Falls die Äluonerin Speaker auf die Palme bringen wollte, stellte sie sich dabei sehr geschickt an. Speaker bemühte sich nach Kräften, einen kühlen Kopf zu bewahren, wirklich. Sie wollte sich nicht streiten, schon gar nicht mit der Angehörigen einer anderen Spezies, aber verdammt, Captain Tem hatte gefragt. Wieso stellte man eine Frage, wenn man die Antwort nicht hören wollte?
Captain Tem knallte ihre Tasse ins Gras, der Kick darin spritzte über den Rand. »Die Kolonien, die meine Regierung beschützt, liegen an der Grenze«, sagte sie. »Nicht dahinter . An der Grenze. Wenn die Rosk keine anderen Planeten besiedeln wollen, in Ordnung. Aber sie haben nicht zu bestimmen, was in benachbarten Sonnensystemen vor sich geht. Und selbst wenn sie es zu bestimmen hätten, wäre Mord keine Lösung.«
»Das sage ich ja auch gar nicht«, sagte Speaker. Ganz ruhig, beschwor sie sich. Sei die Stimme der Vernunft. »Aber Sie – Ihre Regierung – bringt ihrerseits die Rosk um, und so leid es mir tut, doch in meinen Augen ist das kleinere Übel auch dann noch ein Übel, wenn es kleiner ist.«
Captain Tem machte ein finsteres Gesicht. »Ihr Volk bringt doch selbst Leute um. Bitte erzählen Sie mir nicht, dass Sie dabei nicht Ihre eigenen Interessen im Sinn haben.«
»Das würde ich niemals tun. Ich heiße es ebenfalls nicht gut. Aber ich kann das Motiv dahinter verstehen. Ich habe Verständnis für das Anliegen, auch wenn ich die Umsetzung missbillige. Und genauso kann ich sowohl Verständnis für die äluonischen Siedler als auch für die Rosk aufbringen, die sie dort nicht akzeptieren wollen. Wofür ich kein Verständnis aufbringe, sind … nun ja, die Leute, die aus diesem Grund morden. Auf beiden Seiten.«
»Könnten wir vielleicht …«, fing Roveg an.
»Was sollen wir denn sonst tun?«, unterbrach ihn Captain Tem. »Die Rosk wollen nicht verhandeln. Sie wollen keine Einigung. Sie hören nicht zu.«
»Haben Sie je erwogen, sich zurückzuziehen?«, fragte Speaker. »Brauchen Sie denn unbedingt noch einen Planeten?«
»Dieser Planet ist das Zuhause der dortigen Siedler«, sagte Captain Tem.
»Nein«, sagte Speaker. »Sohep Frie ist ihr Zuhause.«
»Sohep Frie hat uns beinahe umgebracht. Das wissen Sie doch, oder? Sie scheinen ja eine Menge zu wissen.«
Speaker wollte aufbrausen, ließ es dann jedoch sein. »Bevor Sie das Weltall eroberten, gab es einen starken Bevölkerungseinbruch. Aber die Einzelheiten kenne ich nicht.«
»Die Einzelheiten laufen im Prinzip auf einen Haufen verfickter Vulkane hinaus, die alle auf einmal ausgebrochen sind und die meisten Äluoner getötet haben. Es war ein riesiges Glück, dass wir nicht ausgelöscht wurden. Deswegen haben wir die ersten Schiffe gebaut und uns auf die Suche nach anderen Planeten gemacht – um nicht an das Schicksal einer einzigen Heimatwelt gebunden zu sein.«
»Sterne, das war wirklich Glück«, sagte Speaker tonlos. »Das wäre ja ein schreckliches Ende gewesen.«
Die Klänge, die aus Captain Tems Sprachbox kamen, waren leicht verzerrt, ein Zeichen für die Heftigkeit, mit der sie die Gedanken hervorstieß. »Wir sind nicht wie die Harmagianer«, sagte sie. »Wir sind noch nie wie die Harmagianer gewesen. Die Rosk-Grenze – als die besiedelt wurde, lebte niemand auf diesem Planeten. Es gab dort kein intelligentes Leben. Wir haben noch nie jemandem einen Planeten gestohlen, niemals.« Sie starrte Speaker an, als hätte die Akarak den Verstand verloren. »Sie wissen schon, dass wir die Harmagianer aufgehalten haben, oder? Damals? Sie wissen schon, dass Sie nur uns Ihre Freiheit verdanken, nicht wahr?«
Jetzt reichte es. Der letzte Damm in Speaker brach, und es gab keine Möglichkeit, ihn zu flicken. »Wie können Sie es wagen«, sagte sie.
»Speaker …«, unterbrach Roveg sie.
»Nein«, sagte Speaker. Ihre Stimme zitterte, aber sie konnte nichts dagegen tun. »Nein. Wie können Sie es wagen, verdammt. Sie glauben, ich rede über die Vergangenheit. Sie glauben, ich rede über etwas, das vorbei ist. Sie glauben, weil Sie Ihre Abkommen und Verträge und Ihre verdammten Lizenzen haben, können Sie die gleiche Scheiße immer wieder abziehen, mit reinem Gewissen. O ja, das ist ja alles so zivilisiert .« Sie hörte, wie die Worte aus ihr heraussprudelten, und hatte Angst – Angst vor dem, was diese zornige Alien tun würde, Angst, in Schwierigkeiten zu geraten, Angst vor all den unangenehmen Situationen, die zu meiden sie sich ihr Leben lang eingebläut hatte. Aber Sterne, es fühlte sich gut an, einfach zu sagen, was sie sagen wollte, und sie hatte nicht vor, dieses Fass wieder zuzunageln, nicht jetzt. »Dass auf einem Planeten niemand lebt, bedeutet nicht, dass Sie ihn sich einfach nehmen dürfen. Begreifen Sie denn nicht, wie gefährlich diese Denkweise ist? Glauben Sie nicht, dass es unweigerlich böse ausgeht, wenn man so tut, als könnte man die Galaxis ohne Ende ausbeuten? Sie glauben, Sie hätten den Zyklus durchbrochen. Aber das stimmt nicht. Sie befinden sich derzeit in einem weniger gewalttätigen Abschnitt von exakt diesem Zyklus, ohne es zu merken. Und die Grenze von dem, was Sie für ein berechtigtes Anliegen halten, wird sich immer weiter verschieben, bis Sie wieder genau dort ankommen, wo Sie angefangen haben. Sie haben gar nichts in Ordnung gebracht. Sie haben einem Konzept, das von Anfang an von Grund auf falsch war, einen Stempel und eine Genehmigung und einen hübschen Anstrich verpasst. Sie haben Diebstahl begangen, verdammt nochmal, und ihn als Fortschritt verkauft, und ganz gleich, um wie viel besser Sie es Ihrer Meinung nach gemacht haben, ganz gleich, wie gut Ihre Absichten waren, das wird immer die Kernessenz der GU bleiben. Sie können das, was Sie tun, nicht davon trennen. Niemals.«
»Ja und?«, fragte Captain Tem. »Sollen wir etwa unsere Sachen packen und in unsere Heimatwelt zurückfliegen? Na, wenn das mal keine fragwürdige Idee ist. Keinerlei Kontakte mehr, niemand lernt mehr voneinander. Jede Spezies bleibt für sich.«
»Das meine ich nicht.«
»Was meinen Sie dann?«
»Ich meine, dass Sie nicht mehr expandieren sollen, dass Sie nicht mehr irgendwo auftauchen sollen, wo man Sie nicht eingeladen hat, und die Galaxie nicht mehr wie ein Gratisbuffet behandeln sollen. Sie haben genug expandiert. Sie sind nicht mehr in einer Notlage. Es gibt keinen Grund, weiterzumachen. Es kann nur böse enden.«
Die seitlichen Augenlider der Äluonerin zuckten. »Sie reden von Dingen, die Sie nicht verstehen.«
»Wenn das stimmt, dann gilt es auch für Sie. Und dass Sie sich dessen nicht bewusst sind, ist der Grund, weshalb ich Sie nicht mag, Captain Tem.« Speaker atmete ein, richtete sich auf und lockerte die Fäuste. Sie sah Roveg an, der, so hoffte sie, immer noch ihr Freund war. »Es tut mir leid, dass wir Ihnen den Nachmittag verdorben haben«, sagte sie zu ihm. Sie drückte ein paar Knöpfe und drehte ihren Anzug um, um zu gehen.
Und stand Ouloo und Tupo gegenüber, beide mit einem Kuchentablett in den Pfoten.