Er setzte sich auf und lehnte sich an die Wand. Harte Flächen waren das beste, wenn er wach war. Lesley setzte sich auf einen der Drehstühle. »Du wolltest dich hier oben verstecken, bis die schlafen gegangen wären, und dann wärst du runtergegangen und hättest sie umgebracht, stimmt’s?«
»Ja.«
»Wie?«
»Carlson und Ross mit einem Kissen. Melander, den Großen, zuletzt, mit einer Kugel. Sie haben getrennte Zimmer.«
»Bist du stark genug dafür? Mit dem Kissen?«
»Das kann ich jetzt nicht mehr feststellen«, sagte er.
»Wegen mir.«
»Ja.«
»Wenn du nicht stark genug wärst, würdest du ein Messer nehmen?«
»Nein. Man kann mit einem Messer nicht ordentlich arbeiten, ohne sich einzusauen. In der Küche gibt es Werkzeug. Hämmer.«
»Ah.« Sie blinzelte und leckte sich die Lippen, dann redete sie weiter: »Wenn ich nicht gewesen wäre, hätten sie keinen Grund gehabt, hier raufzukommen, und hätten dich nicht gefunden.«
»Stimmt.«
»Aber warum hast du ihnen gesagt, ich wäre Claire? Ist Claire deine Freundin?«
»Wenn sie dich für Claire halten, denken sie, mir liegt was dran, dass du am Leben bleibst. Dann bist du für sie ein nützliches Pfand. Das beruhigt sie.«
»Aber dir ist es doch egal, ob ich lebe oder sterbe«, sagte sie. »Stimmt doch, oder?«
»Mir wär’s lieber, du wärst tot.«
Das gab ihr zu denken. »Wirst du mich umbringen?«
»Nein.«
»Wegen der Geschichte mit dem Pfand?«
»Ja.«
»Auf so viel Ehrlichkeit war ich nicht gefasst«, sagte sie.
Er zuckte die Achseln.
»Gibt’s hier oben eine Toilette?«
Er zeigte auf die Tür in der hinteren Wand, links von der Treppe. »Kein Fenster. Lüftung.«
»Ich hatte nicht vor, um Hilfe zu rufen oder so was«, sagte sie, stand auf und ging zur Toilette.
Während sie weg war, überlegte er. Sollte er bis später warten und dann versuchen, durch die Tür am Fuß der Treppe nach unten zu gelangen? Nein, sie wussten, dass er hier war, und sie trauten ihm nicht über den Weg. Bestimmt hatten sie die Tür mit allerlei Fallen versehen — Sachen, die Krach machten, Alarm auslösten. Andererseits besserte sich mit jeder Stunde, die er stillhielt, sein Zustand ein wenig. Am Morgen würde er besser mit ihnen fertig werden.
Aber sein ursprünglicher Plan war begraben. Und Lesley, die bis jetzt eine Hilfe gewesen war, nützte ihm überhaupt nichts mehr. Sie war nur noch ein Klotz am Bein.
Sie kam von der Toilette zurück und setzte sich auf einen Stuhl nicht weit von ihm. Sie wirkte sehr ernst, als hätte sie auf der Toilette eine Art Gelübde abgelegt. »Ich hab noch nie im Leben mit so was zu tun gehabt«, sagte sie.
»Das weiß ich.«
»Der Gedanke, jemand umzubringen, stört dich überhaupt nicht.«
Er wartete.
»Mich aber schon«, sagte sie, »aber das ist okay. Ich hab uns in diese Lage gebracht, das weiß ich. Ich glaube nicht, dass sie mich einfach gehen lassen werden.«
»Nein.«
»Ich glaube, die werden morgen Kriegsrat halten und beschließen, uns beide umzubringen.«
»Wahrscheinlich.«
»Wenn ich allein wäre, hätte ich keine Chance. Wenn du allein wärst, hättest du wahrscheinlich eine Chance.«
»Vielleicht, ja.«
»Ich will dir auf keinen Fall noch mal in die Quere kommen«, sagte sie. »Ich tu alles, was du sagst. Wenn ich mich hinsetzen und den Mund halten soll, setze ich mich hin und halte den Mund. Wenn ich irgendwas tun kann, um dir zu helfen, werde ich es tun.«
»Da, hinter der anderen Tür, liegt der unausgebaute Teil des Dachbodens. Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich dort umzusehen. Ich möchte wissen, was da für Fenster sind, und ich brauche was Weiches, damit ich auf dem harten Boden schlafen kann, ohne steif zu werden.«
»Ich bin gleich wieder da«, sagte sie. Sie blieb fast zehn Minuten weg. Als sie wiederkam, schleifte sie eine große graue Malerplane hinter sich her. »Kleine Fenster, vergittert«, sagte sie. »Dekorativ, aber Gitterstäbe. Ich hab das hier gefunden und einen Rest von einer Rolle rosa Isoliermaterial. Ich dachte mir, ich könnte die Isolierung auf den Boden legen und obendrauf einen Teil der Plane. Mit dem Rest der Plane könnten wir uns dann zudecken.«
»Gut«, sagte er.
Als sie weg war, kroch er auf allen vieren zum nächsten Stuhl und zog sich daran hoch. Die wenigen Stunden Schlaf hatten ihn steif werden lassen, mehr, als er sich eingestehen wollte. Er hatte nicht genug Zeit, um seinen Körper heilen zu lassen; es musste auch so gehen.
Sie kam mit der Rolle Isoliermaterial zurück, und gemeinsam legten sie vier Streifen davon auf den Boden, mit der rosa Seite nach unten und der glänzenden Papierseite nach oben. Dann breiteten sie den Mittelteil der Plane darüber, so dass sie die Seitenteile umschlagen und sich damit zudecken konnten. »Soll ich das Licht anlassen oder ausmachen?« fragte sie.
»Ich werde schlafen«, sagte er.
Ihr Lachen hatte einen hysterischen Unterton. »Soll das ein Witz sein? In der Klemme, in der wir sind, und in dem Zustand, in dem du bist, ist Schlafen doch das letzte, woran irgend jemand denken würde. Ich mach das Licht aus.«