Der Knackpunkt war Lesley. Sie hatte sich nützlich gemacht, aber sie war ein Amateur, und Amateure sind nie ganz zuverlässig. Konnte sie ihm wieder nützlich sein? Oder würde sie zum Problem werden?
Bis jetzt machte sie alles richtig. Sie gab ihm die Antworten, die er brauchte, und sie stellte selbst keine unnötigen Fragen. Sie versuchte nicht, sich aufzudrängen. Sie bewies Geduld. Das waren alles seltene Eigenschaften bei einem Amateur, und ihnen verdankte sie es, dass sie noch am Leben war.
Die eigentliche Frage war also, wie kurz musste die Leine sein, an die er sie nahm? Er kam zu dem Schluss, dass es am besten war, ganz ohne Leine zu arbeiten. Wenn sie sich zurückhielt, wie sie es bisher getan hatte, gut. Falls sie anfing, ihn anzurufen oder vorbeizukommen, musste er etwas unternehmen.
Es waren noch zehn Tage bis zur Auktion. Es gab nichts zu tun, er konnte nur warten und dafür sorgen, dass Melander und die anderen bei ihrer Rückkehr nicht merkten, dass er in der Nähe war. Warum also nicht nach Miami fahren und ein paar Tage mit Claire verbringen?
Er brach kurz vor Mittag auf, fuhr auf der Interstate 95 nach Süden und verließ bei Fort Lauderdale die Autobahn, um sich einen Diner für das Mittagessen zu suchen. Als er hinterher aus dem Diner in die pralle Sonne auf dem Parkplatz hinaustrat, war der Jaguar verschwunden.
Blöd, sich den klauen zu lassen. Er sah sich auf dem Parkplatz nach einem anderen Wagen um, den er nehmen konnte, als ein Typ, der auf einem Zahnstocher herumkaute, hinter ihm aus dem Diner kam. »Heiß heute«, sagte er.
»Ja.« Parker wartete darauf, dass der Typ sich entfernte.
Aber der Typ zeigte mit seinem Zahnstocher über den Parkplatz und sagte: »Siehst du den weißen Toyota Land Cruiser da drüben?«
Parker schaute nicht zu dem weißen Toyota Land Cruiser hinüber, er schaute den Typ mit dem Zahnstocher an. Er war massig, gebräunt, um die Vierzig und grinste wie einer, der ein Geheimnis hatte. Er nickte, ohne Parker anzusehen, und sagte: »Da sitzt einer mit einer dreißig nullsechs drin — tu irgendwas, was ihm nicht gefällt, irgend etwas, und er putzt dir die Rübe weg.«
»Vielleicht trifft er ja Sie«, sagte Parker.
»Das ist das Komische an Herby«, sagte der Typ. »Er schießt nie daneben. Ist noch nie vorgekommen. Gehen wir doch einfach rüber zu ihm, dann kann er’s dir selber sagen.«
Jetzt schaute Parker zu dem Land Cruiser hinüber, einem Land-Rover-Klon, dann wieder zu dem Typ. Das waren keine Leute von Melander, Carlson und Ross; die würden sich selbst um ihre Probleme kümmern. Und irgendeinen Zusammenhang mit Lesley konnte er auch nicht sehen. Wer waren sie also, und worum ging es ihnen?
Der Typ sagte: »Ich geh jetzt da rüber. Wenn du nicht mitkommst, werden sie nachher den Asphalt hier mit dem Schlauch abspritzen.«
»Wir gehen zusammen«, sagte Parker. »Ich versuche mich nur zu erinnern, woher ich Sie kenne.«
Der Typ kicherte, nicht so, als hätte Parker etwas Lustiges gesagt, sondern so, als sei das, das Kichern, ein Kunststück, das er irgendwann einmal gelernt hatte und gern ab und zu übte. Das war seine einzige Antwort, während sie über den Parkplatz zu dem Land Cruiser gingen.
Herby, ein dürrer Mann mit Hakennase, zerknittertem weißem Oberhemd, schwarzer Hose und verspiegelter Piloten-Sonnenbrille, saß auf dem Rücksitz, das große Jagdgewehr auf dem Schoß, die rechte Hand locker in der Nähe des Abzugs, die linke locker unter dem Lauf. Es war nicht zu erkennen, ob er Parker ansah oder nicht, aber das spielte auch keine Rolle.
Der erste Typ sagte, immer noch gutgelaunt: »Du kannst bei mir vorn sitzen.«
Wenn es nicht anders ging, hätten sie ihn auch in der Öffentlichkeit umgelegt, aber es war ihnen lieber, es ohne Zeugen zu tun. Also war noch etwas Zeit. Parker ging auf die rechte Seite des Land Cruiser, machte die Tür auf und sah ein kleines Foto auf dem Beifahrersitz liegen. Er nahm es, stieg ein, schloss die Tür und schaute das Foto an. Es zeigte ihn selbst; es war eines der Passbilder, die Bobby für seinen Führerschein gemacht hatte.
Er schaute von dem Foto zu dem Typ, der jetzt hinter dem Lenkrad saß und ihn um den Zahnstocher herum angrinste. »Norte ist also tot«, sagte Parker und ließ das Foto aus dem Fenster fallen.
Der Typ steckte den Schlüssel ins Zündschloss. »Was soll’s, Kumpel«, sagte er, während er den Motor anließ, »alle sind tot. Manche wissen’s bloß noch nicht.«