Mrs. Fritz’ Villa war von nirgendwo zu sehen, außer wahrscheinlich vom Meer aus. Parker und Lesley fuhren zweimal daran vorbei, erst in nördlicher, dann in südlicher Richtung, und beide Male im Schrittempo, als sie auf der Höhe des Hauses waren, aber es war nichts zu sehen.
Eine zweieinhalb Meter hohe, gelblich gestrichene Mauer, stellenweise mit Efeu bewachsen, zog sich an der Straße und an den beiden seitlichen Grundstücksgrenzen entlang. Genau in der Mitte der Mauer an der Straße war ein mächtiges Tor aus Holzbalken und senkrecht angebrachten Planken, die von breiten Eisenbändern zusammengehalten wurden. Die Torflügel mussten elektrisch bewegt werden und wurden nur geöffnet, wenn Mrs. Fritz oder andere Befugte hinein- oder hinausfahren wollten.
»Sehen Sie, was ich meine?« fragte Lesley, als sie das zweitemal vorbeifuhren.
»Das Tor wird am Auktionsabend geöffnet sein«, sagte Parker.
»Ja, allerdings von Security-Leuten bewacht und mit einem Polizeiwagen in der Einfahrt. Partys von Mrs. Fritz sprengt man nicht.«
»Melander schon.«
Sie setzte ihn an seinem Jaguar ab, in der Ecke eines Parkplatzes des Maklerbüros, in der hohe Seetrauben etwas Schatten spendeten. »Und jetzt?« fragte sie.
»Warten wir auf die Party«, sagte er und stieg aus.
Um zu seinem nächsten Ziel zu gelangen, musste er noch einmal am Anwesen von Mrs. Fritz vorbeifahren, und die Sache war wirklich hoffnungslos. Es gab weit und breit keine Parkmöglichkeit, keinen brauchbaren Randstreifen, keine Stelle, wo man auch nur anhalten konnte. Man hätte nichts gefunden, wo man sich hätte hinsetzen und das Haus beobachten können.
Aber das war nicht Parkers Problem.
Er fuhr nach West Palm hinüber, parkte den Jaguar kurz nach halb sechs und fand einen offenen Eisenwarenladen, in dem er einen Akkubohrer und einen Fräseinsatz mit einem Zoll Durchmesser, eine kleine Eisensäge, einen Glasschneider, eine Kombizange, eine Rolle klares Klebeband und einen Saugnapf mit Griff erstand. Dann fuhr er zum Breakers zurück und kaufte in einem der Läden im Parterre des Hotels eine hellblaue Segeltuch-Umhängetasche mit Klappe. Darin verstaute er alles, was er in dem Eisenwarenladen gekauft hatte.
Am Abend stellte er den Jaguar auf dem Parkplatz des Four Seasons ab und ging mit der Umhängetasche zu Melanders Haus. Diesmal war er bewaffnet; er trug den Sentinel in der Hand, damit er ihn notfalls ins Meer werfen konnte.
Aber das wurde nicht nötig, und als er das Haus erreicht hatte, legte er den Sentinel zu dem anderen Werkzeug in der Tasche. Er gelangte durch dasselbe Schlafzimmer im ersten Stock ins Haus wie beim erstenmal und ging nach unten in die Küche, wo der Kühlschrank noch im selben Zustand war — nichts fehlte, und nichts war dazugekommen. Also waren sie inzwischen noch nicht wieder hiergewesen.
Auf dem Weg durch das Haus zur Garage machte er Lampen an. In der Garage stellte er die Feldkiste auf den Kopf und fräste so nahe wie möglich an der rechten unteren Ecke ein zweieinhalb Zentimeter großes Loch in das Metall.
Die Rückseite der Kiste war mit Metallbändern versteift, die sie in sechs Streifen unterteilten. Parker sägte, von dem runden Loch ausgehend, das Blech in zwei Richtungen auf, bog die Ecke hoch und sah, dass sechs Waffen in der Kiste lagen: drei Schrotflinten und drei Colt .45 Automatic.
Er fischte die Waffen eine nach der anderen heraus und trug sie in die Küche. Er legte sie auf den Tisch, verbog die Schlagbolzen der Pistolen und leerte den Schrot aus den Flintenpatronen aus. Dann brachte er sie wieder in die Garage zurück und legte sie in die Feldkiste. Er bog die aufgebogene Ecke gerade und setzte mit Hilfe des Klebebandes das herausgeschnittene kreisrunde Stück wieder in das Loch ein. Wenn jetzt jemand die Kiste öffnete und sie innen genau anschaute, würde er natürlich merken, dass sie aufgeschnitten worden war. Aber die drei würden nicht die Kiste anschauen, sondern die Waffen.
Wieder im Haus, ging er ins Esszimmer, neben der Küche der einzige Raum im Erdgeschoss, den sie eingerichtet hatten, mit einem schlichten schwarzen, mit Resopal verkleideten Parsons-Tisch und drei nicht dazu passenden Küchenstühlen, wahrscheinlich alles secondhand in West Palm gekauft. Zwei Stehlampen in den Ecken spendeten Licht, weil der ursprüngliche Kronleuchter entfernt worden war.
Wenn er mit ihnen hier drin sein würde, dann deshalb, weil sie Herr der Lage waren und mit ihm reden wollten. Würden sie sich setzen und ihn stehen lassen? Nein, sie würden stehen bleiben. Auf welcher Seite des Tischs?
Es gab hier drei Türen in drei Wänden, zwei breite, einander gegenüber, die in das vordere und das hintere Wohnzimmer führten, und eine schmalere, eine Schwingtür, die in die Küche führte. Sie würden ihn mit dem Rücken zur vierten Wand sitzen lassen, weil sie ihn, ohne sich das bewusst zu machen, nicht gern vor einem der möglichen Fluchtwege sehen würden.
Das Gute an einem Parsons-Tisch ist, dass er unter der Platte eine umlaufende Holzleiste hat, die eine Vertiefung schafft. Parker klebte den Sentinel an die Unterseite der Tischplatte, auf der Seite, wo keine Tür war. Dann machte er sich auf die Suche nach einem geeigneten Fenster.
Die Außentüren in beiden Stockwerken waren durchweg große Glasflächen und kamen deshalb nicht in Frage. Aber auf der Straßenseite des Hauses, beiderseits der Haustür, waren jeweils zwei Fenster mit zwei übereinander angeordneten Rahmen mit je vier Scheiben. Er entschied sich für das Eckfenster, das am weitesten von der Tür und der Garage entfernt war. Zuerst befestigte er den Saugnapf an der rechten oberen Scheibe des unteren Fensterrahmens, dann ritzte er mit dem Glasschneider das Glas um den Saugnapf herum ein. Durch Ziehen am Griff des Saugnapfs entfernte er das kreisförmige Stück Glasscheibe und überzeugte sich, dass er durch das Loch an das innen angebrachte Schloss herankam. Dann setzte er das Glasstück wieder ein und befestigte es mit kleinen Streifen des durchsichtigen Klebebands. Den Saugnapf vergrub er unter den Sträuchern am Haussockel.
Auf dem Rückweg zum Four Seasons warf er nacheinander den Bohrer, den Fräseinsatz, die Eisensäge, den Glasschneider, die Kombizange und das Klebeband ins Meer. Die Umhängetasche ließ er auf dem Parkplatz liegen; irgendein Tourist würde sie mit nach Hause nehmen.