Wenn äluonische Kinder die komplizierte Kunst des Gehens und Essens und des bewussten Einsatzes ihrer Farben gemeistert hatten, lernten sie bald darauf, dass ihre Umwelt eine andere Sprache verwendete als die von Leuten. Leute kommunizierten natürlich über die wirbelnden Chromatophorenflecken auf ihren beiden Wangen. Ihre pflanzlichen und tierischen Nachbarn taten dies jedoch nicht. Das purpurne Fell der Lumae bedeutete nicht etwa, dass sie wütend waren. Nektarflügel mit ihren orangefarbenen Flecken waren nicht traurig. Zitterfische waren keine Freunde, so liebenswürdig ihre blauen Schuppen auch aussehen mochten. Pei erinnerte sich verschwommen daran, wie viel Mühe ihr dieses Konzept bereitet hatte, wie sie das Gefühl gehabt hatte, dass die natürliche Welt nicht vertrauenswürdig war, sie irgendwie anlog. Farbe war Farbe, und Farbe hatte eine Bedeutung , und wenn für sie offensichtlich war, dass Lachen grün war und Ärger gelb, dann mussten andere Lebewesen das doch auch wissen.
Aus der Perspektive ihrer mittleren Jahre konnte sie zwar nicht den genauen Moment bestimmen, in dem diese irrige Vorstellung verblasst war, aber sobald sie diese Schwelle überschritten hatte, verstand sie, dass jeder Aspekt des Lebens mehrere Schichten aufwies. Es gab die Farbe an der Oberfläche, und es gab die darunterliegende Bedeutung. Gelb war, solange es nicht durch das Gesicht einer Person floss, oft nichts weiter als Gelb, Punkt. Man musste vor dem Reflex innehalten und sich fragen, ob die Erzählung, die man mit dem Auslöser verband, richtig war. Nachdem Pei das einmal begriffen hatte, konnte sie das Leben nie wieder als etwas Statisches sehen, etwas mit nur einer einzigen, unveränderlichen Definition. Das Universum war kein Objekt. Es war ein Lichtstrahl, und die Farben, in die es sich aufspaltete, veränderten sich, je nachdem, wessen Augen es gerade betrachteten. Man durfte nie etwas für bare Münze nehmen. Alles hatte verborgene Facetten, verborgene Tiefen, die auf tausend Arten interpretiert werden konnten – oder auf die gleiche Art und Weise fehlinterpretiert. Reflexe gaben einem Sicherheit, aber sie konnten einen auch dumm machen.
Pei wusste das, genauso wie sie wusste, wie man atmete, aber dennoch flößten die Akaraks ihr Misstrauen ein.
Sie hatte noch nie einen von ihnen an einem Ort wie diesem gesehen – in einem Raumhafen, ja, aber immer abseits, während sie sich durch Schrott wühlten, durch Gassen krabbelten, sich mit ihresgleichen unterhielten. Niemals im Gewimmel eines Marktes. Niemals allein. Niemals, während sie um einen Treibstoffschuppen herumliefen, sich zwischen Algenstartern und Treibstoffpumpen umsahen, so wie das Alien, das sie gerade aus der Ferne beobachtete. Im GU -Raum bekam man nur selten Akaraks zu sehen, aber Pei hatte natürlich schon mit ihnen zu tun gehabt – nicht mit Worten, sondern mit Waffen. Einmal hatte sie zwei von ihnen dabei erwischt, wie sie in der Nähe ihres Shuttles herumschnüffelten, und sie verjagt, indem sie lediglich die Pistole zog. Bei einer weiteren Gelegenheit hatte eine Akarak-Crew ihr die Fracht stehlen wollen, die sie und ihre eigene Besatzung abholen sollten. Dieser Konflikt hatte sich nicht so einfach beilegen lassen. Pei hatte zwar noch nie mit einem Akarak gesprochen, aber sie verdankte einem von ihnen eine Pulsgewehr-Narbe auf ihrem Oberarm und hatte zwei weiteren Akaraks persönlich den Garaus gemacht.
Das war eine der Tatsachen, deren vielschichtige Bedeutungen sie nicht weiter vertiefen wollte.
Pei wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Spirale aus blühenden Hecken zu, in der sie gerade stand. Ihre langen, hornartigen Blüten waren hübsch (obwohl sie gelb waren), und ihr Duft war angenehm süß. Ein kleiner Schwarm von Bestäubungsrobotern bewegte sich mit beruhigendem Schaukeln zwischen ihnen hin und her, schlängelte sich von Blüte zu Blüte, während sich die weichen, staubigen Bürsten der kleinen Apparate mit mechanischem Summen drehten. Pei war froh, draußen zu sein, froh, festen Boden unter den Füßen zu haben. Ihr Schiff – ihr Hauptschiff, nicht das Shuttle, in dem sie gereist war – hatte zwar wie üblich einen Garten, aber das war einfach nicht dasselbe wie ein Garten auf einem Planeten. Sie kniete sich hin, nahm eine Prise von dem Mulch, der die Wurzeln der Hecken bedeckte, und rieb ihn ehrfürchtig zwischen den Fingern. Sie liebte ihr Schiff, liebte ihre Crew, liebte ihr Leben, das sich oben statt unten abspielte, aber Sterne, manchmal gab es Zeiten, in denen sie Erde vermisste.
Ihr Nacken kribbelte von der leeren Berührung eines Blickes.
Sie hob den Kopf und schaute hinüber.
Der Akarak sah sie an.
Sie waren zu weit voneinander entfernt, als dass Pei das Gesicht des Akarak hätte sehen können – nicht, dass sie sein Mienenspiel hätte deuten können, so wenig, wie sie über die Akarak wusste. Wie alle sirer Art saß der Akarak in einem klobigen, zweibeinigen Mech-Anzug mit einem verglasten Cockpit, das etwa den gleichen Raum einnahm wie ein normal großer Kopf. Der Anzug selbst war etwas größer als Pei, aber sein Bewohner hatte die Größe eines Kindes – nein, sogar noch kleiner. Pei hätte sihn ohne Schwierigkeiten in einen Schulranzen stecken können. Sie konnte ein paar physische Details erkennen: spindeldürre Gliedmaßen, ein kurzer Torso, die Andeutung eines Schnabels, der sich im Schatten verbarg. Aber auch ohne das Gesicht des Akarak sehen zu können, erkannte Pei, dass sie sich gegenseitig anblickten. Der Moment, in dem sie beide so hätten tun können, als wäre das nicht der Fall, war vorbei.
In dem Anzug bewegte sich etwas: ein Hebel wurde gezogen, Knöpfe wurden gedrückt. Der Anzug gehorchte, richtete sich auf und hob die beiden vierfingrigen Metallhände. Auf Befehl des Akarak hin drehte er die Handflächen nach außen und kippte die Fingerspitzen leicht zur Seite.
Peis innere Augenlider zuckten vor Überraschung. Die Haltung, die der Anzug des Akarak eingenommen hatte, entsprach einer äluonischen Begrüßung, von der Art, wenn man zu weit voneinander entfernt war, um die Handflächen aneinanderzupressen. Es war eine unauffällige, alltägliche Art, ein freundliches »Hallo« auszudrücken, und es kam von dem letzten Wesen, von dem sie das erwartet hätte. Die Kombination war geradezu surreal.
Pei blieb kurz stehen, dann erwiderte sie die Geste vorsichtig.
Der Anzug des Akarak neigte sich höflich, wie zur Bestätigung, dann widmete er sich wieder dem Algenkauf.
Bevor Pei diesen Austausch verarbeiten konnte, vernahm sie ein lautes Rasseln, das sich ihr näherte. Pei hatte kein natürliches Gehör, aber das in ihre Stirn eingebettete auditorische Implantat erlaubte es ihr, Geräusche kognitiv aufzunehmen und die damit verbundene Bedeutung zu verstehen (das Gefühl war so ähnlich wie beim Lesen, nur ohne Bildschirm). In einer Galaxis, in der alle anderen darauf zu bestehen schienen, sich mittels Luftvibrationen zu unterhalten, war es wichtig, auch die Richtung bestimmen zu können, aus der die Schallwellen stammten, aber das Implantat war dazu nicht in der Lage. Geräuschortung ließ sich einem nicht hörenden Gehirn einfach nicht vermitteln. Zum Ausgleich vibrierte das Implantat leicht auf der rechten Seite ihrer Stirn, um ihr mitzuteilen, woher das Geräusch stammte.
Als sie sich umdrehte, sah sie, wie das jüngere Laru gemächlich auf sie zukam. Ser ging auf den Hinterbeinen und schob mit den Vorderpfoten einen dreirädrigen Wagen. In der Mitte des Gartens befand sich eine Lichtung, eine weitläufige, kurzgeschnittene Rasenfläche mit Tischen und Bänken, die sich für die Hinterteile verschiedener Spezies eigneten. Dorthin war das Laru mit seiner Ladung unterwegs.
Pei näherte sich ihm, und der Geruch von warmem Zucker stieg ihr in die Nase. »Was hast du da?«, fragte sie, wobei sie mental die Sprachbox bediente, die an der Außenseite ihres Halses implantiert war (eigentlich konnte man eine Sprachbox überall implantieren, aber anderen Wesen war es meist lieber, wenn ihre »Stimme« – wenngleich computergeneriert – aus der Richtung ihres Kopfs kam).
Das Kind – hieß es Tepo? Tuppo? Irgendetwas in dieser Art – stellte den Wagen ab und drehte sich zu Pei um. Nur dass ser ihr … nicht ganz ins Gesicht sah. Pei war zwar durchaus mit der Spezies der Laru vertraut, aber man musste kein Experte sein, um zu erkennen, dass das zottige Kind schüchtern war. Es blickte irgendwo vage in die Richtung von Peis Gesicht, ohne ihr direkt in die Augen zu sehen. »Wir empfehlen Ihnen diese traditionellen Laru-Desserts, mit besten Grüßen von Ihren Gastgebern im Five-Hop«, leierte es lustlos und zeigte auf den Wagen, mit dem Enthusiasmus von jemandem, der einen verstopften Abfluss reinigte.
Pei konnte gerade noch das Lachen unterdrücken, das aus ihrer Sprachbox zu blubbern drohte, und hoffte, dass das amüsierte Grün, das ihre Wangen kitzelte, unbemerkt blieb. »Ich glaube, ich habe noch nie ein Laru-Dessert gegessen«, sagte sie. »Kannst du mir etwas darüber erzählen?«
Das Kind wand sich; offenbar hatte es gehofft, die Präsentation des Wagens würde sowohl als Begrüßung als auch als Verabschiedung genügen, aber es wandte sich pflichtbewusst den Leckereien zu. »Wir haben, ähm, Quetschkuchen, Malvenpudding, süße Salzküchlein, Babypfötchen und … Pfefferminzchips.«
»Hmm«, sagte Pei. »Interessant.« Ihre Bemerkung diente zwar vor allem dem Zweck, dem Laru-Kind die Sache zu erleichtern, aber sie meinte es ernst. Die festlich dekorierten Schalen und Tassen vor ihr sahen wirklich verlockend aus. »Was von alldem magst du denn am liebsten?«
»Ich, ähm … mag Malvenpudding.« Mit einer pummeligen Zehe deutete ser auf eine Schale, die mit etwas Schwarzem, Glibberigem gefüllt war, gekrönt von einer Spirale aus … einer Art Pflanzenspänen? Oder vielleicht gesponnenem Zucker?
»Ah ja«, sagte Pei. »Möchtest du auch einen?«
Das Kind stellte sich auf seine vier Füße und scharrte leicht im Gras. »Oh, ähm … Die sind nur für Gäste.« Das Bedauern, das in diesen Worten mitschwang, war so dickflüssig wie der Pudding.
Pei sah sich betont in Richtung Büro um. »Also ich kann ein Geheimnis für mich behalten«, sagte sie und klapperte schelmisch mit den Augenlidern.
Endlich hellte sich das Gesicht des Kindes auf. »Wirklich?«
»Wirklich.«
Mehr brauchte es nicht, damit das Laru wie ausgewechselt war. Mit einem Mal wurde ser lebendig und schnappte sich zwei Schüsseln Pudding, reichte eine Pei und behielt die andere für sich. Pei sah, dass Letztere die Schale mit der größeren Portion war. Damit hatte sie kein Problem.
Sie setzten sich beide ins Gras, Pei im Schneidersitz, das Kind auf seine Hüften. »Entschuldigung, wie war noch gleich dein Name?«, fragte Pei.
»Tupo«, sagte ihr Gegenüber, nahm die Schüssel in die Vorderpfoten und begann, den Pudding mit der dicken violetten Zunge aufzulecken, ohne Verwendung für die Alienlöffel, die sire Mutter ihm mitgegeben hatte.
Pei hingegen brauchte durchaus einen Löffel und aß damit mutig etwas von dem Pudding. »Hm«, sagte sie durch ihre Sprachbox, ohne hinunterzuschlucken.
»Schmeckt es Ihnen?«, nuschelte Tupo mit vollem Mund.
»Ja, ich glaube schon«, sagte Pei. Der Pudding hatte eine seltsame Konsistenz, eher breiig als cremig, und der Geschmack ließ sich nicht ohne weiteres definieren. Süß und erdig mit einem bitteren Beigeschmack, überraschend und anregend zugleich. »Es wird zwar wohl nicht mein Lieblingsdessert, aber es ist wirklich gut.«
Tupo sah erfreut aus. Ser schluckte hinunter, dann sagte ser: »Das ist echt seltsam.«
»Was ist seltsam?«
»Dass Sie reden können, während Sie essen.«
»Für mich ist es merkwürdig, wenn jemand beim Essen nicht reden kann«, sagte Pei und lächelte blau. »Wir benutzen unseren Mund nur zum Essen.«
»Und zum Trinken nicht?«
»Doch, zum Trinken auch.«
»Und zum Atmen?«
»Okay, ja, wir können auch durch den Mund atmen. Aber meistens benutze ich dafür meine Nase, so wie du.«
Tupo sah sie kurz an. »Darf ich mir Ihre Nase aus der Nähe ansehen?«
Pei blinzelte. »Ähm … ja, gern, warum nicht?«
Das Laru streckte den Hals vor und kam Pei dabei deutlich näher, als es ihre Komfortzone oder die guten Manieren erlaubt hätten. Tupo betrachtete ihre Nase mit lebhaftem Interesse. »Sie ist so klein «, sagte Tupo.
»Und deine ist für mich ganz schön groß«, sagte Pei, die noch nie einen so guten Blick auf die breiten, feuchten Nasenlöcher eines Laru gehabt hatte.
Nachdem sire Neugier augenscheinlich gestillt war, zog Tupo den Hals zurück und widmete sich wieder sirem Pudding. »Was für eine Art Captain sind Sie?«
»Fracht«, sagte Pei.
»Ich dachte, Sie wären vielleicht Soldatin.« Tupo klang enttäuscht. Ser leckte noch ein wenig Pudding auf, die Schüssel war schon etwa halb leer. »Meine Mutter hat gesagt, dass sie ein paar Waffen von Ihnen einschließen musste.«
»Wenn zwei ein paar sind, dann ja«, sagte Pei.
»Aber Sie sind doch gar keine Soldatin.«
»Nein. Ich besorge Soldaten die Sachen, die sie brauchen. Das macht den Großteil meiner Arbeit aus.«
»Fliegen Sie irgendwohin, wo gekämpft wird?«
»Ja«, sagte Pei sachlich.
»Ist das gefährlich?«
»Ja.«
»Sind Sie schon mal angeschossen worden?«
Pei legte bei Tupos unverblümter Frage den Kopf schief. Ser wirkte zwar harmlos, aber mit dieser Wendung hatte sie nicht gerechnet. »Ja«, sagte sie in gleichmütigem Tonfall.
»Hat das weh getan?«
»Was denkst du denn?«
»Ich glaube schon.«
Pei lachte. »Du glaubst.« Sie sah Tupo mit freundlichem Tadel an. »Ja, das tut weh.«
»Wie schlimm tut es weh?«
Pei musste zwar nicht unbedingt schweigen, während sie aß, nahm sich aber dennoch einen Augenblick Zeit, um diese Frage abzuwägen. »Meinst du wirklich, deiner Mutter wäre es recht, dass ich mit dir darüber rede?«
Tupo leckte sich etwas Pudding aus den Mundwinkeln. »Ich weiß nicht.«
»Mhm. Vielleicht sollten wir dann ein anderes Thema finden, über das wir reden können.«
Tupo blickte ein wenig mürrisch drein, riss sich dann jedoch zusammen. »Wenn Sie Captain sind, wo ist dann Ihre Crew?«
»Auf Landgang. Wir haben gerade einen … einen großen Auftrag abgeschlossen.« Auf keinen Fall würde sie über die Einzelheiten sprechen, auch wenn sie diese, wenn sie die äußeren Augenlider schloss, jedes Mal deutlich vor sich sah. »Deshalb haben wir jetzt Pause. Alle haben sich für eine Weile getrennt. Danach kommen wir wieder zusammen und brechen zum nächsten Auftrag auf.«
»Und wo gehen Sie jetzt hin?«
»Ich besuche einen Freund.«
»Wo wohnt Ihr Freund?«
»Auf einem Schiff. Er ist Spacer.«
»Sind Sie nicht ebenfalls Spacerin?«
»Ja.«
»Okay …« Tupo schien nicht sehr beeindruckt zu sein, »Sie verbringen Ihren Urlaub also auf einem anderen Schiff.«
»Na ja, Urlaub nimmt man schließlich von der Firma, nicht wahr?«
Tupo war nicht überzeugt. »Was ist das für ein Schiff?«
Sterne, dieses Kind ließ anscheinend einfach nicht locker, wenn es erst mal ein wenig Zucker intus hatte. »Eines mit gemischter Besatzung. Mein Freund ist ein Mensch.«
Tupo stieß ein sprudelndes Glucksen aus. »Menschen sehen so komisch aus.«
»Was?«, fragte Pei. »Wie meinst du das?«
»Keine Ahnung, sie sind einfach komisch. Sie haben Fell auf dem Kopf, sonst nirgends.«
»Sie haben überall Fell«, sagte Pei. »Es ist nur fast überall sehr, sehr dünn.«
»Ja«, sagte Tupo. »Wie bei Babys .«
Pei musste lachen, und ihr Gesicht blitzte grün auf. »Na ja«, widersprach sie freundlich. Nachdenklich aß sie einen Bissen von ihrem Pudding, ließ ihn über ihre Zunge gleiten und genoss den langsam schmelzenden Zucker. Hier und da blitzte verstohlen ein wenig liebevolles Blau in ihrem Gesicht auf. »Ich finde, manche von ihnen sehen gut aus.«
Auf dem Weg, der zurück zu den Hauptgebäuden des Five-Hop führte, tauchte ein anderer Blauton auf, und Pei nahm ihn mit Interesse zur Kenntnis. Ouloo führte gerade einen Quelin herum – vermutlich den, dessen Schiff vor dem Pudding gelandet war. Sein verwegenes, kobaltfarbenes Exoskelett glitzerte im Sonnenlicht, aber auf seinem Panzer waren keine anderen Farben zu sehen, keine Spur des eingelassenen Schmucks, den seine Spezies für gewöhnlich trug. Pei konnte die stumpfen Narben an den Stellen erkennen, wo die Edelsteine gewaltsam entfernt worden waren, die tiefen Furchen in den ehemals verschlungenen Radierungen, die seine Klasse und seine Abstammung beschrieben. Ein Verbannter, der aus seiner Heimat verstoßen worden war. Die einzigen Individuen, die man außerhalb ihres Territoriums je zu Gesicht bekam. In stummem Mitgefühl drückte sie ihre Zunge gegen die Rückseite ihrer Zähne. Das Quelin-Protektorat bestand wahrhaftig aus einem Haufen Mistkerlen.
»Zu euch kommen die verschiedensten Gäste, was?«, sagte sie zu Tupo und beobachtete, wie Ouloo den Quelin begeistert herumführte. Er schien sich besonders für eine der blühenden Hecken zu interessieren und beugte die vertikale Hälfte seines Körpers herab, um sie näher in Augenschein zu nehmen.
»Es waren schon mal Quelin hier«, sagte Tupo und blickte trübsinnig in seine leere Schüssel. »Nicht oft, aber manchmal. Aber Akarak noch nie. Meine Mutter erlaubt nicht, dass ich alleine mit ihr spreche.« Diese Tatsache ließ Tupo noch verdrossener dreinblicken als der fehlende Nachtisch.
Sie, nahm Pei zur Kenntnis. Sie hatte keine Ahnung, wie Akaraks ihr Geschlecht definierten, musste dem Kind also Glauben schenken. »Hat deine Mutter gesagt, warum du das nicht darfst?«, fragte sie vorsichtig. Sie wollte unbedingt mehr über die Akarak erfahren.
»Nein«, sagte Tupo. »Nur, dass ich nicht darf.« Ser streckte die Hand nach dem Wagen aus und nahm sich eine weitere Schale Pudding. »Stimmt es, dass sie alle Piraten sind?«
Pei schwieg kurz, denn natürlich stimmte das nicht, aber genau dieser Gedanke war ihr spontan ebenfalls gekommen, als sie den ersten Blick auf den Mech-Anzug erhascht hatte. »Nein«, sagte sie. Ein Akarak war einfach ein Akarak. Gelb konnte einfach nur gelb sein. Reflexe konnten einen töricht machen.
Diese Antwort enttäuschte Tupo erneut, aber überrascht schien ser nicht zu sein. »Sie hatte keine Waffen, also ist sie wahrscheinlich keine Piratin.«
»Deine Mutter nimmt das mit dem Einschließen der Waffen ziemlich ernst, was?«, fragte Pei.
»Ja«, sagte Tupo und schluckte siren Mundvoll Nachtisch ebenso nachdrücklich hinunter wie die vorherigen. »Sie kann Waffen nicht ausstehen.«
»Mein Freund ist auch so.«
»Ihr menschlicher Freund?«
»Ja«, sagte Pei. »Wahrscheinlich werde ich meine im Shuttle lassen müssen.« Was nur angemessen war, auch wenn es ihr nicht gefiel. Schließlich war es sein Zuhause.
»Wieso wollen Menschen …« Tupo verstummte unvermittelt. Sire Augen wurden riesengroß.
»Hast du dir auf die Zunge gebissen?«, fragte Pei. Die Sprachbox ließ die Frage neckisch klingen, aber sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, als sie merkte, dass das Kind gar nicht sie ansah. Es schaute nach oben.
»Was ist das?«, rief Tupo.
Pei wandte sich dem Horizont zu, Tupos Blick folgend. Ihre Wangen wurden von Farbe geflutet, ihr Blut von Adrenalin.
»Captain Tem, was …«
»Bleib hier«, sagte sie und sprang rasch auf. »Ich werde …«
»Was ist das?!«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. In einem ersten Reflex wollte sie nach ihrer Waffe greifen, aber natürlich hatte sie sie nicht dabei. Sie machte einen Schritt nach vorn, zwischen Tupo und den Anblick, der sihn aus der Fassung brachte, und versuchte zu verstehen, was sie sah.
Hoch über der Kuppel, oben am Rande des Himmels, brannte etwas in der Atmosphäre.