Finsternis und Krämpfe holten ihn ins Bewusstsein zurück. Er versuchte sich zu bewegen, um die Krämpfe zu lindern, aber er hatte sich heillos in Ästen und Zweigen verheddert. Und es war zu finster, als dass er hätte sehen können, wo er war oder was er tun konnte.
Er gab das sinnlose Gezappel auf. Er ignorierte die Krämpfe, die Schmerzen in den Rippen, in den Beinen, holte tief Luft und versuchte sich zu erinnern. Wo er war. Was passiert war.
Er hatte den ganzen Tag verschlafen, eingewickelt in eine Seetraube. Sie hatten ihn nicht gefunden, also hatten sie nicht nach ihm gesucht, sonst hätten sie ihn gefunden, also hatte Lesley ihnen eine Geschichte erzählt, in der er nicht vorgekommen war.
Ob er sich aus diesem Gewirr befreien konnte? Als erstes musste er versuchen, aufzustehen und sich aus der Umschlingung des Baums zu lösen. Er probierte hier und dort, wo er sich festhalten konnte, seine Knöchel berührten den Maschendrahtzaun, er krallte sich hinein und zog sich daran vorwärts und dann aufwärts, bis er senkrecht stand und versuchen konnte, etwas gegen die Krämpfe zu tun.
Dem Oberkörper zuliebe musste er langsam atmen, langsam und regelmäßig, und die Luft lange anhalten. Die Beine musste er beugen und strecken, beugen und strecken, und warten, bis es besser wurde. Schließlich waren nur noch die vertrauten Schmerzen in der Brust übrig, ein bisschen schlimmer als zuvor, aber nicht unerträglich.
Er konnte nichts sehen, aber er spürte die drei Schmuckbeutel, die immer noch vorn und links in seinem Gürtel steckten. Er hielt sich noch an dem Zaun fest, und jetzt fing er an, ganz langsam und mit langen Pausen daran hochzuklettern. Die Beine drohten wieder, ihm den Dienst zu versagen, und sein Atem ging schwer, aber er bewegte sich weiter aufwärts, Stückchen für Stückchen, und kam schließlich auf der Terrasse hinter dem Haus des verstorbenen Mr. Roderick heraus. Dort streckte er sich auf dem Rücken aus.
Licht. Ein Viertelmond und viele Sterne. Das beruhigende Rauschen des Meeres, an- und abschwellend. Keine anderen Geräusche, kein anderes Licht.
Als er meinte, genug Kraft dafür zu haben, drehte er sich um, stemmte sich mit Armen und Beinen langsam in die Höhe und lehnte sich dabei an den schmiedeeisernen Zaun. Dann stand er auf den Beinen.
Das Haus war dunkel, in den vielen Glastüren spiegelte sich matt der helle Nachthimmel. Etwas Bandähnliches flatterte dort drüben, waagerecht und in Hüfthöhe, und als er sich langsam dem Gebäude näherte, sah er, dass es ein gelbes Absperrband der Polizei war. Sie hatten das Haus versiegelt.
Aber wie versiegelt war es tatsächlich? Er brauchte dieses Haus. In kurzen Abschnitten mit langen Pausen dazwischen schleppte er sich zur Vorderseite, wo der Abfallcontainer im Mondschein aufragte und weitere Absperrbänder im Nachtwind flatterten. Doch es waren keine Fahrzeuge zu sehen, keine Bewacher. Die Spuren waren gesichert, der Tatort für die Polizei nicht mehr interessant.
Diesmal dauerte es länger, bis er den Saugnapf gefunden hatte. Er gelangte auf die gleiche Art wie vorher ins Haus, doch sein geschundener Körper machte ihm noch mehr zu schaffen. Eine Zeitlang lag er sogar bewusstlos auf dem Fußboden, an dem noch offenen Fenster, doch dann kam er wieder zu sich, stand auf und warf den Saugnapf wieder hinaus, in der Hoffnung, ihn nie wieder brauchen zu müssen. Er setzte das Glasstück wieder ein und war dann endgültig drinnen.
Auf dem Bedienfeld der Alarmanlage neben der Haustür leuchtete das rote Warnlicht, aber hatte die Polizei überprüft, ob die Anlage manipuliert worden war? Nein, hatte sie nicht. Hätte die Anlage funktioniert, wäre schon beim Öffnen des Fensters Alarm ausgelöst worden.
Unter normalen Umständen wäre er auch nicht so unbekümmert hier eingedrungen. Offensichtlich führte die körperliche Überanstrengung dazu, dass er im Denken nachlässig und unvorsichtig wurde. Das durfte nicht sein.
Das Haus zu durchsuchen wäre in der Dunkelheit ohnehin nicht möglich gewesen, selbst wenn er die Kraft dazu gehabt hätte. Aber es herrschte darin die abgestandene Stille eines leerstehenden Hauses, und er war sich sicher, dass er allein war.
Im Esszimmer standen noch dieselben Möbel, wenn auch nicht mehr in der alten Anordnung; niemand hatte sich die Mühe gemacht, den Stuhl aufzuheben, den er umgestoßen hatte. Der Kühlschrank in der Küche war noch voll. Es gab kaltes Brathuhn, und es gab Bier. Er aß und trank, machte es sich auf dem Boden bequem und schlief ein.