Aber er schlief als erster ein, ohne es zu wollen, und erwachte, als die Wandleuchten angingen und mehrere Leute die Treppe heraufkamen. Warum? Weil sie einen Raum für ihre Gefangene brauchten.
Als er heraufgekommen war, im Dunkeln, hatte er sich auf einen der Drehstühle gesetzt und die Füße auf einen zweiten gelegt, aber die gekrümmte Stellung war schlecht für seine Rippen und überhaupt unbequem gewesen, und er hatte sich statt dessen auf dem mit schwarzem Teppich ausgelegten Fußboden ausgestreckt, auf dem Rücken. Er hatte nicht gedacht, dass er einschlafen würde, so spät war es ja noch nicht. Melander, Carlson und Ross hatten ihren Raubüberfall kurz nach acht durchgezogen, als es gerade noch ein bisschen hell gewesen war, und als sie in das Haus zurückgekommen waren, nach halb neun, war es schon finster gewesen. Sie mussten aufgekratzt sein und waren jetzt auch noch durch Lesley abgelenkt, also würden sie spät schlafen gehen. Parker rechnete sich aus, dass er vor drei Uhr morgens besser nicht hinunterging, also konnte er sich sechs Stunden hier oben ausruhen.
Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass er einschlafen würde. Normalerweise konnte er sein Schlafbedürfnis unterdrücken, bis die jeweilige Arbeit getan war, aber das hier hing auch mit seiner allgemeinen Schwäche zusammen. Er war wach gewesen, hatte inmitten der vielen Drehstühle im Dunkeln auf dem Rücken gelegen und überlegt, wie er die drei ausschalten konnte, und jetzt war er wieder wach, die rötlichen Lampen gingen an, und die Drehstühle waren wie fliegende Untertassen über ihm.
Er hörte sie die Treppe heraufkommen. Melander sagte: »Hier oben ist es schön ruhig, hier können Sie bis zum Morgen bleiben, hier kann Ihnen nichts passieren.«
Parker rollte sich an die Wand, die am weitesten von den Stühlen weg war; in seinen schwarzen Sachen hob er sich nicht von dem schwarzen Teppich ab, und außerdem drehte er sich zur Wand, damit sein helles Gesicht und die Hände nicht auffielen.
»Was ist denn das?« Das war Lesley, die ihre Situation noch immer nicht ganz begriffen hatte.
»Die früheren Eigentümer«, antwortete Melander mit einem hörbaren Grinsen, »haben sich hier oben ihre eigenen Filme angesehen. Denken Sie daran, wieviel Spaß die Leute in diesem Raum gehabt haben. Vielleicht können Sie, wenn Sie mäuschenstill sind, das Singen, Tanzen und Lachen hören.«
»Und wenn Sie nicht mäuschenstill sind«, sagte Carlson, »dann hören Sie von uns.«
»Ach, komm, Hal«, sagte Melander. »Claire wird doch kooperieren, nicht wahr, Claire?«
»Ich hab Ihnen doch gesagt, ich bin nicht —«
Klatsch. Melanders Stimme, jetzt ganz humorlos: »Und ich hab Ihnen gesagt, Sie sollen mich nicht für dumm verkaufen. Ich verliere allmählich die Geduld, Claire, können Sie mir folgen?«
Lesley schwieg. »Sie wird jetzt keinen Ärger mehr machen, Boyd. Stimmt doch, oder?« sagte Ross.
»Bitte …«
»Sehen Sie?« Ross spielte jetzt den guten Cop: »Hier ist der Lichtschalter, Sie können das Licht an- oder ausmachen, was Ihnen lieber ist. Die Tür da unten schließen wir ab, aber morgen früh lassen wir Sie raus, dann frühstücken wir ordentlich und besprechen alles.«
»So machen wir’s«, sagte Melander, der wieder guter Laune war. »Keine Aufregung mehr heute nacht. Gehen Sie da rüber und setzen Sie sich hin. Ja, nur zu, einfach da rüber zu den Stühlen, und —«
In diesem Moment stieß sie einen gellenden Schrei aus, aber nicht, weil sie wieder geschlagen worden wäre. Parker wusste genau, was der Grund war. Als sie tiefer in den Raum gekommen war, hatte sie ihn gesehen und ihn sofort verbellt, wie ein Jagdhund.
Sie war besser gewesen als ein normaler Amateur, bis zu dem Moment, in dem es drauf ankam.
Ja. Schritte, und dann Melanders freudige Überraschung: »Na, wen haben wir denn da?«
Parker drehte sich auf den Rücken und schaute zu ihnen hoch. Carlson und Ross trugen die Revolver, die er unbrauchbar gemacht hatte. »Ihr Jungs habt heute ein hübsches Ding gedreht«, sagte er und ärgerte sich über seine blecherne Stimme.
»Und du hast dir gedacht, du wartest hier, bis wir schlafen, und nimmst uns die Beute ab«, sagte Carlson.
»Ich wollte nur meinen Anteil im Auge behalten«, sagte Parker.
»Los, steh auf«, sagte Melander.
»Er ist angeschossen worden«, platzte Lesley heraus. »Eigentlich müsste er noch im Krankenhaus liegen!«
Sie sahen sie stirnrunzelnd an, dann schauten sie auf Parker hinab. »Stimmt das?« fragte Melander.
»Schuss in die Brust«, sagte Parker. »Ein paar gebrochene Rippen. Ich werd’s überleben.«
»Vielleicht«, sagte Carlson.
Melander trat einen Schritt zurück. »Okay, Parker«, sagte er. »Du kannst hier oben bleiben, mit —«
»Das ist Parker?« fragte Lesley.
Bevor Melander ihr wieder eine langen konnte, sagte Parker: »Gib’s auf, Claire, die Karte spielen wir nicht mehr aus.«
Sie sah ihn verwundert an, aber wenigstens hatte sie sich jetzt halbwegs im Griff und ließ das Debattieren sein.
Ross kam näher und fragte: »Hast du einen Verband und so was?«
»Um die Brust.«
»Wo hast du deine Waffe? Ich nehm sie dir vorsichtig ab, damit’s nicht weh tut.«
Parker schüttelte den Kopf. »Ich hab keine. Ich wollte nicht, dass ihr denkt, ich bin immer noch sauer auf euch.«
Sie glaubten ihm nicht. Melander sagte lachend: »Wir kommen in friedlicher Absicht? Durchsuch ihn, Jerry.«
Ross gab Carlson seinen Revolver und kniete sich neben Parker. »Tut mir leid«, sagte er.
»Nur zu.«
Ross klopfte ihn ab, ohne ihm unnötige Schmerzen zu verursachen, dann zuckte er die Achseln und schaute zu den beiden anderen hoch. »Er ist sauber.«
»Es geschehen noch Zeichen und Wunder«, sagte Melander. »Okay, Parker, wir unterhalten uns morgen früh. Dein Geld war gut angelegt, stimmt’s?«
»Stimmt.«
Ross ließ sich von Carlson wieder seinen unbrauchbaren Revolver geben, und alle drei stiegen die Treppe hinunter, unter leicht verwirrtem Gemurmel. Parker war hier, aber verletzt und unbewaffnet. Was hatte das zu bedeuten?«
Das Schloss an der Tür unten klickte. »Tut mir leid, Daniel«, sagte Lesley. »Es ist alles meine Schuld.«
»Ja«, sagte er.