzen.«
»Freiheit.«
»Mein neues Ich.«
»Erzählen Sie mir von Mrs. Clendon, Lesley.«